Auxilius und Vulgarius. Quellen und Forschungen zur Geschichte des Papstthums im Anfänge des zehnten Jahrhunderts

Ernst Dümmler

 

I. PAPST FORMOSUS UND DIE AUF IHN BEZÜGLICHEN SYNODEN.

 

 

Zu den schwärzesten Abschnitten in der Geschichte der Nachfolger Petri zählt man mit Recht den Anfang des zehnten Jahrhunderts, als einen der Zeiträume, in denen die Vermessenheit besonders deutlich hervortrat, die darin lag, einem einzelnen Menschen gleichsam göttliche Autorität und Unfehlbarkeit zuzuschreiben. Die Heillosigkeit der römischen Zustände in dieser Periode, das Getriebe roher Leidenschaften um den apostolischen Stuhl würde uns allerdings vielleicht nicht ganz so grell und mindestens verständlicher erscheinen, wenn nicht für einige Jahrzehnte die Geschiehtschreibung ihren Griffel fast gänzlich niedergelegt hätte. Unter den dräuenden Gefahren von aussen, der allgemeinen Auflösung im Innern verstummte in diesen Tagen in Italien sowohl wie in Frankreich und Deutschland jede gleichzeitige zusammenhängende Aufzeichnung der Ereignisse und am allerwenigsten mochte man in Rom an eine solche denken. [1] Da über das sittenlose Treiben daselbst unter Sergius III und seinen Nachfolgern erst viel später Liudprand ausführlichere Kunde gab, dem man Schmähsucht nicht ganz ohne Ursache vorwerfen konnte, so fiel es den Anwälten päpstlicher Heiligkeit nicht schwer, einige von den Flecken des sogenannten Hurenregimentes abzuwaschen, indem sie den Bischof von Cremona der Verleumdung ziehen

 

 

(1) Mit Stephan VI († 891) schliesst der liber pontificalis, in welchem jedoch vorher schon drei Päpste fehlen. Der Bibliothekar Anastasius und der Diakonus Johannes, der auf den Wunsch Johanns VIII das Leben Gregors des Gr. beschrieb, sind für lange Zeit die letzten Schriftsteller, die sich in Rom der Geschichtschreibung widmeten: ihnen folgte eine tiefe literarische Verfinsterung und Barbarei.

 

 

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Unsere Aufgabe ist es nicht, hier auf die Haltbarkeit ihrer Entlastungsbeweise näher einzugehen, die, wenn sie auch in dem Gemälde Liudprands manche unrichtige Linie aufgezeigt haben mögen, doch die Wahrheit seiner Färbung im Ganzen mussten bestehen lassen, vielmehr haben wir es mit Thatsachen zu thun, die einem andern Gebiete angehörig, dennoch nicht minder als jene Ausschweifungen uns in einen Abgrund der ärgsten sittlichen Verwilderung blicken lassen, ich meine den langwierigen Streit um die Rechtmässigkeit des Papstes Formosus und die Giltigkeit der von ihm ertheilten Weihen, für welchen aus neuen Quellen geschöpft werden soll. Nicht Ueberlieferungen von zweideutigem Werthe, nur wohlbeglaubigte Zeugnisse sind es, worauf unsere Kenntnis dieser Vorgänge gründet.

 

Formosus, der ebenso wie Hatto von Mainz und andere hervorragende Männer seiner Zeit unter den Mitlebenden leider keinen Geschichtschreiber gefunden hat, gehört durch die wunderbaren Wechselfälle, die sein Leben darbot, sowie durch den seltenen Unstern, der über seinen Thaten und seinem Andenken waltete, unzweifelhaft zu den merkwürdigsten Erscheinungen des ausgehenden neunten Jahrhunderts. Geboren [1] um das Jahr 816 folgte er durch die Bestimmung des grossen Papstes Nikolaus wahrscheinlich 861 dem unwürdigen, wegen seiner Käuflichkeit abgesetzten Bischof Rhadoald von Porto im Amte nach. [2] Als zwei Jahre später der Bulgarenfürst Bogoris oder Michael, selbst bereits getauft, für sein Volk sich Missionäre vom römischen Stuhle ausbat, wurde mit dieser wichtigen Sendung Formosus nebst dem Bischöfe von Populonia betraut. [3] Die reichen Früchte, welche die Predigt der beiden Glaubensboten in kurzer Zeit trug, riefen einerseits einen erbitterten Angriff des griechischen Patriarchen Photius gegen sie und ihre Kirche hervor, auf der andern Seite wurde in Bogoris dadurch der lebhafte Wunsch erweckt,

 

 

(1) Nach Eugenius Vulgarius war er bei seinem Tode (896) ein octogenarius (Mabillon anal. vet. p. 30). Auf römische Abkunft weist besonders die Invectiva hin (p. LXX): patronum tuum Formosum papam in tuo ab ipsis cunabulis educatum gremio; quem ab infantia lacte nutristi, cibo solido pauisti, litteris imbuisti etc.

 

(2) Die Absetzung Rhadoalds erfolgte 863 s. Koepke de vita et scriptis Liudprandi p. 77 n. 3, Diimmler Gesch. des Ostfränk. Reiches I, 510, 512. Invect. in Rom. p. LXXII: Nicolaus consecrauit Formosum ad episcopum sciens eum doctorem egregium.

 

(3) Eb.: Vita Nicolai, Hadriani p. 421, 426 ed. Bianchini, Anastasii praefatio in synod. octavam (Mansi coli. conc. XVI, 11), Flodoard. de Rom. pontific. Muratori scr. rer. It IIIb, 317) vgl. meine Ostfränk. Gesch. I, 631 flg.

 

 

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Formosus als Erzbischof dauernd an die Spitze der bulgarischen Christenheit gestellt zu sehen. [1] Nach der Behauptung der Gegner soll Formosus aus Ehrsucht den Fürsten mit den furchtbarsten Schwüren verpflichtet haben, Niemand anders denn ihn zum Metropoliten seines Volkes anzunehmen. Wie dem auch sein mag, die Versagung jenes Antrages durch Nikolaus, der es für unerlaubt erklärte, dass ein Bischof die ihm anvertraute Herde verliesse, [2] scheint zu dem Abfalle Michaels von der römischen zur griechischen Kirche einigermassen mitgewirkt zu haben.

 

Zunächst erwuchs Formosus aus seinem Auftreten in Bulgarien jedenfalls kein Vorwurf, vielmehr der höchste Ruhm, [3] denn er genoss unter Hadrian II des gleichen Vertrauens, wie unter dessen Vorgänger: von seiner Missionsreise kürzlich erst heimgekehrt, weihte er bei Anwesenheit des Philosophen Konstantin, der gleich ihm die christliche Lehre im Osten verbreitet hatte, mehrere von dessen slavischen Gefährten in Gemeinschaft mit dem Bischöfe von Velletri zu Priestern. [4] Im J. 869 sollte er mit einem andern Bischöfe in der Angelegenheit Lothars II als Legat nach Gallien gehen, als der plötzliche Tod des Königs diese Sendung überflüssig machte. [5] Mit Gauderich von Velletri wirkte er sodann im Mai 872 zu Trient als päpstlicher Bevollmächtigter bei den wichtigen Unterhandlungen zwischen Ludwig dem Deutschen und der Kaiserin Engelberga über die italienische Thronfolge mit. [6] Dieselbe Stellung wie bisher nahm Formosus auch im Anfänge der Regierung Johanns VIII ein, der ihn nach einer allerdings unsicheren Nachricht im J. 875 sogar in das westfränkische Reich entsandt haben soll, um Karl den Kahlen nach Rom einzuladen. [7]

 

 

(1) Eb. I, 636, 695.

 

(2) Vita Nicolai p. 422 ed. Biancbini: quia ipsum Formosum plebem dimittere sibi creditam non oporteret episcopum. Auch Michaels zweiter Antrag, der auf den Diakonus Marinus (den späteren Papst) gerichtet war, wurde abgeschlagen.

 

(3) Invect. in Rom. p. LXX: ad paganissimam praedicandam gentem misisti, remeantem quoque gaudio suscepisti; p. LXXII: ad moenia tua cum crucis est triumpho reuersus.

 

(4) Vita S. Constantini c. 17: Post haec iussit papa duos episcopos Firmosum et Goidricum sanctificare solemniter discipulos Slovenicos et quando consecrati sunt etc. vgl. Ostfr. Gesch. I, 700.

 

(5) Formosus wohnte der rüm. Synode Anf. Juni 869 bei (Mansi XVI, 125), Hincmari ann. 869 (Scr. I, 482).

 

(6) Leg. I, 518; Ostfr. Gesch. I, 778.

 

(7) Synod. Pontigon. c. 1 (Leg. I, 534):

 

Obeunte Hludouuico.. domnus Johannes ter beatissimus papa per Gadericum Veliternensem, Formosum Portuensem, Iohannem Aretinum uenerabiles episcopos domnum Karolum . . inuitauit.

 

Diese Angabe, die nur in den nicht authentischen Kapiteln Odos von Beauvais enthalten ist, habe ich früher gelten lassen (Ostfränk. Gesch. I, 824, II, 28), indessen scheint mir jetzt doch die Annahme Richters (De triplici Formosi damnatione p. 4 n. 10), dass hier die Sendung Hadrians im J. 872 und die Johanns von 875 (Johann v. Arezzo) ungenau unter des letzteren Namen zusammengefasst werden, keineswegs unwahrscheinlich, zumal da Gauderich beide male genannt wird.

 

 

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Gleich darauf trat jedoch die entscheidende Wendung seiner Geschicke, der Umschwung seines bisherigen Glückes ein.

 

Zu Weihnachten 875 hatte Johann die Krönung seines Schützlings Karl zum römischen Kaiser vollzogen, am 19. April 876 verhängte er auf einer Synode in der Kirche S. Maria ad Martyres nach wiederholten Vorladungen Amtsentsetzung und Exkommunikation über den Bischof Formosus und seine Mitschuldigen, mehrere Männer aus dem vornehmsten Kreise Roms, indem er jenem für seine reuige Unterwerfung eine letzte Frist bis zum 9. Mai gewährte. [1] Die Verurtheilten hatten bereits alle vor dem ergrimmten Papste, von dem sie sich des Schlimmsten versahen, die Flucht ergriffen und heimlich die Stadt verlassen. Abgesehen von einer Reihe schändlicher Verbrechen, die Johann nur den Genossen des Formosus vorwarf, lag der Kern seiner Beschuldigungen gegen diesen darin f dass er in Rom eine förmliche Verschwörung gegen Kaiser und Papst zum Zwecke seiner eigenen Einsetzung auf den päpstlichen Stuhl angezettelt habe, wie er ihm auch vorher schon Umtriebe gegen Karl den Kahlen Schuld gab. Ueber die Richtigkeit dieser Anklagen, welche durch keine unparteiische Untersuchung erhärtet wurden, lässt sich ein sicheres Urtheil nicht mehr gewinnen. Befremdlich sind die Beschuldigungen Johanns in hohem Masse dem Lobe gegenüber, welches sonst der Frömmigkeit und Sittenstrenge des Bischofs Formosus ertheilt wird: [2] ein Mann wie Hinkmar von Reims bewarb sich in Ausdrücken der grössten Hochachtung sowohl um seine Freundschaft [3] wie um die seines Mitschuldigen,

 

 

(1) Schreiben Johanns an die frank. Bischöfe vom 21. Apr. 876 (Mansi XVII, 236, J. 2270) vgl. Ostfr. Gesch. II, 27. Von der Benutzung der von Richter herausgegebenen Synodalakten sehe ich jetzt ab, weil ich sie für sehr zweifelhaft halte; s. unter der Beschreibung der Handschrift.

 

(2) V. Nicolai p. 421: Paulum . . et Formosum Portuensem magnae sanctitatis episcopos; Formosum uita et moribus episcopum, viele Lobsprüche enthalten die Streitschriften.

 

(3) Flodoard. hist. Rem. eccl. 1. III c. 21: Formoso sedis eiusdem religioso episcopo collaudans eius, quam audierat, sanctitatis et scientiae famam quaerensque ipsius habere familiaritatem . . Item postquam literas suas idem Formosus ei remiserat, in quibus de caritate erga eum signilicauerat, intimat, quia magnam in ipso haberet fiduciam.

 

 

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des Nomenklators Gregor. [1] Auch fand Formosus, als er sich fliehend in das westfränkisclie Reich begeben, [2] bei einem der ausgezeichnetsten Männer desselben, dem mächtigen Abte Hugo von Tours, bereitwillige Aufnahme. Der Verdacht liegt immerhin nahe, dass der Papst ihn nur als seinen persönlichen Gegner ansali und die angeblichen Ränke wider die Herrschaft Karls lediglich deshalb hinzusetzte, um in dem Kaiser ein näheres Interesse an der Sache zu erwecken. [3] Scheint doch auch der Vorwurf einer verrätherischen Verbindung mit den Saracenen nur darauf zu beruhen, dass die Verschworenen bei ihrer Flucht aus Rom fahrlässig ein Thor geöffnet liessen, welches jenen den Eingang verstattet hätte.

 

Nachdem auch die westfränkische Synode von Ponthion, im Juli 876 auf Verlangen des Papstes die in Rom gefällte Sentenz bestätigt hatte, [4] wurde an Stelle des abgesetzten Formosus Walbert, ein Günstling Johanns, zum Bischof von Porto geweiht. [5] Zum drittenmale wiederholte die Synode, die der Papst in eigener Person im August 878 zu Troyes eröffnete, den in Rom gegen Formosus geschleuderten Bannfluch. [6] Hier endlich stellte sich der verbannte Bischof,

 

 

(1) Eb. IIIc. 21, 24. . unde et petit, ut isdem Gregorius se inter fideles amicos suos tenere dignetur, vgl. ein früheres Schreiben Johanns an den Kaiser Ludwig II (Mansi XVII, 242, J. 2249): Gregorio dilecto filio nomenclatore misso et apocrisiario sanctae sedis nostrae cum Gregorio (corr. Georgio) illustri magistro militum ac uestiario sacri nostri patriarchii. Wenn Auxilius (in def. Form. I c. 4) Georg durch den Beinamen de Auentino auszeichnet, so erinnert dies an den Gregorium de Abentinum, welchen später P. Hadrian III blenden liess (Chronica S. Benedicti. Scr. III, 199).

 

(2) Schreiben Johanns an Hugo (Mansi XVII, 223, J. 2397): inter haec ab omni te consortio Formosi anathematizati optamus, fili carissime, separare.

 

(3) Wie weit Formosus an den Vergehen der übrigen, zumal ihren Beraubungen Antheil gehabt, lässt der päpstliche Brief im Unklaren. Dass seine Gesinnungen sich, wie u. a. Gregorovius (Gesch. der Stadt Rom III, 193) meint, zur deutschen Partei neigten, bleibt sehr zweifelhaft, zumal da er doch gerade in Westfrancien eine Zuflucht suchte.

 

(4) Hincmari ann. S76, Capitula ab Odone propos. c. 8 (Scr. I, 500. Leg. I, 535).

 

(5) Zuerst am 14. Dez. 876, dann am 15. März 877 bediente sich Johann seiner zu wichtigen Sendungen (J. 2302, 2311), sowie später in der Kanzlei (Jaffé reg. pont. p. 261).

 

(6) Hincmari ann. 878 (Scr. I, 506), Mansi XVII, 347, 349:

 

et quia non desinunt inquietare aures regum ac pidncipum et malis prioribus iuncti cum praedonibus et subuersoribus ecclesiarum noua et recentia mala addere quotidie student insolubiliter uinculo perpetuo . . damnamus.

 

 

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dessen Nachfolger Walbert an eben dieser Versammlung theilnahm [1] und gegen ihn schürte, vor dem erzürnten Papste, um durch die tiefste Demütigung und völliges Eingeständnis seiner Schuld Begnadigung zu erlangen. Nur eine sehr unvollkommene trug er davon, denn er wurde zwar in den Schoss der Kirche wieder aufgenommen, doch als Laie unter Einbusse seiner geistlichen Würde, ferner musste er sich mit den feierlichsten Schwüren verpflichten, nie wieder, auch nur des Gebetes halber, nach Rom zu gehen, noch jemals Einsetzung in sein früheres Amt anzustreben. [2] Diese Härte beweist, dass der Papst in ihm, schwerlich ganz ohne Grund, einen gefährlichen Nebenbuhler fürchtete. In der That finden wir Formosus in Johanns Todesjahre (882) noch immer als Verbannten in Sens, wo er das Nonnenkloster der h. Columba mit römischen Reliquien beschenkte. [3]

 

Unter Marinus, Johanns Nachfolger, der von dem Bisthum Gäre in einer nach den bisher geltenden Anschauungen ungesetzlichen Weise zum päpstlichen Stuhle übergegangen war, [4] änderte sich das Loos des Formosus vollständig: er wurde nach Rom zurückgerufen, von seinem erzwungenen Eide losgesprochen und an Stelle Walberts 883 oder 884 in seine frühere Würde wieder eingesetzt. [5] Als Bischof von Porto weihte er im Sommer 885 den neuerwählten Papst Stephan VI [6], um nach dessen Tode im September 891 den apostolischen Stuhl endlich selbst zu besteigen.

 

 

(1) Mansi XVII, 342, 356, app. 188.

 

(2) Diesen Eidschwur erwähnt Auxilius mehrmals in def. Form. I c. 4, Inf. et Def. c. 20, 32.

 

(3) Ann. S. Columbae Senonens. 882 (Scr. I, 103): II Non. Iul. susceptae sunt reliquiae ualde pretiosissimae in basilica S. Columbae uirginis . . attulit uero easdem reliquias Roma ueniens quidam ciuis eiusdem urbis Formosus nomine episcopus Portuensis ecclesiae. Dem Kloster der h. Columba stand damals Welfo, ein naher Verwandter Hugos, vor. Entstellt ist die Angabe der Annalen in der Hist. Francor. Senonens. (Scr. IX, 365).

 

(4) S. die Zeugnisse darüber in der Ostfränk. Gesch. II, 216; besonders die Invect. in Romam verbreitet sich ausführlich über diesen Punkt, den auch die beiden andern Schriften des Vulgarius hervorheben, Auxilius stützt sich nirgends darauf; s. weiter unten.

 

(5) Die Herstellung in allen Streitschriften erwähnt z. B. Invect. p. LXX: sed ad tempus receptus et in pristinum gradum, a quo destitutus (nescimus zelo, an noxa fuerit) restitutus; p. LXXII: postmodum liuoris coeno ab urbe tua repulsus, deinde . . a Marino papa receptus et restitutus. Walberts Name erscheint zum letztenmale 12. Juni 883 (J. 2615).

 

(6) Invect. in Rom. p. LXX: Stephano quoque papa Adriani filio, quem idem Formosus consecrauerat, uiam uniuersae terrae ingresso; p. LXXII: quem . . Formosus totius electione populi in sancta sede apostolica consecrauit; p. LXXIII: (Stephanus) a iamdicto Formoso in ordine uicis suae apostolicus consecratus est.

 

 

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Auch er also gieng, wie Marinus, von einem Bisthum zum andern über: nach heftigem Sträuben, wie einer seiner Anhänger [1] versichert, indem die römische Geistlichkeit und die Grossen ihn fast gewaltsam von dem Altare seiner Kirche rissen. Dass er in Rom noch einmal die Bischofsweihe empfieng, scheint eine Verleumdung der Gegner zu sein. [2]

 

In einem sehr ungünstigen Augenblicke gelangte Formosus auf den vielbegehrten Stuhl Petri. Das Ringen der Päpste, sich von der überwältigenden und drückenden Schirmherrschaft der fränkischen Kaiser zu befreien, hatte unter Nikolaus zu glänzendem Siege, zu einer fast schiedsrichterlichen Stellung über den Königen geführt. Da er zugleich die Selbständigkeit der gallischen Kirche brach, den anmassenden Patriarchen von Konstantinopel stürzte, so erscheint seine Regierung wie eine Vorahnung des höheren Aufschwunges, den die Hierarchie im eilften Jahrhundert nehmen sollte. Die Grundlage aber, auf der diese neue Machtstellung ruhte, war viel zu schwankend und unsicher, als dass dieselbe irgend von Bestand hätte sein können. Ein Papst, der zwischen den streifenden Muhammedanern auf der einen, dem gewalttätigen römischen Adel und den Herzogen von Spoleto auf der andern Seite oft nicht einmal Schutz und Sicherheit für seine Person fand, konnte unmöglich mächtigen Königen Befehle erteilen und in der sittlichen Verwilderung Italiens stumpften sich die geistlichen Waffen schnell genug ab. Schon Hadrian II tritt daher wohl mit den Ansprüchen, nicht aber mit den Erfolgen seines Vorgängers auf und Johann VIII, so klug, gewandt und rastlos er sich zeigt, versucht vergeblich der verhassten deutschen Linie den Weg zum Kaiserthrone zu versperren.

 

 

(1) Eb. p. LXX: quo renuente et contradicente et ad altare se conplicante per uim eum cum palla, qua altare opertum erat, exinde abstraxerunt; quem obstantem et nequaquam inuitatui tuo adquiescentem ui ab altaris crepidine .. retractum et euulsum .. in sublimissima apostolicae sedis arce inthronizasti: p.LXXI: principes, falanges et satrapae tui, uulgus et scolae tuae ad maximum usque ad minimum eum elegerunt, acclamauerunt, laudauerunt et adoraueruut.

 

(2) Auxilii inf. et def. c. 26: Formosus quando accessit, ut papa efficeretur, manus impositionem ita sibi tribui praecepit, ac si episcopus non esset; c. 27 (ed. Mabillon p. 49): Inf. Adhuc superstites sunt idonei testes, qui Formosum non rite inthronizatuin fuisse, sed in eodem ordine, quem habebat, iterum sibi manus impositionem tribui fecisse testificantur; Invect. p. LXXI: episcopi eum sacro Lateranensi ordine eum inthronizauerunt.

 

 

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Nicht minder muss er in Byzanz nachgeben, sein Leben endet durch Mord. Von ihm an aber unter seinen kurz regierenden Nachfolgern sinkt in gleichem Masse der politische Einfluss wie die geistige Bedeutung des päpstlichen Stuhles.

 

Die Lage der italischen Dinge versetzte bei der Auflösung des Frankenreiches den Papst in nothgedrungene Abhängigkeit von den in Roms Nachbarschaft mächtigen spoletinischen Herzogen: Stephan VI musste Wido mit der Kaiserkrone schmücken. Desgleichen sah Formosus sich genöthigt, dessen Sohn Lambert als Mitregenten des Vaters zu krönen, so sehr auch seine Wünsche auf Herbeiziehung eines fränkischen Herrschers gerichtet waren, um unter dessen schirmender Hand die Würde und Unabhängigkeit seines Sitzes wiederherzustellen. Endlich im J. 896 folgte Arnolf seiner wiederholten Einladung bis nach Rom und empfieng von ihm die Krone, während Lambert sie noch trug. [1] Kurze Zeit aber, nachdem Formosus diesen alten Lieblingsplan verwirklicht, wurde er selbst vom Tode hingerafft (4. April 896).

 

Formosus Wandel wird uns als ein durchaus reiner und keuscher geschildert, als ein Muster und Vorbild der Sittenstrenge bis in das höchste Alter. [2] Seine Verdienste um die Erhaltung und Ausschmückung der römischen Kirchen, namentlich St. Peters, werden gerühmt. [3] Seine persönliche Würdigkeit also, zumal im Vergleiche mit manchen seiner Nachfolger unterliegt keinem Zweifel, wie es auch feststeht, dass er während seiner Regierung volle und ungetheilte Anerkennung fand. [4]

 

 

(1) Dass die Krönung Arnolfs im Februar stattfand und dass mithin der von den Ann. Fuld. 896 als Todestag des Formosus namhaft gemachte 4. Apr. Anspruch auf Glaubwürdigkeit hat, habe ich in meiner Ostfränk. Gesch. II, 677 zu erweisen versucht.

 

(2) Von späteren Zeugen sagt Flodoard (de Roman. pontificib., Muratori scr. IIIb, 317): praesul hic egregius Formosus laudibus altis | euehitur, castus, parcus sibi, largus egenis etc., Liudprand (antap. I c. 29): quaedam pars non infima Formosum. . pro uera religione diuinarumque doctrinarum scientia papam sibi fieri anhelabat, vgl. c. 31. Voll des Lobes sind die Streitschriften, s. die Invect. p. LXX: clerum et populum tuum mira moderatione gubernauit; p. LXXII: uir sanctus et iustus atque catholicus; populi acclamatu propter bonorum incrementa morum ad summum pontificatus culmen fauorabiliter est prouectus, im übrigen vgl. Aux. in def. Form. I c. 10, Vulgar. in def. Form.p. 30, de causa Form. c. 11.

 

(3) Invect. p. LXX: qui in apostolica sede positus multa tibi bona contulit, ecclesias reaedificauit, exstruxit, aedificauit, compsit et ornauit; Benedicti chron. c. 29 (Scr. III, 714): renouauit Formosus papa aecclesia principis apostolorum Petri picture tota.

 

(4) Was Liudprand (1.1 c. 29) von einem Partei kämpfe bei der Wahl des Formosus berichtel, beruht auf Verwechselung mit späteren Vorfällen, die Worte Flodoards dagegen: tolerans discrimina plurima, promptus | exemplum tribuens, ut sint aduersa ferenda | et bene uiuenti metuenda incommoda nulla, scheinen mir auf die früheren Verfolgungen des F. zu gehen. Wir dürfen daher den Versicherungen der Streitschriften von der einhelligen Wahl und allgemeinen Geltung des F. glauben, z. B. Invect. p. LXX: cum uesillo canticisque et hymnis praeconiisque et laudibus.. inthronizasti, fouisti, adorasti, iurasti, cuique benedixit, benedixisti, et cui maledixit maledixisti.

 

 

9

 

Ohne grosse Zweideutigkeit freilich vermochte er sich zwischen den Deutschen und Spoletinern wohl nicht zu behaupten: die gleichzeitige Krönung zweier Kaiser durch seine Hand erscheint wie ein Vorspiel der unheilvollen Spaltungen, welche gleich darauf das Papstihum heimsuchten. Der grösste Vorwurf, der Formosus Andenken trifft, ist jedoch der eines unlauteren Ehrgeizes: [1] seine dem Herkommen zuwiderlaufende Wahl auf den päpstlichen Stuhl gereicht den Anklagen Johanns VIII theilweise zur Bekräftigung und wenn er sich von seinen Wählern wie mit Gewalt zur Weihe schleppen liess, so war dies doch wohl Komödie.

 

Mit dem Ausgange des Formosus hebt ein neuer Abschnitt in der Entwickelung des Papstthums an. Indem die kaiserliche Einwirkung auf die Erhebung der Nachfolger Petri gänzlich fortfiel, ward der päpstliche Stuhl der Preis erbitterter, oft blutiger Parteikämpfe. Nicht um Prinzipien, nur um die Interessen nebenbuhlerischer Familien handelte es sich in diesen Streitigkeiten, in denen lediglich List oder Gewalt den Ausschlag gab. Von fremden Mächten hatten hiebei nur die benachbarten italienischen Fürsten gelegentlich die Hände im Spiele. Diese unleidlichen Zustände, die eine völlige Verweltlichung des Papstthums zur nothwendigen Folge hatten, dauern im Grunde von dem Tode des Formosus bis auf das zwar willkürliche aber heilbringende Eingreifen Ottos des Grossen und füllen genau den Zeitraum, da die deutschen Könige sich von Italien gänzlich fernhielten. Die Abwesenheit der kaiserlichen Bevollmächtigten von der Wahl bezeichnete schon Johann IX ausdrücklich als Quelle der eingerissenen Unordnungen. [2]

 

 

(1) Massvoll urtheilt Auxilius (Inf. et Def. c. 22 p. 47): Utrumnam humanae laudis cupidus apostolicum thronum conscenderit, incertum est ideoque solius dei iudicio relinquendum est; attamen uniuersa Romana ciuitas et omnes circumpositae regiones praecipuae sanctitatis eum fuisse commemorant, exceptis admodum paucis.

 

(2) Concil. Roman, c. 10 (Mansi XVIII, 225): Quia sancta Romana ecclesia . . plurimas patitur uiolentias pontifice obeunte, quae ob hoc inferuntur, quia absque imperatoris notitia et suorum legatorum praesentia, pontificis fit consecratio nec canonico ritu et consuetudine ab imperatore directi intersunt nuntii, qui uiolentiam et scandala in eius consecratione non permittant fieri, uolumus etc. Unter Karl III erscheint zuletzt ein kaiserlicher Bevollmächtigter in Rom (Ostfränk. Gesch. II, 248, 250).

 

 

10

 

Schon die Wahl des Papstes Bonifacius VI, der durch eine Volksbewegung erhoben nur fünfzehn Tage regierte, war eine bestrittene und ungesetzliche, weil er früher durch Synodalbeschluss der Priesterwürde entkleidet worden. [1] In Stephan folgte ein leidenschaftlicher Gegner des Formosus : von diesem geweiht soll er zuvor fünf Jahre lang Bischof von Anagni gewesen sein. [2] Nachdem in Italien jede Scheu vor dem schwer erkrankten Kaiser Arnolf geschwunden war und sein Nebenbuhler Lambert zu Anfang des Jahres 897 wiederum seinen Einzug in Rom gehalten hatte, versammelte der Papst unter seinem Schutze, etwa im Februar, [3] eine Synode der römischen Geistlichkeit zu dem Zwecke, die mehr als fünfjährige Regierung seines Vorgängers rechtlich gleichsam auszulöschen. Durch ein unwürdiges und abscheuliches Possenspiel, dessen gleichen die Geschichte Roms nicht zum zweitenmale aufzuweisen hat, wollte Stephan sein Strafgericht mit Grauen umgeben. Die Leiche des Formosus wurde dem Grabe, in welchem sie ohngefähr neun Monate geruht, in halbverwestem Zustande [4] entlassen und im vollen päpstlichen Ornate Angesichts der Synode auf einen Sessel gesetzt, während ein Diakonus für den auf ewig verstummten Mund die Handlungen des Verstorbenen gegen drei von dem Papste bestellte Ankläger verteidigen sollte. [5] Das Urtheil stand von vornherein fest: von denselben Bischöfen und Priestern,

 

 

(1)

Ann. Alamann. 896, Fuldens. 896, Flodoard. de Rom. pont. (1.1. p. 318);

Concil. Rom. c. 3 (Cod. Bamb. f. 102): sed neque de gradu ecclesiastico synodice eiectum et non canonice restitutum ad altiora prouehere nullus praesumat, prout de Bonifacio primum de subdiaconatu, postmodum de presbiteiatu deposito popularis manus agere presumpsit.

 

(2) Dies meldet nur Auxilius in defens. Form. papae append.

 

(3) Die Ann. Alamann. und Fuld. setzen das Todtengericht noch in das J. 896, womit Herimann. Aug. chron. (Scr. V, 111) übereinstimmt, der F. VIII post obitum mense ausgegraben werden lässt, nach der Invect. aber geschah es erst nach Ablauf von 9 Monaten, nach der chron. S. Bened. (Scr. III, 204) sogar erst nach 11.

 

(4) Die Invect. nennt die Leiche marcidum et paene in puluere redactum (p. LXX), die chron. S Bened. dagegen rühmt ihre Unversehrtheit, womit Auxilius übereinstimmt (in def. Form. I c. 10).

 

(5)

Ann. Alam. 896: diaconum pro eo constituit ad respondendum;

Herim. Aug. 896: loquente pro eo diacono criminatum et quasi conuictum;

Ann. Fuld. 896: per aduocatum suae responsionis depositum.

Ueber die Ankläger s. das Concil. Roman. (Mansi XVIII, 221): cumque uenisset, ubi Paschalis, Petrus et Syluester contra Formosum dixerunt accusationem periurii et laicae communionis etc.

 

 

11

 

die mit Formosus während seines Pontifikates Gemeinschaft gehalten, ward er jetzt abgesetzt, weil er von einem Bisthum aus Ehrgeiz zu einem andern übergegangen sei. Man entkleidete hierauf die Leiche, ungerührt durch die Klagen und Fürbitten der Volksmenge, des kohenpriesterlichen Gewandes und zog ihr Laienkleider an, auch wurden die zwei Finger der rechten Hand abgehackt, mit denen der Verstorbene den Segen gespendet. [1] Alle von ihm ertheilten Weihen wurden für null und nichtig erklärt. [2] Den an den Füssen aus der Kirche geschleiften Leichnam liess der Papst anfänglich [3] auf dem Friedhofe der fremden Pilger begraben, sodann aber, wahrscheinlich um die Verehrung der Grabstätte zu verhindern, in die Tiber werfen.

 

So endete diese schaudervolle Synode, [4] deren Mitglieder später sämtlich ihre Theilnahme entweder leugneten oder für erzwungen ausgaben. „Wenn der römische Bischof, so schreibt später ein Verteidiger des Formosus, lebend von Niemand gerichtet wird, sollte er nach seinem Tode von Jemand gerichtet werden? Wenn er gefragt wurde, was konnte er erwiedern?

 

 

(1)

Ann. Alam. 896: apostolicam exuit uestem;

Liudprand. ant. I c. 30: sacratis mox exutum uestimentis digitisque tribus abscisis, ausführlicher

Auxil. inf. et def. c. 30 (p. 50): ibique eum pristinis uestibus denudantes laico amictu uelauerunt et ferro duobus dextrae digitis amputatis; in def. Form. I c. 10.

 

(2)

Chron. S. Bened. 1.1.: irritas faciens cunctas ipsius ordinationes;

Auxilii inf. et def. c. 4 (p. 43): quod autem papa Stephanus Formosum post eius obitum deposuerit et quod neminem ex bis, quos idem Formosus ordinauerat, secum in ecclesia uestiri permiserit, plurimi recolunt;

Conc. Rom. c. 4: qui ab eodem uenerando papa Formoso canonice consecrati et per quorundam libitum temere deiecti sunt.

 

(3)

Ann. Fuld. 896: foras extra solitum sepulturae apostolicis locum sepeliri praecepit, dagegen

Ann. Laubac. 896: fecit papam per basilicam trahere atque in flumen proiicere;

Herim. Aug. 896: per crura de ecclesia protractum in Tiberim proiici praecepit;

Invect. in Rom. p. LXXI: in Tiberimque proiecisti;

Liudpr. ant. I c. 30: in Tiberim iactare praecepit.

Die Vermittelung dieser beiden Angaben enthält Auxilius inf. et def. c. 30: in quodam peregrinorum tumulo sepelierunt nec multo post in Tiberinum fluuium praecipitarunt; in def. Form. I c. 10. Da das letztere hiernach auch auf Befehl Stephans geschah, so trifft c. 9 des Concil. Rom. (Uiolatores namque seu corruptores sacri tumuli eiusdem domni Formosi papae, qui sub foedere conspirationis ad capiendum thesaurum corpus illius trahentes in fluuium Tiberim iactare non timuerunt etc.) höchstens die Werkzeuge.

 

(4)

Conc. Rom. (Mansi XVIII, 222): illi horrendae synodo Romae;

Invect. p. LXX: horribili congregata synodo; illa horrenda congregatio;

Ann. Fuld. 896: Stephanus, uir fama infamandus.

Das Todtengericht jst das letzte römische Ereignis, das für lange Zeit die gleichzeitigen deutschen Annalisten melden.

 

 

12

 

Wenn er geantwortet hätte, so würde jene ganze Versammlung des Entsetzens, zitternd vor Furcht, auseinander gerissen, ihren Platz geräumt haben und einer nach dem andern wäre hinausgegangen und der Herr hätte zu ihm gesagt: Formosus, wer hat dich verdammt ? Darauf jener: Niemand, Herr. Und der Herr hinwieder: So will auch ich dich nicht verdammen.“ Man erzählte sich, dass aus dem Munde des Halbverwesten frisches Blut geflossen sei [1] und zur Steigerung des allgemeinen Schreckens war kurz zuvor auch die ehrwürdige Laterankirche des Kaisers Konstantin aus Altersschwäche zusammengestürzt. [2] So erhob sich denn im Juli 897 wider den unmenschlichen Papst eine Empörung der unterdrückten Gegenpartei, er wurde in den Kerker geworfen und dort erwürgt. [3]

 

Von Stephans unmittelbarem Nachfolger Romanus ist durchaus nichts Näheres bekannt, Theodor II dagegen, der gegen Ende des Jahres 897 den päpstlichen Stuhl bestieg, suchte in seiner nur zwanzigtägigen Regierung das begangene Unrecht zu sühnen. Die von dem Strome angespülten und auf wunderbare Weise wieder aufgefundenen Reste des Formosus wurden ehrenvoll bestattet [4] und die Weihen desselben auf einer Synode für gütig erklärt: die Verzichturkunden, die die von ihm geweihten Geistlichen unter Stephan hatten ausstellen müssen, liess der Papst sämtlich verbrennen. [5]

 

Abermals erfolgte jetzt ein Umschwung: Sergius, ein Gesinnungsgenosse Stephans, bemächtigte sich der päpstlichen Würde, doch nur um nach wenigen Monaten wieder vertrieben zu werden und

 

 

(1)

Ann. Laubac. 896: et ex ore eius cruor per pauimenta fluebat;

Chron. S. Eened. : dum huc illucque iactaretur etiam sanguis exiit tanto iam tempore elapso.

 

(2)

Ann. Alam. 896 : basilica in Lateranis maiori parte cecidit et postea das Todtengericlit;

Concil. Ravenn. c. 10 (Leg. I, 564): cum ecclesiam domini saluatoris, quae Constantiniana uocatur, destructam cerneremus.

 

(3) Epitaph. Stephani (Vitae pontif. Rom. ed. Watterich I, 85), Flodoard. de Rom. pontif. 1.1. p. 320, Herimann. Aug. 896: diuinis per merita eius miraculis territi ciues Romani non multo post Stephanum digne cruciatum eiecerunt.

 

(4) Liudprand (ant. I c. 31): dum a piscatoribus postmodum esset inuentus, Genaueres jetzt bei Auxilius in def. Form. I c. 11, vgl. ferner inf. et def. c. 4 (p. 43): eos namque quos Stephanus secum in ecclesia uestiri prohibuit, papa Theodorus, qui utique de Formosi ordinatione non fuit et uestiri et suum agere officium praecepit eiusque corpusculum, quod pertinaciter eiectum fuerat cum exultatione ad apostolicam tumbam reduxit; Conc. Rom. (Mansi XVIII, 2211: ut legatur synodus acta a Theodoro papa; Flodoard. de Rom.pont.

 

(5) In defens. Form. pap. app.

 

 

13

 

Johann IX zu weichen, der, von Formosus zum Priester geweiht, [1] mit der grössten Entschiedenheit in die Bahnen Theodors einlenkte. [2] Die gleichfalls sehr kurze Regierung dieses Papstes ist durch den löblichen und bemerkenswerthen Versuch ausgezeichnet, der wüsten Unordnung und Verworrenheit, die in Rom herrschten, durch gesetzliche Verfügungen in möglichst bindender und feierlicher Form ein für allemal ein Ende zu machen. Zuerst auf einer Synode in der Peterskirche, [3] dann auf einer viel stattlicheren Versammlung in Ravenna, die von Bischöfen [4] aus allen Theilen Italiens besucht war, wurde der an der Leiche des Formosus verübte Frevel in der bündigsten Weise verdammt und alle seine geistlichen Amtshandlungen wiederhergestellt und anerkannt — ausgenommen die Krönung Arnolfs. [5] Letztere ward deshalb verworfen, weil der in Ravenna anwesende Kaiser Lambert zu diesen Beschlüssen entscheidend mitwirkte und dem Papste überhaupt einen festen Rückhalt gewährte. Johann wollte jedoch nicht durch zu weit getriebene Strenge die Gemüter von neuem erbittern, vielmehr durch kluge Schonung die Wunde schliessen. Daher wurden selbst diejenigen Geistlichen — sieben Bischöfe und zwei Priester — begnadigt, die ihre angeblich unfreiwillige Theilnahme an der Synode Stephans eingestanden und fussfällig um Verzeihung flehten. [6]

 

 

(1) Invect. p. LXXIV: Formosus., apostolica sede uiuus residens consecrauit Iohannem ad presbyteratum, qui postea iuxta Romanam consuetudinem et consecrationem ad apostolicatus fastigium conscendens etc.

 

(2) S. Jaffé reg. pontif. p. 307. Auf diesen ersten Versuch des Sergius ist ohne Zweifel Liudpr. ant. I c. 29 zu beziehen, die Verwechselung zwischen Formosus und Johann IX lag. nahe, sobald Stephan und Sergius zusammengeworfen wurden.

 

(3) Die sechs ersten Schlüsse dieser römischen Synode theilt unser Bamberger Codex als Ravennatische mit, doch wurden sie in Ravenna nur summarisch bestätigt, c. 4 (Leg. I, 563): Ut synodus, quae uestris temporibus in basilica b. Petri apostoli pro nonnullis malis eradicandis et maxime pro causa domni Formosi sanctissimi papae acta est, uestro imperiali consensu . . roboretur.

 

(4) Die Zahl nur bei Auxilius in defens. Form, app., die Synode selbst wird oft erwähnt, z. B. Invect. p. LXXIV: postmodum in sancta synodo eadem in urbe congregata, cui Lambertus imperator interfuit, apostolico fauore uiriliter resedit.

 

(5) Conc. Rom. c. 6 . . illam uero barbaricam (sc. unctionem), quae per subreptionem extorta est, omnimodis abdicamus. So im Cod. Bamb., das Wort Berengarii nach barbar. in den Ausgaben hat sich irrthümlich eingeschlichen , es bedarf keiner Ergänzung.

 

(6) Conc. Rom. (Mansi XVIII, 223): Prostrati post praefati episcopi, qui interfuerunt illi Stephani synodo contra domnum Formosum misericordiam deprecati sunt. Tunc omnis sancta synodus petiit misericordiam domni apostolici, ut illud funditus eradicetur, ne ulterius episcopi cogantur, quid contra canonum auctoritatem per uim facere aut ullo modo episcopi in custodiam trudantur; quibus libenter domnus papa assensit.

 

 

14

 

Die päpstliche Würde Stephans selbst tastete Johann keineswegs an, [1] ja er suchte sogar die Gehässigkeit seines Verfahrens dadurch zu mildern, dass er nicht ihn, sondern untergeordnete Werkzeuge beschuldigte, die Leiche des Formosus in die Tiber geworfen zu haben. Die Usurpation des Sergius und seiner Genossen wurde verurtheilt: zur künftigen Abwehr ähnlicher Frevel erneuerte der Papst die alte Wahlordnung Stephans V, welche bei der Weihe die Anwesenheit eines kaiserlichen Sendboten verlangte. [2]

 

Nachdem der jugendliche Kaiser Lambert die Synode von Ravenna nur um einige Monate überlebt hatte und damit die auf ihn gebauten Hoffnungen ins Grab sanken, folgte Johann IX schon im Juni 900 ihm ebenfalls im Tode nach. [3] Benedikt IV, des Mammalus Sohn [4], der nächste Papst, musste schon deshalb an der Rechtmässigkeit des Formosus festkalten, weil er von ihm zum Priester geweiht worden war. [5] Der durch ihn zum Kaiser gekrönte machtlose König Ludwig von Burgund vermochte noch weniger als Lambert den zerrütteten Zuständen Roms Heilung zu bringen. Nach dem Tode Benedikts im Jahre 903 folgte Leo V, ein würdiger Mann, der schon nach dreissig Tagen von seinem Priester Christophorus verdrängt und ins Gefängnis geworfen wurde. [6]

 

 

(1) In dem Schreiben an die Geistlichkeit von Langres (Mansi XVIII, 202, J. 2704) sagt J. vorsichtig: non sententiam praedecessoris nostri Stephani papae reprehendentes, sed utilitatis ac necessitatis causa canonice in melius commutantes, quemadmodum praedecessores nostros de multis egisse in promptu habemus.

 

(2) Conc. Rom. c. 8, 10 (Mansi XVIII, 225) vgl. Jaffé p. 305.

 

(3) Jos. Düret (Chronol. der Päpste zu Anf. des 10. Jahrh. in Kopps Geschichtsblättern aus der Schweiz II, 287) hat vollkommen schlagend nachgewiesen, dass das Schreiben des P. Johann an den Erzb Heriveus v. Reims (J. 2707), welches Pagi und Jaffé veranlasste, den Tod Johanns IX erst nach dem 6 Juli 900 anzusetzen, unter Johann X etwa in das J. 914 gehört. Dies folgt schon aus Flodoard (Hist. Rem. 1. IV c. 14), der das päpstliche Schreiben erwähnt und es ausdrücklich in einen späteren Zeitpunkt als die Schlacht von Chartres (20. Juli 911) verlegt.

 

(4) Diese Angabe des Auxilius in defens. Form. app. wird von den Katalogen bestätigt (Muratori scr. IIIb, 321, Eccard. corp. histor. II, 1638).

 

(5) Dies meldet Auxilius in defens. Stephani episc. c. 4, 6Am 31. Aug. 900 bestätigte Ben. dem B. Argrin von Langres den Gebrauch des Palliums, quod olim a sanctissimo praedecessore nostro Formoso papa acceperat (Mansi XVIII, 235, J. 2708).

 

(6) Jaffé reg. pont. p. 306, 307, Jos. Düret a. a. O. S. 286. Die Regierungsdauer Leos V wird von Auxilius in def. Form. I c. 1 kürzer angegeben, als in den Katalogen, die ihm mindestens 40 Tage zuschreiben.

 

 

15

 

Nach kurzer Zeit, im Januar 904, erlitt dieser das gleiche Loos durch Sergius, der aus siebenjähriger Verbannung zurückkehrend mit auswärtiger, wahrscheinlich tuscischer oder spoletinischer Hilfe die Stadt Rom, in der er Einverständnisse hatte, überzog, und nachdem er den Usurpator abgesetzt, alsbald selbst den päpstlichen Stuhl bestieg. [1]

 

Die beiden entsetzten Päpste, Leo und Christophorus, liess der Sieger im Kerker verschmachten, [2] ihm selbst aber, dem Geliebten der mächtigen Buhlerin Marozia, [3] glückte es sich so gut zu befestigen, dass er unter den dreizehn Nachfolgern Petri, welche die achtzehn Jahre von 896 bis 914 ausfüllen, bei weitem am längsten, nämlich über sieben Jahre [4] regiert hat, während gleichzeitig das Kaiserthum in Italien so gut wie erloschen war. Sergius, der auch die eingestürzte Laterankirche von Grund aus wieder aufbaute, [5] war von Marinus zum Subdiakonus, [6] von Stephan VI zum Diakonus,

 

 

(1) Die Angaben des Auxilius in def. Form. I c. 1, II c. 1 von dem fränkischen Beistände, auf den Sergius sich stützte, sind nicht auf das eigentliche Frankenreich, sondern auf das ehedem fränkische Italien zu beziehen. Man darf sie daher vielleicht durch Liudprand (antap. I c. 30) ergänzen, der Sergius Erhebung dem Markgrafen Adalbert dem Reichen von Tuscien zuschreibt. Das im 9. Jahrh. so mächtige Herzogthum Spoleto tritt seit dem Aussterben der Widonen auffallend zurück. Eine Anspielung auf Sergius enthalten die Worte des Auxilius (inf. et def. c. 25 p. 49); qui (sc. Romani) nec Francorum nec alterius gentis obsidione uel impulsu coacti, sed sua sponte eum (sc. Formosum) eligere. . decreuerunt.

 

(2) Ihr bisher dunkles Loos (Muratori scr. IIIb, 320) wird jetzt durch das Zeugnis des Vulgarius de causa Formos. c. 14 aufgehellt.

 

(3) Liudprand. ant. II 43, III c 43. Jos. Düret (P. Johannes d. Zehnte in Kopps Geschichtsbl aus d. Schweiz I, 307) hat mich durchaus nicht davon überzeugt, dass Johann XI ein Sohn der Marozia von Alberich gewesen sei, vgl. Koepke (de scriptis Liudprandi p. 90), dessen treffliche Abhandlung Düret zu seinem Schaden unbeachtet gelassen hat.

 

(4) Auch ich glaube mit Düret (a. a. O. II. 273), dass auf die Angabe der Chronik Benedikts (c. 29: Obiit Sergius papa nonus kalendas Maiasl Gewicht zu legen sei und setze seinen Tod daher auf den 23. April 911.

 

(5) Benedicti chron. c. 27 (Scr. III, 713) vgl. Gregorovius (Gesch. der Stadt Rom III, 269—272), der dieses älteste Zeugnis übersehen hat.

 

(6) Die Weihe zum Subdiakonus bezeugt Auxilius in def. Form. app. ; Invect. p. LXXII: Sergii, quem Stephanus consecrauit ad diaconatum. Seine frühere Bischofswürde meldet nur Auxil. in def. Form. 1. II c. 6, append und Vulgarius scheint darauf anzuspielen de causa Formos. c. 11: Bonum quidem persequi uitium eius fuisset, si non imitabile esset etc., dennoch mochte ich kaum daran zweifeln, weil es unglaublich ist, dass in einer gleichsam unter den Augen des Papstes verfassten Schrift ihm etwas Derartiges sollte angedichtet worden sein. Dagegen könnte nur etwa sprechen, dass es in dem c. 8 des Conc. Rom. heisst: Sergium, Benedictum atque Marinum dudum presbyteros sanctae Romanae ecclesiae . . iuste et canonice damnatos etc.

 

 

16

 

von Formosus zum Bischof von Cäre geweiht worden und soll dem letzteren Amte drei Jahre vorgestanden haben. Wenn er, um Papst zu werden, sein Bisthum ableugnete und zum Range des Diakonus zurückkehrte, so steht es damit vollständig im Einklänge, dass er gleich Stephan VII die päpstliche Würde und die Weihen des Formosus für ungiltig ansah. Durch harte Drohungen und Gewaltmittel bewog er die römische Geistlichkeit, sich seiner Ansicht anzuschliessen: eine Synode derselben kehrte zu den Beschlüssen Stephans zurück. [1] Ueber die Satzungen Johanns IX, die Sergius und seine Freunde von der Kirche ausgestossen, half man sich wahrscheinlich in der Art hinweg, dass man jenen zum Usurpator stempelte, der den rechtmässigen Papst Sergius vertrieben habe. [2] Der Leichnam des Formosus blieb diesmal aus dem Spiele, die Bitterkeit der Massregel aber wurde dadurch sehr erhöht, dass Sergius jene Geistlichen nicht bloss degradierte, sondern sie wider ihre bessere Ueberzeugung zwingen wollte, sich noch einmal weihen zu lassen [3] und dass er ferner nicht allein bei den Römern stehen blieb, vielmehr seine Verfügung in der ganzen katholischen Christenheit bekannt zu machen und durchzuführen unternahm. [4]

 

 

(1) Diese Synode, über welche jetzt Auxilius in def. Form. I c. 1, II c. 1,6 genauer belehrt, folgerte bereits Hefele (Conciliengesch. IV, 552) aus Sergius Grabschrift (Ang. Mai spicileg. Rom. IX, 357): hic inuasores sanctorum falce subegit | Romanae ecclesiae iudiciisque patrum, sowie aus Flodoard (de Rom. pontific. bei Mabillon acta sanet, saec. IIIb, 606), der selbst aus der Grabschrift schöpft. Serg. liess auch seinem Gesinnungsgenossen Stephan VII eine Grabschrift setzen (eb. p. 356), in der es u. a. heisst: hic primum repulit Formosi spurca superbi, | culmina qui inuasit sedis apostolicae.

 

(2) Darauf deutet Auxil. und die Grabschrift des Serg.: culmen apostolicae sedis is iure paterno | electus tenuit, ut Theodorus obit. | Pellitur urbe pater, peruadit sacra Iohannes | Romuleosque greges dissipat ipse lupus etc.

 

(3) S. über diesen Punkt den folgenden Abschnitt.

 

(4) In diesem Sinne schrieb S. an den Bischof Amelius von Uzes (Bouquet recueil IX, 213, J. 2714): cum uniuersus orbis dampnatum Formosum testetur sanctae sedis apostolicae inuasorem admirati in tuis fuimus scriptis, quae eum inter sacerdotes nominabant. Igitur si te latet et nuntiatum tibi non est, his nostris apostolicis apicibus agnosce nominatum Formosum esse dampnatum. Uerumptamen ad sacros, quos sanctitatem tuam credimus bene intelligere, recurre canones et inuenies non licere episcopo propriam relinquere sedem et inuadere alienam : quod egisse Formosum manifestum est, unde perpetualiter est dampnatus. Nach diesem entschiedenen Ausspruche konnte Serg. in der Bulle für Adalgar v. Hamburg auch nicht einmal von dem iniquo consensu Formosi papae sprechen (Lappenberg Hamburg. Urkb. I, 36, J. 2716) und muss dieselbe, die Jaffé bereits für interpoliert erklärte, auch aus diesem Grunde angezweifelt werden.

 

 

17

 

Gegen diesen Triumph schnöder Ungerechtigkeit, gegen so widerspruchsvolle Entscheidungen desselben apostolischen Stuhles, gegen den harten Gewissenszwang erhoben die Gekränkten, unschuldig Ver. folgten ihre Stimme, um in beredten Schriften ihr gutes Recht zu erweisen und die Hilfe des Himmels anzurufen, da es auf Erden für sie keine höhere Instanz gab.

 

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