Bergbau
Bulgarien ist nicht arm an
Bodenschätzen, besonders nach der Eingliederung von Mazedonien.
Die Vorkommen
sind jedoch erst zum Teil untersucht, nur wenige schon in Abbau
genommen. Am
weitesten ist der Braunkohlenbergbau fortgeschritten, der 99%
des
Kohlevorkommens Bulgariens umfaßt. Die Staatsgrube Pernik (bei
Sofia) hat den
weitaus größten Anteil. 1940 betrug ihre Förderung
über 2 Millionen Tonnen. Das
bedeutende Vorkommen bei Lom an der Donau befindet sich in der
Aufschließung.
Eine Erhöhung der Produktion ist auch wegen der Versorgung der
neuen Gebiete
und der fortschreitenden Elektrifizierung von größter
Wichtigkeit.
Der Erzbergbau war in der ersten Zeit nach dem Weltkrieg verhältnismäßig rege, kam aber während der Weltwirtschaftskrise zum Erliegen. Erst nach 1933, intensiver seit 1937, als deutsches Kapital mitzuarbeiten begann, befindet sich der bulgarische Erzbergbau wieder in einer kräftigen Aufwärtsentwicklung. Die Hauptschwierigkeiten liegen neben dem eigenen Kapitalmangel vor allem in den schlechten Transportmöglichkeiten. Hier werden in Zukunft noch große Aufgaben zu erfüllen sein, um den natürlichen Reichtum Bulgariens auch wirklich verwenden zu können, vor allem für die Ausfuhr, da eine eigene Hüttenindustrie nicht den Belangen der bulgarischen Volkswirtschaft entspricht.
Die meisten Erzvorkommen Liegen im
Westen (Stara Planina, Wratza-Gebirge, Umkreis von Sofia, Sredna Gora,
Rilagebirge und Mazedonien), Süden (Piringebirge}
Rhodopen) und im
Südosten (gegen die türkische Grenze zu und bei Burgas). An
Eisenerzen besitzt
Bulgarien gehaltreiche Magnetite, Hämatite, Siderite,
Roteisenstein und aus
mittelalterlicher Gewinnung herrührende Eisenschlacken. Es finden
sich
Manganerze mit 20 bis 40 v. H., Chromerze mit 28 bis 45 v. H.
Metallgehalt,
ferner aussichtsreiche Nickel- und Antimonvorkommen. An
zahlreichen Stellen
trifft man Kupferkiese und kupferhaltige Pyrite sowie Blei- und
Zinkerze
(Bleiglanz, Galmei, Zinkblende, Pyrit). Auch Silberbeimischungen in
Bleiernen
und Goldsande in Quarzgängen sind zu erwähnen.
Industrie und
Handwerk
Das Bestreben Bulgariens, in der
Nachkriegszeit sich unter allen Umständen eine möglichst
weitgehende nationale
industrielle Erzeugung aufzubauen, liegt in der Hauptsache neben den
allgemeinen autarken Tendenzen der Volkswirtschaften in der
politischen
Isolierung Bulgariens und in seinem sich daraus ergebenden
Bedürfnis nach
größtmöglicher wirtschaftlicher Unabhängigkeit
begründet.
Während sich vor dem Kriege keine nennenswerte Industrie größeren Ausmaßes entwickelte — mit Ausnahme einiger durch bodenständige Rohstoffe bedingter Unternehmungen — begann die bulgarische Industrialisierung mit dem Jahre 1920 ein rasches Tempo anzunehmen. In den letzten Jahren waren im Durchschnitt 8% der Berufstätigen in Bergbau, Industrie und Handwerk beschäftigt, davon allein 28 600 Arbeiter in der Textilindustrie und 26 600 Arbeiter in der Tabakindustrie. Die gewerblichen Betriebe eingeschlossen, bestanden 1939 rund 122 000 Unternehmungen mit 236 000 Arbeitern, davon reine Industrie-Arbeiter und -Arbeiterinnen rund 90 000 bei 3 000 industriellen Unternehmungen, die für rund 11 Milliarden Lewa Waren erzeugten. Hiervon gingen Waren im Werte von nur 1,7 Milliarden ins Ausland.
Eine Überspannung der Industrialisierung ist in Bulgarien, von der Verbrauchsgüterindustrie, wo einige Zweige als übersetzt anzusehen sind, abgesehen, im wesentlichen nicht zu verzeichnen, trotz des 1928 von dem Sobranje angenommenen Industrie-Schutzgesetzes. Heute haben die bulgarische Industrie und das Handwerk fast ausschließlich nur für den Binnenmarkt Bedeutung.
Die führende Gruppe der Verbrauchsgüterindustrien ist die Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie. An der Spitze steht die Mühlenindustrie mit 45 größeren, 807 mittleren und über 2000 kleinen, primitiven Mühlen. Auch die Teigwaren- und Zuckerindustrie ist gut entwickelt. Von steigender Bedeutung ist die Pflanzenölindustrie mit 571 Betrieben und einer Jahreskapazität von 80 000 Tonnen. Unter den zahlreichen Konservenfabriken, die zumeist für den Export arbeiten, gehen die Betriebe zur Tomatenverarbeitung voran. Besonders wichtig ist die Tabakindustrie, welche in zahlreichen Kleinbetrieben und 46 größeren Tabakfabriken unter Staatskontrolle die Tabakblätter bearbeitet. Die Nahrungsmittelindustrie deckt den Inlandsbedarf voll und arbeitet zunehmend für die Ausfuhr. Die Textilindustrie umfaßt Wollspinnereien und Wollwebereien, Baumwollspinnereien und -Webereien, ferner Flachs-, Hanf-, Jute- und Seidenwebereien, Seidenspinnereien, Posamenten-, Trikotagen- und Seilfabriken. Im Rohstoffbezug ist sie mit Ausnahme der Hanf- und Seidenindustrie stark auslandsabhängig. Die Fabrikation erstreckt sich auf einfachere Güter, zum Teil auch bereits Qualitätswaren, deckt aber noch nicht den Landesbedarf. In der Baumwollindustrie arbeiten z. Zt. etwa 180 000 Spindeln und 4000 Webstühle. Die Lederindustrie ist aus qualitativen Gründen auf ausländische Häute angewiesen; sie deckt ziemlich den Inlandsbedarf.
Die Produktionsgüterindustrien sind wenig entwickelt. Bei der Metallindustrie handelt es sich überwiegend um Betriebe kleineren Umfanges mit einfacheren Herstellungen, wie Eisen- und Metallgießereien, Eisenwaren-, Blech- und Drahtwarenfabriken, Kesselschmieden und Küchengeschirrfabriken, Eine eigentliche Hüttenindustrie wurde nicht geschaffen. Die Maschinenindustrie umfaßt 26 kleinere und mittlere Maschinenfabriken für einfachere landwirtschaftliche Geräte und Maschinen. Im übrigen beschränkt sich der bulgarische Maschinenbau auf die Montage von bezogenen Einzelteilen und auf Reparatur- und Bahnwerkstätten. Die Industrie der Steine und Erden ist trotz des Vorkommens zahlreicher Rohstoffe noch wenig entwickelt. Neben einigen modern eingerichteten Ziegeleien und alten einfachen Feldziegeleien sind Zementwerke, Zementwarenfabriken, Porzellanfabriken und 4 Glasfabriken vorhanden, welche bereits die im Lande benötigten einfachen Glaserzeugnisse und Fensterglas herstellen. Auch die bulgarische Holzindustrie ist noch sehr ausbaufähig. 1938 bestanden — neben 809 primitiven Wassersägen — ISO moderne Sägewerke; jene verarbeiten 0,22 Millionen Festmeter Rundholz, diese 0,57 Millionen. Es werden auch Sperrplatten, Furnierhölzer und Parkettstäbe hergestellt, ferner Kisten, Fässer, Küchengeräte und Möbel. Ein Teil der früher alljährlich unausgenutzten großen Holzmengen wird jetzt zu Holzkohle verarbeitet. Die chemische Industrie erzeugt Seifen, Kerzen, Sprengstoffe, Zündhölzer, einige Säuren, Salze, Farben, Tinte, Klebstoffe, Rosenöl und andere ätherische Öle und Essenzen, Leim und sanitäre Artikel. Der größte Teil der Chemikaüen muß noch eingeführt werden. Die Papierindustrie ist von der Erzeugung von Packpapier und Pappe bereits zur Herstellung von Luxus- und Spezialpapieren übergegangen; sie deckt jedoch den Inlandsbedarf nicht in allen Sorten.
Der zukünftigen Entwicklung der bulgarischen Industrie sind durch die europäischen Ereignisse der letzten Jahre, besonders durch die Entwicklung des Kriegs seit 1939, bestimmte Bahnen gewiesen. Die bulgarische Wirtschaftspolitik wird sich in der Hauptsache auf den Ausbau der sogenannten „Industrie des täglichen Bedarfes" konzentrieren, damit die bulgarische Volkswirtschaft für die Fabrikate und Erzeugnisse Mitteleuropas aufnahmefähig bleibt, um ihre Haupterzeugung, die auf dem Agrarsektor liegt, dort absetzen zu können. Die Anpassung der bulgarischen industriellen und der landwirtschaftlichen Erzeugung an die Notwendigkeiten der räumlichen Arbeitsteilung, die dem Aufbau des neuen europäischen Wirtschaftsraumes zugrunde liegen, wird in Bulgarien keine besonderen Schwierigkeiten bereiten.
In der Heimindustrie und dem Handwerk
sind etwa 50 v. H. mehr Personen tätig als in der Industrie. Ihnen
kommt heute
aber mit wenigen Ausnahmen nur noch eine mehr den örtlichen
ländlichen Bedarf
deckende Bedeutung zu.