November
Den neunten Monat im altrömischen Kalender nannten die Protobulgaren
Affenmonat. Die Slawen nannten den November „Kalter Monat“.
Später bezeichnete man den elften Monat im Jahr als rangelow messez
(zu Deutsch: Erzengelmonat – Bem. d. Übersetzers). Die vierzig
Tage vom Demetriustag bis zum Nikolaustag nannte man früher auch
noch „Armensommer“.
1. November – Totengedenktag (Allerseelen)
Am ersten Samstag vor dem Tag des Erzengels Michael war der große
Totengedenktag, oder wie man ihn auch noch nannte:
Erzengel-Totengedenktag. Das war nicht nur der letzte Totengedenktag im
Jahr, sondern auch der bedeutendste. Am Grab der Verstorbenen musste es
sieben Mahlzeilen geben, um über den baldigen Beginn der großen
Fastenzeit vor eihnachten zu verzeichnen.
Am
letzten Totengedenktag im Jahr hatten
auch die kirchlichen Regeln große Bedeutung.
Alle mussten geweihräuchert werden, denn
der Teufel scheut den Weihrauch. Am Grab
der Verstorbenen hinterließ man brennende
Kerzen, damit die Erinnerung an ihn stets
brennt. Das Grab wurde mit Rotwein und
Wasser begossen. Dadurch glaubte man, die
Beziehung zum Verstorbenen aufzufrischen.
Dieses Ritual wurde von der ältesten Frau
vollführt, die am Grab des Verwandten stand.
Sie brach anschließend auch das Ritualbrot.
Danach setzte man sich ans Grab und aß,
wobei man auch für den verstorbenen Platz
ließ. Den ersten Bissen und den ersten
Schluck Rotwein ließ man am Grab für den
verstorbenen Verwandten. Es galt, solche
Speisen zuzubereiten, die der Verstorbene
gern hatte. Sah man am Allerseelen ein
Schmetterling oder eine Fliege, so glaubte
man, dass das die Seele des Verstorbenen ist.
8.
November – Tag des Erzengels Michael, Rangeltag
Der alten bulgarischen Mythologie nach
war Rangel einer der sechs Brüder, die die
Welt unter sich aufgeteilt haben. Rangel
bekam das Reich der Toten. Daher nannte
man ihn auch noch Rangel, der Seelenräuber.
Dagegen erscheint der Erzengel Michael
in den Vorstellungen der alten Bulgaren als
gerechter und mitfühlender Schutzherr der
Seele der Verstorbenen. Erzengel Michael
galt als einziger Beschützer der Seele der
Verstorbenen, wenn sie vor Gott traten. Die
alten Menschen pflegen auch heute noch zu
sagen, dass Erzengel Michael dem Sterbenden
einen Apfel reicht, wenn er am Sterbebett
lächelt. Wenn der Sterbende Schmerzen hat,
so glaubte man, dass sich Erzengel Michael verspätet. Nur derjenige,
der das Fest des Erzengels Michael ehrt, wird schmerzlos sterben, sagte
man einst. Früher war es üblich, dass in jedem Haus ein Schafsbock
geschlachtet wurde, um die Seele der Verstorbenen zu ehren. An diesem
Tag mussten die Hausfrauen
ein spezielles Ritualbrot backen, das man auch noch Rangelbrot nannte.
Das besondere war, dass es mit zahlreichen Figuren verziert war. Am Abend
versammelte sich die Familie und der Familienvater brach das Brot in der
Form eines Kreuzes. Darauf schüttete er ein wenig Rotwein. Die Hausherrin
segnete das
Haus mit folgendem Spruch ab: „Hl. Erzengel Michael, Hl. Nikolaus,
wir ehren euch, wir brechen das Brot auf euch, helft uns, dass das Getreide
hoch wächst!“ Jedes Familienmitglied bekam ein Stück Brot,
auf das alle gesund bleiben. An diesem Tag haben alle, die den Namen des
Hl. Erzengels Michael tragen, Namenstag: Angel, Angelina, Michail, Michaela,
Raitscho, Raina, Rangel.
11. November – Namenstag von Viktor, Viktoria,
Mintscho, Minka
Beide Vornamen – der weibliche Viktoria und der männliche
Viktor – bedeuten Sieger. Der
weibliche Vorname Minka und der männliche Vorname Mintscho sind vom
Nahmen des Hl.
Mina abgeleitet.
13. November – Weihnachtsfasttag
Nach Allerseelen und Rangeltag folgte der Weihnachtsfasttag, der letzte
Tag der Vorfastenzeit zu Weihnachten. An diesem Tag durfte man zum letzten
Mal Fleisch und Milch essen. Für das Fest musste man ein großes
Huhn schlachten, das man mit Sauerkraut zubereitete. Außerdem gab
es auf der Festtafel mit Bohnen gefüllte Paprikaschoten und Speck.
Am Weihnachtsfasttag bereiteten die Hausfrauen den typischen Blätterteigkuchen
mit Kürbisfüllung und Nüssen tikwenik (abgeleitet vom bulgarischen
Wort für Kürbis – tikwa – Bem. d. Übersetzers).
Nach dem Festmahl versteckte die Hausherrin den Holzlöffel, mit
dem sie die üppige Mahlzeiten auftrug, um ihn an den folgenden 40
Tagen, bis Weihnachten, nicht anzurühren.
14.
November – Mratinjak
In der Volksmythologie ist der Mratinjak als böser, schwarzer Geist
mit grünen Augen dargestellt, der die Hühner umlegt. Deshalb
musste jede Hausfrau am Tag des Mratinjak einen schwarzen Hahn an der
Türschwelle des Hauses schlachten, um den bösen Geist mild
zu stimmen. Eigentlich war es den Frauen nicht erlaubt, Tiere zu schlachten.
An diesem Tag machte man eine Ausnahme und der
Hahn wurde von zwei Frauen geschlachtet – von der ältesten
Frau im Hause und einer von ihr bestimmten Braut. Der geschlachtete
Hahn wurde mit einem roten Faden gebunde und über dem Kamin gehängt,
um die Familie vor bösen Blicken und Geister zu schützen.
Manche Teilen des Huhns galten als magisch und man versteckte sie, um
damit kranke Kinder zu kurieren.
14.–21. November – Wolfsfeste (Mratnizi)
Isegrim, Isegrim, hoch soll dein Name leben, denn er spendet Wohl…
Volkslied
Früher ehrten die alten Thraker die Wölfe als Anführer
von Herden, jedoch von Herden der Rebellen. Es gibt immer noch viele Ortschaften,
die den Namen des Wolfs tragen. Das hat seinen Ursprung in der Mythologie,
wo der Wolf und der Drache eng miteinander verbunden sind. Oft stellte
man sich den
Drachen mit Wolfshaupt vor. Diese Motive findet man auch in alten Zeichnungen,
Holzschnitzereien und Stickereien wieder. Die alten Bulgaren glaubten,
dass die Nächte an den Wolfsfesten gefährlich und
böse sind und man sich dann an verschiedenen, meist tödlichen
Krankheiten anstecken kann. Deshalb durfte man nach Sonnenuntergang nicht
mehr aus dem Haus ausgehen.
21.
November – Kuzulannot
Dieser Tag galt dem schrecklichsten Wolf von allen, der auf drei Beinen
schritt und Menschen fraß. Deshalb hieß er Kuzulan (abgeleitet
vom bulgarischen Wort für lahm – kuz – Bem. d. Übersetzers).
An diesem Tag
durfte man sich nicht kämmen, die Männer durften kein frisches
Hemd anziehen, die Frauen durften weder nähen, noch stricken. Man
durfte das Brot nicht mit dem Messer schneiden.
23. November – Namenstag von Alexander, Alexandra
Beide Vornamen – der weibliche Alexandra und der männliche
Alexander – sind vom
Altgriechischen abgeleitet und bedeuten Beschützer der Männer.
24.
November – Katherinastag
Das Fest der Hl. Märtyrerin Ekatherina nannten die Bulgaren auch
noch Katherinastag.
Die alten Bulgaren ehrten die Heilige
wegen ihrer Kraft, Tollwut und Masern zu
heilen.
Am frühen Morgen des Katherinastag
standen die Hausfrauen auf, um fünf, sieben
oder neun kleine Ritualbrote zu backen.
Anschließend wurden sie mit Honig
bestrichen und an die Nachbarn gegeben.
Hatte sie jedoch kleine Kinder, so musste sie
an einem Kreuzweg vom Brot verteilen,
damit die Kinder gesund bleiben und die
Tollwut oder die Masern nicht bekommen.
Man glaubte, dass in den Häusern, wo solche
Brote zubereitet worden sind, die Tollwut und die Maserns die Kinder nie
heimsuchen. Die
Volkslieder über die Hl. Ekatherina priesen ihre Schönheit und
Güte: „… Berühmt wurde Katherina, selbst der König
erfuhr es, dass es im Dorf eine Schönheit gibt, die keine gleiche
hat…“ An diesem Tag feiern alle, die Ekatherina oder Katja
heißen, ihren Namenstag.
30.
November – Andreastag
Diesen Tag nannte man früher auch noch
Bärentag. Die Erklärung dafür liefert eine alte Legende:
„Vor vielen, vielen Jahren lebten Mann
und Frau glücklich zusammen und hatten eine hübsche, kleine
Tochter. Doch, die Frau starb und der Vater heiratete eine andere, die
auch eine Tochter hatte. Die Stiefmutter liebte natürlich ihre eigene
Tochter mehr. Die Stieftochter musste die Hausarbeit verrichten, die Stiefmutter
war aber stets unzufrieden Eines Tages, als es schon sehr kalt draußen
war, gab sie der Stieftochter schwarze Wolle, die das kleine Mädchen
so lange waschen musste, bis die Wolle schneeweiß
wurde. „Du brauchst erst gar nicht nach Hause zu kommen, wenn du
keine schneeweiße Wolle itbringst!“ sagte die Frau. Das Mädchen
nahm die schwarze Wolle mit, ging zum Fluss und wusch, und wusch, aber
die schwarze Wolle wurde nicht weiß. Da setzte sich die Stieftochter
hin, um sich auszuruhen und begann zu weinen. Da kam ein alter Mann vorbei
und fragte sie, warum sie in der Kälte so alleine sitzt und
weint. Und das Mädchen erzählte seine Geschichte. Der gute alte
Mann antwortete nur, sie soll die Wolle mitnehmen und zurück nach
Hause gehen. „Hab keine Angst!“, sagte er noch. Er verschwand
wieder so plötzlich, wie er aufgetaucht worden war. Das Kind ging
nach Hause, klopfte lange an der Tür, bis endlich die Stiefmutter
öffnete. Sie war aber sehr überrascht, weil vor ihr ein goldenes
Mädchen stand, das so strahlte, wie die Sonne selbst. So überlegte
die verärgerte und neidische Stiefmutter, auch ihre eigene
Tochter an den Fluss zu schicken, damit sie auch goldig wird. Sie zog
sie schön an, gab ihr ein bisschen Wolle mit und schickte sie weg.
Als das Mädchen den Fluss erreichte, warf es die Wolle weg, weil
es erst gar nicht vor hatte, die Wolle zu waschen. Das Kind wartete, und
wartete, aber es kam niemand vorbei. Da weinte sie in der Kälte und
plötzlich tauchte der wundersame alte Mann auf. „Warum weinst
du?“, fragte der Mann. „Weil ich auf dich warte, du alter
Knacker!“, rief das Mädchen. „Mach mich auch goldig und
dann gehe ich heim“. Der alte Mann sagte ihr, sie soll die Wolle
aufschultern und nach hause gehen. Das Mädchen tat, was der alte
Mann sagte und bald darauf stand es vor der Haustür. Sobald die Stiefmutter
ihre Schritte hörte, machte sie die Tür auf. Sie knallte die
Tür aber schnell wieder zu, weil sie nicht ihre eigene Tochter erblickte,
sondern einen großen schwarzen Bär. Der alte Mann hatte die
böse Stiefmutter bestraft und ihre Tochter in einen schwarzen Bären
verwandelt.“ Bei Sonnenaufgang mussten die Hausfrauen gekochten
Mais in den Schornstein werfen und sagen: „Hier, großer Bär,
gekochten Mais für dich, damit du nicht ins Maisfeld gehst!“
An diesem Tag feiern alle, die den Namen des Hl. Andreas tragen, ihren
Namenstag: Andrej, Adriana. Der Name bedeutet so viel, wie Manneskraft.
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