Mai

Der fünfte Monat des Jahres ist nach der römischen Göttin des
Erdwachstums Maja, Tochter des Atlas und Mutter vom altrömischen
Gott des Handels Merkur, benannt. Im Volksmund heißt der
Wonnemonat auch noch trewen mesetz (zu Deutsch: Monat des
Grases – Bem. d. Übersetzers)

 

 

1 May

Feld arbeiten, werde man im Sommer von
einer Schlange gebissen.
Am Morgen des Festtages gingen alle
Frauen der Familie durch das haus und den Garten und klopften auf Blechgefäße mit den Worten: „Geht weg, Schlangen und Eidechsen, denn heute ist Schlangentag!“ Sie suchten alle versteckten Ecken des Hauses und des
Stalls auf, um vielleicht versteckte Viecher zu verjagen.
In manchen Regionen Bulgariens vollführte
man an diesem Tag das Ritual
„Drachenjagd“. Die alten Bauern glaubten,
habe sich ein Drache im Dorf versteckt, so
halte er die Regenwolken fest und es brach
Dürre aus. Deshalb veranstalteten die Männer eine symbolische Jagd. Das geschah nachts und manche von den Männern zogen sich ganz aus. Sie alle hielten lange Stöcke in der Hand und zogen von Ost nach West. Nach der symbolischen Jagd gingen alle Männer zusammen baden und hofften, dass der für die
Ernte so wichtige Regen kommen wird. Am Schlangentag war es außerdem üblich, dass junge Mädchen und Burschen Tonerde für die Herstellung von verschiedenen Gefäßen mit nackten Füssen treten.
Anschließend gingen sie außerhalb des Dorfes, um frischen Knoblauch zu pflücken. Sie glaubten, sich dadurch gegen die Wirkung von bösen Kräften und gegen Schlangenbissen zu schützen. Am Unterlauf des Flusses Tundscha, im Süden Bulgariens, war es Brauch, am Schlangentag die Kohle zu säen. Die Landwirte wünschten sich, die Kohleblätter sollen sich so schlängeln, wie die Schlange. Das
bedeutet, dass die Kohlköpfe fest werden. In den Rhodopen, ebenfalls in Südbulgarien, gab es den Brauch, junge Wölfe zu fangen und sie durch alle Dorfhäuser zu führen. Dort glaubte man nämlich, dass man sich am 1. Mai auch vor den Wölfen schützen muss. In manchen Ortschaften der Rhodopen feierten am ersten Maitag auch die Schafhirten.

2. Mai – Namenstag von Boris, Borislaw, Borislawa

In der Mythologie war der Gott ein Symbol der Unsterblichkeit. Man nahm an, dass er im Körper des auferstandenen Jesus Christus lebt und die Jahreszeiten wechselt.

5. Mai – Namenstag von Irin und Irina Beide Vornamen – der weibliche Irina und der männliche Irin – bedeuten Frieden.

6. Mai – Georgstag

Das große Frühlingsfest Georgstag hat
seinen Ursprung bereits in vorchristlichen
Zeiten und hatte mit dem Weiden der Schafe
und Zicken zu tun. Georgius kommt aus dem
Altgriechischen und bedeutet Landwirt.
In Ostbulgarien gingen die jungen
Menschen am Abend vor Georgstag auf die
Felder, um die bösen Kräfte zu verjagen.
Anschließend tanzten sie drei spezielle
Reigentänze und legten sich in den frischen
Tau, der gesundheitsspendend ist. Auf dem
Heimweg pflückten sie Brennesel und
schmückten damit die Eingangstür und die
Tür des Stalls. Bevor die Mädchen und
Burschen ins Bett gingen, tranken sie vom
„stillen Wasser“, das gesund ist.
Für das Fest bereiteten die Hausfrauen
verschiedene Ritualbrote – manche wurden
von der ältesten Frau gebacken, andere von
den frisch verheirateten Frauen. Das spezielle
Brot für den Hl. Georg wurde aber stets von
der jungen Braut in der Familie zubereitet. Es
war rund und hatte ein Kreuz aus Teig darauf.
Auf dem Kreuz machte man ebenfalls aus
Teig einen stilisierten Stall.
Der Hausherr musste ein Opfertier schlachten – ein Lamm. Das Lamm war zuvor bestimmt und mit frischen Blumen und grünen Gräsern geschmückt. Der Familienvater strich die Kinder mit dem Blut des geschlachteten Lamms auf der Stirn, damit sie gesund bleiben und vor bösen Blicken geschützt sind. Nach dem Festmahl versammelten sich alle Dorfbewohner, um gemeinsam zu tanzen
und zu singen. Die jungen Mädchen tanzten besonders freudige und feurige Tänze. Am Georgstag feierten alle, die Georgi, Gergana, Gantscho oder Ganka heißen, ihren Namenstag.

12. Mai – Germanstag, Tag des Hagels

Die Tage, die in Bulgarien als Tage des Hagels galten, sind eigentlich vier, der erste und wichtigste im Jahr war jedoch der 12. Mai, der Germanstag. German wird aus dem
thrakischen Wort germ abgeleitet (zu Deutsch: heiß – Bem. d. Übersetzers).
Am Germanstag galt es, den Hagel mild zu stimmen, damit die Ernte nicht gefährdet wird. Deshalb ging man an diesem Tag nicht aufs Feld. Sollte es trotzdem jemand wagen, so hielten ihn die Dorfbewohner zurück. Die alten Bauern glaubten, dass der Hagel von den sündigen Verstorbenen auf die Erde
geschickt wird. Sie sollen Eisblöcke zu Gott bringen, die Gott in der Form von Hagel auf die Sünder auf der Erde schickt. Einer Legende zufolge schickte German einen tauben alten Mann auf die Erde, um dort
Hagel zu bringen, wo er nie gewesen ist. Der alte Mann verstand aber, er soll den Hagel dorthin schicken, wo er schon mal gewesen ist. Deshalb traf der Hagel immer die gleichen Felder. Sobald die Feldarbeiter eine bedrohliche Wolke, angeführt von einem Adler, sahen, richteten sie die Gewehre und schossen. Sie glaubten, dass der Adler weg fliegen und die Wolke woanders führen wird. In manchen Ortschaften bastelten die Mädchen am Germanstag eine Puppe aus Tonerde. Man nannte sie German. Diese
Puppe stand im Mittelpunkt einer symbolischen Totenmesse. Die Puppe musste anschließend nahe eines Flusses oder Sees begraben werden. So glaubten sie, dass der Hagel das Dorf nie aufsuchen wird.

20. Mai – Spastag (Christi Himmelfahrt)

Die Volksfeste der Bulgaren mit Legenden und Überlieferungen
Der Tag des Hl. Spas (abgeleitet vom bulgarischen Wort spassenie – Rettung – Bem. d. Übersetzers) war ein großes Fest. Der Hl. Spas galt als Retter aller Lebewesen. Regnete es am Spastag, so hieß es, dass Goldregen die Gräser rettet. Kranke machten sich am Vorabend des
Spastags unterwegs, unter freiem Himmel zu übernachten. Sie nahmen einen grünen Teller und einen grünen Wasserkrug mit, die in ein
neues, weißes Handtuch eingewickelt werden mussten. Außerdem mussten die Kranken frisch gebackenes Brot und gekochtes Hühnerfleisch dabei haben. Sie übernachteten auf einer Wiese unter freiem Himmel und
glaubten, dass der frische morgendliche Tau ihnen Gesundheit bringen wird. Nachts wartete man auf die Nixen, die nur in der Nacht auf Christi Himmelfahrt alle Krankheiten kurieren. Es hieß, dass der Hl. Spas die Nixen zu den Menschen schickt. Als Geschenk und aus Dankbarkeit ließen die Kranken den Teller, den Wasserkrug, das Brot
und das Fleisch für die Nixen und den
Heiligen.
Am Morgen des Spastags begrüßte man
sich zum letzten Mal im Jahr mit „Christus ist
auferstanden!“ Darauf antwortete man:
„Wahrhaftig auferstanden!“ Am Tag des Hl. Spas färbte man wieder rote Eier, die an die Nachbarn gegeben wurden. Die Frauen gingen
auch auf den Friedhof. Am Grab der verstorbenen Verwandten ließen sie rote Eier und Blätter eines Wallnussbaumes, damit sie dem Verstorbenen erfrischen den Schatten spenden. Am frühen Abend versammelten sich alle am Dorfplatz und tanzten und sangen. Der
erste Reigentanz galt den Verstorbenen – sie sollten den lebenden Verwandten helfen. An diesem Tag feiern alle, die Spas oder
Spaska heißen, ihren Namenstag.

21. Mai – Hl. Konstantin und Elena

An diesem Tag feierten im Strandschagebirge,
im äußersten Südosten Bulgariens, die Nestinari (zu Deutsch: Feuertänzer – Bem. d. Übersetzers). Wie die Feuertänzer
entstanden sind, erzählt eine alte Legende aus dem Strandschagebirge: „Vor vielen, vielen Jahren schritt
Gott auf der Erde. Eines Tages spürte er, dass er einen
Helfer braucht, um mit seiner Arbeit auf der Erde zurecht zu kommen. Er überlegte lange, wie er seine Treue prüfen soll. Deshalb entschloss er sich, ein großes Feuer zu machen
und alle Junggesellen zu versammeln. Als vom Feuer nur noch heiße Glut blieb, sagte er zu den jungen Männern: „Derjenige von euch, der barfuss auf der Glut für mich tanzt, wird mein Helfer sein!“ Die Junggesellen schauten sich die Glut an und trauten sich nicht, barfuss darauf zu gehen. Einer von ihnen schritt aber nach vorn, betrat die Glut und tanzte darauf, ohne sich zu verbrennen. Gott nahm ihn zu
seinem Helfer. Das war Kostadin. Es verging Zeit und Kostadin wollte heiraten. Gott willigte ein und um eine gute Frau für Kostadin zu finden, versammelte er
alle unverheirateten Mädchen, machte wieder Feuer und als es zu Glut wurde, mussten die Mädchen darauf tanzen. Nur Elena traute sich. Gott segnete beide ab und nannte den Tag nach Kostadin und Elena. Seitdem feiern an
diesem Tag auch die Nestinari, die Feuertänzer“. Am Tag der Hl. Konstantin und Elena bereitete man das Feuer von früh auf. Am Abend versammelten sich alle auf dem Hof
der Dorfkirche. Die Burschen hielten Ikonen in der Hand und begleiteten die Nestinari auf dem Rundgang rund um die Kirche. Sie gingen drei Mal um und blieben vor der Glut stehen. In manchen Ortschaften hielten die
Nestinari eine Ikone in der Hand. Es spielte Musik auf der gajda (zu Deutsch: Dudelsack – Bem. d. Übersetzers) und der Trommel. Im Rhythmus der Musik tanzten die Nestinari – zunächst rings um das Feuer, dann betraten sie mit leisen Schritten die heiße Glut. Der Rhythmus ist berauschend und ergreift alle. Die Nestinari tanzten auf der Glut, ohne Schmerzen zu spüren. Man vermutet, dass die Temperatur zwischen 400° und 800° erreicht. Noch merkwürdiger ist, dass die Feuertänzer keine Verbrennungen auf den Füssen hatten.
Für die Gläubigen war das ein Beweis, dass die Nestinari übermenschliche Kräfte besitzen. Sie glaubten, dass die Heiligen die Nestinari an diesem Tag schützen. Die Folkloristen stellen sich bis heute die Frage, wie es möglich ist, dass die Feuertänzer keine Verbrennungen erleiden. Bei genauer Beobachtung
des Tanzes stellt man fest, dass die Nestinari in sehr kleinen Schritten tanzen und nur für kurze Zeit auf der Glut stehen. Die Vorbereitung der Nestinari auf den Feuertanz spielte aber auch eine große Rolle – die strenge Einhaltung der Fastenzeiten, die Reinigung der Seele und des Körpers mit „stillem Wasser“ und die mentale Vorbereitung auf den Tanz. Nach dem Feuertanz begann früher das Fest der anderen Dorfbewohner. Sie alle nahmen sich an der Hand und tanzten gemeinsam einen Reigen. Die Volksfeste der Bulgaren mit Legenden und Überlieferungen

24. Mai – Tag der Hl. Kyrillos und Methodios

An diesem Tag feiern alle, die den Namen der beiden Heiligen Slawenapostel tragen, ihren
Namenstag. Eigentlich begeht die bulgarische orthodoxe Kirche den Tag der Hl. Kyrillos und
Methodios am 11. Mai. Wahrscheinlich ist man aber vom Feiertag des bulgarischen Schrifttums
und Kultur am 24. Mai beeinflusst. Der männliche Vorname Kyrillos ist vom altgriechischen
Wort für Herrscher abgeleitet. Methodios bedeutet so viel, wie Forscher.

29. Mai – Namenstag von Theodossij, Theodossija

Beide Vornamen – der weibliche Thodossija und der männliche Theodossij – bedeuten von Gott gegeben.

29. Mai – Totengedenktag

In Thrakien nennt man ihn auch noch Totengedenktag zum Christi Himmelfahrt, in Nordbulgarien heißt das Fest Pfingst- Totengedenken, denn es fällt auf den Samstag vor Pfingstsonntag. Das ist der zweite Totengedenktag im Jahr. Insgesamt sind sie drei an der Zahl – am Samstag vor Fleischfastensonntag
(14. Februar), am Samstag vor Pfingstsonntag (29. Mai) und am Samstag vor dem Tag des Hl. Erzengels Michael (6. November). Am Totengedenktag besuchte man das Grab der verstorbenen Verwandten. Man
brachte, wie immer, Kleinigkeiten zum Essen mit, Rotwein und Nüsse. Das Besondere war, dass man ähnlich, wie am Spastag, Blätter des Wallnussbaumes aufs Grab legte.

30. Mai – Pfingsten

Diesen Tag ehrte man früher als Tag der Familie. Nach der Messe in der Kirche ging man früher mit Ikonen in der Hand aufs Feld und schützte so die Ernte vor Hagel und Feuer.
30. Mai – Namenstag von Emil, Emilia

31. Mai – Geistsendungsfest (Pfingstmontag)

Die alten Bulgaren glaubten, dass die
Seelen der Verstorbenen am Heiligen
Donnerstag (Gründonnerstag) auf die Erde kommen und dort bis zum Tag der Ausgießung des Hl. Geistes bleiben. Die Seelen würden meistens auf Blumen und Bäume gehen. Das Laub der Wallnussbäume würde sie anlocken. Am Geistsendungsfest, dem Hochfest der Trinität, versammelten sich die
Seelen der Verstorbenen wieder und tauchten erst im nächsten Jahr, am Gründonnerstag auf. Um sich von den Seelen der Verstorbenen zu
verabschieden, veranstaltete man früher große Festtafel, es wurde getanzt und gesungen.
Das Geistsendungsfest (Pfingstmontag) fällt immer auf ein Montag – 51 Tage nach
Ostern. Die Woche, die am Pfingstmontag beginnt, nannte man Nixenwoche.

 

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