Juni
Der
sechste Monat im Jahr ist nach der altrömischen Göttin Juno,
Frau von Jupiter, benannt. Die alten Bulgaren nannten den Juni auch
noch „tscherwen messez“ (zu Deutsch: roter Monat – Bem.
d. Übersetzers).
Sie pflegten zu sagen: „Wie der Juni, so der Dezember“.
31. Mai – 6. Juni Nixenwoche
Die
Woche nach Pfingsten nannte man Nixenwoche. Man glaubte früher, dass
die Nixen ihre Aufgaben auf der Erde bis
Pfingstmontag erledigt haben. Sie mussten nämlich die Samen der Fruchtbarkeit
säen. Während dieser Woche schmückte man die
Häuser mit Estragonblättern. Die unverheirateten Mädchen
steckten einige Estragonblätter in den Ausschnitt, die Burschen –
in die linke Hosentasche und die Kinder trugen die Estragonblätter
an einem Halsband. Dadurch hoffte man, sich vor den Sticheleien der Nixen
schützen zu können. In dieser Woche durfte man nicht alleine
unterwegs sein. Man befürchtete nämlich, dass der Reisende von
Nixen unterwegs überrascht wird und er
sich an der so genannten Nixenkrankheit ansteckt.
Nur die Nixen können dann die Rettung
bringen. Es gab aber auch Nixenmänner.
Sie gingen nur
in Gruppen durch die Gegend, und
zwar in ungerader Zahl – 3, 5, 7, 9, 11 oder 13.
Während der Nixenwoche waren sie verbrüdert und brachten allen
Familien, die sie
aufsuchten, Gesundheit und Fruchtbarkeit. In
Nordbulgarien nannte man sie auch noch
kaluschari. Die Anführer der Nixenmänner bekamen das Recht darauf
vererbt. Nur der Anführer der Nixenmänner wusste, welche Heilkräuter
und vor allem wann sie gepflückt werden dürfen. Nixenmänner
konnten nur junge, verheiratete Männer werden, die gesund, gutmütig
und ehrlich sind, nicht trinken und
aushalten können, eine Woche lang nicht nach
Hause zu gehen. Jeder der Nixenmänner
musste außerdem fasten. Erst, nachdem der
angehende Nixenmann diese Bedingungen
erfüllt hat, leistete er den heiligen Eid:
„In meinem Haus soll kein Feuer brennen, aus dem Schornstein soll
kein Rauch kommen, darin sollen Schlangen und Eidechsen wohnen. Meine
Frau soll keine Kinder bekommen, im Stall soll kein Lamm das Licht erblicken,
kein Stier, keine Kuh, kein Pferd und keine Stute soll ich haben. Im Haus
und im Garten – nur Unkraut. Ich soll weder sehen, noch hören,
noch sprechen, keine Arme und keine Beine haben. Wo ich hingehe –
Pest und Cholera. Die Erde soll meine Gebeine nicht empfangen, sollte
ich die Gelübde brechen!“ Anschließend küsste er
die Fahne. Der Anführer der Nixenmänner taufte ihn mit stillem
Wasser und begrüßte ihn damit in der Familie der Nixenmänner.
Der frisch gebackene Nixenmann bekam auch seinen Nixenstab, der etwas
ganz besonderes war. Der Stab war aus Bergahorn, Esche oder ornelkirsche
gebastelt und bis etwa anderthalb Meter lang. Am unteren Ende hatte er
Eisenschmuck, verziert
mit Glöckchen und bunten Zwirnfäden. Am oberen Ende bohrte der
Anführer eine kleine Öffnung und legte darin Heilkräuter
ein. Diese angeblich magische Stäbe blieben beim Anführer der
Nixenmänner. Er verteilte sie nur während der Nixenwoche. Der
Stab wurde ebenfalls vererbt und galt als ein wertloser Schatz. Nur der
Anführer der Nixenmänner durfte die Fahne tragen. Die Fahne
selbst wurde vom Anführer in Anwesenheit aller Nixenmänner aus
Leinen genäht. Sie sollte anderthalb Ellenbogen lang sein, um bis
zur Mitte des Stabs zu reichen. In allen vier Ecken der Fahne nähte
er Heilkräuter an, dann weihte er sie mit stillem Wasser ein. Die
Nixenmänner hatten keine besondere Kleidung. Lediglich an den Füssen
trugen sie dicke weiße Socken, an denen Heilkräuter angenäht
waren. An den Füssen trugen sie außerdem zahlreiche Metallglöckchen.
Während der rituellen Tänze gab es deshalb viel Lärm. Am
Kopf trugen die Nixenmänner ebenfalls Heilkräuter, zusammengebunden
in einem Kranz. Die Nixenmänner konnten ohne Musik nicht tanzen.
Sie zogen es vor, an der Musik des kaval (zu Deutsch: Hirtenflöte
– Bem. d. Übersetzers) oder duduk (zu Deutsch: Hirtenpfeife
– Bem. d. Übersetzers) zu tanzen. Erst später wurden der
kaval und der duduk durch den Dudelsack und in manchen Regionen durch
die Trommel verdrängt. Die Nixenmänner tanzten für Gesundheit
oder für Fruchtbarkeit. Die Tänze ähnelten den Hochzeitstänzen
sehr. Die Nixenmänner kurierten nur solche Menschen, die an der Krankheit
der Nixen leiden. Die Nixenmänner gingen ins Haus des Kranken und
der Anführer sagte, ob der Kranke wieder gesund werden kann. In einem
neuen Wasserkrug gab es stilles Wasser und Heilkräuter, die der Anführer
ausgesucht hat. Darauf legte man ein Taschentuch des Kranken. In einem
Teller gab es Essig und Knoblauch. Dann betrat
der Kranke das Zimmer. Er legte sich auf einen neuen, kürzlich gewebten
Läufer und die
Nixenmänner umkreisten ihn. Die Nixenmänner ordneten sich nach
ihrem Alter ein und der älteste und der jüngste schlossen den
Kreis um den Kranken. Anfangs waren die Tanzschritte leise und dicht beieinander.
Der Anführer gab das Tempo vor, indem er die Fahne hob. Nahm er die
Fahne nach unten, so tanzten die Nixenmänner auf der Stelle. Dann
nahmen sie den Läufer mit dem Kranken und warfen ihn nach oben. Erst
dann nahm der Anführer den Teller mit Essig und Knoblauch, kniete
beim Kranken und strich ihm die Stirn, die Hände und die Füße
ab. Dabei sprach er: „77 und ein halb Bösewichte – dreckig
und schrecklich – kamen aus dem Wald, aus den Felsen, aus den Tälern,
aus den Bergen. Sie gingen durch die Felder, durch die Wälder, durch
das Wasser – die Felder vernichteten sie, die Wälder verwüsteten
sie, das Wasser verdünsteten sie. Der, der sie gesehen hat, der lief
weg. Der, der nicht weggelaufen ist, der ist verzaubert. (Hier nannte
der Anführer den Namen des Kranken). Die Bösewichte stiegen
ihm auf den
Kopf, brachen ihm die Knochen, tranken ihm das Blut. Er sprach zur Mutter
Gottes und sie sagte ihm, verbrüderte Männer zu finden, Nixenmänner
nach Hause zu holen, für ihn zu tanzen, Heilkräuter zu bringen.
Sie bringen die Heilung! Soviel von mir, vom Gott – noch mehr!“
Diese Beschwörung sprach der Anführer leise, so dass man nur
einzelne Wörter hören konnte. Nur so war der Spruch heilend.
Anschließend sank der Anführer die Fahne zum Kranken und gab
ihm drei Mal vom Teller trinken. Nachdem er sich wieder zurückgezogen
hat, begannen die Nixenmänner wieder zu tanzen, wobei sie
diesmal über dem Kranken sprangen. Nachdem alle drei Mal gesprungen
haben, begann die Nixenmusik. Der älteste Nixenmann musste mit seinem
Stab den Wasserkrug zerschlagen, so dass das stille Wasser abfließt.
Der Kranke sprang auf und rannte weg. Er galt als gesund. Drei oder mehr
Nixenmänner warfen sich zu Boden und stellten sich vor, sie hätten
die Krankheit bekommen und würden daran sterben. So übernahmen
sie die Krankheit symbolisch, um sie wegzutragen. Die „kranken“
Nixenmänner kurierte man ebenfalls mit Tanz. Der Anführer gab
den „kranken“ Nixenmännern aus dem Teller zu trinken
und als es ihnen wieder gut ging, schlossen sie sich dem Tanz an. Die
Nixenmänner besuchten die Kranken von Pfingstmontag bis Nixensonntag
am Mittag. Danach gaben sie ihre Stäbe dem Anführer, der sie
in seinem Haus aufbewahrte. Die Nixenmänner tanzten zum letzten Mal
zusammen, dann zogen sie die weißen
Socken mit den Heilkräutern aus und feierten das Fest an einer gemeinsamen
Festtafel.
7. Juni – Namenstag von Waleri, Waleria
Beide Vornamen – der weibliche Waleria (Valeria) und der männliche
Waleri (Valeri) – sind vom Namen des römischen Kaisers Valerius
abgeleitet. Valerius bedeutet ich bin stark.Am Tag des Hl. Bartholomäus
galt es, ihn mild zu stimmen, damit er keine Hagelschauer im Sommer und
Schneestürme im Winter auf die Erde schickt.
11.
Juni – Bartholomäustag
Die alten Bulgaren feierten den Hl.
Bartholomäus, wie auch den Hl. German, als Schutzherr des Hagels.
Beide Brüder haben noch zwei Geschwister – Lisse und Wido.
14. Juni – Lissetag
Dem Volksglauben nach war Lisse der
dritte Bruder, der Schutzherr des Hagels ist.
An diesem Tag hieß es, dass man sich gegen die gleichnamige Krankheit
schützen muss, wenn einem das Haar ausfällt. Deshalb mussten
die jungen Burschen Heilkräuter sammeln, sie abkochen und darin baden.
Sie glaubten, sich dadurch gegen Haarausfall geschützt zu haben.
15. Juni – Widotag
Das war der letzte Tag, an dem man die Schutzbrüder des Hagels
mild stimmte. Wido ist laut den Überlieferungen der jüngste
der vier Brüder. Man glaubte, sollte man die anderen drei Schutzherren
nicht geehrt haben, wird man von Wido bestraft. Deshalb gibt es bis heute
noch die Redewendung: „Es kommt
Widotag!“, was so viel bedeutet, wie „Es wird der Tag der
Abrechnung kommen!“
24. Juni – Enjowden (Johannistag)
Dieses
uralte Fest galt als Wendepunkt im Festkalender der bulgarischen Mythologie.
Das Fest hat mit der Sommersonnenwende zu tun, wenn der Tag am längsten
und die Nacht – am kürzesten ist. Johannistag war das Lieblingsfest
von jung und alt. Man glaubte,
dass am Johannistag der Winter seine Reise zu den Menschen begann. Eine
alte Überlieferung
erzählt, dass Enjo am Johannistag seinen Pelzmantel anzog und sich
auf den Weg machte, Schnee zu suchen.
Am Johannistag stand man früh auf, um zu sehen, wie sich die Sonne
drei Mal wendet.
Wer es an diesem Morgen schaffte, sich drei Mal im frischen Tau zu wenden,
der sollte bis zum nächsten Johannistag gesund bleiben.
Eine alte Legende erzählt über Enjo und Stana, die unbedingt
heiraten wollten. Es war aber so, dass der Vater der Stana es anders wollte
und hatte sie einem anderen in einem anderen Dorf versprochen. Die Hochzeit
nahte, die Brautwerber kamen, um Stanamitzunehmen
und das Mädchen musste
gehen. Als sie jedoch die große Brücke über
dem Tundschafluss erreichten, nahm Stana
den Brautschleier ab und sprang in den Fluss.
Als Enjo es erfahren hat, kam er nicht zur
Ruhe. Er legte sich krank und blieb neun
Jahre lang im Bett. In all den Jahren regnete
es im Dorf nicht. Der Fluss trocknete aus und
alle Lebewesen waren von der Dürre bedroht.
Am zehnten Jahr, seit Enjo krank lag,
bastelte seine Schwester eine Pupe für ihn,
zog sie in weißen Kleidern an und sagte zu
Enjo: „Schau, Enjo, steh auf, Stana ist
gekommen, um deine Frau zu werden!“ Der
arme Bursche machte die Augen auf, lächelte
und starb.
Stürmische Winde kamen auf, dichter
Regen durchnässte die Felder. Die Pflanzen
grünten, die Tiere gingen auf die Weide und
die Verliebten sangen Liebeslieder“.
Von da an bastelten die jungen Mädchen
am Johannistag eine Puppe, die sie wie eine
Braut ankleideten. Am Johannistag nahmen
die Reigentänze kein Ende.
An diesem tag haben alle, die Janko oder
Janka heißen, Namenstag.
29. Juni – Petrustag
Der Petrustag fiel mitten in der eifrigen
Feldarbeit. Eine alte bulgarische Legende
erzählt, wie der Hl. Petrus vom Himmel hinunterblickte und sah, wie
viel Arbeit die
Menschen haben. Er war so stark beeindruckt,
dass er selbst die Sichel nahm und den
Feldarbeitern
zu helfen begann.
Am Petrustag endete die zweiwöchige
Fastenzeit mit einem üppigen Mahl. Im
Mittelpunkt stand ein schwarzer Hahn, der an
der Türschwelle des Hauses geschlachtet werden
musste. Der Hahn symbolisierte Gesundheit
und Stärke. Der Name Petrus bedeutet auch noch Stein. Auf der Festtafel
durften auch die zu dieser Jahreszeit reif werdenden Petrus-Äpfel
nicht fehlen. Die Äpfel mussten zuvor vom Dorfpriester geweiht werden.
Am Petrustag feiern alle, die Peter, Petrana und Kamen (abgeleitet vom
bulgarischen
Wort kamak – Stein – Bem. d. Übersetzers) heißen,
ihren Namenstag.
30.
Juni – Paulustag
Am Petrustag galt früher kein ausdrückliches
Verbot, auf dem Feld zu arbeiten. Am
Paulustag war es aber streng verboten und es
galt als schlechtes Omen, wenn man dagegen
verstoßen hat. Die alten Bauern fürchteten sich
nämlich vor Brand und Feuer und deshalb
durfte man am Paulustag kein Feuer anmachen.
Man sagte früher: „Der kleine Paulus macht
großen Schaden“. Der Name Paulus bedeutet
klein.
An diesem Tag haben alle, die Pawel (Paulus)
oder Pawlina (Paulina) heißen, Namenstag.
Schmetterling
Der Brauch, den man früher Schmetterling genannt hat, wurde während
des Petrusmonats
vollführt und hatte kein festes Datum. An diesem Ritual beteiligten
sich nur Mädchen,
etwa ein Dutzend Mädchen, die nur lange, weiße Leinenhemde
anhatten. Nur an
der Taille hingen grüne Stiele hinunter.
Zum Schmetterling wählte man ein kleines
Mädchen im Alter zwischen acht und zwölf
Jahren. Es musste das jüngste Kind in der
Familie sein. Das Schmetterlingmädchen
schmückte man ganz in grünen Stilen und Stängeln. Es machte
sich so auf den Weg, alle Häuser des Dorfes zu besuchen. Als das
Schmetterlingmädchen und alle Freundinnen das Haus betraten, sangen
sie ein Volkslied: „Ein Schmetterling zieht durch die Felder und
betet zu Gott:
Gebe uns, Herr, Regen für die Ernte,
damit Weizen und Roggen groß werden, damit Mutti Brot backen kann,
gebe uns, Herr, Regen für die Ernte!“ Das Schmetterlingmädchen
tanzte während
des Liedes und ahmte die Bewegungen eines Schmetterlings nach. Die Hausherrin
brachte einen Wasserkrug hinaus.
Darin hatte sie zuvor Wasser und ein paar Tropfen Rotwein hineingegossen.
Das Wasser goss sie über das Schmetterlingmädchen, das allen
anderen Gesundheit und Wohlergehen spendete. Die Hausherrin schenkte dem
Mädchen außerdem Mehl, Schafskäse und
Eier und bekam selbst Kleingeld, Schmuck oder Kleider.
Als die Mädchen nach Hause gingen, rollten
sie ein leeres Sieb, um zu deuten, ob die
Ernte gut oder schlecht sein wird.
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