Die Kunst des christlichen Mittelalters in Bulgarien

Assen Tschilingirov

 

Anhang

 

 

2. Erläuterungen zu den Denkmälern

  

   - I. Ursprünge  305

   - II. Erstes Bulgarenreich (681-1018)  315

   - III. Byzantinische Herrschaft (1018-1186)  327

   - IV. Zweites Bulgarenreich (1186-1396)  330

   - V. Osmanische Herrschaft und Ausklang (Ende des 14. bis Ende des 18. Jh.)  354

 

(Илюстрации:)

 

    345:

327 Tschatalar (Zar Krum), Basilika Nr. 2, Bildnis eines Heiligen, Fresko, 4. Jh. Bezirksmuseum Schumen

328 Sofia, Sophienkirche, zweite Hälfte des 5. Jh. Westansicht

329 Odessas, Stadtbasilika, Fragment des Bodenmosaiks, 4. Jh. Archäologisches Museum Varna

330 Bischofsbasilika zu Leuke, Anfang des 6. Jh. Südansicht

331 Sebastopolis, die Rote Kirche, Anfang des 6. Jh. Südwestansicht

332 Pliska, die Prozessionsstraße zur Erzbischofsbasilika

333 Pliska, Erzbischofsbasilika, letztes Drittel des 9. Jh. Ausgrabungen unter dem Chor

334 Preslav, Kloster Tuslalak, Apostel Paulus Keramikikone, Ende des 9. Jh. Archäologisches Museum Preslav

 

    346:

335 Preslav, Erzbischofskathedrale, 9.-10. Jh. Grundmauern

336 Preslav, Basilika Gebe-klisse, Ende des 9. Jh. Brüstungsplatte, Marmor, Nationalmuseum Sofia

337-338 Preslav, Runde Kirche, kurz vor 907, Kämpferkapitelle, Marmor, Archäologisches Museum Preslav

339 Nessebar, Kleine Kreuzkuppelkirche, spätes 9. Jh.

340 Preslav, Palast, Türumrahmung, Marmor, 10. Jh. Archäologisches Museum Preslav

341 Preslav, Ζweisäulenkirche Nr. 3 in Bjal Brjag, Anfang des 10. Jh.

342 Preslav, Kloster Patlejna, Klosterkirche, 10. Jh. Inneres

343 Preslav, Kloster Avradak, Löwe, Wasserspeier, Kalkstein. 10. Jh.

 

    347:

344-345 Vodoča, Leontioskirche, 9.-10. Jh. Die Vierzig Märtyrer von Sebasteia und Diakon Isauros, Freskenfragmente

346-347 Semen, ]ohanniskirche, 10. Jh. Prophet David (?) und heilige Elisabeth (?), Fresken der ersten Ausmalung

348-351 Batschkovo-Kloster, Beinkirche, um 1083. Anbetung der Hetoimasie, Vision des Propheten Hesekiel, Fresken

 

    348:

352-353 Batschkovo-Kloster, Beinkirche, um 1083. Heiliger Anthinogenes und. Kommunion der Apostel, Fresken

354 Neresi, Panteleimonoskirche, Heiliger Panteleimonos, Fresko

355-356 Verkündigung an Maria, Ikonendiptychon, Mitte des 11. Jh. Ikonengalerie Ochrid - Erzengel Gabriel, Maria, Detail

357 Gottesmutter Hodegetria, Ikone, 13. Jh. Ikonengalerie Ochrid

358-359 Kurbinovo, Georgskirche, 1191, Fresken der Ostwand

360 Melnik, Nikolaoskirche, Cheirotonie des Apostels Andreas, Fresko im Sanktuarium, kurz vor 1220

361 Sofia, Georgsrotunde, Heiliger Antonios der Große, Fresko an der Westwand, 13. Jh.

362-367 Ivanovo, Felsenkloster Erzengel Michael

362 Gospodev-dol (Tal des Herrn)

363 Verklärungskirebe, Anfang des 15. Jh., Anastasis, Fresko

 

    349:

(362-367 Ivanovo, Felsenkloster Erzengel Michael)

364-367 Felsenkirche ]ohannes’ des Täufers, zwischen 1232 und 1234- Außenansicht, Inneres nach Osten, Judas gibt die Silberlinge zurück und Des Judas Tod, Fresken

368 Omorphoklista, Georgskirche, Heiliger Georg, Holzplastik, 13. Jh.

369-370 Berende, Petruskirche, zweites Viertel des 13. Jh. Ansicht von Südosten und Christus Anapeson, Fresko

371 Ivanovo, Verklärungskirche, Christus Alter der Tage, Fresko, 14. Jh.

372 Sofia, Georgsrotunde, Propheten, Fresko im Tambour, 14. Jh.

 

    350:

373-314 Evangeliar des Zaren Ivan Alexander, 1355/1356. Lukas fol. 137r und Johannes, fol. 213r

375 Tomić-Psalter, um 1360. Der Exitus, fol. 248v

376 Krupnik-Evangeliar, Buchdeckel, Silber, getrieben und vergoldet, Meister Matej, 1577. Nationalmuseum Rila-Kloster. Vorderseite

377 Souceava-Evangeliar, Buchdeckel, Silber, getrieben und vergoldet, Meister joann Panov aus Vraza, 1656. Nationalmuseum Rila-Kloster. Vorderseite

378 Kokaljane-Evangeliar, Miniaturist Joann aus Kratovo, 1579. Nationales Kirchenmuseum Sofia ZM 477, Evangelist Matthäus, fol. 5r

379 Veliko Tirnovo, Petrus-und-Paulus-Kirche, Heiliger Barlaam, Fresko im Esonarthex, 16. Jh.

380-382 Alino-Kloster, Heilandkirche, 1626. Ansicht von Nordosten und Südwesten, Christus Engel des Großen Rates, Verklärung und Propheten, Fresko am Gewölbe

 

    351:

383 Gottesmutter Kecharitomeni mit Deesis, Engeln und Festszenen aus dem Marienleben, Ikone, Bulgarovo, Ende des 16. Jh. Nationales Kirchenmuseum Sofia

384 Deesis. Ikone von der Ikonostasis des Poganovo-Klosters, 1620. Nationalgalerie Sofa

385 Johannes der Täufer, Ikone, Nessebar, 1638. Nationalgalerie Sofa

386 Batschkovo-Kloster, Katholikon, Mittelteil der Ikonostasis, 17. Jh.

387 Thronende Gottesmutter mit Propheten, Ikone, Beltschin, 1653. Nationalgalerie Sofa

388 Heiliger Nikolaos mit Vitenszenen, Ikone, Bojana. Ende des 17. Jh. Nationalgalerie Sofa

389 Die Heiligen Charalampios, Onuphrios und Marina, Ikone, Melnik, Ende des 17. Jh. Nationalmuseum Sofa

390 Verkündigung an Maria, Ikone, Batschkovo-Kloster, 18. Jh. Nationalgalerie Sofia

391 Verkündigung an Maria, Freskenfragment aus der Dorfkirche in Sbeljasna, 17. Jh. Nationalgalerie Sofa

392 Roshen-Kloster, Katholikon, Heiliger Christophoros Cinokephalos, Fresko an Nordwand, um 1732

393-394 Arbanassi, Erzengelkirche, Taufe Christi und der Schmerzensmann (imago pietatis), Wandmalerei der zweiten Ausmalung, Anfang des 18. Jh.

 

    352:

395-397 Rila-Kloster, Kapelle des heiligen Ivan von Rila im Katholikon, Ikonen der Ikonostasis, 1787: Mariä Geburt, Darbringung und Auferstehung Christi

398-399 Rila-Kloster, Mariä-Tempelgang-Kirche, 1793. Gottesmutter Schirm und Schutz (Pokrov) und Höllenfahrt der Gottesmutter, Fresken im Naos

400 Gottesmutter Hodegetria, Ikone, Samokov, Metropolitenkirche, 1793

401 Christus Pantokrator, Ikone, Samokov, Metropolitenkirche, 1795

402 Heiliger Nikolaos, Ikone, Maler Simeon von Trjavna, 1798. Nationalgalerie Sofia

403-404 Rila-Kloster, Lukaskirche an der Einsiedelei, 1799. Seraphime und Joseph, Fresken am Gewölbe

 

I. Ursprünge

 

Bildnis eines Heiligen

Fresko. Bezirksmuseum Schumen

 

Während der Ausgrabungen nördlich der Festungsmauer, unmittelbar hinter dem Graben der Außenbefestigung der Pfalz Omurtags bei Tschatalar (Zar Krum), wurden 1966-67 die Ruinen von zwei übereinander erbauten Kirchen freigelegt - der dreischiffigen Basilika Nr. 1 mit halbrunder Apsis, Synthronon und dreiteiligem Narthex, vermutlich um die Wende des 5. zum 6. Jh. teilweise auf den Grundmauern eines älteren, ebenso basilikalen, jedoch gewölbten Baus mit halbelliptischer Apsis und geringeren Maßen, der Basilika Nr. 2, errichtet. Unter dem Fußboden der jüngeren Kirche fand man Putzreste aus dem ursprünglichen Bau mit Fragmenten von dessen Freskenschmuck, darunter ornamentale Streifen und Köpfe von Heiligen und Engeln. Die nach den weiteren keramischen und Münzfunden Mitte des 4. Jh. datierte Malerei, eines der bedeutendsten erhaltenen Denkmäler bildender Kunst des frühen Christentums, zeigt bereits die Verdrängung der antiken illusionistischen Maltechnik, die uns in dieser Kunstlandschaft zuletzt an den etwas jüngeren Fresken der Grabkammer von Silistra begegnet, durch eine Stilisierung der Formen und Steigerung ihrer Ausdruckskraft. Auch die breite rosa-braune Farbskala weicht von den hellenistischen Vorbildern entscheidend ab und sucht in der Symbolik der abstrakten Tonwerte eine neue unmittelbare Wirkung. Gleichzeitig sind hier auch die Ansätze des expressiven graphisch-linearen Stils vorhanden, der in der zweiten Hälfte des ersten Jahrtausends an den frühen Ikonen aus Sinai sowie an der Monumentalmalerei von Serdica, Semen, Kastoria und Ochrid zu voller Entfaltung gelangt, um als ein Charakteristikum der christlichen Kunst des westlichen Balkans hervorzutreten.

 

V. Antonova 1968; M. Zontscheva 1971, 2476; S. Barov 1973; R. Hoddinott 1975, 264-267.

 

 

Votivplatte des Thrakischen Heros

3. Jh. Marmor. 52 x45 x7 cm. Nationalmuseum Sofia. Inv.-Nr. 3404

 

Kein Götterkultus erreichte in den von Thrakern bewohnten Gebieten während der ersten Jahrhunderte römischer Herrschaft solche weite Verbreitung wie die Verehrung des Heros - des thrakischen reitenden Gottes -, von dem Tausende Votivreliefs in zahlreichen Heiligtümern aufgesjellt wurden. Wenn auch das Wesen und die wichtigsten Einzelheiten dieses auf der Polarisation und Harmonie beider Grundprinzipien des thrakischen religiösen Denkens - des solaren und des chthonischen Prinzips - beruhenden Kultus für uns Geheimnisse bleiben, so ist doch seine große Bedeutung für das geistige Leben der Balkanbevölkerung unbezweifelbar und hat durch seine vielfältigen Abwandlungen über den Synkretismus und das frühe Christentum bis in die Volksreligion der Spätzeit tiefe Spuren hinterlassen. So übernahm das Christentum neben der Ikonographie des Thrakischen Heros, die wir in mehreren Varianten an den Darstellungen der Reiterheiligen verfolgen können, auch seine Symbolik. Diese schien anfangs in Übereinstimmung mit den Ideen des Christentums zu stehen, kehrte jedoch im Spätmittelalter in der Volkskunst wiederum zu den Ursprüngen der vorchristlichen Mysterien zurück als ein Reflex des ewigen Antagonismus zwischen Helle und Dunkel, Himmel und Erde, Gut und Böse.

 

Die im Asklepeion an der Karstquelle bei Glava Panega, nahe Lowetsch, gefundene Votivplatte zeigt in Hochrelief in einem rechteckigen, oben abgerundeten, konkaven Feld den von der Jagd zurückkehrenden jugendlichen Reiter mit dichtem Lockenhaar und dem Betrachter zugewandten Gesicht, in Chiton und rückwärts flatternder Chlamis, die mit runder Agraffe befestigt ist; mit der z.T. abgebrochenen Rechten hält er ein Rehkalb, dessen Vorderteil fehlt. Unter dem nach rechts springenden Pferd sind Hund und Löwe dargestellt, zwischen ihnen eine umgestoßene Amphora, aus der sich eine Flüssigkeit ergießt. Auf der unteren Rahmenleiste eine Widmungsinschrift des Decurions lulius Valens: Iul(ius) Val(ens) dec(urio) posuit.

 

V. Dobruski 1907, 74, Nr. 72; G. Kazarow 1938, 77, Nr. 359; M. Oppermann 1970, 23.

 

 

Votivrelief der Großen Göttin

Bronze. 12,5 x10,5 x0,5 cm. Archäologisches Museum Rasgrad

 

Der aus Vorderasien übertragene Kult der Großen Göttin oder Großen Mutter (Magna Mater), noch unter den Namen Kybele, Agadistis oder Atargatis bekannt

 

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und von den Thrakern mit dem Kult ihrer Fruchtbarkeitsgöttin Bendis identifiziert, nimmt unter den synkretistischen Kulten neben den Kulten des Thrakischen Heros und Mithras den wichtigsten Platz auf dem Balkan ein. Auf zahlreichen Votivplatten dieser Göttin erscheint sie als Orantin mit sehr auffallender Kopfbedeckung zusammen mit ihren Attributen Fisch, Taube oder Schlange - Symbole, die ebenso wie ihr Gebetsgestus von der christlichen Ikonographie übernommen wurden. Das Bronzeplättchen ist 1924 als Teil eines Sammelfundes bronzener Votivplatten nahe der antiken Stadt Abritus gefunden worden. Stilistisch und ikonographisch steht es einem ähnlichen Sammelfund silberner Votivplatten aus der Landschaft Sarajov Kladenez beim Dorf Michajlovo, Bezirk Stara Sagora, am nächsten und wird ins späte 3. Jh. angesetzt. Die als Flachrelief ausgeführte Brustfigur der Göttin ist von einem dreifachen Flechtbandrahmen umgeben und mit erhobenen Armen in einem Chiton mit breitem Gürtel bekleidet dargestellt. Der aus mehreren Armbändern und reifenförmiger Kette bestehende Schmuck wie auch die Kopfbedeckung, die drei großen radial angebrachten Kämmen ähnelt, sind traditionsbedingt, ebenso die Fischdarstellung vor ihrer Brust - ihr wichtigstes Attribut, Symbol der Macht über Erde und Wasser.

 

Kazarow: Neue Denkmäler zur Religionsgeschichtc Thrakiens (AA XXXVII/1922, 186 f.) ; ders. 1925; S.A. Gebelev 1927; A. Boschkov 1972, 156.

 

 

Thrakisches Mausoleum, Pomorie

 

Im Unterschied zu den älteren thrakischen Grabstätten dürfte das südwestlich des antiken Anchialos am Schwarzen Meer gelegene thrakische Hügelgrab als Mausoleum gedient haben, in dem die Urnen mit der Asche der Verstorbenen aufgestellt wurden und mit dem Totenkultus verbundene Rituale stattfanden. Der 22 m lange, mit Tonnengewölbe überdeckte Dromos (Gang), der am Eingang von zwei rechteckigen und nur in ihrer Substruktion erhaltenen Kammern flankiert ist, führt in einen runden Saal von 11,60 m Durchmesser, in dessen Mitte sich eine hohle Säule von 3,50 m Durchmesser erhebt, die sich nach oben trichterartig verbreitert und in das umlaufende Gewölbe des Saals übergeht, so daß ein überwölbter Gang von 4,50m Breite und 5,50m Höhe entsteht.

 

 

In der Säule haben sich Reste einer Treppe erhalten, die zu der Öffnung an der Spitze führte. In der Umgangswand sind fünf Nischen eingetieft, vermutlich zur Aufnahme der Urnen bestimmt. Der Bau ist in opus mixtum, die Gewölbe und Bogen sind ausschließlich aus Backstein ausgeführt - die Wände tragen noch teilweise Putz. Das Hügelgrab ist schon in der Antike ausgeplündert worden; nur ein geringer Teil der Ausstattung und des Goldschmucks wurden 1975 bei Grabungen außerhalb der Anlage gefunden. Die für Thrakien neue, erst nach der römischen Besetzung eingeführte Bautechnik, neben der Verwendung konventioneller und traditionsgebundener Bauformen, spricht für eine Entstehung im 4. Jh., wobei auch eine frühere Datierung möglich erscheint.

 

T. Petrov u. a. 1960; KIBA 46 f.

 

 

Sophienkirche, Sofia

 

Der inmitten der frühchristlichen Nekropole östlich der antiken Stadt Serdica gelegenen Sophienkirche,. die mit wesentlichen Veränderungen, jedoch in der alten Bausubstanz erhalten geblieben ist, gingen vier Vorgängerbauten voran. Die erste Kirche, vermutlich unmittelbar nach dem Mailänder Edikt 313 oder kurz zuvor als capella memoria errichtet, war ein kleiner einschiffiger Bau (14 x 6 m) mit tiefer halbkreisförmiger Apsis, dessen Bodenmosaik sich zum Teil unter dem Fußboden der jetzigen Kirche befindet und zum Teil im Nationalmuseum Sofia aufbewahrt wird. Bei der zweiten, wahrscheinlich zu Beginn des letzten Drittels des 4. Jh. unter Verwendung von Resten des älteren .Baus errichteten Kirche handelte es sich um eine dreischiffige Basilika mit in der Ostmauer eingetiefter Apsis. Der dritte, nach dem zweiten Goteneinfall 378 entstandene Bau war wiederum eine dreischiffige Basilika, jedoch von einer größeren Ausdehnung. Die bis 1914 erhaltenen Teile des 144 m2 großen Bodenmosaiks ähneln dem ornamentalen Mosaik der ersten Kirche; das der vierten Kirche, um 400, mit geometrischen Ornamenten, ist nur fragmentarisch erhalten. Alle vier frühchristlichen Kirchen stellten einfache flach gedeckte Anlagen mit dünnen Mauern dar, die häufig durch feindliche Angriffe und durch Brände in Mitleidenschaft gezogen wurden.

 

Nach den Hunneneinfällen 441-47 wurde eine neue befestigte Backsteinkirche errichtet - eine dreischiffige gewölbte und mit einem Satteldach überdeckte Pseudobasilika (46,50 x 23 m) mit polygonaler Apsis und Altarvorraum in der Höhe des Mittelschiffs sowie einem niedrigeren Querschiff, Emporen über dem Narthex und den Seitenschiffen, Mittelturm mit polygonalem Tambour und Pendentifs über der Vierung, gestützt von Säulen; das Mittelschiff von den Seitenschiffen durch massive Mauern mit Arkaden getrennt. Den dreigeschossigen ungeteilten Narthex flankierten zwei quadratische Abwehrtürme;

 

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Außenmauern ungegliedert und mit mehreren hohen Fenstern ausgestattet. Nach der teilweisen Zerstörung im 8. und 9. Jh. ist die Sophienkirche ohne Westtürme und Emporen der Seitenschiffe wiederaufgebaut worden. Die zerstörten Kreuzgewölbe wurden teilweise durch Tonnengewölbe ersetzt, so daß sich die ursprüngliche Pseudobasilika in eine Basilika mit erhöhtem Mittelschiff verwandelte. Der Zeitpunkt des Umbaus ist umstritten, einen Anhaltspunkt bietet ein Sgraffito auf dem neueren Putz mit dem Namen des Patriarchen Damianos, der 972 seinen Sitz nach Sredez/ Serdica verlegte und die Kirche wahrscheinlich als Kathedrale benutzte. Im Zweiten Bulgarenreich wurde die Sophienkirche Metropolitenkathedrale; von ihr erhielt die Stadt den Namen Sofia. Dieser Zeit gehören die Erhöhung der Seitenschiffe und die Festigung des Gewölbes an.

 

 

Unabhängig von der im 16. Jh. erfolgten Umwandlung in eine Moschee - Sijawusch-Pascha-Dschami - behielt die Kirche trotz umfangreicher Umbauten ihre ursprüngliche Form. Nach den Erdbeben 1818 und 1858 diente die stark beschädigte Anlage als Lagerraum; ab 1900 wird sie wieder für den christlichen Gottesdienst genutzt. Die 1914 begonnene und durch den ersten Weltkrieg unterbrochene Sanierung ging 1928—31 weiter (A. Rachénov); 1956 folgten zusätzliche Konser- vierungs- und Forschungsarbeiten (S. Bojadshiev), welche jedoch die Veränderungen an den ursprünglichen Bauformen während der vorangegangenen Restaurierung nicht behoben.

 

B. Filov 1913 (Lit.); A. Rachénov 1931; W. Sas-Zaloziecky 1955, 15; S. Bojadshiev 1958; ders. 1967.

 

 

Bodenmosaik

2,32 x 2,38 m. Nationalmuseum Sofia. Inv.-Nr. 451

 

Das ehemals sich über den gesamten Altarraum der kleinen Friedhofskirche an der Nekropole von Serdica erstreckende Bodenmosaik aus dem frühen 4. Jh. ist während der Ausgrabungen 1893 unter der später an demselben Platz errichteten Sophienkirche freigelegt worden. Mit der Formensprache der antiken Tradition, wenn auch etwas vergröbert und vereinfacht, werden die ebenfalls aus dem Schatz der vorchristlichen Überlieferung herausgegriffenen Symbole in eine Beziehung zu der neuen christlichen Religion gebracht. So erscheint hier das bereits seit Jahrtausenden im Alten Orient gebrauchte Symbol der Unsterblichkeit, der Lebensbaum aus dem Garten des Paradieses, in engstem Zusammenhang mit dem Mysterium der Eucharistie: aus einem breiten, stark stilisierten Kelch, von blühenden Zypressen und Ranken umgeben, wächst der Lebensbaum, dessen Früchte zwei Tauben picken. Auf diese Weise wird die Eucharistie als Mittel für die Unsterblichkeit der Seele - pharmakon athanasias - an dieser Stelle gedeutet, was im Sanktuarium einer Friedhofskirche besonders nahelag.

 

VNM, 126; S. Pokrovskij 1932; H. Michaelis 1957, 348 f.

 

 

Bodenmosaik

Archäologisches Museum Varna

 

Das 1949 freigelegte, 3,50 x 3,45 m große Bodenmosaikfragment gehörte zum unteren, wahrscheinlich aus dem späten 4. Jh. stammenden Bau einer dreischiffigen Säulenbasilika im antiken Odessos, im j.Jh. umgebaut und erweitert. Das Mosaikfragment bestand aus zwei parallelen Streifen von je drei Quadraten, die durch größere konzentrische Quadrate untereinander verbunden waren. Sie weisen unterschiedliche Muster in opus alex- andrinum - Kreuze, Quadrate, Rhomben, Kreise, Voluten u. a. - auf; verwendet wurden rote, gelbe und braune keramische sowie weiße und bläuliche marmorne Mosaikwürfel.

 

M. Mirtschev 1951; AMV - 1965. Nr. 65.

 

 

Die antike Nekropole, Sofia

 

Um die Jahrhundertwende und in den 20er bis 30er Jahren wurden auf dem weiten Gelände östlich der Stadtmauer des antiken Serdica, um die Sophienkirche, sowie südlich der Altstadt, an der heutigen Gurko-Straße, zahlreiche Begräbnisse aus dem 2. bis zum 6. Jh. entdeckt, eine beträchtliche Anzahl davon - über 170 - in gewölbten rechteckigen, meistens in gemischter und Backsteintechnik errichteten Kammern, die gelegentlich eine Verzierung mit Wandmalerei besaßen. Weitere zehn Kammern entdeckte man während der Bauarbeiten an der Nationalbibliothek 1940 - die aus Backstein ausgeführten Grabkammern I und II ebenso mit Freskenschmuck. Unzureichend erforscht, wurden diese Coerne- terialbauten nach den Ausgrabungen wiederum zugeschüttet bzw. abgerissen, wobei von einem geringen Teil ihrer Fresken Aquarellkopien (Grabkammern Nr. 1, 2, 4, 5, 6, 7, 8, 9) sowie Fotoaufnahmen (Nr. 7, 8, 9, I und II) erhalten sind; einige Freskenfragmente aus den Kammern 4 und 8 sind abgenommen und werden teilweise im Nationalmuseum Sofia aufbewahrt, ihr Erhaltungszustand ist jedoch sehr schlecht und erlaubt kaum eine eingehende Untersuchung. Das Bildprogramm der Freskenverzierung beschränkt sich bei den meisten Denkmälern

 

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auf ornamentale Streifen mit Rosetten, Ranken, Akanthusblättern, Weintrauben und tulpenähnlichen Pflanzen - zuweilen dazwischen auch Vögel -, während an den Tympana und Gewölben Kreuze (einige davon in der Form eines Lebensbaums) oder Christogramme in Lorbeerkränzen, flankiert von Pfauen, Kerzenleuchtern oder Tauben, erscheinen; daneben finden sich hin und wieder die Buchstaben Α und Ω. Eine Sonderstellung hat die 1909 entdeckte und anschließend zerstörte Grabkammer Nr. 9, deren Gewölbekomposition ein mit Lorbeerkranz umgebenes Kreuzmedaillon zwischen dem »Muster ohne Ende« und vier lateinisch signierte Brustbildnisse der Erzengel an den Ecken - die frühesten überlieferten in der christlichen Kunst - darstellt. Die starken Beziehungen der Maler zur antiken Tradition, eine oft betont naturalistische und illusionistische Malweise, deren Parallelen in Nordafrika, Kleinasien und Syrien zu finden sind, sowie die lateinischen Inschriften und weitere Funde deuten für die meisten Werke, wie die Malerei der Kammern Nr. 2, 5, 8 und 9, auf eine Entstehungszeit in der ersten Hälfte des 4. Jh. hin. Einen terminus ante quem für die in enkaustischer Technik ausgeführten Wandbilder der Grabkammer Nr. 9 bieten zusätzlich die Beschlüsse der Laodikenischen Synode (363), die den weit ausgedehnten Kult der Erzengel eingeschränkt haben. Für die späteren Fresken vom Beginn des 5. Jh. (Nr. 1, 5, 7, I) bzw. von seiner zweiten Hälfte (Nr. 6), ist die Tendenz zur Schematisierung, Vereinfachung und Vergröberung der bekannten hellenistischen Prototypen bezeichnend, die für eine weitere Entwicklungsphase charakteristisch erscheinen mag.

 

K. Škorpil 1890; G. Kazarow / Ch. Tatschev 1910; B. Filov 1915, 78-80, 88, 101-103; J. Gospodinov 1921; K. Mijatev 1925; ders. 1926-1927; P. Perdrizet: L’archange Ouriel (SK n/1928, 247); N. Kondakov 1929, 94-101; I. Velkov 1938 ; S. Bobtschev 1940-1941; V. Ivanova 1940-1941; R. Hoddinott 1975, 271f.

 

 

Römische Grabkammer, Silistra

 

Die 1942 im Südostteil der antiken Stadt Durostorum nur 70 cm unter dem Boden entdeckte rechteckige steinerne Grabkammer mit Gewölbe aus Backstein (3,30 mal 2,60 x 2,30 m) stellt eines der bedeutendsten Denkmäler römischer Provinzialkunst aus dem späten 4. Jh. dar. Die malerisch verzierten Wände und Gewölbe zeigen neben der Darstellung des verstorbenen Ehepaars die Figuren der Diener sowie mehrere dekorative zoo- morphe und pflanzliche Motive in einer illusionistischen Fresco-buono-Technik, wobei zu dem ausgeprägten Realismus mit unverkennbarer Vorliebe für das Genrehaft-Anekdotische bereits ein Expressionismus mit stark übertriebener Gestik, gesteigertem Ausdruck und betonter Verzerrung der bislang harmonischen Proportionen ins Auge fällt. Bezeichnend ist an diesem nichtchristlichen Denkmal die Verwendung eines breiten Repertoires von Symboldarstellungen, wie die Pfauen im Garten Eden, das von der christlichen Kunst fast unverändert in die Ikonographie der Sepulkralmalerei übernommen wurde.

 

A. Frova: Pittura romana in Bulgaria, Roma 194); ders.: Peinture romane en Bulgarie (Cahiers d’Art 1954, I, 25-40); D. P. Dimitrov 1961.

 

 

Paradiesdarstellung

Sandsteinrelief. 40 x 76 x 8,5 cm. Nationalmuseum Sofia. Inv.-Nr. 3891

 

Die bei Ausgrabungen in der antiken Nekropole von Serdica gefundene Reliefplatte gehörte vermutlich zur Chorschranke einer frühchristlichen Coemeterialkirche. Die zum Teil ergänzten Darstellungen von zwei Pfauen mit stilisierten Efeuranken folgen dem bereits in vorchristlicher Zeit entstandenen ikonographischen Typus, der als Symbol für das Paradies weite Verbreitung in der christlichen Kunst, bereichert durch das Kreuzsymbol, fand. Die grobe und rustikale Ausführung des Flachreliefs spricht jedoch bereits für einen Bruch mit der antiken handwerklichen Tradition und läßt hier die Arbeit einer lokalen Werkstatt aus dem späten 4. Jh., nach den Goteneinfällen, erkennen.

 

 

Ölleuchter

Bronze. 15 x 12 x 32 cm. Nationalmuseum Sofia. Inv.-Nr. 4650

 

Ein Erzeugnis der spätrömischen Kunstindustrie. Die in der Antike sehr verbreitete Standardform der bronzenen Ölleuchter, in einer beträchtlichen Zahl in den Zentren des Kunsthandwerks im Imperium Romanum produziert, wurde allmählich den Anforderungen christlicher Abnehmer angepaßt. So finden sich im Dekor immer öfter neben den traditionellen Verzierungsmotiven, wie behelmten Männerköpfen auf dem Deckel, auch Kreuzsymbole mit oder ohne Rankenwerk. Versuche mancher Forscher, die Entstehung dieser Lampe mit dem Fundort Stara Sagora - dem antiken Augusta Trajana - in Zusammenhang zu bringen, scheinen wenig glaubhaft, obgleich die hohe wirtschaftliche und kulturelle Blüte dieses Bischofssitzes und wichtigen Handelszentrums Thrakiens während der römischen Herrschaft auch die Voraussetzungen für eine Blüte des Kunsthandwerks bot, wie es zahlreiche weitere Funde belegen. Jedoch unterhielt im 4. Jh. Augusta Trajana ebenso rege kulturelle und Handelsbeziehungen mit den übrigen Kunsthandwerkszentren des Imperiums, wie Aquileja, wo diese Lampe herstammen dürfte.

 

D. P. Dimitrov 1937-1959; N. Schmirgela 1961, Nr. 144.

 

 

Enkolpion

Weißmetall (Legierung aus Blei und Kupfer). 7,5 x 4,5 cm. Archäologisches Museum Stara Sagora. Inv.-Nr. 1131

 

Gefunden 1963 in der spätantiken Siedlung an der Ortschaft Tschatalka bei Stara Sagora, in der Nähe einer Kirchenruine aus dem 6. Jh.

 

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Erhalten ist nur die Hälfte eines zweiteiligen Enkolpions in Kreuzform mit wenig ausladenden Armen, in dessen Inneren vermutlich Kreuzpartikel aufbewahrt wurden. An der Vorderseite ist in einer naiv-primitiven Ritztechnik Maria als Orantin in Ganzfigur frontal dargestellt, vor ihrer Brust die Figur des Christus Emmanuel mit Kreuznimbus. Außer den traditionellen griechischen Initialen für Christus findet sich hier die selten vorkommende Bezeichnung Mariä als Mutter Christi statt Mutter Gottes. Sie steht im Zusammenhang mit dem nestorianischen Glaubensbekenntnis, das trotz seiner Bekämpfung von der Orthodoxie eine weite Verbreitung im Christlichen Osten und besonders in Syrien fand, wo dieses Enkolpion herstammen dürfte. Eine Datierung im frühen 6. Jh. scheint am wahrscheinlichsten und ist durch zahlreiche Parallelen der Mariendarstellung an anderen ähnlichen Enkolpien (allerdings mit traditioneller Bezeichnung) belegbar.

 

AMSS - 1965, Nr. 93.

 

 

Brustkreuz

 

Gold mit Malachit- und Granatinkrustationen. 73 x 5,2 mal 0,7 cm. Archäologisches Museum Varna. Inv.-Nr. III 556

 

Das kleine Brustkreuz gehört zu einem 1961 bei Bauarbeiten etwa 500 m vor der Stadtmauer des antiken Odessos gefundenen Goldschatz. Die Vorderseite der ausladenden Kreuzarme zeigt Verzierungen mit stilisierten Bäumen, die durch Malachitplättchen auf rotbraunen Hintergrund aus Granateinlagen inkrustiert und mit dünnen goldenen Zellenstegen eingefaßt sind. Die Rückseite ist in Niellotechnik mit pflanzlichem Palmettendekor sowie mit zwei in der Mitte und am unteren Längsarm angebrachten vierblättrigen Rosetten (Rose von Jericho) geschmückt. Am oberen Längsarm ist eine an beiden Seiten granulierte Öse zum Aufhängen an einer Kette befestigt. Bezeichnend für dieses Stück ist die sehr früh auf dem Balkan auftretende Verbindung des Kreuzsymbols mit einer auf den Lebensbaum bezogenen ornamentalen Verzierung mit der Rose von Jericho, einem Symbol der Auferstehung. Gerade dies spricht für einen Einfluß des Christlichen Ostens, wenn auch die Derbheit des prächtig und farbenfreudig gestalteten Goldschatzes auf eine Entstehung in den Goldschmiedewerkstätten von Odessos im 6. Jh. hindeutet.

 

D. Il. Dimitrov 1963; AMV - 1965, Nr. 69; I. Venedikov 1966.

 

 

Staurothek von Pliska

Gold mit Nielloverzierung. 42 g, Theka: 6,6 x 3,2 x 0,6 cm, Kreuz 4 x 2,9 x 0,4cm. Nationalmuseum Sofia. Inv.-Nr. 4882

 

Die 1973 während der Ausgrabungen an der westlichen Stadtmauer von Pliska gefundene Staurothek besteht aus einer zweiteiligen kreuzförmigen Theka (Gehäuse) mit Scharnier und einem ebenfalls zweiteiligen Kreuz, in dem die Kreuzreliquie - ebenso gut erhalten wie der doppelte Behälter - aufbewahrt wird. Sowohl die beiden Teile der Theka als auch die des Kreuzes sind auf der ganzen Fläche der ausladenden Kreuzarme mit Darstellungen in Niellotechnik verziert: Vorderseite der Theka - Verkündigung an Maria, Christi Geburt, Darbringung, Taufe und in der Mitte Verklärung; Rückseite - Christi Himmelfahrt und Anastasis; Vorderseite des Kreuzes - Kreuzigung mit Sonne, Mond, Assistenzfiguren Maria und Johannes und dem Schädel Adams; Rückseite - frontale Ganzfigur der Gottesmutter Nikopoia mit Brustbildnissen der Kirchenväter Johannes Chrysostomos, Gregorios von Nazianz, Nikolaos und Basileios des Großen in Medaillons. Griechische Inschriften an der Kreuzigung: am Titulus I̅C X̅C, auf den Querarmen ΙΔΕ ΟΝΟC (ἰδε ὁ υἰός σου = Siehe, dein Sohn, Joh 19, 27) und ΙΔΟV H MHP (.ιδε ἡ μήτηρ σου = Siehe, deine Mutter, Joh 19, 26), beiderseits des Schädels Adams TOПOC KPANIȣ ( = Schädelstätte). Auf der Rückseite des Kreuzes ebenfalls griechische Bezeichnungen der Kirchenväter: XPVCOCTOM[OC]; ΓPHPOP[IOC]; NIKOΛA[OC] und BACHΛH[OC] sowie der Gottesmutter H AΓIA ΘEOT[OKOC]. Die Ikonographie ist vorikonoklastisch (Verkündigung am Brunnen, linker Descensustypus, Christus im Kolobium mit sechsstrahligem Kreuznimbus) und schließt sich wie die künstlerisch vollendete Ausführung einer Reihe niellierter Arbeiten aus der gleichen, vermutlich syrischen, Werkstatt des frühen 7. Jh. an (Staurothek Fieschi-Morgan im Metropolitan Museum of Art, New York, Silberkreuz von Vicopisano, Reliquienkreuz im Museum of Art, Rhode Island School of Design, Providence, Staurothek in der Schatzkammer von Monza); wahrscheinlich im Zusammenhang mit der Annahme der christlichen Religion 865 als Geschenk des byzantinischen Kaisers Michael III. für seinen Patensohn, den bulgarischen König Boris I., nach Bulgarien gelangt, ist dieses kostbarste Stück seiner Art erst seit kurzer Zeit der Forschung zugänglich geworden.

 

L. Dontcheva: Une croix pectorale-reliquaire en or recomment trouvee à Pliska (CA 26/1976, 59-66).

 

 

Weihwasserbecken

Marmor. Höhe 11,5 cm, Ø 32,5 cm. Archäologisches Museum Varna. Inv.-Nr. III 219

 

Ein flaches rundes Gefäß mit grob bearbeiteter Außenwandung, um den Rand gruppieren sich vierpaßförmig Segmente mit reliefierten Darstellungen von zwei Adlern und dem Brustbildnis eines Jünglings - Symbole der Wiedergeburt durch das Mysterium der Taufe; das vierte Segment ist in eine Rinne zur Ableitung des Wassers umgebildet. Den inneren Rand schmückt ein flach reliefiertes Pflanzenornament, das in einem Efeublatt ausläuft; ihm gegenüber ist eine Widmungsinschrift mit dem griechischen Text +ΥΓIENΩN XPΩ angebracht. Die engen stilistischen Beziehungen in der Formgestaltung mit dem

 

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Kerzenleuchter aus Odessos weisen auf ihre gemeinsame Herkunft aus einer einheimischen Werkstatt in Odessos vermutlich im späten 6. Jh. hin, die ihre Arbeiten nach festgelegten ikonographischen Typen geschaffen hat.

 

AMV - 1965, Nr. 72.

 

 

Kämpferkapitell

Kalkstein. Archäologisches Museum Vraza. Inv.-Nr. A 2846

 

Gehört zum bauplastischen Schmuck der 1967 in der Ortschaft Koritengrad, südlich von Ljutibrod, ausgegrabenen frühchristlichen Basilika; ausgeführt aus weißem Vraza-Kalkstein, Werk einer lokalen Steinmetzerwerkstatt, bei der die bodenständigen über die Konstantinopeler hauptstädtischen Einflüsse dominieren. Die von der Perfektion und Eleganz der Antike weit entfernten Formen nehmen eine volkstümliche naiv-derbe Prägung an. fm Bildprogramm erscheinen neben den Voluten und stark stilisierten Akanthusblättern auch Kreuze mit ausladenden Armen, blühende Kreuze, zwei eine Vase flankierende Tauben, Schafe und sogar eine Kuh. Innerhalb der Volkskunst wird der christlichen Symbolik mit ihrem komplizierten theologischen Gedankengut nach und nach der Boden entzogen. Die erzählerische und bildhaft-phantastische Darstellungsweise verdrängt die sinnbildliche - ein Prozeß, der sich im Laufe der Jahrhunderte mehrmals wiederholt, wobei die wechselseitige Einwirkung der gehobenen und mit ihrem Ideenreichtum tiefgreifenden Formensprache einer erlesenen Hofkunst im Widerstreit mit der volkstümlichen Allgemeinverständlichkeit und expressiven Unmittelbarkeit die christlich-orthodoxe Kunst des Balkans ständig bereichert.

 

AMVr - 1968, Abb. 6, Nr. 102-103; Alte Kunst in Bulgarien IV/1970, 31; M. Zontscheva 1971, 235t.

 

 

Reliefplatten aus Ossenovo

Grobkörniger Kalkstein. 24,5 x 43 x 21 und 24,5 x 31 x 19cm.

Archäologisches Museum Varna. Inv.-Nr. III 223/224

 

Die beiden Reliefplatten, neben weiteren inzwischen verschollenen bauplastischen Fragmenten und einer Schrifttafel mit den Namen der Kaiser Honorius und Arkadius (393-395), dürften zu den Chorschranken einer bislang unerforschten frühchristlichen Kirche in der antiken Festung beim Dorf Ossenovp nahe Varna gehört haben. Die flachen Reliefs mit grob eingeritztem Dekor sind wahrscheinlich aus einer lokalen Werkstatt hervorgegangen und stellen in ihrer primitiven Ausführung handwerkliche volkstümliche Arbeiten dar. Hingegen ist ihre Ikonographie von großem Interesse: Neben den bereits von der christlichen Kunst übernommenen Symbolen, wie den als Sinnbilder für die Unsterblichkeit der Seele erscheinenden Pfauen, die sich den aus einem Lebensbaum emporwachsenden Kelchen mit dem Trank der Unsterblichkeit, »pharmakon athanasias«, nähern, sind in einfacher Ritztechnik, doch mit Schwung und in einer realistisch-expressiven Darstellungsweise die Zeichnungen weiterer Figuren angebracht, die für ein feines, lebensnahes Beobachtungsvermögen zeugen und sich - wie der Stier an der unteren Platte - nur bedingt aus der christlichen Symbolik herleiten lassen, sondern vielmehr auf eine enge Bindung an die Natur hindeuten. Die umstrittene und schwer belegbare Datierung ist zwischen dem späten 4. und frühen 6. Jh. anzusetzen, obgleich diese Werke bereits Züge einer Profanierung und Vereinfachung der christlichen Kunst tragen - ein Prozeß, der am Ende der Antike rasch einsetzte.

 

Michaelis 1957, 346-350; D. Il. Dimitrov 1961; AMV - 1965, Nr. 76.

 

 

Diokletianopolis (Hissar)

 

Die antike Stadt, deren ursprünglicher Name unbekannt ist, wird heute mit der späteren bedeutenden Bischofsmetropole Thrakiens, Diokletianopolis, identifiziert. Sie wurde nach dem römischen Kaiser Diokletian (284 bis 305) benannt, der ihre bereits vor 222 erbauten, jedoch in der Mitte des 3. Jh. zerstörten Festungsmauern erneuern ließ und die Stadt zur kaiserlichen Residenz erhob. Bis zur zweiten Zerstörung durch die Goten (378) stand der günstig gelegene und durch seine Heilquellen bekannte Kurort und Bischofssitz in hoher Blüte. Spuren davon haben sich in den Ruinen zahlreicher profaner und sakraler Bauten erhalten. Eindrucksvoll ist die gewaltige, bis zu 12 m hohe und 3 m starke Stadtmauer, die nach der lokalen Bautradition, ähnlich der Mauer in Seutopolis und Augusta Trajana, mit viereckigen Türmen und in Mischtechnik aufgeführt war. Die für diese Zeit und Kunstlandschaft ungewöhnliche Konzentration von Sakralbauten - bisher sind neun große Basiliken ausgegraben worden - ist nur mit den bedeutendsten kirchlichen Zentren, wie Konstantinopel, Thessaloniki und Philippi, vergleichbar. Die Blüte der Stadt dauerte auch nach dem Goteneinfall fort, seit dem 6. Jahrhundert begann die Stadt jedoch an Bedeutung einzubüßen, obgleich sie die Avarenbelagerung im Jahr 687 noch erfolgreich abwehren konnte.

 

 

   Basilika Nr. 3, die Friedhofskirche, laut Inschrift dem hl. Stephanos geweiht, liegt außerhalb der Stadtmauer, südlich des Haupttores - dreischiffige Basilika mit Atrium (41,60 x18,20 m), die Schiffe durch zwei Reihen von je fünf Backsteinsäulen getrennt, in Mischtechnik erbaut.

 

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Die ursprüngliche Anlage aus der ersten Hälfte des 4. Jh. mit halbkreisförmiger Apsis und Deambulatorium sowie einem Narthex wurde nach ihrer Zerstörung 378 wahrscheinlich schon vor der Mitte des 5. Jh. wiederhergestellt und umgebaut, wobei die Apsis eine polygonale Form erhielt. Im Sanktuarium befand sich ein Ziborium, gestützt von vier Marmorsäulen; an der Nordostecke war ein Eingang mit Treppenanlage.

 

 

   Basilika Nr. 4a, außerhalb der Stadtmauer, in der Nähe des Nordostwinkels der Festung gelegen - dreischiffige Basilika ohne Narthex (22 x 16,80 m), die anstelle eines heidnischen Tempels in Mischtechnik errichtet wurde. Die Schiffe waren durch zwei Reihen zu je fünf Holzsäulen über massivem steinernem Stylobat getrennt; die hufeisenförmige Apsis weist ein Synthronon auf. Wahrscheinlich während des Goteneinfalls 378 zerstört, wurde sie durch eine wesentlich größere, ebenso dreischiffige Kirche, die Basilika 4b, ersetzt.

 

   Basilika Nr. 2, innerhalb der Stadtmauer, an der Stelle des heutigen Archäologischen Museums - dreischiffige Basilika (31 x 24 m) mit halbkreisförmiger Apsis und Narthex, mit zwei Reihen zu je sieben Granitsäulen und gewölbten Seitenschiffen. Die Datierung um das Ende des 4. oder zu Beginn des 5. Jh. ist auf Grund der offensichtlich jüngeren bauplastischen Ausstattung umstritten, die allerdings von einem der späteren Umbauten herstammen dürfte. Nach der Zerstörung der Kirche wurde in ihrem Ostteil eine Kapelle eingerichtet, von manchen Forschern als Diakonikon angesehen.

 

   Basilika Nr. 5, außerhalb der Stadtmauer, westlich der Festung, am heutigen Bahnhof - dreischiffige Säulenbasilika (etwa 30 x 19 m) mit Narthex und halbkreisförmiger Apsis. Die erhaltenen Substruktionen sind in Mischtechnik ausgeführt; die Säulenfragmente gehören einer späteren Bauphase der wahrscheinlich im 4. Jh. erbauten, jedoch im 5. Jh. weitgehend veränderten Kirche an.

 

 

   Basilika Nr. 1, innerhalb der Stadtmauer - zweischiffige Pfeilerbasilika (26,40 x 11,30 m) mit halbrunder Apsis, Prothesisnische und Narthex; nach Westen erstreckt sich ein Atrium. Die neuen Untersuchungen zeigen, daß es sich um einen Sakralbau aus dem frühen 5. Jh. handelt, der auf den Ruinen der beim Goteneinfall zerstörten Kasernen als provisorische Soldatenkirche errichtet worden war, jedoch etwas später mit Wandbildern, bauplastischem Schmuck; und Marmorfußboden ausgestattet wurde. Fragmente der Chorschranken aus prokonesischem Marmor, Werke der byzantinischen Hofwerkstätte am Marmarameer, 6. Jh., im Nationalmuseum Sofia (Inv.-Nr. 1055 und 1056).

 

   Basilika Nr. 8, außerhalb der Stadtmauer, östlich der Stadt - dreischiffige Säulenbasilika (23,70 x 15 m) aus Bruchstein mit einer halbrunden Apsis, Narthex, Baptisterium mit Piscina und Atrium. Wahrscheinlich vor der Mitte des 5. Jh. errichtet; bereits zur Zeit Justinians umgebaut, wobei zwischen Nord- und Mittelschiff eine Steinmauer eingefügt wurde. Derselben Zeit gehört auch die Ausstattung mit Marmorsäulen und -kapitellen an, deren Fragmente erhalten sind.

 

   Basilika Nr. 7, außerhalb der Stadtmauer, nordöstlich des Osttores - dreischiffige Säulenbasilika (28 x 17 m) mit halbkreisförmiger Apsis, dreiteiligem Sanktuarium und Narthex, vermutlich um die Mitte des 5. Jh., unmittelbar nach dem Hunneneinfall erbaut.

 

 

   Basilika Nr. 6, südöstlich der Stadtmauer, nahe der Mineralquelle Tschair-banja - dreischiffige Säulenbasilika (30 x 17,50 m ohne Anbauten), in Mischtechnik erbaut, mit halbkreisförmiger Apsis, deren Breite geringer als die des Mittelschiffes ist; Sanktuarium und Narthex sind dreigeteilt. Unter dem Chor befand sich eine kleine Krypta, im Westen ein Atrium. Meist in das frühe 6. Jh. datiert.

 

   Basilika Nr. 4b, im 6. Jh. an der Stelle der zerstörten Basilika Nr. 4a erbaut, deren Nordmauer teilweise für den Neubau benutzt wurde.

 

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Wesentlich größer als die alte Kirche (19,50x18,30 m ohne Anbauten), zeigt sie für diese Zeit und Kunstlandschaft neue Bauformen: ein ausgeprägtes Querschiff, polygonale und durch Strebepfeiler verstärkte Apsis, einen Narthex, Baptisterium mit Apsis und Katechumenum sowie ein Atrium.

 

   Basilika Nr. 9, außerhalb der Stadtmauer, südlich des Haupttores, inmitten der großen Nekropole der antiken Stadt - dreischiffige Säulenbasilika aus Bruchstein mit drei halbrunden Apsiden sowie dreigeteiltem Narthex und Sanktuarium; die Pastophorien sind mit dem Altarraum und den Seitenschiffen direkt verbunden. Der südliche Raum des Narthex, wo sich der Haupteingang befand, ist asymmetrisch gestaltet. Vermutlich in der zweiten Hälfte des 6. Jh. ausgeführt.

 

P. Mutaftschiev 1912-13; K. Mijatev 1921; V. Mikov 1932; D. Zontschev 1935 - 36; ders. 1937-38; V. Ivanova 1937; D. Zontschev und A. Sarkisjan 1960; D. Zontschev / K. Madsharov 1965; K. Madsharov 1965; ders. 1966; ders. 1971; S. Bojadshiev 1966; ders. 1972.

 

 

Basilika unter dem Palast am Zarevez, Veliko Tirnovo

 

Dreischiffige Säulenbasilika (35 x 18,50 m) mit Narthex und halbrunder Apsis mit Synthronon, in Mischtechnik auf Grundmauern einer älteren einschiffigen Kirche mit polygonaler Apsis erbaut, deren Nordmauer teilweise wiederverwendet wurde. Das mit einem Satteldach bedeckte und durch mehrere Fenster beleuchtete Mittelschiff soll nach der Vermutung N.Angelovs bedeutend höher als die Seitenschiffe gewesen sein. Die gesamte Anlage mit mehreren seitlichen, z. T. jüngeren Anbauten ist während eines Großbrandes bereits im frühen Mittelalter zerstört worden; ausgegraben 1951-53. Zu den erhaltenen Fragmenten der bauplastischen Ausstattung aus prokonesischem Marmor gehören die jetzt im Bezirksmuseum Veliko Tirnovo aufbewahrten Teile des Ziboriums und der Chorschranken, deren vorjustinianische, streng geometrische Ornamentierung für das frühe 6. Jh. - die Zeit der Errichtung der Kirche nach der Verlegung des Bischofssitzes von Nikopolis ad Istrum nach Tirnovo um 518 - charakteristisch erscheint.

 

N. Angelov 1973, 277-337.

 

 

Eliaskirche bei Pirdop

 

Die 1913 ausgegrabene und zum erstenmal erforschte Ruine, 6 km nordöstlich von Pirdop, stellt eine ursprünglich flach gedeckte, in opus mixtum errichtete dreischiffige Basilika (30,5 x 17 m) dar. Vermutlich im 6. Jh. erhielt sie Kreuzgewölbe über den Seitenschiffen sowie eine Ostkuppel und Tonnengewölbe über dem Westteil des Mittelschiffs und über dem Narthex, wobei die Mauern der Seitenschiffe und des Narthex durch Strebepfeiler aus Backstein verstärkt und die Säulen mit den Architraven z. T. durch Pfeiler nach dem System des Stützenwechsels ersetzt wurden, während im Ostteil zwei durch Blindkuppeln bedeckte, abgesonderte, jedoch mit dem Altarraum und den Seitenschiffen verbundene Pastophorien mit asymmetrischen, halbkreisförmigen Apsiden sowie mit zwei westlichen Annexkapellen nördlich und südlich des Narthex entstanden. Etwas später wurde im Anschluß an die Südkapelle ein quadratisches Baptisterium mit polygonaler Apsis und Kuppel hinzugefügt. Mutmaßungen über die Existenz einer zweiten Westkuppel und eines Kreuzgewölbes des Mittelschiffs aus der zweiten Bauperiode sind wenig glaubhaft. Während der zweiten Bauperiode ist die gesamte Anlage von einem rechteckigen Peribolos (48,50 x 33 m) umgeben worden, dessen bis zu 1,70 m starke Periteichisma mit vier rechteckigen Außentürmen offensichtlich auch Abwehrfunktionen übernehmen sollte. Dieser Bauperiode gehört ebenfalls die aus den Werkstätten Konstantinopels stammende bauplastische Ausstattung der Kirche an, deren Fragmente - Säulen, Kapitelle und Altarschranken aus prokonesischem Marmor - im Nationalmuseum Sofia aufbewahrt werden.

 

P. Mutaftschiev 1915; W. Sas-Zaloziecky 1955, 14; D. Vassileva: La basilique du Cerf (ByzBulg IV/1973, 253-273).

 

 

Kerzenleuchter

Grauweißer grobkörniger Marmor. Höhe 20,4 cm, Ø der Basis 14,5 cm. Archäologisches Museum Varna. Inv.-Nr. III 455

 

Der Leuchter besteht aus breitem konischem Untersatz und zylindrischem Schaft in der Form eines bartlosen Jünglingskopfes, in dessen Mitte ein flaches Becken mit einer Öffnung für die Kerze ausgespart ist. Die stark stilisierten und schematisierten Gesichtszüge mit großen eingeritzten Mandelaugen, einer geraden Nase und schmallippigem Mund zeigen einen ekstatisch-starren Ausdruck. Die fortgeschrittene Stilisierung der expressiven Formensprache deutet auf eine Entstehungszeit um das späte 6. Jh. hin. Für den lokalen Ursprung sprechen weitere Kunstwerke aus der gleichen Werkstatt, wie das Taufbecken aus Odessos.

 

AMV - 1965, Nr. 74.

 

 

Männerkopf

Sandstein. Höhe 26 cm. Nationalmuseum Sofia. Inv.-Nr. 6933

 

Gefunden in den Ruinen einer frühmittelalterlichen Festung bei Obsor am Schwarzen Meer. Als eines der letzten Beispiele spätantiker Freiplastik in der christlichorthodoxen Kunst des Balkans zeigt der fragmentarisch erhaltene Männerkopf aus dem späten 6. Jh. zugleich die Verdrängung des antiken Illusionismus zugunsten eines stark ausgeprägten Expressionismus, der zu einer extremen Stilisierung der Formen und Betonung des Ausdrucks führte.

 

D. P. Dimitrov: Ein frühbyzantinischer Sandsteinkopf im Nationalmuseum zu Sofia (IAI XII/1938, 304f.).

 

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Basilika am Meer (Gottesmutter Eleusa), Nessebar

 

Die 1920 ausgegrabene und mit der Hauptkirche des durch Urkunden bekannten Eleusa-Klosters im Nordostteil Nessebars identifizierte Ruine stellt eine dreischiffige Pfeilerbasilika (28 x 18 m ohne Anbauten) dar, die mit ihren stark gegliederten Bauformen eine der letzten Entwicklungsstufen dieses Bautypus verkörpert - mit abgesonderten, vom Altarraum getrennten und als Trikonchos errichteten Pastophorien, verlängertem Altarvorraum, polygonaler Apsis, dreigeteiltem zweigeschossigem Narthex und Exonarthex. In der zweiten Hälfte des 6. Jh. in Mischtechnik erbaut, mehrmals umgebaut, bereits im Spätmittelalter zerstört, wobei ihr Nordschiff zusammen mit einem Teil der Stadtmauer vermutlich nach einem Erdbeben im Meer versank. Fragmente der bauplastischen Ausstattung sind zum Teil erhalten, zum Teil - wie die anderen Reste der Baumaterialien - für spätere Bauwerke wiederverwendet worden.

 

I. Velkov: La basilique de la mer à Mesemvria et sa denomination (L’art byzantin chez les slaves. Les Balkans. Recueil Th. Uspenskij, I, Paris 1930, 74-79); ders.: An Early Christian Basilica at Messembria (BByzI I/1946, 61-70).

 

 

Alte Metropolitenkirche, Nessebar

 

Eines der am besten erhaltenen Denkmäler der altchristlichen Baukunst Bulgariens - Pfeilerbasilika (25,50 mal 20,20 m ohne Anbauten), erbaut in opus"mixtum, mit quadratischem dreischiffigem Naos, polygonaler Apsis mit Synthronon, dreiteiligem, der Schiffsgliederung entsprechendem Narthex und Atrium - letzteres später angebaut und von zwei Seitenbauten (Chalkidiken) flankiert, die nur in Grundmauern erhalten sind. Die Datierung und die Überdachungsform der ursprünglich wohl ähnlich der Studioskirche in Konstantinopel als Säulenbasilika errichteten Anlage ist umstritten, obgleich die Hypothese von einer pseudobasilikalen Lösung mit Emporen und gemeinsamem Satteldach sowie von einer Entstehung um die Mitte des 5. Jh. nach den neuen Forschungen mehr an Gewicht gewinnt. Wahrscheinlich ip der Regierungszeit Justinians I. (527-565) sind die Westanbauten mit dem Atrium entstanden; nach der Zerstörung durch die Awaren im 7. Jh. wurde die Kirche mit massiven arkadenähnlichen Pfeilern, jedoch ohne Emporen und Atrium, wiederhergestellt. Im 15. Jh., vor der türkischen Besetzung, ist hier nach italienischem Vorbild - in einem Sarkophag im Arkosolium - eine byzantinische Prinzessin, Mathaissa Kantakuzenos-Palaiologos, beigesetzt worden.

 

A. Rachénov 1932, 1-12; W. Sas-Zaloziecky 1955, 1-4; S. Bojadshiev: L’Ancienne Église Metropole de Nesebar (ByzBulg I/1962, 321-346); R. Hoddinott 1975, 321-323.

 

 

Ölleuchter

Gebrannter Ton. 7 x 6 x 7,8cm. Archäologisches Museum Varna. Inv.-Nr. III 526

 

Ein Gebrauchsgegenstand aus der Massenproduktion der keramischen Werkstätte von Odessos, vermutlich während der zweiten Blütezeit im 6. Jh. unter der Regierung Justinians I. entstanden. Das Kreuz - hier mit eingeritzter doppelter Linie am Rande sowie kreisförmigen Ornamenten in der Mitte und auf den ausladenden Armen - ist zum wichtigsten Verzierungsmotiv der sich bereits in der griechischen Antike einbürgernden Leuchterform geworden und findet eine weite Verbreitung nicht nur bei den kultischen Geräten, sondern auch an den Gegenständen des täglichen Bedarfs.

 

 

Frühchristliche Kapitelle aus Odessos

Marmor. Archäologisches Museum Varna

 

Korbkapitell - in durchbrochenem Flechtwerk ausgeführt; anstatt einer Bordüre bildet ein flach ornamentierter Kranz aus doppelt geflochtenem Band den unteren Abschluß; der mit stilisierten Akanthusblättern versehene Abakus ist zum großen Teil abgebrochen.

 

Kompositkapitell - verziert durch vier von Akanthusblättern umgebene Kreuze mit leicht ausladenden Armen sowie durch einen Rankenfries am viereckigen Abakus.

 

Die einer Werkstatt im antiken Odessos entstammenden Kapitelle schließen sich byzantinischen Vorbildern des frühen 6. Jh. an (Chersones, Studiosbasilika in Konstantinopel). Ihre präzise und kunstvolle Ausführung ist ein Zeichen der großen kulturellen Blüte, die die Stadt im Zeitalter Justinians erlebte, als sie die eine Zeitlang durch Marcianopolis eingenommene Vorrangstellung an der westlichen Schwarzmeerküste wiedererlangte.

 

AMV - 1965, Nr. 75.

 

 

Taufbecken

Roter Ton mit Quarzsteinen. Höhe 0,99 m, 0 0,69 m, Untersatz 0,30 x 0,30 m. Archäologisches Museum Varna. Inv.-Nr. III 298

 

Gefunden in situ im Narthex, links vom Eingang der Kirchenruine im Dorf Galata bei Varna (vermutlich ein bereits im 4. Jh. in eine dreischiffige Säulenbasilika mit Baptisterium umgebauter heidnischer Tempel, im 5. Jh. nach teilweiser Zerstörung wiederaufgebaut und bis Ende des 6. Jh. als Bischofskathedrale benutzt). Seltenes Beispiel eines frühchristlichen Gefäßes zur Taufe kleiner Kinder, das neben der Piscina zur Taufe der Erwachsenen bereits in der Frühzeit des Christentums eine weite Verbreitung gefunden haben soll. Der auf einer quadratischen Basis angebrachte hohle zylindrische, in drei Zonen geteilte Untersatz, mit geometrischem, in durchbrochener Technik ausgeführtem Ornament verziert, diente zugleich zum Erwärmen des Taufwassers mittels Holzkohle. Das mit einer Rinne versehene flache Becken ist am Rande durch einen ebenfalls durchbrochenen Bandstreifen und zwei flache ornamentierte Bordüren geschmückt. Die Verzierung des oberen Bandstreifens bildete eine sehr dekorative griechische Stifterinschrift, von der nur die Buchstaben EΥXH der ursprünglichen Fassung gehören

 

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(der andere Teil der Inschrift ist in jüngster Zeit willkürlich rekonstruiert worden). Eine weitere griechische Inschrift, in Ritztechnik auf der unteren Bordüre des Beckens angebracht und nur in der zweiten Hälfte erhalten, gibt eine verbreitete Stiftungsformel wieder: [τοῦ ἁγίου.... μάρτυρος] καὶ τῆς συνοδί[ας] αὐ[τοῦ] ( = dem heiligen Märtyrer N und seinen Gefährten). Die Datierung des vermutlich aus einer lokalen Werkstatt hervorgegangenen Kunstwerks zu Beginn des 6. Jh. stützt sich auf seine frühjustinianische Ornamentik und Palaiographie (die nächsten Parallelen in der Bauplastik der Polyeuktos-Kirche, 524-27, und der Kirche Hagios Sergios und Bacchus, 527-36, Konstantinopel).

 

M. Mirtschev 1953; AMV - 1965, Nr. 77; J. Lafontaine-Dosogne 1976. 45-48.

 

 

Bischofskirche zu Leuke

 

Die als Ruine erhaltene Kathedrale des Bistums von Leuke in der Nähe des heutigen Dorfes Goljamo Belovo bei Pasardshik zeigt eine frühe Entwicklungsstufe der gewölbten orientalischen Basilika auf dem Balkan, mit mehreren für das Übergangsstadium charakteristischen Bauformen, die ebenso wie die Backsteintechnik in ihrer Ausführung traditionsbedingt sind.

 

 

Erstmalig kurz vor dem ersten Weltkrieg veröffentlicht, wurde sie 1924 vom Byzantinischen Institut in London mit Mitteln von Th. Whittemore ausgegraben und in den 60er Jahren im Zusammenhang mit ihrer Konservierung wiederholt erforscht. Nach den neuesten Kenntnissen wurde sie ursprünglich als befestigte Kirche konzipiert, jedoch blieben die beiden Festungstürme an der Westseite unvollendet und wurden später in das Satteldach einbezogen. Eines der frühesten Beispiele gewölbter Pfeilerbasiliken in Bulgarien (29 x 17 m) mit drei halbelliptischen Apsiden - die mittlere mit Synthronon, doch ohne verlängerten Altarvorraum; die Nordmauer von innen und außen durch tektonisch bedingte Arkaden stark gegliedert; dreiteiliger Narthex, ursprünglich vermutlich mit Empore über dem Mittelschiff und nur von der nördlichen und südlichen Seite her zugänglich, im Süden auch mit einem dreikon- chalen, ehemals mit Kuppel bedeckten quadratischen Baptisterium verbunden. Die ursprüngliche Bedachung des über allen Schiffen errichteten Kreuzgewölbes ist umstritten, dennoch erscheint die Annahme der basilikalen Form - mit erhöhtem, doch fensterlosem Mittelschiff - am überzeugendsten. Die Datierung ist mit großer Wahrscheinlichkeit in das frühe 6. Jh. anzusetzen.

 

P. Mutaftschiev 1915; ders. 1931; A. Grabar and W. Emerson: The Basilika of Belovo (BByzI I/1946, 43-39); S. Bojadshiev 1969.

 

 

Basilika Pirintsch-tepe

 

Dreischiffige Säulenbasilika (24 x 18 m) aus Backstein mit polygonaler Apsis, abgesonderten Pastophorien ohne selbständige Apsiden, zweigeschossigem gewölbtem Narthex sowie einer Nordkapelle, vermutlich mit Turm, und Baptisterium mit polygonaler Apsis, kreuzförmiger marmorner Piscina und Vorhalle. Die 1909 südwestlich von Varna am Hügel Pirintsch-tepe ausgegrabene, doch unzureichend erforschte Ruine, deren erhaltene Bausubstanz sehr gering ist, aber dennoch gewisse Aufschlüsse über eine reiche Fassadengliederung durch symmetrische, z. T. pseudokonstruktive Blendbögen und Lisenen (dreieckig an der Apsis) bietet, zeigt eine in Bulgarien nur durch sie vertretene Zwischenphase der Entwicklung der basilikalen Form von der Antike zum Mittelalter. Die Datierung innerhalb der beiden nachweisbaren Bauperioden ist umstritten: Für die erste wird eine Zeitspanne vom 4. bis zum frühen 5. Jh. angesetzt, während für die zweite, zu der die entwickelten Pastophorien und Anbauten sowie vermutlich die Umgestaltung der Fassaden gehören, nach neuen Erkenntnissen eine Entstehung im 8. bzw. 9. Jh. nicht auszuschließen ist. Fragmente der bauplastischen Ausstattung sind hier sekundär verwendet worden und stammen aus älteren Bauten.

 

K. Škorpil 1910, 16-21; ders. 1921, 49, 51; N. Mavrodinov 1931, 115 ff.; W. Sas-Zaloziecky 1955, 6 f.; R. Hoddinott 1975, 327-329.

 

 

Die Rote Kirche, Sebastopolis

 

Die nördlich der neuerdings mit dem Bischofssitz Sebastopolis, später Dragovitia, identifizierten antiken Siedlung in der Nähe der heutigen Stadt Peruschtiza an der Stelle eines älteren Bauwerks errichtete Kirche (32,80 mal 26 m) aus Backstein mit hellrotem Mörtel hat die Form eines Tetrakonchos mit zwei seitlichen Umgängen und einer Pendentifkuppel. Die östliche Konche ist mit der Vierung durch einen querrechteckigen, gewölbten Zwischenraum verbunden; im Westen sind ein in zwei Räume gegliederter Narthex mit Tonnengewölben und ein kleines Atrium vor dem Portikus mit drei Arkaden angebaut, die von einem quadratischen Baptisterium im Norden und einer rechteckigen Kapelle im Süden flankiert werden. Die unzureichend erhaltene alte Bausubstanz der Ruine läßt mehrere Fragen über ihre ursprüngliche Form offen,

 

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so vor allem über Höhe und Konstruktion des nicht mehr vorhandenen Tambours. Ebenso problematisch ist die Datierung: Während die ersten Forscher eine Entstehung um das 9. Jh. vermutet haben, kommt die jüngere Forschung auf Grund der 1921 vom Byzantinischen Institut in London mit Mitteln von Thomas Whittemore durchgeführten Ausgrabungen sowie der in den 60er Jahren erfolgten Konservierungsarbeiten des bulgarischen Nationalinstituts für Denkmalpflege zu einer Datierung in vorjustinianische Zeit, unter der Regierung des Kaisers Anastasios (491-518), wobei ein Teil der Grundmauern offensichtlich einem älteren Bau angehört und der Westbau mit Baptisterium, Südkapelle, Narthex und Portikus erst in späterer Zeit errichtet zu sein scheinen. Den monumentalen Bauformen der Roten Kirche entsprach eine reiche Innenausstattung aus Bodenmosaik und bunter Marmorverzierung mit Inkrustationen in den unteren Zonen des Kirchenraums. Die 1922 erstmalig von A. Grabar veröffentlichten Freskenreste aus der oberen Zone des Naos sind inzwischen fast völlig zerstört.

 

 

Bildprogramm, Ikonographie und Stil der Ausmalung sind nicht mehr rekonstruierbar, zeigen jedoch eine Reihe archaischer Züge der hellenistischen Antike: Brustbildnisse geflügelter Genien, Symbole abstrakter Ideen (Glaube, Hoffnung u. a.) in Medaillons mit bunt ornamentierten Rahmen; alttestamentliche und neutestamentliche Szenen (Moses-Zyklus, Festszenen - Kindheit und Wundertaten Christi, Passion) vor dem Hintergrund üppiger Architekturen, illusionistisch behandelt und wiederum in Medaillons oder in ununterbrochenen Friesen dargestellt; helles durchsichtiges Kolorit mit überwiegend reinen Farben.

 

Strzygowski: Die Baukunst der Armenier und Europa, II, Wien 1918, 775 f.; A.Grabar 1928, 22-53; A. Frolow: L’Église rouge de Peruštica (BByzI I/1946, 15-42, II/1950, 449-477); D. Panajotova 1956; V. Mikov 1968, 35 ff.; M. Zontscheva 1971, 239-246; R. Hoddinott 1975, 293-297; S. Bojadshiev: L’Église rouge de Peruštica (Actes de XIVe Congres Intern. des Études byzantines, Bucarest 1971, III/1976, 289-293).

 

 

II. Erstes Bulgarenreich (681-1018)

 

Palastkirche, Pliska

 

Vermutlich das erste christliche Bauwerk der alten bulgarischen Hauptstadt, unmittelbar nach 864 südwestlich des Kleinen Palastes auf den Grundmauern eines heidnischen Tempels errichtet - im Grundriß zwei ineinander geschobene und nach Osten orientierte Rechtecke.

 

 

Während der ersten Bauphase ist der Ostteil des inneren Rechtecks mit drei Apsiden versehen und der Innenraum, den Erfordernissen des christlichen Kultus entsprechend, in eine Hallenkirche umgebaut worden; da die Kirche als Hofkapelle diente, entstanden nördlich und südlich des Naos zwei rechteckige Seitenräume als Mitatorien. Etwas später, doch wahrscheinlich vor der Jahrhundertwende, ist diese Kirche im Süden und Norden auf den Grundmauern des äußeren Rechtecks als dreischiffige Basilika erweitert worden - im Ostteil mit einer großen Apsis (anstelle der drei kleinen) und zwei weiteren Apsiden am Ostabschluß der Schiffe; gleichzeitig ist im Süden noch eine Taufkapelle mit Katechumenum angebaut worden.

 

Škorpil 1905, 89-104; S. Michajlov 1955; 229-256; N. Mavrodinov 1959, 92; K. Mijatev 1974, 85.

 

 

Erzbischofsbasilika, Pliska

 

Die Kathedrale des Erzbischofs, 1,5 km nordöstlich der Innenstadt von Pliska innerhalb eines ausgedehnten Klosterkomplexes gelegen, ist durch eine Prozessionsstraße mit dem Stadtzentrum verbunden. Für diese 99 mal 29,50 m große Basilika mit Atrium zeichnen sich zwei Hauptbauperioden ab, die durch wenige Jahrzehnte voneinander getrennt sind. Bereits unmittelbar nach der offiziellen Einführung der christlichen Religion 865 begonnen, erstreckte sich die erste Bauphase vermutlich bis Ende der 60er Jahre.

 

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Die zu derselben Zeit aufgenommenen Beziehungen mit Rom spiegeln sich sowohl in den Bauformen als auch in der Gliederung des Innenraumes wider, die gewisse Ähnlichkeit mit der von Alt-St.-Peter in Rom zeigt. Die Bautechnik ist überwiegend gemischt: große Kalksteinquader mit Backsteinreihen. Die tonnengewölbten doppelgeschossigen Seitenschiffe mit Emporen, im Osten in abgesonderte und vom verlängerten Altarvorraum getrennte Pastophorien mit polygonalen Apsiden auslaufend, waren durch schmale Eingänge mit dem ebenso dreiteiligen und mit Kreuzgewölben bedeckten Narthex mit Emporen verbunden; zwischen ihnen und dem flach gedeckten Mittelschiff ein Stützenwechsel von je zwei Säulen und einem Pfeiler. An den Narthex schloß sich ein Exonarthex mit zwei quadratischen Seitenräumen an, der durch einen Portikus mit dem 50 m langen und von einer doppelgeschossigen Galerie umgebenen Atrium verbunden war, dessen Eingang mit vorspringendem Portal im Westen wieder von zwei quadratischen Türmen flankiert wurde. Die Kirche ist auf den Ruinen eines protobulgarischen Sakralbaus errichtet, dessen aus Mörtelguß und tief in die Erde gerammten Pfählen bestehende Fundamente zum Teil in den östlichen Grundmauern aufgehen und zum Teil zugeschüttet worden waren.

 

Während der zweiten Bauphase nach den teilweisen Zerstörungen bei den religiösen Auseinandersetzungen in den späten 80er Jahren des 9. Jh. ist der Ostteil der Kirche umgebaut worden, wobei die Pastophorien zum Altarraum geöffnet und westlich davon zwei weitere quadratische Räume, die Mitatorien, für die Erfordernisse des byzantinischen Hofzeremoniells abgesondert worden sind; inwiefern die zweite Bauphase auch den Westteil der Kirche berührt hat, bleibt unklar, dennoch scheint eine weitreichende Veränderung der Grundkonzeption wenig denkbar. Von der bauplastischen Ausstattung sind einige Fragmente - hauptsächlich sekundär verwendete antike Marmorsäulen, Kapitelle sowie Teile des Ambos und der Chorschranken - erhalten. Vermutlich 972 zerstört, ist die Erzbischofsbasilika während des Zweiten Bulgarenreichs nur teilweise wiederhergestellt worden.

 

K. Škorpil 1905, 104-148; A. Rachénov 1924; V. Ivanova: La Grande basilique de Pliska (IAI XII/1938, 365-375); N. Mavrodinov 1939; W. Sas-Zaloziecky 1955, 7!.; N. Mavrodinov 1959, 92-98; K. Mijatev: Rapports complementaires (Actes du XIIe Congres des Études byzantines, Beograd-Ohrid 1961, 68-70); ders. 1974, 77-79.

 

 

Truhe von Terracina

Holz. 58,5 x 105 x 66 cm. Palazzo Venezia, Rom

 

Die ehemals zum Domschatz von Terracina gehörende Holztruhe mit flachen Reliefs an der vorderen und den beiden Schmalseiten wird in der jüngsten Zeit übereinstimmend der protobulgarischen Kunst zugeschrieben. Vermutlich im Zusammenhang mit den regen politischen und religiösen Beziehungen zwischen Bulgarien und Rom in der zweiten Hälfte des 9. Jh. nach Italien gelangt, zeigt die Truhe eine Reihe ikonographischer und stilistischer Merkmale, die sich der Monumentalplastik und Toreutik Bulgariens (Madara-Relief, Goldschatz von Nagyszentmiklös, Bauplastik) einordnen lassen. Die Sujets und Motive der in 18 durch Bögen eingerahmte Felder eingeteilten Darstellungen sind zum Teil unter Einwirkungen östlicher Mythologien entstanden, zum Teil aus dem bekannten ikonographischen Repertoire des Mittelmeerraums entlehnt. Sie bilden eine inhaltliche und formale Einheit, die auf eine nachhaltige Tradition hindeutet.

 

A. Munoz 1906, 183 ff.; N. Mavrodinov 1943, 145-151 (Lit.).

 

 

Basilika Gebe-klisse, Preslav

 

Östlich der Stadt gelegen - dreischiffige Basilika (32 mal 20 m) mit drei halbrunden Apsiden und ungeteiltem Narthex, dessen drei stark hervortretende Portale mit schmalen und hohen Bögen nach Westen, Norden und Süden gerichtet sind, wahrscheinlich in den letzten Jahrzehnten des 9. Jh. erbaut; nur in ihrer Substruktion erhalten. Massive Grundmauern aus Kalksteinquadern geben Anlaß zur Vermutung, daß die drei Schiffe der Kirche gewölbt und statt von Säulenreihen durch eine in Arkaden geöffnete Mauer getrennt waren, ähnlich der Alten Metropolitenkirche in Nessebar, der Sophienkirche in Sofia und der Sophienkirche in Ochrid.

 

 

Ein Teil der bauplastischen Innenausstattung aus marmornen Brüstungsplatten mit ornamentalen Reliefs, die einen Fries bildeten, ist erhalten und wird im Nationalmuseum Sofia und in den Museen von Schumen und Preslav aufbewahrt.

 

K. Škorpil 1930, 195-197 ; V. Ivanova (GNM V/1926-31, 229-232); N. Mavrodinov 1959, 164 f.

 

 

Leontioskirche bei Vodoča

 

Als Kathedrale der Bischöfe von Strumica ist die Leontioskirche vermutlich im späten 9. Jh. gegründet worden - ihre Stiftung wird mit der Überführung der Reliquien von 15 Märtyrern aus Tiberiopolis (Strumica) und mit der Bautätigkeit des Fürsten Boris (852-889) in Zusammenhang gebracht. Der ursprünglichen Kuppelbasilika mit Querschiff und massiven Mauern zwischen den Schiffen wurde etwas später im Osten eine breitere Kirche vom gleichen Typ mit drei halbrunden Apsiden und noch später (11. Jh.?) ein ungegliederter Narthex hinzugefügt;

 

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die Kreuzarme und die Eckräume beider Kirchen waren mit Tonnengewölben versehen. Das Mauerwerk zeigt Ansätze der Zellenbautechnik; die profilierten Doppelbögen der Archivolten der zweiten Kirche sind mit geometrischen Figuren geschmückt. Von der ursprünglichen Bemalung der ersten Kirche haben sich hinter den jüngeren Mauern einige Fragmente mit Heiligenbildnissen erhalten, die in den letzten Jahren freigelegt und in das Museum von Stip übergeführt worden sind (darunter die Brustbildnisse der Diakone Isauros und Euplos sowie des hl. Panteleimonos), während von den weiteren bis in die 20er Jahre erhaltenen Fragmenten nur die Szene mit den 40 Märtyrern durch eine bereits 1914 angefertigte Kopie bekannt ist. Die Wandmalerei beider Kirchen entstand offensichtlich kurz hintereinander innerhalb des späten 9. bzw. frühen 10. Jh.; eine dritte Malschicht, wie es irreführend in der Literatur berichtet wird, hat es niemals gegeben. Der stark expressive Stil der Fresken steht den zeitgenössischen Wandmalereien in Sofia, Ochrid und Kastoria am nächsten und folgt der Lokaltradition.

 

K. Mijatev 1926; ders.: Les »Quarantes martyrs«, fragment de fresque à Vodoča (Macedoine) (L’art byzantin chez les slaves. Les Balkans. Recueil Th. Uspenskij I, Paris 1930, 102-109); N. Mavrodinov 1959, 107-109, 290-293 (Lit.); M. Jovanović 1958-59; P. Miljković-Pepek 1974 (Lit.); ders. 1975.

 

 

Erzbischofskathedrale zu Preslav

 

Neben dem Winkel an der östlichen Stadtmauer außerhalb der Zitadelle gelegen, zeigt die bis auf ihre Grundmauern zerstörte Kathedrale drei einander folgende Bauperioden. Ursprünglich wurde sie vermutlich kurz vor 880 als kreuzförmige Kuppelkirche (23 x 13,35m) mit fünf Schiffen, Narthex, Synthronon und abgesonderten Pastophorien errichtet; die nächsten Parallelen dieses Bauwerks finden sich in der Kathedrale von Mokwi, Abchasien, und der Desjatin-Kirche in Kiew. Während des Aufstandes der Altgläubigen erlitt die Kirche gewisse Beschädigungen, so daß anschließend ihre Außenmauern in den 90er Jahren verstärkt wurden.

 

 

Nach der totalen Zerstörung der Kirche, wahrscheinlich 972, wurde sie kurz nach 986 in reduzierten Ausmaßen wiederhergestellt - nur im östlichen und mittleren Teil mit der Kuppel, ohne Narthex; bei der zweiten byzantinischen Eroberung Preslavs 1014 zerstört und wiederum, wahrscheinlich Mitte des 11. Jh., als Kreuzkuppelkirche des Konstantinopeler Typs mit Narthex und verlängertem Altarvorraum unter Verwendung eines Teiles der Seitenmauern der zweiten Kirche aufgebaut, wobei die Apsis nach Westen verlegt wurde.

 

V. Ivanova 1955 (IAI); S. Bojadshiev: Une eglise cruciforme à cinq nefs à Preslav (ByzBulg IV/1973. 53-73).

 

 

Fabeltier

Bein. 3,5 x 4,6 x 0,5cm. Nationalmuseum Sofia. Inv.-Nr. 3861

 

Ursprünglich vermutlich als Applikation verwendet, wurde die kleine Reliefplatte 1951 bei den Ausgrabungen in der im späten 10. Jh. zerstörten Erzbischofskathedrale zu Preslav gefunden. Die stark stilisierten Formen schließen sich protobulgarischen Vorbildern an (Goldschatz von Nagyszentmiklös) und übermitteln die mittelasiatische

 

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Tradition den Werken christlicher Bauplastik (Chorschranken von Stara Sagora). Die Datierung dürfte in die Zeit der Errichtung der Kathedrale (um 880) angesetzt werden.

 

V. Ivanova 1955 (IAI), 478 T. Totev 1963, 90!.; AMP - 1969, Nr. 74.

 

 

Kirche Johannes’ des Täufers, Nessebar

 

Kreuzkuppelbau (10 x 14 x 10 m) aus Bruchstein mit einzelnen Ziegelsteinen, Archivolten und Tambour in Mischtechnik ausgeführt, fast unversehrt erhalten. Der Grundriß zeigt die Formen einer dreischiffigen Basilika, deren ziemlich hohe gewölbte Schiffe im Osten, Westen und in der Mitte durch massive, nur in schmalen Bögen sich öffnende Mauern getrennt sind, während sich im äußeren Aufbau das Kreuz deutlich ablesen läßt: Die Querarme, wie der Westarm, laufen in seitlich durch Lisenen und oben, über den Blendbögen, mit dreieckigen Blendgiebeln bekrönten Baukörpern aus, die von Satteldächern überdeckt sind. Die Eckräume zwischen den Kreuzarmen sind nur wenig niedriger, so daß sich mit den drei flachen halbkreisförmigen Apsiden im Osten eine kompakte kristalline Form herausbildet. Über der Vierung ruht auf Pendentifs der hohe zylindrische Tambour mit halbkugelförmiger, von außen durch ein gezacktes Gesims verdeckter Kuppel. Der Innenraum wird von vier schmalen Schlitzfenstern am Tambour sowie je einem ebenso kleinen Fenster in der Nord-, Süd- und Westmauer wie in den drei Apsiden im Osten beleuchtet. Die Tympana der Blendbögen an den drei Westeingängen sowie die Fensterumrahmungen der Apsiden sind durch schlichte geometrische Formen und Kreuze aus Ziegelsteinen verziert. Wahrscheinlich ist die Kirche im späten 9. Jh. entstanden, noch bevor sich die Besonderheiten dieses Bautypus - wie die Außengestaltung mit Blendbögen, die gemischte Zellenbautechnik und bestimmte Proportionen der Einzelteile - an weiteren Bauten des 10. Jh. herausgebildet haben.

 

A. Rachénov 1932, 89-98 (Lit.); E. Maillard: Etüde geometrique de l’église Saint-Jean a Messembrie (IAI XI/1937, 243-248); W. Sas-Zaloziecky 1955; 45 f.; N. Mavrodinov 1959, 109-113; K. Mijatev 1974, 100 f.

 

 

Heiliger Theodoros

Ton, bemalt und glasiert. 64 x 55,5 cm. Nationalmuseum Sofia. Inv.-Nr. 4880

 

Das aus 21 keramischen Platten (jeweils 11,5x11,5 mal 0,5 cm) zusammengesetzte Ikonenfragment, zu dem noch weitere Platten, darunter drei mit der Inschrift Ο ΑΓΙΟΣ ΘΕΟΔΟΡΟΣ, gehören, ist während der Ausgrabungen im Kloster Patlejna 1909 gefunden und anschließend teilweise rekonstruiert worden. Aus unbekannten Gründen ist die ursprünglich als Innenwandverkleidung bzw. Portalschmuck vorgesehene Ikone nicht verwendet und in der Nähe der keramischen Werkstätte als Abfall weggeworfen worden. Die Ikonographie des frontal als Brustbild, im Schima, dargestellten Heiligen ist alexandrinisch und zeigt den vorikonoklastischen Heiligentypus vor dessen Differenzierung in den Typ des hl.Theodoros Stratelates und den des hl.Theodoros Tiron. Ebenso folgt die strenge graphisch-flächige Formensprache dem Stil der Prototypen aus dem Christlichen Osten; der asketische Ausdruck ist überbetont, die Gesichtszüge sind stark stilisiert und schematisiert. Als bedeutendstes Beispiel der dekorativ-monumentalen Stilrichtung in der frühen bulgarischen Kunst stellt das Bildnis zugleich ein Bindeglied zwischen Monumental- und Tafelmalerei dar. Mit weiteren Funden wird die Ikone um die Wende vom 9. zum 10. Jh. datiert.

 

J. Gospodinov 1915, 125; A. Grabar 1925, 567; ders.: Recherches sur les influences orientales dans l’art balkanique, Strasbourg 1928, 17; N. Kondakov 1929, 125 f.; K. Mijatev 1936, 68; Frühe Ikonen, Nr. 97; S. Bossilkov 1968, Nr. 1; AMP - 1969, Nr. 40; Ausstellungskataloge Nr. 1, 2, 8, 9, 10, 11, 12.

 

 

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Die Runde (Goldene) Kirche, Preslav

 

In der als Ruine erhaltenen und 1919-29, 1969-70 sowie 1975 ausgegrabenen Kirche südlich der Stadtmauer von Preslav, die mit der aus historischen Quellen bekannten Goldenen Kirche des Zaren Simeon identifiziert wird, sind zwei Bauperioden erkennbar, deren genaue Abgrenzung und Datierung stark umstritten bleibt.

 

 

Während der ersten - vermutlich um die Mitte des 9. Jh. oder um 890 - wurde die aus zwei aufeinanderliegenden zylindrischen Körpern bestehende Rotunde als heidnischprotobulgarischer Tempel erbaut, dessen Zwölfteilung und Relieffiguren mit Tierdarstellungen im Zusammenhang mit dem protobulgarischen Zwölf-Zyklen-Kalender zu stehen scheinen.

 

 

 

Die Wände des unteren Zylinders bilden zwölf massive Pfeiler mit tiefen Exedren dazwischen, während die Obergadenzone durch Arkaden mit flachen Nischen und kleine Fenster gegliedert war; der Obergaden und die Kuppel sind durch profilierte Gesimse abgesetzt. Die Mauern bestanden aus Werkstein, von außen verputzt und von innen mit Marmor und bemalten Keramikplatten sowie mit Mosaik verkleidet. Der wahrscheinlich während der zweiten Bauperiode kurz vor 907 angebaute Narthex, zu dem chronologisch die Innenverzierung und die Ausstattung mit marmorner Kanzel, Taufe und Thron für den Zaren in einer der Südkonchen gehören, zeigt einen rechteckigen, zweigeschossigen Raum, flankiert von zwei hohen runden Türmen mit einer Umgangsgalerie mit Säulen und Arkaden. Gleichzeitig, oder wenig später, sind ein quadratisches Atrium nach Westen mit zwei Seitenräumen im Norden und Süden (der südliche als ein Baptisterium mit marmorner Taufe) sowie drei Portale errichtet worden. Viel später, vermutlich im 13. Jh., entstand über dem Hauptportal ein Glockenturm. Die gesamte Anlage ist wahrscheinlich Ende des 14. Jh. während der türkischen Eroberung zerstört und anschließend zur Baumaterialgewinnung benutzt worden. Erhalten ist ein Teil der marmornen Brüstungsplatten, Gesimse und Kapitelle sowie der keramischen Verkleidungsplatten, die im Nationalmuseum Sofia, in den Museen von Preslav und Schumen aufbewahrt werden.

 

K. Škorpil 1930, 200-205; K. Mijatev 1932; B. Filov (SpBAN 1933); G. Millet: L’Église ronde de Preslav (CRAI, Paris 1933, 169 bis 193); A. Rachénov 1937; W. Sas-Zaloziecky 195 5, 18-20; N. Mavrodinov 1959, 150-164; B. Ignatov 1963, 55-58; R. Hoddinott 1968; S. Dontschev 1973; K. Mijatev 1974, 89-96; St. Bojadshiev: L'Eglise ronde de Preslav (im Druck).

 

 

Apostel Paulus

Ton, bemalt und glasiert. 16 x 16 x 0,3 cm. Archäologisches Museum Preslav. Inv.-Nr. 3370

 

Gefunden 1968, zusammen mit weiteren ähnlichen Keramikplatten, in einer Abfallgrube in der Nähe der keramischen Werkstätten am Kloster Tuslalak bei Preslav. Ursprünglich wohl zur Verkleidung von Innenwänden der Kirchen bestimmt, wurden diese fragmentarisch erhaltenen und zum Teil unvollendet gebliebenen Keramikplatten bei der Feststellung gewisser Fehler nach dem ersten oder zweiten Brennen als Abfall weggeworfen,

 

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dennoch zeigen sie die wichtigsten Merkmale sowohl ihrer Formensprache als auch der technischen Ausführung mit starker Betonung der Konturen und warmer gedämpfter Farbskala mit Übergewicht der Ocker- und Dunkelbraunfarben neben Grün und Hellblau. Stilistisch und ikonographisch gehören sie der Gruppe der seit den 30er Jahren bekannten Fragmente glasierter und bemalter Keramik aus der Runden Kirche und dem Kloster Patlejna in Preslav an und weisen dieselben östlichen Einflüsse auf, vertreten jedoch eine frühere Entwicklungsphase dieses Kunsthandwerks, so daß sie um die Wende vom 9. zum 10. Jh. datiert werden dürfen. Die fehlerhafte Orthographie der griechischen Inschriften (z. B. Παβλος statt Παῦλος) gibt, im Gegensatz zu den korrekten slawischen Inschriften an den aus der gleichen Werkstatt stammenden Texttafeln der Runden Kirche, einen Hinweis auf die nichtgriechische Herkunft der Künstler.

 

T. Totev: Icônes de ceratnique peintes et en relief nouvellement decouvertes à Preslav (Actes du XIVe Congres Intern. des Études byzantines, Bucarest 1971, III/1976, 465-468); Ausstellungskataloge Nr. 8, 9, 10, 11, 12.

 

 

Erzengel

Ton, bemalt und glasiert. 0 3 cm. Archäologisches Museum Preslav. Inv.-Nr. 1283

 

Das kleine Medaillon wurde 1942 während der Ausgrabungen der keramischen Werkstätten östlich der Runden Kirche in Preslav gefunden und war vermutlich als Wandinkrustation bestimmt. Stilistisch und ikonographisch schließt sich das Brustbild des Erzengels mit geperltem Loros den keramischen Ikonen des hl. Theodoros aus Patlejna und der Apostel und Märtyrer aus Tuslalak an und ist in das frühe 10. Jh. anzusetzen.

 

J. Gospodinov 1946, 82-85; N. Mavrodinov 1959, 241 f.; AMP - 1969, Nr. 39.

 

 

Bauplastiscbe Fragmente aus der Region von Stara Sagora

Chorschrankenreliefs aus rotem Schiefer:

Flötenspielerin (55 x 60 x 8 cm),

Löwe (103 x 77 x 8 cm),

Pfauen (134 x 107 x 8 cm);

Kapitell mit phantastischen Tierdarstellungen, Kalkstein (35 x 55 x 40 cm).

Nationalmuseum Sofia. Inv.-Nr. 317, 852, 853, 316

 

Das Kapitell und die fragmentarischen Reliefplatten - vermutlich Teile einer Chorschranke, zu der noch drei weitere fragmentarisch erhaltene Reliefs mit Greif, Doppeladler sowie Löwin mit Jungem zählen - wurden 1904 und 1949 in der Ortschaft Besch-Bunar zwischen Stara Sagora und Nova Sagora gefunden und gehören zu der plastischen Ausstattung desselben unbekannten Bauwerks. Die Rückseite der Platten ist glatt, und am senkrechten Rand der erhaltenen Rahmen sind doppelte Schlitze zur Befestigung an kleinen Pfeilern angebracht; bei ihrer Wiederverwendung - wahrscheinlich als Verkleidung von Innenwänden öffentlicher Bauten - sind die Platten ungleichmäßig verkleinert worden. Die Herkunft ist ungeklärt: Es wird hauptsächlich auf Grund des verwendeten Materials, das wahrscheinlich aus der nächsten Umgebung stammt, ein lokaler Ursprung angenommen, dennoch wäre eine Überführung aus Preslav nicht auszuschließen, wie es bei anderen in der gleichen Gegend gefundenen bauplastischen Fragmenten der Fall ist. Die Abweichungen vom traditionellen Bildprogramm der Chorschranken und Kapitelle sowie das häufige Auftreten phantastischer stilisierter Tierdarstellungen neben den christlichen Symbolen sind auf die überlieferte östliche und mittelasiatische Formensprache zurückzuführen, die während der Übergangszeit im 9.-10. Jh. immer noch in der bulgarischen bildenden Kunst dominierte.

 

VNM, 194; N. Kondakov 1929, 101-120; D. Nikolov 1955; N. Mavrodinov 1959, 215-219; T. Siljanovska-Novikova 1963, 73 bis 77; AMSS - 1965, Nr. 95; KP, Nr. 12-26.

 

 

Löwin

Sandstein. 43 x 64 x 6,5 cm. Nationalmuseum Sofia. Inv.-Nr. 1333

 

1913 in Südthrakien gefunden; ursprünglich vermutlich ein Tympanonrelief. Bei der Wiederverwendung als Verkleidungsplatte wurde der Unterteil des Rahmens abgeschlagen. Die stilisierten, dennoch weich modellierten Formen des Flachreliefs sowie die stilistischen Ähnlichkeiten mit weiteren Reliefs aus Thrakien und Nordgriechenland deuten auf eine provinzielle Arbeit aus der Spätzeit des Ersten Bulgarenreichs (Ende des 10. Jh.) hin, bei der die Verschmelzung zoomorpher und plastischer Motive vollzogen ist. Gleichzeitig bestimmt eine Geometrisierung der Formen die Darstellung, die weniger als ein christliches Symbol denn als eine dekorativornamentale Abstraktion erscheint.

 

VNM, 193; T. Siljanovska-Novikova 1963, 77; KP, Nr. 97.

 

 

Liturgischer Diskos

Gold, getrieben. Ø 22 cm, 330 g. Nationalmuseum Sofia. Inv.-Nr. 3770

 

Eine am Rande des flachen Tellers eingravierte Inschrift ΛΑΒΕΤΕ ΦΑΓΕΤΕ ΤΟΥΤΟ ΕΣΤΙΝ ΤΟ ΣΩΜΑ ΜΟΥ ΤΟ ΥΠΕΡ ΥΜΩΝ ΚΛΩΜΕΝΟΝ ΕΙΣ ΑΦΕΣΙΝ ΑΡΜΑΤΙΩΝ (= »Nehmt, eßt, das ist Mein Leib, der für euch gebrochen wird zu Vergebung der Sünden« - die etwas modifizierten Worte Jesu bei der Verteilung des Brotes während des Abendmahls nach Matth 26, 26 und Luk 22, 19, die als Einsetzungsworte in der Chrysostomosliturgie verwendet werden) weist auf die Funktion dieses Kirchengeräts als liturgischer Diskos hin. 1949 bei Ausgrabungen am Südtor von Preslav aufgefunden, dürfte er um die Mitte des 10. Jh.

 

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in den Goldschmiedewerkstätten Konstantinopels entstanden sein. Die von V. Ivanova-Mavrodinova und T. Totev angesetzte Datierung »spätestens in der ersten Hälfte des 9. Jh.« ist nicht haltbar, da der Duktus der schönen Kapitelbuchstaben mit dem der Rahmeninschrift der Limburger Staurothek (kurz nach 963) weitgehend übereinstimmt, während die Form des Kreuzes ihre nächste Parallele im silbernen Niello-Kreuz Romanos’ II. (960-963) in Dumbarton Oaks besitzt. Als eines der frühesten unter den auf uns gekommenen vergleichbaren orthodoxen Kirchengeräten zeigt dieser Diskos eine wichtige, in die ikonoklastische Zeit zurückreichende Entwicklungsstufe der Verzierung mit Symboldarstellungen - das von der Inschrift eingefaßte blühende Kreuz mit geschweiften und wenig ausladenden Armen, eine Andeutung auf den Lebensbaum -, die die Eucharistie mit dem »ewigen Leben der Seele« und mit dem unblutigen Opfer in Zusammenhang bringt. Während der fortschreitenden Verdeutlichung der Eucharistie in der Folgezeit wird diese symbolische Darstellung durch ein Bildnis des Pantokrators (Diskos im Tesoro di San Marco, Venedig) oder durch eine Kreuzigung (Diskos im Domschatz von Halberstadt) abgelöst, wobei auch hier, wie bei den anderen Gattungen der christlichen Kunst, das narrative Prinzip allmählich das mystago- gische verdrängt.

 

V. Ivanova 1955, 83 f.; ders., 1959 (IBAI), 147f.; AMP-1969, Nr. 78.

 

 

Heiliger Akepsimas

Gold mit Zellenschmelz. Ø 1,5 cm. Nationalmuseum Sofia. Inv.-Nr. 430

 

Das ovale Medaillon mit dem frontalen Brustbildnis des 378 den Martertod gestorbenen Bischofs von Henaytha, Akepsimas, dürfte zu der Patriarchenkrone des bulgarischen Kirchenoberhauptes gehört haben und ist als deren einziger Überrest auf uns gekommen. Die sehr selten auftretende Darstellung dieses persischen Märtyrers sollte auf die Verbindung der bulgarischen Kirche mit dem östlichen Christentum verweisen, dessen Tradition fortzusetzen sie beanspruchte. Die Ikonographie des Heiligen, hier als betont orientalischer Typus in bischöflichem Ornat mit Omophorion und Evangelienbuch dargestellt, entspricht der traditionellen, die wir an den frühen Werken, wie auf der Miniatur des Vatikanischen Menologion (Anfang des 11. Jh.) kennen. Trotz starker Beschädigungen des Emails fällt die sich durch höchste Perfektion auszeichnende Arbeit Konstantinopeler Werkstätten auf. Stilistisch hebt sich das in der Technik des versenkten Emails ausgeführte Goldmedaillon sowohl von den Werken des ausgehenden 9. Jh. (die Votivkrone Leons VI. und der Buchdeckel Nr. 101 in der Biblioteca Marciana, Venedig) ab, deren sämtliche Flächen mit farbigem Email bedeckt sind, als auch von den Werken des späten 10. Jh. (die Limburger Staurothek) und des 11. Jh. (die Monomachos- und St.-Stephans-Krone) mit ihrer ruhigen geschwungenen Zeichnung sowie helleren und reicheren Farbskala. Es steht dem Romanos-Kelch im Tesoro di San Marco, Venedig (zweites Viertel des 10. Jh.), am nächsten, dessen Medaillonbildnisse eine sehr ähnliche Zeichnung der Stege und asketische Heiligentypen mit verlängerten Proportionen zeigen. Der Schriftduktus weist gleichfalls enge Beziehungen zu den Werken aus dem zweiten Viertel des 10. Jh. auf (sehr charakteristisch sind die Buchstaben M, K und A), wobei die fehlende Bezeichnung Hagios ebenso wie die roten ausladenden Kreuze am Omophorion des Heiligen als stark archaisierende Züge erscheinen, die bei Arbeiten des 10. Jh. nur in Ausnahmefällen anzutreffen sind.

 

VNM, 229; I. Venedilfov 1966.

 

 

Evangelistar Assemani

158 Pergamentblätter. Vatikan. Cod. slav. glag. 3

 

Das bedeutendste frühslawische illuminierte Manuskript, geschrieben in runder glagolitischer Schrift und mit zahlreichen farbigen Zierleisten und Initialen reich verziert. Entdeckt in Jerusalem 1736 von dem Bibliothekar des Vatikans Joseph Assemani, wird es in das südwestbulgarische Sprachgebiet lokalisiert und steht inhaltlich der Bibelübersetzung von Kyrill und Method am nächsten. Die Eintragung der Festtage von Kyrill († 869), Method († 885) und Kliment von Ochrid († 916) in das Menologion spricht jedoch für eine Entstehung nicht vor der Mitte des 10. Jh.

 

J. Vajs / J. Kurz: Evangeliarium Assemani. Codex Vaticanus, I—II, Pragae 1929, 1955; BRK - 1976, Nr. 1.

 

 

Zograph-Evangeliar

304 Pergamentblätter. Öffentliche Bibliothek Leningrad, Glag. 1

 

Der aus dem bulgarischen Zograph-Kloster auf dem Berge Athos stammende Kodex südwestbulgarischer Provenienz ist in runder glagolitischer Schrift geschrieben und mit farbigen Zierleisten sowie Initialen geschmückt, die die frühesten teratologischen Motive in der Buchmalerei enthalten. Die Orthographie schließt sich der ersten slawischen Bibelübersetzung an und unterstützt die Datierung in die zweite Hälfte des 10. Jh.

 

V. Jagič: Quattuor evangeliorum Codex glagoliticus, olim Zogra- phensis nunc Petropolitanus. Berolini 1879, Repr. Graz 1954; BRK - 1976, Nr. 2.

 

 

Johanniskirche bei Semen

 

Die ursprüngliche Baukonzeption der wahrscheinlich Ende des 10. Jh. errichteten Johanniskirche in der Nähe der heutigen Stadt Semen, Südwestbulgarien, der Kirche Johannes’ des Täufers in Nessebar vergleichbar, jedoch mit viereckigen Kuppelpfeilern und den die Innenraumteilung

 

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wiederholenden Blendbögen an den Außenfassaden, ist nach ihrer Zerstörung, vermutlich schon zu Beginn des ii. Jh., beim Wiederaufbau im 13. Jh. wesentlich verändert worden: Die Eckräume zwischen den Kreuzarmen und die Seitenapsiden wurden bis zur Höhe des ehemaligen Satteldachs aufgeführt und erhielten ein gemeinsames Traufgesims, wobei der Unterteil des Tambours mit den ursprünglichen Fensteröffnungen von dem erhöhten Dach verdeckt worden ist. Das Bauwerk ist aus sehr sorgfältig bearbeiteten Tuffsteinquadern errichtet und war ursprünglich von außen und zum Teil von innen mit roten Streifen bemalt. Von der ersten Bemalung im Tambour und in den Pastophorien sind wenige Freskenfragmente 1974 während der Wiederherstellung der Kirche freigelegt worden - fragmentarische Prophetendarstellungen und Elisabeths Reinigungsopfer (?), ausgeführt im stark expressiven, graphisch-flächigen Stil der frühchristlichen Tradition. Erhalten sind ebenfalls Fragmente der Chorschranken, eingebaut am Südeingang.

 


 

Die zweite Ausmalung der Kirche nach ihrer Wiederherstellung und dem Umbau im späten 13. Jh. umfaßt - im Unterschied zur ersten - alle Innenwände, einschließlich des Tympanons am Westportal. Trotz starker Beschädigungen in den oberen Zonen der Wandmalerei ist ihr ursprüngliches Bildprogramm völlig rekonstruierbar: Christus Pantokrator in der Kuppel (zerstört), von Ganzfiguren der Propheten zwischen den Tambourfenstern umgeben, in den Pendentifs Evangelistendarstellungen und dazwischen im Osten und Westen die Acheiropoitoi; die Gewölbescheitel nehmen Medaillons mit Brustbildnissen der Propheten sowie des Alten der Tage und des Emmanuels ein. In den oberen Wandzonen und im Gewölbe folgen in zwei ununterbrochenen Reihen friesartig die Fest- und Passionsszenen, während an beiden unteren Zonen Brustbildnisse der Vierzig Märtyrer von Sebasteia und Ganzfiguren von Märtyrern und Eremiten verteilt sind. In der Hauptapsis ist die thronende Gottesmutter mit Erzengeln und dem Melismos, umgeben von Kirchenvätern, dargestellt; darüber im Gewölbe des Sanktuariums die Apostelkommunion und Himmelfahrt, in der Prothesis die Deesis mit Kirchenvätern und am Westtympanon das erst 1975 freigelegte Wandbild des Kirchenpatrons, des Evangelisten Johannes. In der unteren Zone der Süd- und Westwand, gegenüber dem Bild des hl. Ivan von Rila, befinden sich noch die Stifterbildnisse, u. a. des lokalen Feudalherrschers Despot Dejan (?), seiner Gemahlin Doja und ihrer Kinder, die in der Forschung irrtümlich mit dem Herrscher von Kumanovo Sebastokrator Dejan und der Sebastokratorin Theodora-Eudokie aus dem späten 14. Jh. verwechselt wurden. Während das Bildprogramm wenig von dem der zeitgenössischen Kirchen abweicht (der ununterbrochene Fries der Passionsszenen der makedonischen und serbischen Kirchen aus dem späten 13. Jh. ist hier in einzelne, wenn auch nicht durch Rahmen abgegrenzte Szenen unterteilt; sehr ausladende Folge der Vierzig Märtyrer), zeigt die Ikonographie, besonders der Festszenen, zahlreiche Züge der noch lebendigen frühchristlichen Tradition des Christlichen Ostens (Parallele in S. Apolinare Nuovo, Ravenna und im Evangeliar VI-23 in Laurentiana, Florenz), die sich oft mit volkstümlichen Motiven vermischen (Das Schmieden der Nägel). Stilistisch folgen die Fresken ebenso der volkstümlichen und vorikonoklastischen Tradition (Dobrejscho-Evangeliar, um 1221) und unterscheiden sich wesentlich von der zeitgenössischen Palaiologenmalerei: Die Kompositionen sind streng symmetrisch, die Figuren fast ausschließlich frontal dargestellt; ihre Gesten sind sehr sparsam, und der Landschaft sowie dem szenischen Beiwerk wird eine sehr geringe Rolle beigemessen. Das Kolorit ist hauptsächlich in den Grün-Ockerbraun-Rot- Farben gehalten, wobei der Hintergrund in der Regel, wie in vielen frühchristlichen Fresken, in zwei Farben erscheint - oben Blau (Himmel) und unten Grün (Erde).

 

Die Wandmalerei der Kirche wurde 1962-1975 von einem Restauratorenkollektiv des Nationalinstituts für Denkmalpflege unter B. Ilieva konserviert und das Denkmal anschließend als Museum erschlossen.

 

J. Ivanov 1912, 58-72; A. Protič 1925; A. Grabar 1925; ders. 1928, 186-223; N. Mavrodinov 1946, 171-176; A. Vasiliev 1960, 47-54; K. Krestev 1961; L. Mavrodinova, Diss. 1964 (Lit.); D. Panajotova 1966, 117-171; S. Bossilkov 1971, 17 f.; B. Ilieva 1973; V. Mardi-Babikova 1973; ders.: L’église St. Jean le Theologien de Zemen à la lumiere de donnees nouvelles, Sofia 1976.

 

 

Stephanoskirche (Neue Metropolitenkirche), Nessebar

 

Die ursprünglich der Gottesmutter geweihte und erst Mitte des vorigen Jahrhunderts umbenannte Kirche stellt eine flach gedeckte Basilika dar, deren Schiffe durch zwei auf den stark vorspringenden Ost- und Westpfeilern sowie auf je einer Säule ruhende hohe Bögen getrennt sind und in drei halbkreisförmigen Apsiden im Osten auslaufen; das überhöhte Mittelschiff, im Osten und Westen mit Giebeln bekrönt, wird durch je drei Seitenfenster beleuchtet.

 

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Das Mauerwerk besteht aus unregelmäßig zusammengefügten Bruch- und Ziegelsteinreihen, hinter denen sich eine verdeckte Holzverankerung befindet. Den Oberteil der Apsiden unterhalb des Trauf- gesimses schmückt eine Blendbögenreihe (lombardischer Fries) aus Backstein über Marmorkonsolen, die von einer Reihe (an der Mittelapsis von zwei Reihen) abwechselnd runder grüner Näpfchen und roter Rosetten aus glasiertem Ton eingefaßt ist. Dem ursprünglichen Bau, vermutlich aus dem späten 10. Jh., wurde im 15.-14. Jh. ein Anbau im Westen in der Breite aller drei Schiffe und Ende des 16. Jh., als die Kirche die Funktion einer Bischofskathedrale übernahm, ein Narthex aus Fachwerk hinzugefügt. An der in ihrer Datierung umstrittenen Kirche vermischen sich bestimmte Elemente der Architektur von Pliska und Preslav aus der zweiten Hälfte des 10. Jh. (Innenraumverteilung, Höhendrang, verkürzte Proportionen und keramischer Schmuck) mit Gestaltungsformen des östlichen Mittelmeerraums (lombardischer Fries), die alle direkt in die Halbinselstadt verpflanzt worden sein dürften und von hier auf die übrigen bulgarischen Gebiete ausgestrahlt haben. Somit erscheint die Kirche als ein Bindeglied zwischen der hauptstädtischen Architektur des Ersten Bulgarenreichs und den Bauten Westbulgariens um die Jahrtausendwende. Darüber hinaus deutet ihr Außendekor bereits auf die Gestaltungsprinzipien der Baukunst des Zweiten Bulgarenreichs hin, in deren Inkrustationsstil sich die plastisch-keramische Verzierung vollkommen entfaltet.

 

Die Kirche ist mehrmals ausgemalt worden; von der ersten Bemalung - vermutlich zeitgleich mit dem Bau - ist nichts erhalten, da die ganze Putzschicht während der zweiten Ausmalung im 14. Jh., die durch geringe Freskenreste im Altarraum belegbar ist, abgeschlagen wurde. Zu diesem Wandschmuck gehören ebenfalls die in Fresko- technik ausgeführten Ikonen auf der Westseite der Ostpfeiler, wiederum fragmentarisch erhalten. Laut Stifterinschrift wurde der ganze Kirchenraum 1599 erneut mit Wandmalerei und einer Ikonostasis ausgestattet (Platytera und Gottesmutter Lebenspendende Quelle an den Tympana des westlichen und südlichen Portals, thronende Gottesmutter Pamakaristos mit Erzengeln, Apostelkommunion und Melismos in der Apsisnische, getrennte Fest- und Passionszyklen sowie erweiterte Zyklen der Wundertaten Christi und des Marienlebens, durch Akathistosszenen ergänzt, unterhalb des Medaillonfrieses mit Prophetenbildnissen in den oberen Zonen und Ganzfiguren von Heiligen in der unteren Zone des Naos) - Ikonographie und Stil schließen sich der zeitgenössischen athonitischen Malerei an und weisen neben einer Überladung der figurenreichen Kompositionen durch viele zusätzliche Details und phantasievolle Architekturkulissen auch erhöhte Plastizität sowie eine abgestimmte und fein nuancierte Farbskala auf. Zu Beginn des 18. Jh. erhielt die Westfassade ihren Wandschmuck (Jüngstes Gericht und Stifterbildnisse), noch später - vermutlich Ende des 18. Jh., gleichzeitig mit der Ausmalung des geschnitzten Metropolitenthrons und des Ambos - wurde ein weiteres Stifterbildnis an der Westwand des Naos hinzugefügt. Die jüngste Malerei in den Tympana des alten Südportals sowie in der Spitzbogennische auf der neuen Südwand im Naos entstammt dem 19. Jh.

 

A. Rachénov 1932, 14-25 (Lit.); N. Mavrodinov 1959, 103-107; Krasowska 1966; K. Mijatev 1974, 135 f.

 

 

Georgsrotunde, Sofia

 

Die inmitten des Stadtzentrums des antiken Serdica gelegene Georgsrotunde ist vermutlich zu Beginn des 4. Jh. als Teil einer umfangreichen Thermenanlage mit Hypokaust, unmittelbar an der heißen Mineralquelle, entstanden. Bereits im frühen Mittelalter stark beschädigt, wurde die ursprünglich flach gedeckte Rotunde Ende des 9. Jh. oder um 972 bei der Verlegung des Patriarchensitzes von Dorostol (Silistra) nach Sredez (Sofia) als Kirche umgebaut und mit einer höheren Kuppel und Freskenschmuck ausgestattet. Nach einer späteren Zerstörung - vermutlich kurz nach dem Jahr 1000 -

 

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ist die Kirche im 13. Jh. wiederhergestellt und zum Teil neu ausgemalt worden. Der wiederholte Einsturz der Kuppel Ende des 13. oder zu Beginn des 14. Jh. führte schließlich zu deren letzten Umbau und einer Ausmalung. In der Folgezeit diente die dem hl. Georg geweihte Rotunde als Metropolitenkirche, bis sie unter Sultan Selim I. (1512-1520) in eine Moschee umgewandelt wurde. Seit der Freilegung des ganzen Komplexes der Thermen 1956 werden umfangreiche Restaurierungsarbeiten durchgeführt (L. Krasowska und S. Janev).

 

 

An die Backsteinanlage (etwa 14 m hoch und 10 m Durchmesser) mit einer rechteckigen Ostapsis und vier halbkreisförmigen Nischen schließen sich im Westen ein rechteckiger Esonarthex und zwei weitere, vermutlich später angebaute Vorhallen an; an der Süd- und Nordwand befanden sich je eine Kapelle mit halbkreisförmigen Apsiden im Osten sowie einem Narthex im Westen - wie die Vorhallen nur in Grundmauern erhalten.

 

Die während des ersten Umbaus entstandenen Fresken sind sehr fragmentarisch auf uns gekommen. Schon beim Einsturz der Kuppel stark beschädigt, blieben sie längere Zeit Witterungseinflüssen ausgesetzt und wurden Anfang des 13. Jh. zum größten Teil übermalt, wobei nur ein geringer Rest der ursprünglichen Malerei in das neue Freskenensemble einbezogen wurde. Lediglich die Freskenfragmente der oberen Zonen geben eine ungefähre Vorstellung von der Bildverteilung in der Kuppel und im Tambour: Die Fläche der Kuppel bedeckte vermutlich ein riesiges Bild des Pantokrators, umgeben von acht überlebensgroßen Figuren fliegender Engel am Rande, über den Fenstern; darunter, zwischen den Tambourfenstern, befanden sich 16 Prophetenfiguren (über 3 m hoch). Von der ersten Bemalung waren bis in die zwanziger Jahre noch wesentliche Teile der Prophetendarstellungen erhalten - darunter das Bildnis des Propheten Jona. Infolge einer fehlerhaften Restaurierung ist die Malschicht bis auf geringe Spuren abgeblättert. Die Konservierungsarbeiten von 1970 brachten jedoch zusätzlich einige bislang durch die spätere Malschicht verdeckte Freskenfragmente ans Licht - in erster Linie die sehr gut erhaltene Figur eines Engels an der nordöstlichen Seite des Tambours, eines der bedeutendsten Werke der christlich-orthodoxen Kunst des ersten Jahrtausends. Die monumentale und expressive Malerei zeichnet sich durch eine helle, leuchtende Farbskala sowie stilisierte und leicht modellierte Formen mit breiten Konturen aus. Die vorikonoklastische Ikonographie steht der syrisch-palästinensischen Tradition nahe und weist wie die altertümliche Palaiographie der griechischen Inschriften an den Prophetenrollen auf die Prototypen der vorausgegangenen Kunstepoche zurück.

 

Dagegen zeigen die ebenso nur fragmentarisch erhaltenen Wandbilder der zweiten Bemalung aus dem frühen 13. Jh. (Festszenen, Brustbilder und Ganzfiguren von Heiligen) bereits die wichtigsten Charakterzüge des weichen plastischen Stils. Die nunmehr endgültig verlorenen Fresken der dritten Bemalung vom Anfang des 14. Jh. (Prophetenfries auf dem Tambour und Pantokrator in der Kuppel) gehören mit ihrer bewegten Komposition dem reifen palaiologischen Stil an, knüpfen jedoch an die monumentale Formgestaltung der lokalen Tradition an und vermitteln sie somit dem monumentalen Stil der Morava-Schule im 15. Jh.

 

A. Grabar 1928, 86-88; B. Filov 1953; A. Rachénov 1939-40; P. Karasimeonov 1942; I. Venedikov / T. Petrov 1964; K. Krestev 1964; M. Zontscheva 1968, 33-40; L. Krasowska 1971; L. Praschkov 1971; S. Janev 1973; S. Bojadshiev 1974; L. Praschkov 1976.

 

 

Kloster Patlejna

 

Eines der bedeutendsten Klöster und Zentren des Kunsthandwerks in der Umgebung von Preslav, 1,5 km südwestlich der Altstadt gelegen, 1909 und 1957 ausgegraben und saniert. Die als Ruine erhaltene Klosterkirche ist mehrmals umgebaut worden, so daß die Rekonstruktion des ursprünglichen Baus aus dem späten 9. Jh. umstritten ist: Es wird sowohl ein Zentralbau, dessen Kuppel ohne Übergang vom Quadrat zum Kreis durch Pendentifs oder Trompen unmittelbar auf Säulen ruhte, als auch eine kreuzförmige Kirche vermutet; später, wahrscheinlich Mitte des 10. Jh., ist die Klosterkirche umgebaut sowie mit einem großen Narthex und flankierenden Westtürmen versehen worden. Aus den keramischen Werkstätten des Klosters stammen viele Fragmente bemalter und glasierter Keramik, darunter die Ikone des hl. Theodoros.

 

J. Gospodinov 1910; ders. 1914; N. Mavrodinov 1959, 167-170; S. Bojadshiev 1960.

 

 

Kloster Avradak, Preslav

 

Östlich der Stadt an den Anhöhen weit hinter dem rechten Ufer der Kamtschia gelegen, 1945 teilweise ausgegraben und saniert. Neben der Klausur des Nonnenklosters, die sich entlang den Klostermauern erstreckte, sind die Ruinen von zwei Kirchen zu sehen - eine davon außerhalb der Mauer. Beide Kirchen sind aus der Mitte des 10. Jh.: steinerne Kreuzkuppelbauten mit drei Apsiden, verlängertem Altarvorraum und ungegliedertem Narthex, Kirche Nr. 1 mit erhaltenem Bodenmosaik(opus sectile) versehen.

 

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Beide Kirchen besaßen reiche, verglichen mit den Bauten des frühen 10. Jh. aber gröbere und derbere bauplastische Verzierung, zum Teil erhalten und im Nationalmuseum Sofia sowie im Museum Preslav aufbewahrt.

 

V. Ivanova 1949; N. Mavrodinov 1959, 196-198; S. Bojadshiev: Nouvelles considerations sur une eglise à Preslav (I. CongrBalk II/1969, 15-31).

 

 

Gesimsfragmente

Weißer Marmor. Nationalmuseum Sofia. Inv.-Nr. 1755, 1757 und 1758

 

Die Reliefs gehörten, wie weitere bauplastische Fragmente, zu der vermutlich Ende des io./Anfang des 11. Jh. bei einem Umbau ausgeführten Innenausstattung (Teil der Chorschranken) der bereits im 6. Jh. gegründeten Kirche in Drenovo, Makedonien. Später wurden sie als Verkleidungsplatten bei einem weiteren Umbau der Kirche sowie an der Stephanoskirche im Konče-Kloster wiederverwendet. Bis zur Klärung ihres Ursprungs sind alle diese bauplastischen Fragmente irrtümlich von mehreren Forschern für Spolien aus Stobi gehalten und entsprechend ins 6. bis 8. Jh. datiert worden. Während die Reliefs aus Stara Sagora und Thrakien der archaisierenden volkstümlich-provinziellen Kunstrichtung angehören, vertreten die Reliefs aus Drenovo, wie die Marmorplatten aus der Sophienkirche in Ochrid, die offizielle hauptstädtische Kunst am Hofe des bulgarischen Zaren Samuil: Die Geometrisierung und Ornamentisierung tritt hinter der Wiedergabe der Naturformen zurück; obgleich die Darstellungen zuweilen östlichen Vorbildern folgen, behalten sie in der technischen Ausführung die hellenistisch-spätantike Tradition bei.

 

B. Filov: Altchristliches aus Mazedonien (Studien zur Kunst des Ostens J. Strzygowski gewidmet, Wien 1923, 37); VNM, 191; Dj. Bošković: L’église de St. Sophie à Salonique et son reflet dans deux monuments posterieurs en Macedoine et en Serbie (AJ I/1954, 111f.); I. Nikolajević-Stojković 1956, 175-179; N. Mavrodinov 1966, 62; KP, Nr. 37-38.

 

 

Holztür

Eichenholz. Ehemals Nationalmuseum Sofia

 

Die aus 24 flachen Reliefs bestehende und von einem gemeinsamen Rahmen eingefaßte Holzplattentür aus der Kirche Sveti-Nikola-Bolnički in Ochrid, im zweiten Weltkrieg verschollen, bleibt bis heute Gegenstand heftiger Diskussionen. Während die älteren Untersuchungen die Reliefplatten als Teile einer Holztruhe wie der von Terracina deuteten, darf man vielmehr heute vermuten, daß es sich um Holzmodelle für eine Bronzetür handelt. Das Bildprogramm der z. T. später ergänzten Reliefs, wo vorchristliche Symbole und Fabelwesen neben Bildnissen der Reiterheiligen stehen, besitzt mehrere Berührungspunkte mit der Kunst der Protobulgaren und Zentralasiens und bildet somit neben den Denkmälern mittelalterlicher Buchmalerei Bulgariens einen wichtigen Beleg für die Rezeption der vorchristlichen ikonogra- phischen Tradition auf dem Balkan. Das Werk wird zwischen dem 9. und 16. Jh. angesetzt. Die in jüngerer Zeit entdeckten und zum Vergleich herangezogenen stilistischen und ikonographischen Parallelen der bulgarischen Plastik, der Malerei und des Kunsthandwerks sprechen jedoch für eine Entstehungszeit im späten 10.-11. Jh.

 

A. Muños 1906, 185 f.; N. Kondakov 1909, 236-239; T. Siljanovska-Novikova 1963, 69; M. Ćorović-Ljubinković 1965, 45-53 (Lit.).

 

 

Matrize

Bronze. 6,6 x 4,2 x 0,2cm. Archäologisches Museum Preslav. Inv.-Nr. 2379 1

 

Gefunden 1937 westlich der Runden Kirche, in der Nähe des ehemaligen Handwerkerviertels der alten Hauptstadt. Das Brustbild der Gottesmutter Orantin und zwei Ganzfiguren des Christus Pantokrator sind vermutlich als Matrizen für goldene getriebene Ikonenoder Evangelienbeschläge verwendet und aus praktischen Gründen auf der gleichen Platte angebracht worden. Die Inschriften sind wie die Ikonographie traditionell; die Pantokratorfiguren unterscheiden sich nur durch die Form des Throns und durch das Evangelienbuch in der Hand Christi voneinander (die linke Darstellung mit offenem, die rechte mit geschlossenem Kodex). Die feine plastische Modellierung des Hochreliefs und die präzise Ausführung verbinden die Matrize eindeutig mit den Goldschmiedewerkstätten am Hofe der bulgarischen Zaren im 10. Jh. Als terminus ante quem dürfte die Zerstörung der Werkstätte 972 angesehen werden.

 

T. Totev 1969; AMP - 1969, Nr. 109; Ausstellungskataloge Nr. 8, 9, 10, 11, 12.

 

 

Germanoskirche am Prespasee

 

Die im Dorf German am Prespasee in Griechenland gelegene Kirche, dem hl. Germanos geweiht, ist vermutlich um 993 oder kurz vorher von dem bulgarischen Patriarchen German (Gavril) als Privatkapelle errichtet worden.

 

 

Vor der Kirche war eine Memorialplatte des Zaren Samuil aus dem Jahre 993 aufgestellt; eine weitere Inschrift berichtet über die Ausmalung der Kirche im Jahre 1006 (im 18. Jh. überdeckt). Das Bauwerk folgt dem Kreuzkuppelschema wie die Kirchen in Nessebar und Semen,

 

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doch auf einer weiteren Entwicklungsstufe: in Zellenbautechnik ausgeführt, mit Pfeilern und Narthex, nach dem Vorbild der Preslaver Bauten durch zwei einander kreuzende Gewölbe überdeckt und mit vier flachen Nischen versehen, ohne verlängerten Altarvorraum. Im Unterschied zu den zeitgenössischen byzantinischen Bauten sind die hohen Eckräume zwischen den Kreuzarmen mit Tonnengewölben statt Kreuzgewölben überdeckt; in der Außengestaltung fehlen die Lisenen mit Blendbögen, jedoch weisen die Tambourfenster schon eine Umrahmung aus ornamentalen Ziegelreihen auf.

 

J. Ivanov 1910; M. Zloković 1924-25; N. Mavrodinov 1959, 268 bis 270; S. Pelikanides 1960, 7-22; N. Mutsopulos: The Churches of the Prefecture of Florina, Thessaloniki 1966, 10-11; K. Mijatev 1974, 101 f.

 

 

Sophienkirche, Ochrid

 

Die Kathedrale der ehemals bedeutenden Kirchenmetropole Ochrid, die zwischen 1000 und 1018 bulgarische Hauptstadt und Patriarchensitz war, ist in ihrem heutigen Zustand eine Pseudobasilika. Ihre drei in unterschiedlicher Höhe gewölbten und mit einem gemeinsamen Satteldach versehenen Schiffe werden von massiven Mauern getrennt, die von je fünf Bögen ungleicher Breite durchbrochen sind; die mittleren Bögen, denen Blendnischen an den Außenmauern entsprechen, deuten ein Querschiff an. Die mit halbzylindrischen Tonnen überwölbten Seitenschiffe laufen in halbkreisförmigen Apsiden im Osten aus, während das wesentlich breitere, mit Spitzgewölbe überdeckte Mittelschiff eine außen polygonal gebildete Apsis besitzt. Das Gewölbe der beiden seitlichen Längsschiffe ist höher als das der Seitenchöre, so daß sich über den letzteren je ein Raum mit Ostapsis herausgebildet hat. Im Westen liegt quer vor dem Langhaus ein zweigeschossiger, durch Kreuzgewölbe und Tonnen überdeckter Narthex, dem eine ebenfalls doppelgeschossige und mit Tonnen überwölbte offene Galerie zwischen zwei flankierenden Ecktürmen vorgelagert ist. Auf der Nordseite schließt sich an den Narthex eine Kapelle mit Treppen und Gruft an, und an der Nordfront des Langhauses zieht sich eine seitliche offene Säulengalerie entlang. Im Innenraum fehlen architektonische Zierformen; die glatten Mauern werden nur durch wenige, unregelmäßig verteilte Fenster durchbrochen. Die in Mischtechnik - vorwiegend aus Backstein über Hausteinreihen unterschiedlicher Höhe mit Ansätzen der Zellenbautechnik - errichteten Außenmauern des Langhauses sind ebenso ungegliedert und weiseri nur ein Traufgesims mit einfachen Fensterumrahmungen auf; dazu kommen an der Chorfassade noch das Kranzgesims und eine Blendbogenreihe. Hingegen zeigt die Westfassade eine hochbyzantinische, überaus reiche Außengliederung mit zwei übereinanderliegenden und durch einen Blendbogenfries getrennten Säulenreihen, profilierten Gesimsen und Bifo- rien an den beiden quadratischen Türmen, die oktogonale Abschlüsse mit mehrfach gegliederten Blenden der Nischen und Fenster sowie zierliche Ecksäulchen aufweisen.

 

Die aus unterschiedlichen Zeiten stammende und 1930 bis 1955 freigelegte Bemalung der Sophienkirche ist zum Teil sehr gut erhalten und bildet eines der umfangreichsten Freskenensembles der östlich-orthodoxen Kunst. Die Fresken des mittleren Chorraums, mit der Gottesmutter Nikopoia in der Apsiskonche, Apostelkommunion und Kirchenvätern darunter, Deesis mit flankierenden Engeln am Triumphbogen sowie Himmelfahrt im Gewölbe, umrahmt durch einen Fries mit Darstellungen fliegender Engel, nehmen eine Zentralstellung ein. An den Seitenwänden folgen in der oberen Zone alttestamentliche Szenen mit paradigmatischem Charakter sowie die Kompositionen Quellen der Weisheit des Johannes Chrysostomos und des hl. Basileios, während die untere Zone Ganzfiguren der Kirchenväter (u. a. Bildnisse östlicher und abendländischer Kirchenlehrer) einnehmen, denen sich die ebenso frontal dargestellten Ganzfiguren der Heiligen, Märtyrer, Eremiten, Ärzte und Krieger an den Seitenwänden entlang anschließen. Das Bildprogramm des Diakonikons und der Prothesis bilden die Zyklen mit Szenen und Martyrien des hl. Johannes des Täufers und der Vierzig Märtyrer von Sebasteia. Im Langhaus schließen sich dann die fragmentarisch erhaltenen Festszenen an - an der Westwand die große Koimesiskomposition mit Prophetendarstellungen darüber, beiderseits des Fensters, und den Haupteingang flankierende Erzengel in der unteren Zone. Einer späteren Malschicht gehören die Stifterbildnisse an der Nordwand des nördlichen Seitenschiffs an. Im Exonarthex findet sich neben fragmentarisch erhaltenen Synaxarionszenen (?) noch die Komposition Himmelfahrt des Elias sowie die Sieben Schläfer von Ephesos. Zu den späteren, schlecht erhaltenen Fragmenten gehören Abrahams Opfer und im Obergeschoß Darstellungen der Reue Davids, der Vision des Petrus von Alexandrien und der sieben ökumenischen Konzilien. Gleichzeitig mit dieser Malerei entstand das fragmentarisch erhaltene Jüngste Gericht im Esonarthex (die frühere Westfassade der Kirche vor dem Anbau der offenen Galerie). Stilistisch und ikonographisch weicht von den übrigen Fresken die Bemalung des Obergeschosses im Diakonikon (Apostelmartyriumszenen) und des Treppenhauses (Szenen aus der Vita Johannes’ des Täufers und Stifterbildnisse) ab.

 

Die Datierung und Eingrenzung der Bauperioden dieser mehrmals umgebauten Kirche sowie der ihnen entsprechenden Bemalung ist umstritten und bildet, wie die in mehreren Punkten noch ungeklärte Baugeschichte, den Gegenstand heftiger Kontroversen in der Forschung. Es werden hauptsächlich vier Bauperioden unterschieden. Ursprünglich dürfte die Sophienkirche im späten 9. Jh. als gewölbte orientalische Basilika, ähnlich den Basiliken Gebe-klisse und Sakalova Mogila bei Preslav, mit massiven Arkaden zwischen den Seitenschiffen, erhöhtem fensterlosem Mittelschiff mit selbständigem Satteldach sowie Seitenschiffen mit Pultdächern und Narthex errichtet worden sein. Während der sich vermutlich über mehrere Jahrzehnte erstreckenden zweiten Bauperiode und der Erweiterung der Kirche im Zusammenhang mit der Verlegung

 

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des Patriarchensitzes nach Ochrid zu Beginn des 11. Jh., unterbrochen durch die kriegerischen Auseinandersetzungen und erst unter Erzbischof Leo (1037-56) weitergeführt, ist anscheinend die ursprüngliche Baukonzeption zweimal geändert worden - anfangs als eine Verlängerung des Langhauses nach Westen, nach der Unterbrechung als Kuppelbasilika mit verdecktem Querschiff und Exonarthex (östliche Kuppelpendentifs erhalten). In der dritten Bauperiode um 1317 unter Erzbischof Gregorios wurden der Esonarthex mit der Westfassade und beiden Türmen sowie die Nordkapelle mit dem Treppenhaus hinzugefügt. Die vierte Bauperiode schließt den Umbau des während der türkischen Besetzung stark beschädigten Bauwerks zur Moschee ein: Anstelle der eingestürzten Kuppel ist das durchlaufende Gewölbe instand gesetzt, das Satteldach über das Langhaus bis über den Chor verlängert und im Norden eine offene Säulengalerie angebaut worden.

 

Die Wandmalerei stammt ebenso aus verschiedenen, sich deutlich unterscheidenden Perioden: Die Komposition in der Hauptapsiskonche gehört eindeutig dem späten 9. Jh. an (im zweiten Drittel des 11. Jh. durch eine zweite Malschicht überdeckt und 1955 wieder freigelegt); die restliche Malerei im Chor dürfte Anfang des 11. Jh. entstanden sein, wobei ein Teil der Himmelfahrtsszene am Gewölbe während der Errichtung der Kuppel zerstört wurde; einige der Darstellungen von Kirchenvätern stammen möglicherweise aus dem zweiten Drittel des 11. Jh., wie die Wandbilder des übrigen Langhauses. Die Bemalung des Exonarthex folgte unmittelbar nach dessen Errichtung 1317. Ungeklärt bleibt die Entstehungszeit der Seitenkapellen über der Prothesis und dem Diakonikon sowie der Empore, über die diese Räume vom zweiten Geschoß des Narthex aus zugänglich sind. Die von Ljubin- ković und Hamann-MacLean/Hallensleben ins 12. Jh. gesetzten Fresken der oberen Südostkapelle schließen eine spätere Datierung dieser Anbauten aus; andererseits wäre eine frühere Entstehung der Kapellen - während der zweiten Bauperiode - zumindest durch das Fehlen eines Zugangs unlogisch gewesen.

 

Ein Teil der plastischen Ausstattung, hauptsächlich Reliefplatten von den Chorschranken und vom Ambo aus dem 11. Jh., sind z. T. für den Mimbar sowie als Fußbodenbelag wiederverwendet worden.

 

H. Schmidt-Annaberg: Die Basilika Aja Sofia in Ochrida (Deutsche Bauzeitung 55/1921, Nr. 44, 47-48, 195-196, 205-211); N. Okunev: Fragments de peintures de l’église Sainte-Sophie d’Ochrida (Melanges Ch. Diehl II, Paris 1930, 117-151); D. Koco 1949; ders.; Nouvelles considerations sur l’église de Sainte-Sophie à Ohrid (AJ II/1956, 159-144); F. Forlati / C. Brandi / V. Froidevaux: Ste.-Sophie d’Ohrid (Collection Musées et Monuments UNESCO, IV/1953, Paris); G. Millet / A. Frolow I, pl. 1-10; R. Ljubinković 1955; I. Nikolajević-Stojković 1956,170-175; P. Miljković-Pepek 1955-56; ders. 1958 ; ders. 1959-60; ders. 1960; N. Mavrodinov 1959, 264-267, 283-293; V. Lasarev 1961, 175-185; D. Bošković / M. Ćorović-Ljubinković 1961, 101 bis 106; K. Petrov 1962; R. Hamann-MacLean / H. Hallensleben 1963, 15f., Pl. 1-5; V. J. Djurić: Die Sophienkirche in Ohrid, Beograd 1963; S. Radojčić 1963; A. Grabar: Les peintures murales dans le cœur de Sainte-Sophie d’Ohrid (CAXV/1965,257-265); M. Zontscheva 1968, 17-28; C. Grozdanov: Ohridske beleške (Zograf 3/1969, 12 f.); G. Subotić: Ohridski slikar Konstantin i njegov sin Jovan (Zograf 5/1974, 44-47).

 

 

III. Byzantinische Herrschaft (1018-1186)

 

Steatitikone

Hellgrüner Steatit in Silbereinfassung. 4,5 x 4,1 x 0,9cm. Nationalmuseum Sofia. Inv.-Nr. 546

 

Gefunden 1901 in Tschernomasniza bei Vidin. Die Ikone zeigt die frontale Ganzfigur des hl. Demetrios mit Schwert und Schild in stark verkürzten Proportionen, eingeschlossen in einem ornamentierten Bogen über Säulen; beiderseits des Heiligen eine griechische Inschrift mit seinem Namen. Der silbergetriebene Deckel stellt ebenfalls frontal und in Ganzfigur die Heiligen Konstantin und Helena dar, ein Kreuz über palmettenartigem Ornament flankierend, mit griechischen Inschriften auf dem oberen Bildrand. Ikonographie, Stil und Palaiographie deuten auf eine Entstehung im frühen 11. Jh. hin, wobei die grobe und gewerbsmäßige Ausführung die Arbeit einer byzantinischen provinziellen Werkstatt (Kleinasien?) erkennen läßt.

 

M. Vaklinova 1970.

 

 

Tod Mariä (Koimesis)

Elfenbein. 16 x3,5 x1cm. Nationalmuseum Sofia. Inv.-Nr. 1809

 

Das bei Ausgrabungen am Zarenschloß in Veliko Tirnovo gefundene Fragment einer reliefierten Elfenbeinplatte stellt mit der am rechten Rande abschließenden Rahmenleiste den Teil einer figurenreichen Komposition dar, von der nur sechs Figuren erhalten geblieben sind. Von A. Goldschmidt und K. Weitzmann wenig begründet stilistisch der »malerischen« Gruppe zugeordnet, zeigt das Fragment ähnliche ikonographische Züge wie das Relief in der Münchener Staatsbibliothek Clm 4453, jedoch ist die Komposition hier seitenverkehrt aufgebaut, d. h. in dem für diese Szene verbreiteten Schema, ohne den prachtvollen Rahmen und Baldachin des Münchener Reliefs zu wiederholen. Ursprünglich gehörte es zu einer Reihe aus den Konstantinopeler Werkstätten stammender fast quadratischer Elfenbeinplatten mit Festszenen, von denen zwei weitere Reliefs mit der Fußwaschung und dem Tempelgang Mariä in die Berliner Staatlichen Museen (jetzt Berlin [West], Skulpturensammlung, Inv.-Nr. 2108 und 2551) gelangt sind. Eine Korrektur der von Goldschmidt und Weitzmann in das 10. Jh. gesetzten Datierung der ganzen Gruppe bis in das zweite Drittel des 11. Jh. dürfte anhand der bereits herausgebildeten Besonderheiten des frühen komnenischen Stils sowie der fortgeschrittenen Stilisierung der Darstellungen und Verflachung des Reliefs durchaus gerechtfertigt sein.

 

VNM, 188; A. Goldschmidt / K. Weitzmann: Die byzantinischen Elfenbeinskulpturen des 10. bis 13. Jh., II, Berlin 1934, 28, Nr. 12.

 

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Enkolpion-Staurothek

Gold, getrieben, mit Email. 53,5 x 37,5 x 5 und 51,5 x 35,5 mal 5 mm, 36,72 g. Nationalmuseum Sofia. Inv.-Nr. 487

 

Gefunden 1897 in einem Grab bei Trjavna. Zweiteiliger, flacher, rechteckiger, zur Aufnahme von Reliquien bestimmter Miniaturschrein mit einer Öse zum Anbringen an einer Kette. An der Vorderseite in einem Rahmen mit Zickzackornament aus dreifarbigem Zellenschmelz die teilweise mit Email bedeckte Reliefdarstellung der Gottesmutter Hagiosoretissa (Paraklesis) über einem Suppedaneum mit der segnenden Christushand im Segment an der rechten oberen Ecke. Auf der Rückseite eine in Grubenschmelztechnik ausgeführte symbolische Paradiesdarstellung; der von Zypressen und Christusinitialen flankierte aufgeblühte Kreuz-Lebensbaum deutet auf die Kreuzreliquie hin, die sich vermutlich im Inneren befänd. Schon die ikonographischen Bezüge zwischen der Mariendarstellung und ihrem ehemals in der Konstantinopeler Kirche Theotokos Chalkopratissa aufbewahrten Prototyp, anscheinend einer Emailikone, lassen die Vermutung aufkommen, daß es sich hier um die Arbeit einer hauptstädtischen Werkstätte handelt, obgleich seit dem 12. Jh. dieser ikonographische Typ weite Verbreitung auch auf dem westlichen Balkan findet (Steatitikone aus Kuršumlja, Bronzerelief aus Kloster Rakovac, Fresken in Studenica und Sopoćani). Die verkürzten Proportionen der steifen, dennoch ausdrucksvollen ekstatischen Figur der Gottesmutter, der Faltenwurf ihres Himations sowie das symbolische Paradiesbild sprechen, entgegen der in der Forschung übereinstimmend angenommenen Datierung ins 12.-13. Jh., für eine Entstehung im letzten Drittel des 11. Jh. Diese Datierung wird noch durch das Ornament und die Zusammensetzung des Emails, ähnlich der Erzengel-Reliefikone im Tesoro di San Marco, Venedig, und dem Kreuz aus der Sammlung der Gräfin Uwarowa, jetzt im Puschkin-Museum, Moskau, gestützt. Auch der Schriftduktus der kurzen, jedoch sehr charakteristischen Inschriften bringt das Enkolpion in unmittelbare Beziehung zu Konstantinopel und besonders zu den Emailmedaillons der ehemaligen Sammlung Swenigorodskoj, jetzt im Metropolitan Museum of Arts, New York, zu deren Kunstkreis es offensichtlich gehört, so daß es als eine etwas frühere Arbeit derselben Werkstätte angesehen werden kann.

 

VNM, 228; I. Venedikov 1966; Alte Kunst in Bulgarien III, Sofia 1967, 26; M. Vaklinova 1972.

 

 

Gottesmutter Hodegetria

Mosaikikone. 93 x 67 x 3 cm (ohne Rahmen). Nationalmuseum Sofia

 

Die in ihrer ursprünglichen Substanz sehr gut erhaltene und nur im Hintergrund und Unterteil geringfügig ergänzte Mosaikikone ist eine der ältesten auf uns gekommenen Kopien der Konstantinopeler Hodegetria-Ikone, mit entsprechender Bezeichnung beiderseits der Marienfigur MH͠P Θ͠Υ Ή O[Δ]HΓHTPIA (= Wegweiserin). Ehemals im Besitz der bulgarischen Georgskirche in Herakleia (Marmaraereglisi), wurde sie während des ersten Weltkrieges von Flüchtlingen aus Ostthrakien nach Sofia gebracht und gehört seitdem dem Sofioter Nationalmuseum. Die Herkunft der Ikone bleibt ungeklärt. Die Vermutung Strzygowskis, sie hätte als einziges Ausstattungsstück die Zerstörung der Kathedrale von Herakleia (gebaut um 1000) überlebt und sei von dort in die bulgarische Gemeindekirche übertragen worden, ist nicht ganz außer acht zu lassen; nicht weniger wahrscheinlich ist die Möglichkeit, die Mosaikikone sei von der während der türkischen Eroberung in Herakleia internierten bulgarischen Bevölkerung der Hauptstadt Tirnovo mitgebracht und seither in ihrer Kirche aufbewahrt worden.

 

Die Typologie und Ikonographie folgen dem Hodegetria-Prototyp vor dessen Erneuerung im 13. Jh., nachdem die berühmteste Ikone des östlichen Christentums, deren Ursprung von der Überlieferung mit dem Evangelisten Lukas in Zusammenhang gebracht wird, bei der Besetzung Konstantinopels 1204 verlorenging. Die monumentale Formensprache steht den hauptstädtischen byzantinischen Mosaiken und deren Ausläufern zu Beginn des 12. Jh. (Pantokrator-Ikone in den Berliner Staatlichen Museen, jetzt Berlin [West], Hodegetria-Ikone im Nationalmuseum Palermo, Wandmosaiken Daphni) am nächsten und zeigt die für die mittelbyzantinische Klassik charakteristische Ausgewogenheit, innere Ruhe und den Ausdruck tiefster Vergeistigung.

 

J. Strzygowski 1898; N. Kondakov 1915, 198 f.; V. Lazarev 1967, 336; Ausstellungskataloge Nr. 8, 9, 10, 11, 12.

 

 

Batschkovo-Kloster

 

Eines der bedeutendsten orthodoxen Klöster, südöstlich von Plovdiv gelegen, laut erhaltenem Typikon 1083 von dem Großdomestikos des Westens, Gregorios Bakuriani († 1086), gegründet und der Gottesmutter von Petritsch geweiht. Die ursprüngliche Klausur mit dem Osttor ist mehrmals umgebaut worden, so daß von der alten Bausubstanz nur geringe Teile auf uns gekommen sind; das aus der Gründungszeit stammende Katholikon (Kreuzkuppelkirche des georgischen Klostertyps mit drei polygonalen Apsiden, Seitenkonchen und Narthex) wurde im 16. Jh. abgerissen und durch einen größeren Neubau ersetzt; ein Teil seiner Grundmauern wurde 1955 ausgegraben; darüber hinaus erhalten ist das große bronzene Kuppelkreuz, das die Kuppel des neuen Katholikons bekrönt.

 

Zu den von Bakuriani gestifteten Bauwerken gehört vermutlich auch die Erzcngelkirche, ursprünglich Torkirche des nicht mehr erhaltenen Westtores, auf hohen massiven Pfeilern über einem Durchgang zwischen dem Tor und dem alten Katholikon erbaut, später in den danach errichteten Narthex des neuen Katholikons eingebaut, gegen Ende des 16. Jh. nach teilweiser Zerstörung wiederhergestellt - die Vermutung, die Kirche sei im

 

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18. Jh. neu aufgeführt worden, hat sich durch die 1975-76 vorgenommenen Sondierungen und Ausgrabungen nicht bestätigt.

 

 

Die ursprüngliche Baukonzeption aus dem 11. Jh. ist trotz mehrmaliger Umbauten ebenso wie ein Teil der alten Bausubstanz in den Grundzügen erhalten: Kreuzkuppelkirche in Mischtechnik aus abwechselnden Tuffstein- und Backsteinreihen, mit einer polygonalen Apsis und hoher stützenloser Pendentifkuppel - der zylindrische Tambour mit mehrfach abgestuften Profilen der Blendbögen und Fenster sowie malerischer, aus Backstein ausgeführter Ornamentik, ähnlich wie bei den Kirchen Kastorias aus dem 10.-11.Jh.; die Bemalung stammtaus dem 19. Jh.

 

Wesentlich mehr ist von der ursprünglichen Ausstattung und Bausubstanz der außerhalb der Klostermauern gelegenen Beinkirche auf uns gekommen. Als zweigeschossiger einschiffiger Bau mit offenem Esonarthex aus Tuffsteinquadern und roten Backsteinen erbaut, erfuhr die Kirche im 14. Jh. im Westteil geringe Veränderungen, wobei die offenen Arkaden zugemauert wurden. Das im Spätmittelalter eingestürzte Gewölbe des Obergeschosses bestand vermutlich nur zu einem geringen Teil (die drei großen Gurtbögen) aus massivem Mauerwerk; die Existenz eines Westturms ist umstritten, aber wahrscheinlich. Sehr charakteristisch ist die Außengestaltung durch pseudokonstruktive Blendbögen mit komplizierten Profilen, die die Seitenfassaden und die halbkreisförmige Apsis überziehen. Die zu einem beträchtlichen Teil erhaltene Bemalung aus der Gründungszeit der Kirche stellt ein einheitliches Freskenensemble dar, dessen Zuschreibung dem Maler Johannes aus Georgien eine griechische Inschrift belegt:

(Ausgemalt wurde diese ehrwürdige Kirche oben und unten durch die Hand des Malers Johannes Iberopulos. Und ihr, die es lest, betet für mich um Gottes Willen).

Bildprogramm wie auch Ikonographie und Stil der Fresken folgen der hochbyzantinischen Klassik: In der Gruft sind die Themen Tod, Auferstehung und Wiederkunft hervorgehoben - der Raum wird von den monumentalen Kompositionen der Deesis in der Apsisnische und der Vision des Propheten Hesekiel (Hes 37) an der Westwand beherrscht, umgeben von Ganzfiguren und Bildnissen der Heiligen und Kirchenlehrer; im Narthex nimmt die Komposition des Jüngsten Gerichts alle Flächen ein. Der Naos der Oberkirche ist mit zum Teil fragmentarisch erhaltenen Festszenen und Ganzfiguren der Heiligen ausgestattet; im Sanktuarium erscheint die von Erzengeln flankierte thronende Gottesmutter Nikopoia in der Apsisnische, darunter sind »eingerahmte und aufgehängte« Bildnisse der Kirchenväter sowie die Komposition mit den zelebrierenden Kirchenlehrern vor der von Leuchtern flankierten Hetoimasie; an den Seitenwänden schließen sich die Apostelkommunion als zweiteilige Komposition sowie Brustbildnisse der Diakone Stephanos und Euplos in den Seitennischen an. Im Tympanon über dem Eingang der Oberkirche ist das Brustbildnis der Gottesmutter Hodegetria angebracht, beiderseits an den Torpfosten die Ganzfiguren der Apostel Petrus und Paulus; darüber eine Theophaniedarstellung, die an der Vision des Propheten Hesekiel (Hes 2-3) anknüpft und teilweise der Apsiskomposition von Hosios David in Thessaloniki aus dem 6. Jh. folgt; in der oberen Zone der übrigen Wände sind noch Fragmente von Brustbildnissen der Märtyrer wie auch das Mandylion an der Westwand erhalten. Die ursprüngliche Bemalung der Kirche wurde im 14. Jh. durch eine Reihe weiterer Wandbilder in den zugemauerten Arkaden im Erdgeschoß (Stifterbildnisse der Brüder Gregorios und Apasios Bakuriani sowie der Mönche Georgios und Gabriel) und Obergeschoß (Stifterbildnis des Zaren Ivan Alexander mit griechischer Inschrift »Johann Alexander in Christo rechtgläubiger Kaiser und Selbstherrscher der Bulgaren und Griechen« sowie Bildnisse seines Patrons, Johannes’ des Evangelisten, und der Heiligen Konstantin und Helena) ergänzt, deren Qualität im Rahmen des Provinziellen bleibt.

 

Petit 1904; J. Ivanov 1911, 202-229; A. Grabar 1921-22; N. Brunow 1926-27; A. Grabar 1928, 55-86, 281-284; I. Goschev 1930-51, 341-388; I. Akrabova 1950; A. Vasiliev 1965; S. Bobtschev / Dinolov 1965; L. Praschkov 1965; N. Mavrodinov 1966, 22-27, 38-48; A. Schanidse 1971; E. Bakalova 1973.

 

 

Heiliger Nikolaos mit Vitenszenen

Tempera auf Lindenholz. 102 x 79 x 3 cm. Archäologisches Museum Nessebar. Inv.-Nr. 14

 

Das frontale Brustbildnis des segnenden hl. Nikolaos im eingetieften Mittelfeld der Holzplatte war von Vitenszenen umrahmt, von denen nur geringe Spuren erhalten sind. Sowohl die archaische Ikonographie des Heiligen, dessen Typologie und Bekleidung mit dunkelrotem Phelonion und Omophorion mit ausladenden Kreuzen wie auch der zinnoberrote Nimbus auf östliche Einflüsse hindeuten, als auch die dekorative und stark stilisierte Formensprache rechtfertigen eine Datierung ins frühe 12. Jh. Die nächsten stilistischen und ikonographischen Parallelen bilden Ikonen des Katherinenklosters vom Sinai und Nowgorods.

 

Ausstellungskataloge Nr. 8, 9, 10, 11, 12.

 

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Panteleimonoskirche, Neresi

 

Laut Stifterinschrift ließ der byzantinische Prinz Alexios Komnenos, Sohn der jüngsten Tochter des Kaisers Alexios Komnenos, 1164 die kleine Kirche in Neresi bei Skopje, Makedonien, verschönern und mit Fresken verzieren. Die Kirche selbst ist vermutlich zu Beginn des 11. Jh. als eine Fünfkuppelanlage mit drei polygonalen Apsiden entsprechend der bulgarischen Bautradition (Dshanavar-tepe, Patlejna) errichtet worden: Je zwei quadratische Türme flankieren die Ost- und Westfassade der Zentralbauanlage mit Pendentifkuppel über einem dem Quadrat eingeschriebenen Tonnenkreuz; alle vier vom Naos getrennten Eckräume sind mit Blindkuppeln versehen. Während der Ausmalung im 12. Jh. wurden die Querschiffenster zugemauert und die zuvor eingestürzte Kuppel wiederhergestellt; aus dieser Zeit stammt auch der in einfacher Mischtechnik (im Unterschied zur Zellenbautechnik der Kirche) ausgeführte kreuzgewölbte Narthex. Der heutige achtseitige Tambour mit der Kuppel entstand im 15.-16. Jahrhundert.

 

Die zu Beginn der 20er Jahre entdeckten, jedoch erst 1955-60 freigelegten und konservierten Fresken aus dem Jahr 1164 sind in ihrer stark expressiven und drastisch charakterisierenden Formensprache eng mit den realistischen Tendenzen der lokalen Tradition verbunden, andererseits jedoch ebenso von dem Konstantinopeler graphisch-linearen Stil beeinflußt. Mit Ausnahme des Altarraums (Gottesmutter Platytera, Apostelkommunion und Anbetung des Opfers an der Ostwand, Himmelfahrt am Gewölbe) ist die ursprüngliche Bemalung nur in den beiden unteren Zonen fragmentarisch erhalten (Heiligenbildnisse, Märtyrer, Ärzte, Meloden, Krieger und Einsiedler in der unteren Zone des Naos, Festszenen in der zweiten Zone, u. a. die Szenen Darbringung, Verklärung, Einzug in Jerusalem, Kreuzabnahme und Beweinung sowie die vier Hypostasen Christi in den Blindkuppeln der Eckräume). Im Narthex gehören nur die Fragmente an der Südwand mit Szenen aus der Vita des hl. Panteleimonos dem 12. Jh. an. Ebenfalls zu der Ausstattung des 12. Jh. gehört die Marmorikonostasis mit den in Freskotechnik ausgeführten und in reliefierte Rahmen eingeschlossenen Bildnissen der Gottesmutter Hodegetria und des hl. Panteleimonos; die Reliefplatte der Chorschranke dürfte dagegen dem frühen 11. Jh. entstammen.

 

Im 15.-16. Jh. wurde die schwer beschädigte Kirche wiederhergestellt und teilweise neu ausgemalt. Die alten Fresken wurden 1885 durch eine weitere neue Ausmalung der Kirche zum großen Teil überdeckt, jedoch während der Restaurierung in den 50er Jahren freigelegt.

 

N. Okunev: La decouverte des anciennes fresques du monastere de Nerez (Slavia VI/1927, Prague, 603-609); M. Fauchon: Les peintures du Monastere St. Panteleimon de Nerez (L’art sacre IV/1938, 213-217); I. Akrabova 1950; G. Millet / A. Frolow I, pl. 15-21; M. Rajković 1955; I. Nikolajević-Stojković 1956; V. Lasarev 1961; S. Spirovski 1961; K. Petrov 1962; R. Hatnann-MacLean / H. Hallensleben 1963, 17 f., Pl. 6-7; P. Miljković-Pepek: Nerezi, Beograd 1966; N. Mavrodinov 1966, 12-15, 48-54 (Lit.).

 

IV. Zweites Bulgarenreich (1186-1396)

 

Kirche Nr. 1, Tscherven

 

Die Gemeindekirche des bedeutenden wirtschaftlichen Zentrums des mittelalterlichen Bulgarien und Sitzes eines Bischofs,Tscherven, außerhalb der Burg des Kirchenfürsten inmitten der Handwerksviertel gelegen. Die nur in ihrem Unterteil erhaltene Ruine wurde 1910 und 1962-65 ausgegraben: ein relativ großer Bau (23,5 x 10,5 m) mit verlängerten Proportionen, sehr sorgfältig in Mischtechnik ohne Fachwerkkonstruktion ausgeführt; den gegliederten Innenraum mit verlängertem Altarvorraum und Pastophorien, die selbständige Apsiden aufweisen und vom Naos abgesondert sind, beherrschte die auf vier Bögen und stark vorstehende Pilaster gestützte Kuppel; nach Westen schloß sich ein geräumiger, kreuzgewölbter Narthex an. Die Außenwände waren mit Lisenen versehen, die der Struktur des Innenraumes entsprechen; die oberen Zonen überzogen unglasierte keramische Inkrustationen in der Form von Rosetten sowie runde, gelb und grün glasierte Näpfchen. Die zwischen dem 9. und 13. Jh. schwankende Datierung der Kirche ist durch deren isolierte Stellung innerhalb der bulgarischen Baukunst bedingt; kein weiterer Bau im östlichen Bulgarien besitzt vergleichbare byzantinische Merkmale in der Innengliederung und der Fassadengestaltung in so ausgeprägter Form. Lediglich die keramische Inkrustation folgt der lokalen Bautradition, hier jedoch in einer von den Bauten des späten 12. und 13.-14. Jh. grundsätzlich unterschiedenen Zusammensetzung. Sie vertritt somit vermutlich eine frühe Phase der für die Bauschule von Tirnovo charakteristischen Außenverzierung, die eine Datierung der Kirche in die zweite Hälfte des 12. Jh. - der Blütezeit der Stadt, bevor diese durch Tirnovo verdrängt wurde - rechtfertigt.

 

Der bauplastische Schmuck der Kirche, nur fragmentarisch erhalten, aber von hoher künstlerischer Qualität, ist dagegen eindeutig dem 13. Jh. zuzuordnen. Die marmornen Hochreliefs, unter denen das kleine Fragment mit dem Kopf des hl. Petrus (?) (Bezirksmuseum Russe) das bedeutendste ist, belegen die neuen plastischen Tendenzen der bulgarischen hauptstädtischen Kunst sowie deren Rückkehr zum Naturvorbild ohne Vernachlässigung der expressiven Aussage.

 

K. Škorpil 1914, 31; N. Mavrodinov 1959, 107; V. Ditnova / S. Georgieva 1967; S. Georgieva 1972; KP, 55, Nr. 94; K. Mijatev 1974, 168-170; Ausstellungskataloge Nr. 8, 9, 10, 11, 12.

 

 

Demetrioskirche, Veliko Tirnovo

 

1187 geweiht, aber bereits im Zusammenhang mit dem Aufstand 1185 erwähnt, zeigt die Demetrioskirche, in der die Zaren des Zweiten Bulgarenreichs gekrönt wurden,

 

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zum erstenmal alle Merkmale des weit verbreiteten Bau schemas der Tirnovo Schule im 13. und 14. Jh. sowie die für die hochmittelalterliche bulgarische Baukunst charakteristische Außenverzierung: stützenloser Kuppelbau mit verlängertem Altarvorraum, gewölbtem und durch Westturm bekröntem Narthex; die rhythmische Abfolge von pseudokonstruktiven Blendbögen an allen Fassaden, einschließlich der Ostfassade und der polygonalen Apsis.

 

 

Unter dem Traufgesims umzog ein lombardischer Blendbogenfries den ganzen Bau, nur von den Giebeln des Querschiffs unterbrochen. Die malerische Wirkung des in Mischtechnik im gleichmäßigen Wechsel von Werk- und Backsteinreihen ausgeführten Mauerwerks wird durch Friese von Inkrustationen aus grünen und roten glasierten Keramikrosetten und -näpfchen sowie durch die in opus spicatum verzierten Tympana mit Umrahmungen aus den gleichen keramischen Inkrustationen zu einem in der bulgarischen Architektur bis dahin nicht erreichten Höhepunkt gesteigert. Die bis Ende des 19. Jh. verhältnismäßig gut erhaltene Kirche wurde durch das Erdbeben 1913 stark in Mitleidenschaft gezogen; von der Wandmalerei sind nur geringe Spuren im Altarraum mit Fragmenten der Melismos-Komposition erhalten. Die Ruine wird seit 1973 restauriert (T. Theophilov).

 

M. Moskov 1915; K. Mijatev (GNM II/1920, 89 f.); N. Mavrodinov 1966, 86-89; K. Mijatev 1974, 185 f.; M. Zontscheva 1974, 536.

 

 

Apostel Petrus und Paulus

Weißer Marmor. 66 x 34,2 x 7 und 83 x 54 x 7 cm. Staatliche Ermitage zu Leningrad. Inv.-Nr. Q 833 und 834

 

Die während der Ausgrabungen an der Burg Zepina in der Landschaft Tschepino beim Dorf Dorkovo im Rhodopengebirge 1879 gefundenen Reliefs gehörten ursprünglich zur Marmorikonostasis der Burgkirche (einschiffiger Bau mit Narthex, 19 x7 m), von der 1940 und 1961 noch weitere Fragmente freigelegt wurden - Reliefplatten und Kolonetten aus Marmor und Kalkstein mit ornamentalem Dekor (Nationalmuseum Sofia Inv.-Nr. 3242/141, 142 und 143).

 

Beide Apostel sind als frontale Ganzfiguren dargestellt und mit griechischen Beischriften versehen; die stark beschädigten Reliefplatten lassen die Gesichtszüge nicht mehr erkennen. Obgleich das Relief sehr flach gehalten ist, tritt bereits im Vordergrund eine feine Modellierung hervor und kündigt den weichen plastischen Stil des 13. Jh. an, der seine Vorbilder in der hellenistisch-griechischen Antike sucht. Die Anlehnung an die Antike ist allein schon in der Ornamentik ablesbar - der reichverzierte Rahmen mit zwei Viertelsäulen, stark stilisierten Akanthus- bzw. Palmettenkapitellen und einem darüberlaufenden rundbogigen Palmettenfries folgt der antikisierenden Strömung der byzantinischen hauptstädtischen Plastik des späten 12. Jh. (die Reliefs aus San Giovanni in Bragora und San Marco, Venedig), besitzt jedoch eine noch klarere und einfachere Formensprache. In der Ikonographie machen sich abendländische Einflüsse bemerkbar (das lateinische Kreuz auf dem Evangelicnbuch von Paulus, die Schlüssel in der Hand Petrus’ - ein für die christlichorthodoxe Überlieferung durchaus fremdes Motiv), das Ergebnis der engen politischen, kulturellen und religiösen Beziehungen, die der autonome Herrscher im Rhodopen- gebict Despot Slav, ein Vetter des bulgarischen Zaren und Schwiegersohn des lateinischen Kaisers in Konstantinopel, während der ersten zwei Jahrzehnte des 13. Jh. mit dem Kaiserreich der Kreuzfahrer pflegte. Als terminus ante quem für die Entstehung der Kirche bzw. ihrer Ausstattung dürfte die Verlegung der Residenz des Herrschers von der Burg Zepina nach Melnik kurz vor 1220 angesehen werden.

 

P. Syrku 1898; N. Mavrodinov 1932-34, 362-380; D. Cončev: La fortesse TZEPAINA (ByzSl XX, 2/1959, 285-304); T. Siljanovska- Novikova 1963, 80-82; S. Georgieva 1963; A. Banck 1966, Nr. 235 und 236; KP 54-55, Nr. 87-88.

 

 

Nikolaoskirche, Melnik

 

An einer Anhöhe südlich von Melnik, der mittelalterlichen Festung und Bischofsmetropole, gelegen; die Existenz eines Vorgängerbaus an gleicher Stelle sowie der Umfang übernommener Bausubstanz beim Auf- bzw. Umbau in der zweiten Hälfte des 12. Jh. bleibt unklar. Ursprünglich in Zellenbautechnik unter Verwendung zahlreicher antiker Spolien

 

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und sparsamer Außenverzierung mit doppeltem Traufgesims und einem Triforium an der Ostfassade als dreischiffige Säulenbasilika mit quadratischem Narthex (15,80 x 15,50 m) nach südwestbulgarischem Bautypus errichtet: Der durch Mauern geteilte und in drei halbrunden Apsiden auslaufende Chor mit verlängertem Altarvorraum war gewölbt. Kurz vor 1220, im Zusammenhang mit der Erhebung der Kirche zur Bischofskathedrale, wurde der Altarraum mit einem Synthronon versehen, das ganze Gotteshaus mit Fresken geschmückt, etwas später eine Südgalerie und vermutlich der Narthex angebaut. Nach teilweiser Zerstörung im Spätmittelalter im 19. Jh. als Klosterkirche wiederhergestellt und durch Exonarthex und Nordgalerie erweitert; im ersten Weltkrieg zerstört und seither als Ruine erhalten. Infolge der Veränderung des Baus im 19. Jh. muß die Frage nach der Existenz einer Kuppel über dem Mittelschiff und der ursprünglichen Form des möglicherweise gleichzeitig mit der Südgalerie entstandenen Narthex unbeantwortet bleiben. Ein großer Teil der bis dahin erhaltenen Fresken wurde in den 30er Jahren abgenommen und seither im Nationalmuseum Sofia aufbewahrt. Zu Beginn der 70er Jahre hat das Nationalinstitut für Denkmalpflege mit Konservierungsarbeiten an der Ruine begonnen (N. Muschanov).

 

Das ursprüngliche Bildprogramm der Wandmalerei ist nur in geringem Umfang rekonstruierbar: in der Apsiskonche Gottesmutter Nikopoia ohne flankierenden Erzengel, darunter die Cheirotonie des hl. Jakobus mit zelebrierenden Kirchenvätern; in der Mitte zwischen den Fensteröffnungen Darstellungen zweier Kerzenleuchter und darüber einer Kanne mit zwei Henkeln sowie eines offenen Buches, am Gewölbe des Mittelschiffes die Himmelfahrtsszene und an der Wölbung des Triumphbogens zwei riesige Figuren der Propheten Jeremias und Jesaias mit Schriftrollen; an den Seitenwänden des Bemas Figuren und Brustbildnisse der Kirchenväter sowie die Vision des hl. Petrus von Alexandrien; auf den beiden Pilastern vor dem Altarraum die Ganzfiguren der Heiligen Demetrios und Georg, Apostel Petrus und Paulus in der ersten Zone, die geteilte Verkündigungsszene in der zweiten Zone wie auch die Stifterinschrift eines gewissen Vladimir, »Bruder des Sebasten Frangos«; in der Prothesisnische, unterhalb der Gottesmutter Platytera, der Melismos mit flankierenden Erzengeln, an den sich Bildnisse von Diakonen, Aposteln und Kirchenvätern an der Ostwand anschlossen; auf der Südwand der Prothesis Brustbildnisse des Diakons Euplos, der Heiligen Solomonie und Pa- raskeue sowie des Erzengels Michael und an der Nordwand Szenen aus der Vita des Kirchenpatrons. In der Apsis des Diakonikons die Deesis, darüber Mariä Tempelgang; die Nordwand von einem 4 m breiten Reiterbild des hl. Prokopios und die Südwand von Passionsszenen bedeckt; zwei weitere Reiterfiguren sowie ein Brustbild des hl. Panteleimonos an der Westwand, vermutlich unter der Koimcsisszene; an der Ostwand im Narthex die Taufe Christi und die Anastasis.

 

In dem zur gleichen Zeit entstandenen Freskenensemble läßt sich das Werk zweier stilistisch differenzierter Künstlerpersönlichkeiten unterscheiden: eines in der Tradition der spätkomnenischen Malerei erzogenen Meisters, von dem ein Teil der Apsiskomposition und der Himmelfahrtsszene sowie einige der Darstellungen heiliger Väter und Märtyrer, u. a. des hl. Euplos, stammen, sowie eines zweiten Meisters, der den anderen Teil der Himmelfahrtsszene und der Apsiskomposition mit den Apostelfiguren sowie die Vision des hl. Petrus von Alexandrien schuf, die einige Merkmale des neuen monumentalen Stils des 13. Jh. tragen und bereits die Tendenz zu einer weichen Modellierung sowie zum plastischen Aufbau der Formen und die Ausgewogenheit der epischen, stark beeindruckenden Komposition erkennen lassen. Einem dritten Maler werden die Passionsszenen und Mariä Tempelgang wie auch einige Figuren der oberen Zone zugeschrieben, die Merkmale einer archaisierenden provinziellen Kunst aufweisen.

 

P. Perdrizet: Melnic et Rossno (BCH XXXI/1907, 23 f.); A. Stransky: Ruines et fresques de l’église de St. Nikolas à Melnic, Praha 1929; N. Mavrodinov 1934, 292-300; A. Xyngopulos 1950; A. Vassiliev 1964, 175-178; N. Mavrodinov 1966, 33-35; S. Georgieva 1974; L. Mavrodinova 1975 (Lit.).

 

 

Dobrejscho-Evangeliar

127 Pergamentblätter. 20,9 x 14,7 cm. Nationalbibliothek Sofia. Nr. 17

 

Ein Teil des mit mittelgroßer Unzialschrift unter abwechselnder Verwendung harter und weicher Zeichen geschriebenen slawischen Kodex ist bereits im Mittelalter verschollen; ein weiterer Teil mit 48 Blättern wurde bis 1941 in der Belgrader Nationalbibliothek aufbewahrt (Sign. 214) und verbrannte während des Krieges. Der Name des Schreibers ist einer Marginalie auf fol 34 der Belgrader Handschrift zu entnehmen (»Schreibe Valtscho und schreibe ab, du Sünder, denn die Hand verwest, aber der Ruhm Gottes verweilt in die Ewigkeit«). Neben zahlreichen mit Deckfarben in einer zellenschmelzähnlichen Technik ausgeführten Initialen und Zierleisten mit Flechtband-bzw. Palmettenornamenten mit phantastischen Motiven sind die Bildnisse der Evangelisten Lukas und Johannes in Flechtbandrahmen mit Arkaden erhalten, das zweite mit dem Bildnis des Künstlers (oder Stifters?), Priester Dobrejscho, vor dem Evangelisten kniend, im dunkelgrauen Pallium, bartlos, mit Tonsur und Manipel in der linken Hand (Inschrift oben: »Heiliger Johannes-Evangelist, erbarme dich meiner, des sündigen, unwürdigen Dieners« und unten: »Priester Dobrejscho betet vor dem Evangelisten«),

 

Eines der frühesten Denkmäler der volkstümlichen Richtung in der bulgarischen bildenden Kunst, entstanden im Südwesten des Landes um 1221, knüpft das Werk an die vorikonoklastische ikonographische Tradition an, besonders deutlich am »Selbstbildnis« sichtbar, dem - wie A. Grabar nachgewiesen hat - eine östliche Vorlage aus der Mitte des ersten Jahrtausends als Prototyp gedient haben dürfte.

 

B. Zonev 1906; A. Grabar 1925; ders. 1928 (Infl.); M. Stojanov 1973, 55-57, Nr. 6; BRK - 1976; Nr. 28.

 

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Assen-Festung

 

Die Burg südlich des mittelalterlichen Stenemachos (Assenovgrad) wurde bereits im 11. Jh. als byzantinischer Stützpunkt im Kampf gegen die aufständischen Pauli- kianer und Bogomilen erbaut, laut Inschrift 1231 von Ivan Assen II., »dem Zaren der Bulgaren und Griechen«, erweitert und erneuert. Zu dieser Zeit wird die im wesentlichen erhaltene Burgkirche der Gottesmutter von Petritsch datiert: Zweigeschossige stützenlose Kuppelkirche mit verlängertem Altarvorraum, Narthex mit viereckigem Westturm und gewölbtem Untergeschoß; den Tambour und die Apsis bestimmt die polygonale Form. Die Südfassade ist durch eine Reihe zweistufiger pseudokonstruktiver Blendbögen gegliedert.

 

 

Von der Bemalung sind nur geringe Reste erhalten, die unter Vorbehalt stilistisch und ikonographisch der provinziellen Balkankunst der Mitte des 14. Jh. zuzuordnen sind.

 

J. Ivanov 1911, 193-202; A. Grabar 1920, 141-143; ders. 1921-22, 128-131; D. Zontschev/S. Stoilov 1960; N. Mavrodinov 1966, 27-29; Mavrodinova 1967; K. Mijatev 1974, 160-162.

 

 

Petrus-und-Paulus-Kirche, Veliko Tirnovo

 

Vermutlich zu Beginn der 20er Jahre des 13. Jh. im klassischen Kreuzkuppeltyp erbaut: Die Pendentifkuppel, von vier frei stehenden Säulen gestützt, liegt über einem dem Quadrat eingeschriebenen Tonnenkreuz mit doppelt verlängertem Ostarm; der ungegliederte Narthex und die Eckräume zwischen den Kreuzarmen sowie die sich im Osten anschließenden Pastophorien mit in der Ostwand eingetieften Apsiden und dem nur durch ein Säulenpaar vom Naos getrennten Altarraum, an den eine halbkreisförmige Apsis anschließt, sind mit Tonnengewölben versehen; südlich des Diakonikons befindet sich ein Seitenraum mit ebenfalls in der Ostwand eingetiefter Apsisnische.

 

 

Das Mauerwerk ist in Mischtechnik ausgeführt; die Fassaden werden durch pseudokonstruktive einstufige Blendbögen mit Umrahmung von inkrustierten glasierten Keramikplatten gegliedert, die über einem 1 m hohen Sockel ansetzen und der Innengbederung nicht entsprechen. Für die Gestaltung des Innenraums sind mehrere Spolien - Säulen und Kapitelle aus Preslav und Nikopolis ad Istrum - verwendet worden. Vermutlich im 16. Jh. wurde die Anlage durch eine offene Galerie in gleicher Bautechnik nach Westen und Süden erweitert. Während der türkischen Herrschaft diente die Kirche als Metropolitenkathedrale, blieb bis zu Beginn dieses Jahrhunderts intakt und wurde erst beim Erdbeben 1913 stark beschädigt. Nach umfangreichen Restaurierungsarbeiten (B. Kusupov) wurde sie 1977 als Museum erschlossen.

 

Es bleibt ungeklärt, in welchem Umfang die Kirche im 13. Jh. bemalt war - von der ursprünglichen Bemalung sind nur drei Fragmente mit Medaillons der Heiligen Samonas, Abbos und Gourias unter der späteren Malschicht erhalten geblieben. Ein wesentlicher Teil der zweiten Ausmalung der Kirche nach ihrer Erhebung zur Metropolitenkathedrale ging 1913 verloren; ein weiterer Teil wurde von der Wand abgenommen und befindet sich zur Zeit in der Nationalgalerie Sofia. Das ursprüngliche Bildprogramm, von A. Grabar sorgfältig rekonstruiert, umfaßt die Darstellungen der von Erzengeln flankierten thronenden Gottesmutter in der Apsisnische, darunter Apostelkommunion und Melismos; in den oberen Zonen des Altarraums die Szenen Weisheit der Kirchenväter, in der Prothesisnische Pieta, in der Diakonikonsnische hl. Ignatios und im Diakonikon Daniel zwischen den Löwen; im Naos Fest- und Passionsszenen in getrennten Zyklen, darunter Medaillonfries und Ganzfiguren von Heiligen; an der Südwand Deesis (Christus als Priester); im Narthex Ganzfiguren von Einsiedlern sowie die Erzengel Michael und Gabriel auf den Westpfeilern, Wurzel Jesse und die Ökumenischen Konzilien in den oberen Zonen. In der Südgalerie fragmentarisch erhaltene Synaxarionszenen neben einem Stifterbildnis (17. Jh.). Die umfangreichen Untersuchungen während der Restaurierungsarbeiten sowie die daraus gezogenen stilistischen und ikonographischen Parallelen machen die sehr früh angesetzte Datierung der zweiten Ausmalung der Kirche durch die ältere Forschung hinfällig. Die aller Wahrscheinlichkeit nach in der ersten Hälfte des 16. Jh. entstandene Wandmalerei im Naos und Narthex mit slawischen Inschriften, die sich durch sehr hohe künstlerische Qualität auszeichnet,

 

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steht mit ihrem weichen malerischen Stil sowohl mit der Lokaltradition als auch mit den neuen Kunstströmungen des athonitischen Kunstkreises im Zusammenhang und stellt die Verbindung zwischen den führenden Schulen der offiziellen Stilrichtung der christlichorthodoxen Monumentalmalerei des Spätmittelalters her.

 

F. Uspenskij 1901, nf.; J. Strzygowski 1920, 28; A. Grabar 1920, 148-152; ders. 1928, 271-281; B. Filov 1950; (Melanges Ch. Diehl); N. Mavrodinov 1946, 179-188; ders. 1966, 94 f.; A. Boschkov, Monumentalmalerei 1969, 70-80; K. Mijatev 1974, 142-145.

 

 

Christi-Himmelfahrts-Kirche, Veliko Tirnovo

 

Die ursprüngliche Kirche, zu Beginn des 13. Jh. erstmals in den Schriftquellen erwähnt, war vermutlich ein einschiffiger gewölbter Bau. Kurz nach 1236 wurde sie als Kreuzkuppelkirche mit frei stehenden Pfeilern, Narthex sowie einem dreigeteilten und durch massive Mauern vom Naos getrennten Chor, dessen Pastophorien, wie der Altarraum, in selbständigen Apsiden auslaufen, umgebaut; nach Westen und Süden schlossen sich offene Galerien an. Im 14. Jh. entstand neben der Südmauer ein hoher quadratischer Glockenturm.

 

 

Die ganze auf der höchsten Erhebung der Stadt gelegene Anlage umfaßte eine Zitadelle mit dem Palast des Patriarchen. Die nur unterhalb des Sockels erhaltenen Grundmauern sind 1910 und in den 60er Jahren ausgegraben worden; die in jüngster Zeit in Angriff genommene Rekonstruierung basiert auf den Ergebnissen der Ausgrabungen sowie auf Zeichnungen und Beschreibungen aus dem 14. und 15. Jh., bevor die Kirche abgerissen wurde, um einer Moschee Platz zu machen.

 

N. Mavrodinov 1931, 93.

 

 

Sveta-Petka-Kirche, Nessebar

 

Vermutlich im Zusammenhang mit der Ausbreitung des Kultes der hl. Petka (Paraskeue) nach der Überführung ihrer Reliquien 1236 nach Tirnovo errichtet, zeigt die im wesentlichen mit der ursprünglichen Bausubstanz, jedoch mit eingestürztem Gewölbe und Westturm, erhaltene Kirche alle charakteristischen Merkmale der Bauschule von Tirnovo, die in der hauptstädtischen Demetrioskirche vorgebildet sind.

 

 

Sowohl der in den Hauptzügen identische Bauplan - allerdings mit einem durchlaufenden Gewölbe statt Kuppel im Naos, das mit zwei Gürtelbögen verstärkt ist - als auch die Außengestaltung unter Verwendung gleicher Materialien - keramischer Inkrustationen und Ziegel desselben Formats - stimmen mit denen des Prototyps überein. Während der Restaurierungsarbeiten in den 30er (A. Rachénov) und 60er Jahren (T. Petrov) sind an der Ost-, West- und Südfassade teilweise Ergänzungen ohne Rekonstruktion des Gewölbes und des Westturmes vorgenommen worden.

 

N. Mavrodinov 1951, 30-32; A. Rachénov 1932, 26-35; K. Mijatev 1974. 189 f.

 

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Mandylion

Tempera auf Holz. 44 x 40 cm. Laon, Kathedrale

 

Im eingetieften Mittelfeld der durch schmale Leisten umrahmten Ikone - eine bulgarische Kopie des 1204 verschollenen byzantinischen Prototyps - ist das Christus- gesicht maskenartig, ohne Halsansatz, mit Kreuznimbus auf dem mit Lilien in Rhomben ornamentierten Hintergrund des quadratischen »Linnens Abgars« dargestellt; das straff gespannte Tuch läuft nach unten in senkrechten Fransen aus. In den oberen Ecken sind die Christus- initialen und unten die slawisch-bulgarische Inschrift ѠБРАЗЪ ГСПДNЬ NА ȢБРȢСѢ (= Abbild des Herrn auf dem Linnen) angebracht. Auffallend ist die Typologie des betont runden Gesichtsovals mit sanftem Ausdruck; die langen, in der Mitte gescheitelten Haare (ohne Stirnlöckchen) fallen in je zwei Flechten an beiden Seiten des Hauptes herab. Die Modellierung aus dem Grundton mit Dunkelocker, Hellocker und Rotbraun ist sehr weich, die Schatten entstehen durch fein nuancierten Farbauftrag, lediglich die Haare zeigen eine mehr graphische Behandlung. Sowohl die mittelbulgarische Orthographie der kyrillischen Inschrift mit abwechselnden weichen und harten Zeichen als auch die Ikonographie und die Typologie des Christusbildes (nächste Parallele in Bojana, 1259) belegen die Zugehörigkeit des Malers zur Tirnovo-Schule; eine nahestehende Parallele für das Ornament bieten die Ikonenbeschläge aus Tirnovo (Nationalmuseum Sofia).

 

Die Überführung der Ikone nach Rom im frühen 13. Jh., bevor sie 1249 ins Kloster Montreuil in der Nähe von Laon gelangte, erklärt sich durch die engen Beziehungen der unierten bulgarischen Kirche mit Rom zu jener Zeit. Das Jahr 1235, in dem die Union beendet wurde, dürfte als terminus ante quem für die Entstehung der Ikone gelten.

 

A. Grabar: La Sainte Face de Laon, Prague 1931 (Lit.); K. Mijatev: Über den Ursprung der Ikone »La Sainte Face de Laon« (ZNMB IV/1964, 231-238).

 

 

Felsenklöster im Tal des Russenski Lom bei Ivanovo

 

Umfangreicher Komplex von Höhlenklöstern und Einsiedeleien in der Nähe des bedeutenden religiösen Zentrums des mittelalterlichen Bulgarien und Bischofssitzes Tscherven, nördlich der Hauptstadt Tirnovo, entstanden im 13. und 14. Jh. im Zusammenhang mit der Ausbreitung des Hesychasmus. Die Größe der z. T. künstlich in den Felsen gehauenen Höhlenkirchen und -kapellen bzw. Mönchszellen ist höchst unterschiedlich und erreicht in Einzelfällen bis zu etwa 12 m Breite, 5 m Tiefe und 3 m Höhe; die Räume waren ehemals mit hölzerner Überdachung, Wänden und Treppen ausgestattet gewesen sowie in breitem Umfang mit Wandmalerei ausgeschmückt. Erforscht ist bis jetzt lediglich ein geringer Teil der Anlagen, hauptsächlich im Zusammenhang mit den erhaltenen Wandmalereien und Sgraffiti.

 

Die frühesten Hinweise auf den Klosterkomplex stammen aus den erst in den 50er Jahren bekannt gewordenen Auszügen der Vita des ersten Patriarchen von Tirnovo, Joachim (1235-37), dessen Mutterkloster der Heiligen Erzengel nach diesem Quellenbericht südöstlich des heutigen Dorfes Ivanovo lokalisiert wird. Somit ist die in derselben Schriftquelle erwähnte Stiftung des Zaren Ivan Assen II. (1218-41) nach seinem Pilgeraufenthalt im Erzengelkloster mit der bereits unter der Bezeichnung »Zărkvata« bekannten Kirche zu identifizieren, die laut unvollständig erhaltener Inschrift bislang dem Zaren Ivan Alexander (1341-71) zugeschrieben worden war. Für diese Identifizierung spricht neben den fragmentarischen Stifterbildnissen des Zaren Ivan Assen und seiner Familie auch das Patronat der Kirche, die dem Zarenpatron, Johannes dem Täufer, geweiht wurde, dessen Name auf das in der Nähe liegende Dorf übergegangen ist. Noch überzeugender für die Identifizierung der Stiftung mit der Zar Ivan Assens spricht die erhaltene Wanddekoration, die zweifellos hauptstädtischen Künstlern des 13. Jh. zuzuschreiben ist und mit dem Hesychasmus des 14. Jh. nichts gemeinsam hat. Eine Reihe bruchstückhaft erhaltener Stifterbildnisse aus der sogenannten »Verborgenen Kirche«, heute mit der Hauptkirche des Erzengel-Klosters identifiziert, bieten weiteren Anlaß für Überlegungen über ihre Entstehungszeit und den mit diesem Ereignis verknüpften historischen Hintergrund. Aus dem 13. und 14. Jh. sind mehrere Sgraffiti erhalten, einige davon möglicherweise mit dem Namen des Zaren Georgi Terter (1280-92) verbunden, der seine letzten Jahre in dem Kloster verbracht haben soll. Nach der türkischen Besetzung verloren die Höhlenklöster ihre Bedeutung und wurden verlassen. Seit 1964 steht das gesamte Gebiet als kulturhistorisches Reservat unter dem Schutz der Denkmalpflege.

 

Die frühesten erhaltenen Fragmente der Wandmalerei aus dem Klosterkomplex dürften die in Freskotechnik ausgeführten Monumentalkompositionen der Kirche in Gospodev-dol (Tal des Herrn), neuerdings mit der urkundlich belegten Verklärungskirche identifiziert, gewesen sein (u. a. die fragmentarisch erhaltenen Szenen Anastasis, Koimesis, Himmelfahrt sowie die Ganzfiguren der Heiligen Spiridonos, Nikolaos, Basileios, Johannes Chrysostomos, Modest und die beiden Acheiropoitoi), die in das frühe 13. Jahrhundert zu datieren sind. Die chronologische Abfolge der weiteren Denkmäler ist durch gleichzeitiges Auftreten stark widersprüchlicher Tendenzen und Stilmerkmale schwer zu bestimmen. Neben den überaus kultivierten Werken hauptstädtischer Provenienz, den Wandbildern der Kirche des hl. Johannes des Täufers, wo die antikisierende Tendenz in der bulgarischen Malerei ihren Höhepunkt erreicht (Altarraum: Melismos mit flankierenden Erzengeln; Naos: Festszenen; zweiter Raum: Passionsszenen, Ganzfiguren der Heiligen und Stifter; Narthex: zwei Szenen aus der Vita Johannes’ des Täufers), stehen Werke von ganz anderer künstlerischer Qualität, die dem religiösen Eifer der Einsiedler entsprungen sein dürften, wie die Wandbilder des ehemaligen Exonarthex derselben Kirche (Szenen aus der Vita des hl. Germanos, vermutlich 14. Jh.).

 

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Dem 13. Jh. gehören die monumentalen und künstlerisch bedeutenden Wandbilder der als Hauptkirche des Klosters identifizierten »Verborgenen Kirche« an, deren schlechter Erhaltungszustand jedoch keine weitreichenden Schlußfolgerungen zuläßt. Die letzte Entwicklungsstufe vertritt das Bildnis des Alten der Tage (?) am Eingang der Kirche in Gospodev-dol - eines der wenigen Bildwerke in der bulgarischen Kunstgeschichte, das mit dem asketischen Ideal des Hesychasmus in Zusammenhang gebracht werden dürfte.

 

K. Škorpil 1914; A. Grabar 1928, 236-246; N. Mavrodinov 1946, 156-164; A.Vasiliev 1946; ders. 1953; I. Snegarov 1953-54; I. Dujčev 1954; A. Grabar: Les fresques d’Ivanovo et l’art des Paleologues (Byz XV-XVII/195 5-57, 581-590; A.Vasiliev 1960, 35-39; N. Angelov 1962 (A Nr. 3); M. Bitschew 1965; T. Velmans: Les fresques d’Ivanovo et la peinture byzantine à la fin du moyen âge (Journal des savants 1965, 358-404); D. Panajotova 1966, 11-19, 35-65; S. Bossilkov 1971, 15; Colloque internationale Ivanovo 76, Sofia 1976; Mavrodinova 1976 (Iz); E. Bakalova 1976.

 

 

Radomir-Psalter

171 Pergamentblätter, 15 x 14,2 cm. Kloster Zograph, Athos. Cod. slav. 47

 

Eines der hervorragendsten erhaltenen Werke des teratologischen Stils der bulgarischen Buchmalerei, auf dem südwestlichen Balkan entstanden, laut einer Marginalie auf fol. 66 von dem Djak (Vorleser) Radomir Mitte des 13. Jh. geschrieben und wahrscheinlich ausgeschmückt. Die mittelbulgarische kyrillisch-slawische Kalligraphie der Halbunzialschrift und der Initialen vereinigt sich hier in dem Tiergeflecht mit der vorchristlichen Tradition der reichen, von Fabelwesen durchsetzten Ornamentik, deren phantastische Schöpfungen auf alle Bereiche der bildenden Kunst und des Kunsthandwerks übergreifen und sich bereits im 11. Jh., zusammen mit den bulgarischen Manuskripten, weit nach Nordosten ausbreiten, wo sie in der dekorativen Kunst Rußlands zu einer zweiten Blüte gelangen.

 

V. Sachariev 1939 (Lit.); F. Dölger / E. Weigand / A. Deindl: Mönchsland Athos, München 1943, 210 f.; P. Huber: Athos, Zürich/Freiburg i. B. 1969, 97; A. Boschkov 1970, 15 ff.; BRK - 1976, Nr. 56.

 

 

Erzengelkirche, Nessebar

 

Stützenlose Kreuzkuppelkirche mit einer dreieckigen Apsis und Westturm über dem Narthex - eine Weiterentwicklung des Bautypus der Demetrioskirche in Veliko Tirnovo, vermutlich unmittelbar nach der Sveta-Petka-Kirche, Mitte des 13. Jh., erbaut, deren Bauformen und Gestaltung sie zum Teil nachbildet und darüber hinaus durch die Giebel an den Seitenfassaden sowie die Kuppel zusätzlich bereichert. Auch die Innengestaltung kompliziert sich durch die Dreiteilung des Chors sowie durch die Blindkuppel über dem Narthex anstelle des Narthexge- wölbes in der Demetrioskirche. Zugleich verschieben sich die Proportionen der ganzen Bauanlage: Unter Beibehaltung der Länge wird die Breite geringer, und die Höhe nimmt zu, was die Silhouette eleganter erscheinen läßt.

 

N. Mavrodinov 1931, 44-47; A. Rachénov 1932, 79-89; K. Mijatev 1974, 161-164.

 

 

Heiliger Kliment von Ochrid

Holz, ehemals mit Einfassung. 141 x 33 x 17 cm. Klimentkirche, Ochrid

 

Wohl das bedeutendste Werk bulgarischer mittelalterlicher Plastik zeigt den hl. Kliment († 916) - den Gründer der ersten bulgarischen Universität in Ochrid im 9. Jh. - als Hochrelief; er ist streng frontal als Ganzfigur im Bischofsornat mit Omophorion dargestellt, dessen Kreuze leicht ausladende Arme haben, mit seiner Rechten segnend und mit geschlossenem Evangelienbuch in der Linken. Ursprünglich war das Relief vermutlich am Sarkophagdeckel des Heiligen im Arkosolium der Pante- leimonoskirche aufgestellt und nach ihrer Umwandlung in eine Moschee im 15. Jh. in die Neue Klimentkirche (Gottesmutter Peribleptos) übertragen worden, jedoch nicht mit der Funktion einer Sepulkralplastik, sondern nunmehr als eine Reliefikone. Das Relief ist durch Brand und Wurmfraß stark beschädigt, von der ursprünglichen Farben- und Silbereinfassung sind nur geringe Spuren erkennbar; am meisten ist der Unterteil sowie der Hintergrund zerstört, der auf Fotografien vom Anfang unseres

 

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Jahrhunderts mit einem Teil der griechischen Inschrift noch zu sehen ist. Die Datierung kurz nach 1250, zu der die jüngste Forschung neigt, basiert auf der Ausbreitung des Kultes dieses Heiligen nach der Eingliederung Ochrids in das Bulgarenreich 1230 (Liturgie des hl. Kliment), zugleich auf den zunehmenden Einfluß abendländischer Kunst, der hier unverkennbar ist (Südportalplastik von Chartres), sowie der humanistischen Tendenzen, die zu dieser Zeit alle Bereiche der hochmittelalterlichen Kultur Bulgariens erfassen.

 

N. Kondakov 1909, 247; N. Mavrodinov 1932-34, 354-356; F. Mesesnel: Mittelalterliche figurale Skulpturen im heutigen Südserbien (Atti del V Congresso intern. di Studi bizantini, II Roma 1940, 246 f.); A. Vasiliev: Some Examples of old Bulgarian Woodcarving (MBC 1964, 105 f.); V. Han: Problem stila i datiranja relefne ikone sv. Klimenta ohridskog (Musej primenjene umetnosti. Zbornik, 8/1962, 7-22) (Lit.); T. Siljanovska-Novikova 1963, 71; R. Lange 1964, 134, Nr. ;x; M. Ćorović-Ljubinković 1965, 39-41; A. Vasiliev / I. Vasilieva 1967.

 

 

Anastasis

Tempera auf Kiefernholz. i;6x 105 cm. Staatliche Tretjakow-Galerie, Moskau. Inv.-Nr. 17291

 

Sowohl die stilistischen und ikonographischen als auch die palaiographischen und orthographischen Besonderheiten der ehemals im Nikolai-Kloster an der Oberen Dwina aufbewahrten Ikone verbinden sie mit den Werken der Tirnovo-Schule aus dem 13. Jh. Die hier entgegentretende traditionelle frühchristliche Ikonographie und das betont östliche Bildschema (der sogenannte Descensustyp des Anastasis-Schemas) sind für das Auferstehungsbild in der bulgarischen Kunst bis ins späte Mittelalter charakteristisch (die Miniatur im Tomić-Psalter, 14. Jh., das Holzrelief auf dem Altarkreuz Nr. 336 im Rila-Kloster, 15. Jh., das Wandbild in Mariza, 16. Jh. u. a.). Es behauptet sich als eine lokale Spezies gegenüber dem mittelbyzantinischen Schema (Hosios Lukas), das sich seit dem 11. Jh. in allen anderen orthodoxen Gebieten ausbreitete. Die Inschrift ВЪСКРNНЕ Г͠А NАШЕГО I͠C X͠C (= Auferstehung unseres Herrn Jesu Christi) trägt in Orthographie und Duktus mittelbulgarische Merkmale und ist ebenso wie die monumentale und ausgewogene Komposition sowie die zurückhaltende Farbgebung mit weicher Modellierung kennzeichnend für die Werke der Tirnovo-Schule um die Mitte des 13. Jh. Die Ikonographie folgt demselben unbekannten Prototyp wie das Fresko in Gospodev-dol bei Ivanovo aus dem frühen 13. Jh. Bei der feierlich-stimmungsvollen Ikone fehlen lediglich die für frühere Darstellungen der Anastasis-Szene typischen, nach hinten abwehenden Falten des Himations Christi, ein Hinweis auf die Unmittelbarkeit des Ereignisses - der stürmischen Höllenfahrt des Heilands. Ebenso fehlt - wie auch bei dem entsprechenden Wandbild in Bojana (1259) - die elliptische Mandorla Christi, das Attribut seines göttlichen Wesens, was hier, wie auch in Bojana, neben den wiederhergestellten normalen Verhältnissen in der Größe der einzelnen Figuren, die menschliche Natur Christi im Sinne der humanistischen Strömung in der bulgarischen Kultur des 13. Jh. unterstreicht.

 

V. Lasarev 1947, 92; V. Antonowa / N. Mnewa 1963, Nr. 336 (Lit.).

 

 

Gottesmutter Hodegetria

Bronzegußplatte. 15,5 x 10,2 x 1,2 cm.

Archäologisches Museum Plovdiv. Inv.-Nr. 703

 

Die ursprüngliche Funktion dieser 1916 bei Michajlovo in der Region von Plovdiv gefundenen und bisher in der Forschung als Reliefikone bezeichnete Bronzegußplatte dürfte die einer Matrize für Treibarbeiten aus Gold bzw. Silber oder vergoldetes Kupferblech sein, ähnlich der getriebenen Platte im Victoria and Albert Museum in London, Nr. 818, 1891. Die unbearbeiteten Kanten der Reliefplatte aus Michajlovo stehen jedoch im Gegensatz zur äußerst präzisen Ausführung der Marienfigur und beider Monogramme, so daß die Möglichkeit, sie als Teil eines Diptychons oder Triptychons anzusehen, wie das ebenfalls im Victoria and Albert Museum aufbewahrte Bronze- Triptychon Nr. 1615, 1855, auszuschließen ist. Andererseits läßt eine Gegenüberstellung mit beiden vermutlich im späten 12. Jh. entstandenen Werken der Konstantinopeler Goldschmiedewerkstätte noch deutlicher die stilistischen Unterschiede hervortreten: Die erhöhte,einer Skulptur gleichende Plastizität sowie die aufgelockertc Haltung und der unmittelbare Ausdruck der Gottesmutter auf der Bronzeplattc von Michajlovo sind für die hauptstädtischbyzantinische Kunst undenkbar. Diese Merkmale sprechen vielmehr für die Entstehung der Matrize in einer lokalen Werkstatt in oder in der Nähe von Tirnovo um die Mitte des 13. Jh., wo sie an die antikisierende Strömung der zeitgenössischen bulgarischen hauptstädtischen Malerei und Baukunst anknüpfen konnte.

 

K. Mijatev 1932 (SK); N. Mavrodinov 1932-34, 363-374; AMP - 1964, Nr. 87; Ausstellungskataloge Nr. 2, 8, 9, 10, 11, 12.

 

 

Große Lawra der Heiligen Vierzig Märtyrer, Veliko Tirnovo

 

Den Anlaß zur Weihe der Kirche zu Ehren der Vierzig Märtyrer von Sebasteia gab der Sieg bei Klokotniza am 9. 3. 1230, dem Gedenktag dieser Heiligen, die Zar Ivan Assen II. als Beschützer seines Reiches deklarierte. Um diesem folgenreichen Sieg Nachdruck zu verleihen, ließ der bulgarische Herrscher in der Kirche eine Memorialsäule mit folgender Inschrift aufstellen:

 

»Im Jahr 6738 [nach der Erschaffung der Welt], dritten Indiktion, ich Ivan Assen in Christo Zar und Selbstherrscher der Bulgaren, Sohn des alten Zaren Assen, errichtete von den Fundamenten und verzierte im ganzen diese den Heiligen Vierzig Märtyrern geweihte Kirche, mit deren Hilfe im 12. Jahre meiner Regierung im Krieg in Romania das griechische Heer zerschlug und selbst den Kaiser Theodor Komnenos mit seinem ganzen Gefolge in Gefangenschaft nahm.

 

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Und sein ganzes Land von Adrianopel bis Durazzo, griechisch, albanisch und serbisch, eroberte; und seine Burgen um Konstantinopel und die Stadt selbst beherrschen die Franken, doch unterliegen sie auch meiner Herrschaft, da sie keinen anderen Kaiser außer mir haben und dank meiner Gunst ihre Tage genießen.«

 



 

Daneben wurde eine zweite Memorialsäule des bulgarischen Herrschers Omurtag (816-31) aufgestellt mit dem Text:

 

»Der große Khan Omurtag, sein altes Haus bewohnend, errichtete ein ruhmreiches Haus an der Donau. Nachdem ich die Entfernung zwischen beiden ruhmvollen Häusern vermessen habe, baute einen Hügel in der Mitte, und von der Mitte des Hügels bis zu meinem alten Palast sind 20000 Ellen, und bis zur Donau sind ebenfalls 20 000 Ellen. Der Hügel selbst ist glorienreich; und nachdem die Erde vermessen wurde, fertigte ich diese Inschrift an. Der Mensch, auch wenn er wohlgefällig lebt, stirbt, und ein anderer wird geboren; der Letztgeborene soll sich, dies hier betrachtend, an den erinnern, der es geschaffen hat. Und der Name des Herrschers ist Omurtag großer Khan. Möge Gott ihm hundert Jahre Leben geben.«

 

Mit beiden Memorialsäulen wollte Ivan Assen II. sowohl seine Herrschaftsansprüche über ganz Bulgarien rechtfertigen als auch die Kontinuität der historischen und kulturellen Tradition zum Ausdruck bringen, als deren legitimer Erbe und Nachfolger er sich fühlte. Aus diesem Grunde wurden in der Kirche auch eine ganze Reihe weiterer Spolien antiker und mittelalterlicher Bauten aus allen Teilen Bulgariens angebracht, darunter ein altgriechischer Altar, Säulen, Basen und Kapitelle u. a. aus der ehemaligen Hauptstadt Preslav und der römischen Stadt Nikopolis ad Istrum. Mitte des 13. Jh. entstand um die Kirche ein Kloster - die Große Lawra der Hl. Vierzig Märtyrer -, das an die Spitze der bulgarischen Klöster gelangte. Im Laufe des 13. und 14. Jh. mehrmals umgebaut und erweitert, wurde das Kloster bei der türkischen Eroberung ausgeplündert und verlassen. Bereits Mitte des 15. Jh. entstand hier ein Tekje (Derwischkloster), und die Kirche wurde zur Moschee umgewandelt. Nach weiteren Umbauten, bei denen von der ursprünglichen Bausubstanz nur geringe Reste übrigblieben, wurde die Anlage Ende des 19. Jh. wiederum als Gotteshaus genutzt und diente als solches bis in die 40er Jahre. 1906 und 1914 wurden in der Kirche Ausgrabungen durchgeführt, 1970 fortgesetzt; sie erfaßten seit 1976 das ganze Gelände des Klosters.

 

Die ursprüngliche Form der Kirche ist durch die geringe erhaltene alte Bausubstanz sehr schwer feststellbar; so bleibt unklar, ob eine Kuppel bestanden hat. Im Grundriß stellt der Bau eine Basilika dar, deren durch drei Säulenpaare geteilte Schiffe in selbständige halbrunde Apsiden auslaufen; der Altarraum wird durch ein Pfeilerpaar vom Naos getrennt; im Westen schließt sich ein angebauter ungeteilter Narthex an. Die nur in geringer Höhe erhaltenen Seiten- und Westmauern deuten die Gliederung durch Blendbögen an. In der zweiten, kurz nach der Errichtung der Kirche folgenden Bauphase wurde die Westfassade durch zwei Strebepfeiler verstärkt und dadurch, zusammen mit einer weiteren querliegenden, jedoch von der Achse nach Süden abweichenden Mauer, zu einem Exonarthex gestaltet. Dabei wurden für den Neubau die Fundamente der ehemaligen Außenstadtmauer verwendet. Um 1240 ist dieser Anbau abgerissen und auf dessen Fundamenten ein neuer Westbau in prächtiger Ausstattung und möglicherweise mit einem Glockenturm errichtet worden, der vermutlich als Mausoleum dienen sollte. Ein Zusammenhang zwischen dem Bau und dem Tod der Zarin und des Thronfolgers 1237 ist nicht auszuschließen, erfordert dennoch weitere Beweise. Ende des 13. oder zu Beginn des 14. Jh. entstanden im Norden und anschließend im Süden offene Galerien, die nur in ihren Fundamenten erhalten geblieben sind.

 

Vom ursprünglichen Freskenschmuck der Kirche aus dem Jahre 1230 sind die letzten Reste an der Westwand des Naos (Koimesis, Jakobsleiter, Gastfreundschaft Abrahams und die stillende hl. Elisabeth) während des Erdbebens 1913 vernichtet worden. Einer späteren Phase, vermutlich um 1240, gehört die Ausmalung mit Temperafarben des Narthex an (Synaxarionszenen und Bildnis der Gottesmutter Galaktotrophusa im Tympanon über dem Eingang), zum großen Teil nach der mißlungenen Restaurierung in den 60er Jahren ebenfalls verlorengegangen, sowie im Exonarthex (Quellen der Weisheit des hl. Johannes Chrysostomos), von der geringe Reste, einschließlich die Szene Elias in der Höhle, erhalten geblieben sind und im Bezirksmuseum von Veliko Tir- novo aufbewahrt werden.

 

F. Uspenskij 1901; J. Strzygowski 1920; K. Mijatev 1920, 81-88; Grabar 1921-22; ders. 1928, 97-110; B. Filov 1930 (BIB), 56-64; Ignatov 1965, 59-61; N. Mavrodinov 1966, 91-95; L. Praschkov 1966; S. Bossilkov 1971, 10 f.; S. Bojadshiev: L’église des Quarante martyrs à Tirnovo (EB 1971, Nr.3, 145-158); K. Mijatev 1974, 139f.; M. Zontscheva 1974, 532-356; L. Mavrodinova 1974 (Lit.); S. Barov 1974; V. Valov 1974.

 

 

Petruskirche, Berende

 

Einschiffige gewölbte Friedhofskapelle (5,45 x 4,45 m) aus Bruchstein in der Nähe des Dorfes Berende, westlich von Sofia. Die von einigen Forschern zu Unrecht angezweifelte Datierung

 

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basiert auf einer fragmentarischen Stifterinschrift an der Westfassade (heute völlig verblaßt) mit dem Text »Joann Assen in Christo rechtgläubiger bulgarischer Zar und Selbstherrscher«, die auf eine Entstehungszeit der Anlage während der Regierungszeit des Zaren (1218-41) hindeutet. Vermutlich schon im 14. Jh. ist das Gewölbe eingestürzt und im späten 16. oder zu Beginn des 17. Jh. wiederhergestellt worden, wobei die Mauern wesentlich erhöht worden sind. Nach teilweiser Zerstörung wird die Kirche seit 1976 restauriert.

 

Die aus der Bauzeit stammende Bemalung umfaßt beide unteren Zonen und wird in den oberen Zonen durch Wandmalerei aus dem 16.-17. Jh. ergänzt, die sowohl stilistisch als auch ikonographisch an die ältere anknüpft. Die Apsiskonche nimmt die Platytera ein (Christus Emmanuel im achteckigen Medaillon), unten folgen die vier zelebrierenden Kirchenväter mit offenen Schriftrollen, deren slawische Inschriften Auszüge aus der Basileios- Liturgie enthalten (Melismos, Hetoimasie, Kerzenleuchter und Opfertisch fehlen). Über der Apsiskonche erscheint die Darstellung des straff gespannten Mandylions (die Haarflechten Christi beiderseits ungeteilt, Stirnlöckchen fehlt, mit stilisierten Lilien im Hintergrund, Inschrift CT͠Ы OVБPOVCЪ), von der zweiteiligen Verkündigungsszene flankiert (Maria thronend), links unten Christus Anapeson (das wachende Auge) ohne Passionswerkzeuge, mit slawischer Inschrift aus Genesis 49,9, und Diakon Stephanos in der Prothesisnische; rechts unten der hl. Kyrill-Konstantin der Philosoph (im ikono- graphischen Typus des hl. Kyrill von Alexandrien). Die Himmelfahrtsszene oben im Osttympanon gehört der zweiten Bemalung an. Auf der gegenüberliegenden Westwand ist die von dem hl. Johannes von Damaskus und hl. Kosmas Melodos flankierte Koimesisszene (ohne Jephonias) dargestellt, darüber die Verklärung Christi mit den vom Berge herabsteigenden Aposteln (16. Jh.), rechts von der Tür der hl. Konstantin und die hl. Helena, links der Erzengel Michael als Beschützer der Kirche (Text auf der Schriftrolle: »Wenn du als Gast kommst, tritt mit Freude ein, wenn aber als Teufel-Anstifter, dann verlasse das Tor«). In der unteren Zone der Seitenwände finden sich die Ganzfiguren von Heiligen: im Altarraum der hl. Romanos Melodos und der Diakon Euplos, beiderseits der Ikonostasis Deesis und großes Brustbild des Kirchenpatrons; in der zweiten Zone befinden sich je sieben Medaillons mit Brustbildnissen von Märtyrern. Die oberen zwei Zonen, zum Teil fragmentarisch erhalten, nehmen die Fest- und Passionsszenen ein, auf dem Gewölbe Konzil der Erzengel Michael und Gabriel mit flankierenden Propheten (alle 16.-17. Jh.).

 

Während die späteren Wandbilder gewerbsmäßige Qualität und konventionelle Ikonographie aufweisen, zeigt die ursprüngliche Malerei Merkmale einer auserlesenen Kunst mit sehr feiner Modellierung mit weißen Lichtern sowie eine helle und äußerst verfeinerte Farbgebung, die an bulgarische hauptstädtische Vorbilder anknüpfen dürfte, sowie seltene ikonographische Typen, wie Christus Anapeson, der hier zum erstenmal unter den erhaltenen Denkmälern der Monumentalmalerei nachweisbar ist. Die Bildnisse des Slawenapostels Kyrill und des Erzengels Michael gehören zu den bedeutendsten Schöpfungen der bulgarischen hochmittelalterlichen Monumentalmalerei.

 

K. Škorpil 1890, 48; J. Ivanov 1912, 53-55; A. Grabar 1920, 120; A. Protič 1925, 305-308; A. Grabar 1928, 248-271; A. Vasiliev 1960, 10-12; A. Boschkov: The Mural Painting in Berende (MBC 1964, 96-104); S. Bossilkov 1971, 16 f.; E. Bakalova 1976.

 

 

Kirche der Heiligen Nikolaos und Panteleimonos, Bojana

 

Die Festung Bojana am Südrand von Sofia, auf den Abhängen des Vitoschagebirges, einem strategisch wichtigen Stützpunkt am Zugang zur Sofioter Ebene, ist zum erstenmal 1048 erwähnt (Cedrenus II, CSHB 1839, 586f.), dennoch wird ihre Existenz bereits im späten 10. Jh. als sehr wahrscheinlich angesehen. Aus dieser Zeit dürfte auch die kleine Kirche stammen - ein stützenloser Kuppelbau aus Backstein mit zylindrischem Tambour auf Pendentifs, verkürzten und in die Mauern eingezogenen Kreuzarmen und halbrunder Apsis, dessen Funktion die einer Privatkapelle des lokalen Feudalherrschers war. 1259 wurde die zu dieser Zeit teilweise zerstörte Kirche umgebaut, durch einen doppelstöckigen Anbau nach Westen erweitert und ausgemalt. Der neue Anbau umfaßt einen durch Kuppel bedeckten Raum im Obergeschoß, ähnlich der ersten Kirche und ursprünglich durch eine Außentreppe zugänglich, sowie eine tonnengewölbte Gruft mit zwei Arkosolien an den Seitenwänden im Untergeschoß. Der Vorgang wird durch eine Inschrift an der Westwand der Gruft, über dem Eingang, belegt:

 

»Von Grund auf errichtet und aufgebaut wurde die heilige Kirche des heiligen Hierarchen Christi, Nikolaos, und des heiligen ruhmvollen Märtyrers Christi, Panteleimonos, mit dem Fleiß, der Mühe und der innigen Hingebung des Sebastokrators Kalojan, Vetter des Zaren, Enkel des heiligen Stephan, König der Serben. Ausgemalt wurde sie im Bulgarischen Zarenreich unter der Herrschaft des rechtgläubigen, frommen und christusliebenden Zaren Konstantin Assen. VII. Indiktion im Jahre 6767« (= 1259).

 

1882 wurde ein weiterer doppelgeschossiger Anbau mit rechteckigem Grundriß und Glockenturm im Westen angefügt. Die Restaurationsarbeiten an der Kirche wurden schon vor dem ersten Weltkrieg eingeleitet (J. Bala), während des Krieges fortgesetzt (M. Georgiev) und 1934 abgeschlossen (K. Zonev); in den 60er Jahren erstreckten sie sich auf die Freilegung der Bemalung im Obergeschoß, die noch andauert. Die Architektur der ersten Kirche gehört zu einer Reihe stützenloser Kuppelkirchen gleichen Bautypus, die über die ganze Balkanhalbinsel verteilt sind (Baptisterien in Pirintsch-tepe und an der Eliaskirche bei Pirdop, Kirchen in Dinogetia, Nikopol u. a.). Der spätere Putz läßt die Frage nach der ursprünglichen Form des Gesimses offen, das wahrscheinlich erst beim Umbau im 13. Jahrhundert ähnlich der Kirche in Semen in gleicher Höhe angebracht wurde, wobei die Außenform der Kirche die eines Kubus erreicht hat.

 

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Außen beschränkt sich die Verzierung auf flache Lisenen an den Seitenfassaden. Die zweite Kirche gehört ihrerseits zu dem in Bulgarien ebenso verbreiteten Bautypus der doppelgeschossigen Kirchen mit Gruft (Batschkovo-Kloster, Assen-Festung) und weist wiederum eine sehr sparsame Außenverzierung durch Blendbögen mit flachen Nischen auf. Der polygonale Tambour ist neu, wie das Traufgesims; eine Vorstellung von der ursprünglichen Form der Kuppel und des Dachs sowie von der später abgetragenen Westfassade vermittelt das Kirchenmodell des Stifterbildnisses, das mit einiger Wahrscheinlichkeit den Prototyp originalgetreu wiedergibt.

 

Die geringen Überreste ursprünglicher Bemalung der ersten Kirche (untere Zone der Apsiskomposition mit den zelebrierenden Kirchenvätern, die Schriftrollen mit griechischem Text aus der Chrysostomos-Liturgie tragen und den Opfertisch mit Kelch und Diskos flankieren; Kreuzigung im Westtympanon und Koimesis auf der Südwand, alle fragmentarisch erhalten) bieten kaum Anhaltspunkte für ihre Einordnung und Datierung, dennoch sprechen gewisse archaische Züge in Stil (schwerfällige Formen mit verkürzten Proportionen, graphisch-lineare Behandlung) sowie Ikonographie und Bildprogramm (Apsiskomposition ohne Hetoimasie und Melismos, Kirchenväter mit weißen Phelonen, unkonventionelle Anordnung der Festszenen, in der Koimesisszene Christus links vor dem Kopf der Gottesmutter) für eine sehr frühe Entstehungszeit, vielleicht schon vor dem 11. Jh.

 

Der Freskenschmuck von der zweiten Bemalung der Kirche und der Gruft, in Fresco-buono-Technik mit mehreren Lasuren ausgeführt, ist fast vollständig erhalten geblieben. Die Abfolge der Festszenen überzieht die oberen Zonen aller vier Wände und der Tragebögen unter der Kuppel der Kirche, an der die Zentraldarstellung des Pantokrators, von Engeln umgeben, innerhalb des ganzen Innenraums dominiert; an den Pendentifs befinden sich die Evangelistendarstellungen, dazwischen die beiden Acheiropoitoi, das Mandylion und das Keramidion, sowie die Darstellungen des Christus Emmanuel und des Alten der Tage. Die Darstellung der von Erzengeln flankierten thronenden Gottesmutter nimmt die Apsiskonche ein, darunter folgen die Ganzfiguren der zelebrierenden Kirchenväter. In der unteren Zone des Kirchenraumes erscheinen die Ganzfiguren der heiligen Krieger und Märtyrer, angeführt von ikonenähnlichen Darstellungen des segnenden Christus (Christus Evergetes) und des Kirchenpatrons, des hl. Nikolaos (16.Jh.), an beiden Pilastern seitlich der ehemaligen Ikonostasis. Die Galerie der porträthaften Darstellungen der Märtyrer und Eremiten setzt sich im zweiten Kirchenraum (der Gruft) fort, wo die beiden Arkosolien an den Seitenwänden die großen Kompositionen Christus unter den Schriftgelehrten und Mariä Tempelgang (16. Jh.) aufnehmen. Daneben erscheinen die Stifterbildnisse des Sebastokrators Kalojan, seiner Gemahlin Dessislava und des Herrscherpaares Zar Konstantin Assen und Zarin Irene; im Tympanon an der Ostwand ist die Gottesmutter Hodegetria, flankiert von den Heiligen Joachim und Anna, unterhalb der beiden Türpfosten folgen zwei Christusbildnisse - Christus der Chalke und Priester des Tempels in Jerusalem (?), während in der oberen Zone und auf dem Gewölbe 18 Szenen aus der Vita des hl. Nikolaos verteilt sind.

 

Die sehr fragmentarisch erhaltene Bemalung des Obergeschosses bestimmt das Thema von Tod und Auferstehung, ausgedrückt durch die Komposition Deesis (Apsisnische), Anastasis und Konzil der Erzengel; das Bildprogramm ergänzen die Szenen Verkündigung an Maria (Triumphbogen) und das Begräbnis des Patrons der oberen Kirche, des hl. Panteleimonos (?), sowie die Darstellungen zelebrierender Kirchenväter, der Märtyrer, Eremiten und eines nicht identifizierten Stifters. Im 16. Jh. sind wenige Wandbilder (Christus Evergetes, hl. Nikolaos und Mariä Tempelgang) übermalt worden. Das erstere wurde freigelegt und die spätere Malschicht - ein Wandbild des Christus Pantokrator im für den südwestlichen Balkan charakteristischen frühchristlichen Typus des Christus Weisheit Gottes (u. a. an einer Ikone aus dem 14. Jh. im Byzantinischen Museum, Athen, sowie an den Fresken in Mariza, 16. Jh. vertreten) - auf Leinen übertragen, zur Zeit in der Nationalgalerie Sofia, Inv.-Nr. 2091.

 

Hauptliteratur: A. Grabar 1924; ders. 1928, 88-92, 117-176; G. Stojkov 1954; K. Zonev: Die Wandmalerei in der Kirche von Bojana, Sofia 1957; I. Akrabova-Shandova: Die Kirche in Bojana, Sofia 1960; K. Mijatev: Die Wandmalerei in Bojana, Dresden/Sofia 1961; Übersicht weiterer älterer Literatur bei I. Dujčev 1972.

 

Neuere Abhandlungen: I. Galabov 1963; K. Krestev 1964; G. Stojkov 1965; N. Mavrodinov 1966, 101-143; ders. 1972; Konferenzija Bojana (MPK XI/1971, Nr. 3, 39-55); S. Bossilkov 1974; M. Bitschew (IBII, I/1976, 215-223).

 

 

Christus der Chalke / Gottesmutter Gorgoepikos

Tempera auf Leinen und Holz. 117 x 96 x 2,5cm. Nationalgalerie Sofia. Leihgabe des Nationalmuseums Sofia. Inv.-Nr. 2438

 

Die 1924 in das Nationalmuseum Sofia übergeführte große doppelseitige Prozessionsikone befand sich bis dahin an der Ikonostasis der Stephanoskirche in Nessebar, die als Kathedrale des Metropoliten nach Zerstörung der meisten übrigen Kirchen deren Kunstschätze aufbewahrte. Das überlebensgroße Brustbild des Pantokrators ist im äußerst seltenen ikonographischen Typus des Christus der Chalke dargestellt: mit der dicht vor der Brust gehaltenen Rechten segnend, die Linke hält einen offenen Kodex, anstelle des Nimbus erscheint ein zinnoberrotes Kreuz mit ausladenden Balken. Die griechische Inschrift auf dem Kodex enthält das Zitat aus Joh 8, 12: »Ich bin das Licht der Welt; wer mir nachfolgt, wandelt nicht in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben«. Das Bildnis wird von zwei Erzengelmedaillons unter der Beischrift I͠C X͠C O ПANTOKPATOP flankiert; den Rahmen nehmen sechs Ganzfiguren von Propheten ein.

 

Die Gottesmutter mit dem Kind auf dem linken Arm zeigt den ikonographischen Typus der Eleusa (Gottesmutter des Erbarmens);

 

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das Brustbildnis flankieren ebenfalls zwei kleine Erzengel, an beiden Seitenrändern finden sich weitere sechs Prophetenfiguren. Die Inschrift MH͠P Θ͠Υ ΓOPΓOEΠΙKOC (Schnellhelferin) bezieht sich auf den der Konstantinopeler Kirche Theotokos Gorgoepikos entstammenden Ikonentypus - eine Variante des Eleusa-Typus, uns durch den Beschlag der späteren georgischen Kopie im Chopi-Kloster, Mingrelien, aus dem 11. Jh. bekannt. Sowohl die georgische Ikone als auch die aus Nessebar geben den Eleusa-Typus wieder, im Unterschied zu den anderen Ikonen mit gleicher Bezeichnung, deren Ursprung aus der Fresko-Ikone des Refektoriums im Dochiarios-Kloster auf dem Berge Athos (16. Jh.) hergeleitet wird, die den Hodegetria-Typus darstellen.

 

Die ursprüngliche Malerei aus dem 13. Jh. wurde im 18. Jh. z. T. übermalt. Dennoch zeigen die Röntgenaufnahmen, daß die jüngere Malerei weitgehend das Bildschema der unteren Malschicht wiederholt, besonders deutlich beim Bild Mariä, das viele archaische Züge trägt. Der ikonographische Typus Christus der Chalke tritt auch seit dem 10. Jh. in der byzantinischen Kunst nicht mehr auf und hat im Wandbild in Bojana (1259) die einzige Parallele aus der Zeit nach dem 11. Jh.

 

K. Mijatev 1925; A. Frolow 1963, 107-120; Frühe Ikonen, Nr. 99, 101; NKG - 1967, Nr. 14-15; S. Bossilkov 1968; A. Grabar 1975, Nr. 7, 28 f.; NAG - 1976, Nr. 3; Ausstellungskataloge Nr. 1, 2, 8, 9, 10, 11, 12.

 

 

Christus Pantokrator

Marmor. 109 x 38 x 7 cm. Nationalmuseum Sofia. Inv.-Nr. 1092

 

Ganzfigur des segnenden Christus mit Evangelienbuch in der linken Hand, in Flachrelief ausgeführt, ehemals in der Alten Georgskirche, Nessebar, fragmentarisch erhalten - mit fehlendem Oberteil und Ergänzungen. Vermutlich zu Beginn des 14. Jh. entstanden, dürfte sie sich den Vorbildern von Elfenbeinreliefs anschließen, die die ikonographische Tradition weitervermittelten. Zugleich reflektiert die folienhaft ausgeschnittene Figur auf die fortgeschrittenen Tendenzen zur Verselbständigung der Plastik, die auch auf dem christlich-orthodoxen Balkan, trotz allen Wandlungen der kirchlichen Kunst, immer deutlicher die traditionsbedingte Denkweise durchbrechen und sich den Vorurteilen der orthodoxen Theologie gegenüber der freien Skulptur widersetzen.

 

P. Mutaftschiev 1914, 260; VNM, 192; T. Siljanovska-Novikova 1963, 82; KP, 36, Nr. 93.

 

 

Goldsiegel des Zaren Konstantin Assen (1258-1277)

Gold. Ø 38 mm. Nationalmuseum Sofia. Inv.-Nr. 5306

 

Vorderseite mit frontaler Ganzfigur des Zaren in kaiserlichem Ornat im Mittelfeld mit umlaufender bulgarischer Inschrift: + Konstantin in Christo rechtgläubiger Zar und Selbstherrscher der Bulgaren Assen. Rückseite mit eben falls frontaler Ganzfigur des Erzengels Michael mit Schwert auf einem Suppedaneum; rechts und links traditionelle griechische Initialen. Stil und Ikonographie folgen mittelbyzantinischen Vorbildern. Abweichungen in der Prägung von einem ähnlichen Bleisiegel des Zaren in Athen lassen bei manchen Forschern Zweifel an der Echtheit des Sofioter Exemplars aufkommen, dennoch bleibt die Frage, ob es sich hier um eine Nachbildung handelt, wegen des nicht ausreichenden Vergleichsmaterials offen.

 

T. Gerasimov 1970, 36-38 (Lit.).

 

 

Chreljo-Turm, Rila-Kloster

 

Laut Inschrift ließ der unabhängige Feudalherrscher Protosebast Dragovol Chreljo († 1342) »mit viel Mühe und Aufwand« den Festungsturm im Rila-Kloster, dem hl. Ivan von Rila und der Gottesmutter Osenoviza geweiht, im Jahr 1334-35 erbauen. Die Errichtung des Turmes fiel mit den umfangreichen Bauarbeiten im Kloster zu Beginn des zweiten Drittels des 14. Jh. zusammen, als die gesamte Anlage an ihren heutigen Standort, südwestlich der ursprünglichen Einsiedelei, verlegt wurde. Von diesen Bauten, zu denen neben dem massiven Turm das erst 1834 abgerissene Katholikon und die in Fachwerk ausgeführten Klostergebäude zählten, hat sich lediglich der Turm erhalten: Im Grundriß eine rechteckige, fast quadratische Anlage (10,15x10,75, Höhe 23,60 m) aus Bruch- und Flußstein und unter Verwendung von Ziegelsteinen als Füll- und dekorativem Schmuckwerk; zwölf stark vorspringende Pilaster fassen ihn von allen Seiten ein und gehen unterhalb des oberen Geschosses in eine Arkatur über. Das Turminnere gliedert sich von unten nach oben in einen geräumigen und mit elliptischer Blindkuppel überdeckten Keller und fünf Stockwerke, die durch steile, im Mauerwerk ausgesparte Steintreppen miteinander verbunden sind. Im erweiterten Obergeschoß befindet sich die Verklärung-Christi-Kapelle (die Vierung mit großer Blindkuppel von einem durch kleine Blindkuppeln, Kreuzgewölbe und queroblongem Tonnengewölbe überspannten Laufgang umgeben; im Osten schließt sich ein kleinerer, durch eine blinde Prismenkuppel bedeckter Raum mit halbrunden, in die Mauern eingetieften Konchen nach Osten, Norden und Süden an).

 

Die durch Brand stark beschädigte Ausmalung der Kapelle aus der Gründungszeit ist erst um die letzte Jahrhundertwende übertüncht worden; 1959 und 1965-70 freigelegt und restauriert (L. Torwirt, L. Praschkov und D. Peschev mit Kollektiv). Das im wesentlichen rekonstruierbare Bildprogramm stellt im östlichen Raum, der die Funktion eines Naos hatte, das Thema der göttlichen Weisheit dar: In der Mitte der Kuppel ist Christus Emmanuel als Personifikation des inkarnierten Logos, in einer Aureole, mit rundem und darüber rhomboidem Nimbus, auf einem Himmelsegment sitzend dargestellt; seine Rechte hat er segnend erhoben, und mit der Linken lädt er zu dem zu seinen Füßen stehenden Tisch ein; um ihn schweben im Kreis sieben geflügelte Figuren -

 

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die Sieben Säulen des Hauses der Weisheit Symbole der sieben Gaben des Heiligen Geistes; die Zentralkomposition wird nach Osten, unterhalb des Christus Emmanuel, von einem Altar mit Kelch und Brot, flankiert von zwei Engeln, als Symbol der Eucharistie eingefaßt, an die sich nach links und rechts in vier Gruppen Darstellungen von Vertretern der Apostel, Kirchenlehrer, Propheten und Märtyrer anschließen; zwischen den einzelnen Gruppen finden sich geöffnete Schriftrollen, die den slawischen Text aus den Sprüchen der Weisheit, 9, 1-5 wiedergeben; auf den Pendentifs erscheinen die Ganzfiguren der vier Evangelisten und zwischen ihnen das Mandylion und das Keramidion. In der Ostapsis ist Maria als Himmelskönigin und darunter der Melismos dargestellt, während auf den übrigen Wänden die Ganzfiguren heiliger Eremiten sowie drei Szenen aus der Vita des hl. Ivan von Rila verteilt sind.

 

Das Bildprogramm der wesentlich schlechter erhaltenen Bemalung im westlichen Raum, dessen Funktion die eines Narthex war, beherrscht das Thema Lobpreisung Gottes auf der Grundlage des Textes der Psalmen 148, 149 und 150: In der Mitte der Kuppel der Pantokrator, von den himmlischen Hierarchien umgeben; auf den Pendentifs und Wänden acht Gruppen der Lobpreisenden, unter denen einige Forscher ein Bildnis des Stifters zu sehen glauben. Stilistisch und ikonographisch ordnet sich der in einer gemischten Fresco-secco-Technik ausgeführte Wandschmuck in die zeitgenössische Malerei des westlichen Balkans ein und zeigt mit seiner äußerst komplizierten Formensprache und schwungvollen dynamischen Kompositionen auch eine virtuose Technik, die an Perfektion grenzt.

 

Das Rila-Kloster 1957. 36 f.; V. Mardi-Babikova 1971; L. Praschkov 1973 (Lit.).

 

 

Heiliger Ivan von Rila

Tempera auf Kiefernholz. 77 x 56 x 4 cm. Nationalmuseum Rila-Kloster. Inv.-Nr. 213

 

Frontales Brustbild des bedeutendsten bulgarischen Nationalheiligen Ivan von Rila (um 876-946), Gründers des bulgarischen Mönchtums und einer Einsiedelei im Rilagebirge, aus der das nach ihm benannte Kloster hervorging. Das für den Heiligen übliche ikonographische Schema ist hier noch nicht ausgeprägt: Abweichend von den späteren Bildnissen, wird er hier nicht als Greis, sondern als Mann reiferen Alters in Schima, mit kurzer grauer Haar- und Barttracht sowie mit gebundener Schriftrolle in der Linken und einem Kreuz in der Rechten dargestellt - das Kreuz der Schima als ein Attribut, das ihn einem Märtyrer gleichstellt, wird in der Folgezeit meistens durch ein Zepter oder eine Schriftrolle ersetzt. Die Rückseite der Ikone ist mit der Darstellung eines roten blühenden Kreuzes versehen. Diese bedeutende, über die türkische Besetzung gerettete Ikone des Heiligen weist - im Unterschied zu den verfeinerten und mit höchster Perfektion ausgeführten Wandbildern im Chreljo-Turm - eine wesentlich schlichtere Formensprache von kategorischer Aussage und unmittelbarer Wirkung auf, was eine weitere Zuschreibung an denselben Künstler ausschließt, obgleich der Zusammenhang dieser Darstellung mit dem Wandbild durch übereinstimmende Vorzeichnung nachweisbar ist. Die Züge eines ursprünglichen und drastischen Realismus, der als ein Charakteristikum der westbulgarischen Malerschule im ganzen Mittelalter hindurch vorkommt, treten auch hier in den Vordergrund, trotz betont dekorativer Tendenzen und des für das reife 14. Jh. typischen Manierismus.

 

Frühe Ikonen, Nr. 108; Ausstellungskataloge Nr. 2, 8, 9, 10, 11, 12.

 

 

Heiliger Arsenios

Tempera auf Holz. 80,5 x 53,5 x 3,5 cm. Nationalmuseum Rila-Kloster. Inv.-Nr. 281

 

Frontales Brustbild des segnenden Heiligen im Po- lystaurion mit Omophorion und Evangelienbuch in der Linken; slawische Inschrift mit dem Namen des Heiligen. Es handelt sich offensichtlich um Arsenios I. († 28. 10. 1266), den zweiten Erzbischof Serbiens und Gründer des Klosters Peć, dessen Kult im westlichen Balkan sehr verbreitet war. Bei der vermutlich nach der Erneuerung des Rila-Klosters in den 40er Jahren des I4-Jh. entstandenen Ikone durchdringen sich dieMerkmale der noch lebendigen vorikonoklastischen Tradition, in der monumentalen Formensprache mit warmer Farbskala und in der Ikonographie deutlich spürbar (roter Nimbus und rote Kreuze archaisierender Form), mit einer besonders stark ausgeprägten dekorativen Tendenz, die in der Stilisierung der Formen und im streng symmetrischen Aufbau der Komposition hervortritt, bei dem sich die Kreuze des Po- lystaurions ornamental verselbständigen.

 

K. Krestev / V. Sachariev 1960, Nr. 25; Ch. Chernev 1969, 11; Ausstellungskataloge Nr. i, 2, 8, 9, 10, 11, 12.

 

 

Pantokratorkirche, Nessebar

 

Der Grundriß der um die Mitte des 14. Jh. errichteten Pantokratorkirche in Nessebar folgt dem klassischen Kreuzkuppeltypus, jedoch mit sehr schlanken Proportionen (16 x6,70 m; Innenhöhe des Gewölbes 7,35 m, der Kuppel 11,30 m): Die Pendentifkuppel mit achteckigem Tambour über einem in das verlängerte Rechteck des Langhauses eingeschobenen Tonnenkreuz mit vier frei stehenden Säulenstützen; das Gewölbe des durch ein Pfeilerpaar vom Naos getrennten verlängerten östlichen Kreuzarmes erstreckt sich ohne Unterbrechung bis in die Hauptapsis; die Eckräume sind ebenfalls mit hohen Tonnengewölben ausgestattet, im Osten schließen sich die abgesonderten und von Blindkuppeln bedeckten Pastophorien an, die in selbständige Apsiden münden. Über dem geräumigen und mit Quergewölbe überdeckten Narthex erhebt sich der quadratische,

 

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durch eine in der Zwischenmauer eingebaute Treppe zugängliche Westturm, ehemals von einer Kuppel auf Trompen mit wiederum achteckigem Tambour bekrönt.

 

 

Die Gliederung der Fassaden und die Außenverzierungen erreichen in der Pantokratorkirche einen der Höhepunkte der bulgarischen mittelalterlichen Baukunst, der nur durch die Johannes-Aleiturgetos-Kirche übertroffen wird. Die malerische Wirkung des in wechselnden Streifen angeordneten Werk- und Backsteinmauerwerks wird durch Inkrustationen und glasierte Keramik weiter gesteigert: die roten und grünen keramischen Rosetten und Näpfchen schmücken hier nicht nur die großen Bögen und Giebel der Seitenfassaden, sondern umrahmen auch den kleinen lombardischen Bogenfries und bilden noch weitere eigenständige Friese. Die Aufteilung der Fassaden in mehrere horizontale Zonen wird durch die gleichmäßige Abfolge von je vier Reihen Werk- und Backsteinen sowie von fortlaufenden Blendbogenreihen und Friesen noch stärker betont. Besonders reich ist die Verzierung der aus drei selbständigen, wellenartig ineinander übergehenden polygonalen Apsiden bestehenden Ostfassade, wo in der Mitte die rhythmische Abfolge von schmalen hohen Blendbögen durch zwei keramische Friese und einen aus Backstein gebildeten ornamentalen Fries unterbrochen wird, während sich an beiden Seiten noch je ein lombardischer Fries mit Spitzbögen anschließt. Die teilweise zerstörte Kirche ist 1957-1972 vom Nationalinstitut für Denkmalpflege unter T. Petrov restauriert worden, ohne vollständige Rekonstruktion des eingestürzten Westturms und der Dachkonstruktion.

 

N. Mavrodinov 1931, 98-101; A. Rachénov 1932, 59-73; T. Petrov 1960; B. Ignatov 1963, 62 f.; K. Mijatev 1974, 145-148.

 

 

Gottesmutter Hodegetria

Tempera auf Holz im silbernen, vergoldeten Beschlag. 131,3 x 107,7 x 3 cm. Nationalmuseum Sofia. Inv.-Nr. 125

 

Das Brustbildnis der Gottesmutter mit dem Kind auf dem linken Arm im traditionellen Hodegetria-Schema ist im 18. Jh. vollständig übermalt worden, jedoch ohne Abweichungen in der Ikonographie; die Verzierung der unteren Rahmenleiste mit Pflanzenornament stammt ebenso aus jüngerer Zeit. Lediglich der Beschlag gehört zur ursprünglichen Fassung, wobei auch hier an den seitlichen Leisten Ergänzungen von anderen Ikonenbeschlägen angebracht sowie der Nimbus Mariä mit der Krone durch einen neuen ersetzt worden sind.

 

Der getriebene Beschlag aus vergoldetem Silber ist eines der bedeutendsten Denkmäler der bulgarischen Goldschmiedekunst des 14. Jh. Das Mittelfeld flankierten ursprünglich je vier rechteckige Reliefplatten mit Darstellungen aus dem Marienleben, getrennt durch je drei halbkugelförmige Rosetten, von denen nur die beiden oberen Felder an der linken Seite - Mariä Tempelgang. (Inschrift TA AΓIA TN AΓION = die Allerheiligste) und Joseph empfängt die Jungfrau Maria (Ο IΩCIΦ ΠAPAΛBANȣ TΟ[N ΘE]OTOKȣ) - erhalten geblieben sind; von den vier Reliefs an den Ecken der Ikone mit Evangelistensymbolen blieben nur die beiden oberen mit dem Stier des Lukas und dem Adler des Johannes erhalten. Zu beiden Seiten Marias befinden sich die Medaillons mit Brustbildnissen der Erzengel  Michael und Gabriel sowie die Inschrift MH͠P Θ͠Υ Ο EΛEOΥCA, die sich nicht auf den Ikonentypus bezieht, sondern im Zusammenhang mit dem Kloster der Gottesmutter Eleusa in Nessebar steht, wo die Ikone herstammt, wie der griechischen Inschrift rechts des Marienbildes zu entnehmen ist: »Im Jahre 6850 (seit der Erschaffung der Welt = 1341/42 n. Chr.) und ich, der geliebte leibliche Onkel des allererhabensten Zaren Ivan Alexander, erneuerte den hochehrwürdigen und göttlichen Tempel unserer hochgesegneten Herrscherin, der Gottesmutter Eleusa. Und schenkte demselben Gotteshaus ein geschmücktes Evangelium, ein silbernes Weihrauchfaß, einen Vorhang, goldbestickte Gewänder, ein Epitrachelion mit Perlen, einen Diskos, einen Kelch, ein silbernes Asteriskos, zwei goldbestickte Epimanikien . . . sechs Orarien und andere Gegenstände aus Gold und Silber und Bücher. Und wenn jemand irgend etwas davon entwendet, soll der Fluch aller 318 heiligen Väter ihn immer verfolgen und sein Schicksal dem Schicksal Judas’ gleichen, auch wenn er ein Patriarch, Bischof, Herrscher oder etwas anderes wäre«.

 

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Im Hintergrund links von Maria ist die Inschrift: »Unter der Herrschaft des allerfrömmsten großen Zaren Ivan Alexander und seines Sohnes, des allerfrömmsten Zaren Michael Assen, aus Liebe und Frömmigkeit brachte ich diesen Schmuck, angefertigt aus Gold und Silber an dieser hochheiligen und göttlichen Ikone der Gottesmutter an«. Am Rand des Maphorions Mariä findet sich eine weitere griechische Inschrift auf 17 kleinen einzelnen Emailplatten - »In der Regierung der Zaren Ivan Alexander und Michael Assen brachte dessen Uronkel Samuel diesen Kranz an«.

 

N. Kondakov 1915, 216; VNM 208 f.; V. Beševliev 1964, Nr. 160, 108-115; Frühe Ikonen, Nr. 107; Alte Kunst in Bulgarien III, Sofia 1967, 29; A. Grabar 1975, Nr. 6, 26-28; Ausstellungskataloge Nr. 2, 8, 9, 10, 11, 12.

 

 

Johannes-Aleiturgetos-Kirche, Nessebar

 

Das repräsentativste Denkmal unter den auf uns gekommenen Werken bulgarischer hochmittelalterlicher Architektur und zugleich der größte mittelalterliche Bau Nessebars, am südlichen Ufer der Halbinsel gelegen. Der Grundriß der als Ruine erhaltenen Kirche (18,50 mal 10,25 m) zeigt den entwickelten Kreuzkuppeltypus - den Innenraum beherrschte die von frei stehenden Säulen gestützte Pendentifkuppel über einem dem Quadrat eingeschriebenen gleicharmigen Tonnenkreuz; der verlängerte Ostarm war zum Teil mit Kreuzgewölbe und zum Teil mit einer Blindkuppel überdeckt, die Eckräume dagegen, wie die sich im Osten anschließenden Pastophorien mit selbständigen Apsiden, waren ausschließlich mit Blindkuppeln versehen. Den Narthex überspannte eine Blindkuppel in der Mitte, durch Gurtbögen von den seitlichen halbzylindrischen Quergewölben getrennt; der Naos der Kirche war sowohl vom Narthex als auch von Süden und Norden durch Seitenportale zugänglich.

 

An dem Mitte des 14. Jh. errichteten Bauwerk gelangte der polychrome Inkrustationsstil zur höchsten Vollendung. Die malerische Wirkung des aus weißen Kalksteinquadern und roten Backsteinen zusammengesetzten polychromen Mauerwerks, mit reichen Keramikinkrustationen an den Bogenumrahmungen sowie den in opus spicatum ausgeführten Tympana und Dekorativpan- neaus, wird auch - einzigartig in der bulgarischen mittelalterlichen Baukunst - von plastischen ornamentalen und figuralen Marmorreliefs ergänzt. Ein Blendbogenfries, von Inkrustationen aus glasierten Keramikplatten umrahmt, überzog alle Fassaden unter dem Traufgesims. Die Horizontalgliederung der Fassaden entspricht der der übrigen Bauten des bulgarischen Hochmittelalters, jedoch weist die große Blendbogenreihe eine wesentlich kompliziertere Form auf: Zwischen den großen zweistufigen pseudokonstruktiven und in Mischtechnik ausgeführten Bögen mit reliefierten Schlußsteinen und unterschiedlich gestalteten Tympana sind kleinere und schmalere Blendbögen eingefügt; die dabei entstandenen Zwickel sind ebenso unterschiedlich in opus-spicatum- Technik gestaltet. Als Schaufassaden treten hier die südliche und vor allem die östliche mit ihren drei ineinander übergehenden polygonalen Apsiden in Erscheinung. Diese Apsiden zeigen neben der großen Blendbogenreihe zwei durch Friese aus ornamentierten Dekorativpanneaus, keramischen und plastischen Inkrustationen getrennte lombardische Arkaden, die untere mit Spitzbögen, die obere mit zum Teil reliefierten Marmorkonsolen.

 

Die Ruine, die durch das Erdbeben von 1913 noch stärker beschädigt wurde, ist in den 30er Jahren saniert worden (A. Rachénov); seit 1976 sind weitere Restaurationsarbeiten in Angriff genommen.

 

N. Mavrodinov 1931, 101-103; A. Rachénov 1932, 36-58; S. Pokrovski 1950; K. Mijatev 1974, 148-154.

 

 

Evangeliar des Zaren Ivan Alexander

286 Pergamentblätter. 33 X24,3 cm. British Museum. Add. 39627

 

Der in sehr schönen großen Unzialen, ohne Unterbrechung zwischen den einzelnen Wörtern fortlaufend in Folio geschriebene und mit 366 Miniaturen versehene Kodex ist laut umfangreicher Widmungsinschrift 1355/56 im Auftrag des Zaren Ivan Alexander von dem Mönch Simeon im Hofskriptorium der bulgarischen Hauptstadt ausgeführt worden. Nach der osmanischen Eroberung wurde die Prachthandschrift von dem moldauischen Fürsten Johann Alexander erworben und vermutlich im 16. Jh. dem athonitischen Paulos-Kloster gestiftet, dessen Hegumenos sie 1837 dem britischen Sammler Robert Curzon Lord Zouche schenkte; nach dessen Tod ging sie 1876 in den Besitz des Britischen Museums über. Der größte Teil der in Deckfarben und Gold ausgeführten Miniaturen folgt derselben vorikonoklastischen anti- ochenischen Vorlage, wie das im Konstantinopeler Studios- Kloster entstandene Manuskript der Pariser Bibliotheque National, gr. 74, aus dem 11. Jh. Einen Hinweis auf diesen Prototyp enthält der einleitende Text, wo dieser mit einem »in Dunkelheit verborgenen und vergessenen Leuchter« verglichen wird; zugleich würdigt der Schreiber den Zaren für sein Verdienst, die alte »hellenische« Heilige Schrift wiederentdeckt und ihre Übertragung ins Slawische mit reicher Ausstattung in Auftrag gegeben zu haben. Diese Bemerkung kann sich nur auf das Kopieren des Bildschmucks beziehen, weil der Text einer älteren slawischen Übersetzung folgt. Seinerseits diente das Londoner Evangeliar als Vorlage weiterer illuminierter Manuskripte, u. a. der Evangeliare Sucev. 23 und 24.

 

Neben den meisterhaft ausgeführten originalgetreuen Kopien der frühchristlichen Vorlage, bei denen drei verschiedene Miniaturisten tätig sein müssen, enthält der Biltjschmuck mehrere zeitbezogene Genreszenen sowie Stifterbildnisse des Zaren und seiner Familie, die auch für selbständige Leistungen der Künstler zeugen.

 

S. Der Nersessian: Two slavonic parallels of the greek tetraevangelia: Paris 74 (The Art Bulletin IX/1927), 223-274; B. Filov: Les Miniatures de l’Evangile du roi Jean Alexandre à Londres, Sofia 1934 (Lit.); A. Boschkov 1969 (Malerei), 89-102; L. Shivkova: Das Tetraevangeliar des Zaren Ivan Alexander, Recklinghausen 1977.

 

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327 Tschatalar (Zar Krum), Basilika Nr. 2, Bildnis eines Heiligen, Fresko, 4. Jh. Bezirksmuseum Schumen

328 Sofia, Sophienkirche, zweite Hälfte des 5. Jh. Westansicht

 

329 Odessas, Stadtbasilika, Fragment des Bodenmosaiks, 4. Jh. Archäologisches Museum Varna

330 Bischofsbasilika zu Leuke, Anfang des 6. Jh. Südansicht

 

331 Sebastopolis, die Rote Kirche, Anfang des 6. Jh. Südwestansicht

332 Pliska, die Prozessionsstraße zur Erzbischofsbasilika

 

333 Pliska, Erzbischofsbasilika, letztes Drittel des 9. Jh. Ausgrabungen unter dem Chor

334 Preslav, Kloster Tuslalak, Apostel Paulus Keramikikone, Ende des 9. Jh. Archäologisches Museum Preslav

 

 

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335 Preslav, Erzbischofskathedrale, 9.-10. Jh. Grundmauern

336 Preslav, Basilika Gebe-klisse, Ende des 9. Jh. Brüstungsplatte, Marmor, Nationalmuseum Sofia

 

337-338 Preslav, Runde Kirche, kurz vor 907, Kämpferkapitelle, Marmor, Archäologisches Museum Preslav

 

339 Nessebar, Kleine Kreuzkuppelkirche, spätes 9. Jh.

340 Preslav, Palast, Türumrahmung, Marmor, 10. Jh. Archäologisches Museum Preslav

 

341 Preslav, Ζweisäulenkirche Nr. 3 in Bjal Brjag, Anfang des 10. Jh.

342 Preslav, Kloster Patlejna, Klosterkirche, 10. Jh. Inneres

343 Preslav, Kloster Avradak, Löwe, Wasserspeier, Kalkstein. 10. Jh.

 

 

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344-345 Vodoča, Leontioskirche, 9.-10. Jh. Die Vierzig Märtyrer von Sebasteia und Diakon Isauros, Freskenfragmente

 

346-347 Semen, ]ohanniskirche, 10. Jh. Prophet David (?) und heilige Elisabeth (?), Fresken der ersten Ausmalung

 

348-351 Batschkovo-Kloster, Beinkirche, um 1083. Anbetung der Hetoimasie, Vision des Propheten Hesekiel, Fresken

 

 

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352-353 Batschkovo-Kloster, Beinkirche, um 1083. Heiliger Anthinogenes und. Kommunion der Apostel, Fresken

354 Neresi, Panteleimonoskirche, Heiliger Panteleimonos, Fresko

 

355-356 Verkündigung an Maria, Ikonendiptychon, Mitte des 11. Jh. Ikonengalerie Ochrid - Erzengel Gabriel, Maria, Detail

357 Gottesmutter Hodegetria, Ikone, 13. Jh. Ikonengalerie Ochrid

 

358-359 Kurbinovo, Georgskirche, 1191, Fresken der Ostwand

360 Melnik, Nikolaoskirche, Cheirotonie des Apostels Andreas, Fresko im Sanktuarium, kurz vor 1220

 

361 Sofia, Georgsrotunde, Heiliger Antonios der Große, Fresko an der Westwand, 13. Jh.

 

362-367 Ivanovo, Felsenkloster Erzengel Michael

362 Gospodev-dol (Tal des Herrn)

363 Verklärungskirebe, Anfang des 15. Jh., Anastasis, Fresko

 

 

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(362-367 Ivanovo, Felsenkloster Erzengel Michael)

364-367 Felsenkirche ]ohannes’ des Täufers, zwischen 1232 und 1234- Außenansicht, Inneres nach Osten, Judas gibt die Silberlinge zurück und Des Judas Tod, Fresken

 

368 Omorphoklista, Georgskirche, Heiliger Georg, Holzplastik, 13. Jh.

369-370 Berende, Petruskirche, zweites Viertel des 13. Jh. Ansicht von Südosten und Christus Anapeson, Fresko

 

371 Ivanovo, Verklärungskirche, Christus Alter der Tage, Fresko, 14. Jh.

372 Sofia, Georgsrotunde, Propheten, Fresko im Tambour, 14. Jh.

 

 

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373-314 Evangeliar des Zaren Ivan Alexander, 1355/1356. Lukas fol. 137r und Johannes, fol. 213r

375 Tomić-Psalter, um 1360. Der Exitus, fol. 248v

 

376 Krupnik-Evangeliar, Buchdeckel, Silber, getrieben und vergoldet, Meister Matej, 1577. Nationalmuseum Rila-Kloster. Vorderseite

377 Souceava-Evangeliar, Buchdeckel, Silber, getrieben und vergoldet, Meister Joann Panov aus Vraza, 1656. Nationalmuseum Rila-Kloster. Vorderseite

378 Kokaljane-Evangeliar, Miniaturist Joann aus Kratovo, 1579. Nationales Kirchenmuseum Sofia ZM 477, Evangelist Matthäus, fol. 5r

 

379 Veliko Tirnovo, Petrus-und-Paulus-Kirche, Heiliger Barlaam, Fresko im Esonarthex, 16. Jh.

380-382 Alino-Kloster, Heilandkirche, 1626. Ansicht von Nordosten und Südwesten, Christus Engel des Großen Rates, Verklärung und Propheten, Fresko am Gewölbe

 

 

 

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383 Gottesmutter Kecharitomeni mit Deesis, Engeln und Festszenen aus dem Marienleben, Ikone, Bulgarovo, Ende des 16. Jh. Nationales Kirchenmuseum Sofia

384 Deesis. Ikone von der Ikonostasis des Poganovo-Klosters, 1620. Nationalgalerie Sofa

385 Johannes der Täufer, Ikone, Nessebar, 1638. Nationalgalerie Sofa

 

386 Batschkovo-Kloster, Katholikon, Mittelteil der Ikonostasis, 17. Jh.

387 Thronende Gottesmutter mit Propheten, Ikone, Beltschin, 1653. Nationalgalerie Sofa

388 Heiliger Nikolaos mit Vitenszenen, Ikone, Bojana. Ende des 17. Jh. Nationalgalerie Sofa

 

389 Die Heiligen Charalampios, Onuphrios und Marina, Ikone, Melnik, Ende des 17. Jh. Nationalmuseum Sofa

390 Verkündigung an Maria, Ikone, Batschkovo-Kloster, 18. Jh. Nationalgalerie Sofia

391 Verkündigung an Maria, Freskenfragment aus der Dorfkirche in Sbeljasna, 17. Jh. Nationalgalerie Sofa

 

392 Roshen-Kloster, Katholikon, Heiliger Christophoros Cinokephalos, Fresko an Nordwand, um 1732

393-394 Arbanassi, Erzengelkirche, Taufe Christi und der Schmerzensmann (imago pietatis), Wandmalerei der zweiten Ausmalung, Anfang des 18. Jh.

 

 

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395-397 Rila-Kloster, Kapelle des heiligen Ivan von Rila im Katholikon, Ikonen der Ikonostasis, 1787: Mariä Geburt, Darbringung und Auferstehung Christi

 

398-399 Rila-Kloster, Mariä-Tempelgang-Kirche, 1793. Gottesmutter Schirm und Schutz (Pokrov) und Höllenfahrt der Gottesmutter, Fresken im Naos

 

400 Gottesmutter Hodegetria, Ikone, Samokov, Metropolitenkirche, 1793

401 Christus Pantokrator, Ikone, Samokov, Metropolitenkirche, 1795

402 Heiliger Nikolaos, Ikone, Maler Simeon von Trjavna, 1798. Nationalgalerie Sofia

 

403-404 Rila-Kloster, Lukaskirche an der Einsiedelei, 1799. Seraphime und Joseph, Fresken am Gewölbe

 

 

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Tomić-Pšalter

304 Papierblätter. 30 x 25 cm. Historisches Museum Moskau. Mus. 2752

 

Der auf 304 Papierblätter im großen Folioformat mit Unzialen geschriebene Kodex enthält neben dem vollständigen Text der 151 Psalmen und 9 Oden (Cantica) auch die Stichera für den Freitag der fünften Fastenwoche, den Akathistos der Gottesmutter mit dem Kanon Josephs des Hymnographen und das Ostertroparion. Nach seiner Verzierung fügt es sich in die Gruppe der Marginal-Psalter mit textkommentierenden Illustrationen ein und ist mit 109 Miniaturen - darunter 9 ganzseitigen - sowie zahlreichen Initialen und Titelleisten ausgeschmückt. Um 1360 vermutlich im Kilifarevo-Kloster nahe Tirnovo entstanden, gelangte die Prachthandschrift ohne ihren ursprünglichen Einbandbeschlag Ende des 14. Jh. über die Walachei und die Moldau nach dem Athos; 1901 entdeckte sie der serbische Wissenschaftler Sima Tomic in Makedonien und übergab sie dem Historischen Museum in Moskau. In der Moldau sind im 16. Jh. die Illustrationen teilweise restauriert und übermalt worden.

 

Als chronologisch letztes der uns überlieferten Werke bulgarisch-hauptstädtischer Miniaturmalerei des 14. Jh. zeigt der Tomić-Psalter deutlich den Stilwandel nach der Mitte des Jahrhunderts: Der teratologische Stil ist völlig zurückgedrängt, die Ornamente mit phantastischen Motiven erscheinen äußerst selten und ausschließlich an den Initialen, während sie bei den Titelleisten fehlen, wo an ihre Stelle stark geometrisierende pflanzliche Motive im neobyzantinischen Stil auftreten. Die byzantinischen Einflüsse gewinnen Oberhand nicht nur in der Ornamentik, sondern auch in der Ikonographie der Miniaturen, obgleich ihnen eine frühere ostchristliche, bereits im 12. bis 13. Jh. überarbeitete Redaktion als Grundlage diente. Besondere Bedeutung für die Kunstgeschichte haben die Illustrationen des Akathistos-Hymnos, deren älteste erhaltene Wiedergabe hier anzutreffen ist. Charakteristisch für die Weltuntergangsstimmung der letzten Jahrzehnte des Bulgarenreichs ist die Akzentuierung der eschatologischen Themen, hier in ganzseitigen Bildern dargestellt (Der Kelch des Todes, fol. 3; Vision des Propheten Jesaias, fol. 129).

 

M. Ščepkina 1963 ; R. Stichel: Studien zum Verhältnis von Text und Bild. Spät- und nachbyzantinische Vergänglichkeitsdarstellungen, Wien/Köln/Graz 1971, 17-69, 123ff.; BRK - 1976, Nr. 102; A. Dshurova 1977.

 

 

Silbermünze (Aspron)

Silber, 5,30g, Ø 18 mm. Nationalmuseum Sofia

 

Die in Vidin geprägte Münze des Zaren des westbulgarischen Teilreichs, Ivan Srazimir (1360-96) zeigt auf ihrer Rückseite traditionsgemäß den frühchristlichen Typus des Christus Pantokrator mit über die Schulter gehobener segnender Hand. Die Ausführung ist grob und primitiv und entspricht dem sich im späten 14. Jh. abzeichnenden Verfall der Kunst.

 

 

Gottesmutter Katapbyge und Johannes / Das Wunder von Latom

Tempera auf Holz. 99 x 61,5 x 3,2 cm. Nationalgalerie Sofia. Leihgabe des Nationalmuseums. Inv.-Nr. 2057

 

Die doppelseitige Ikone gehörte bis zum ersten Weltkrieg dem 1395 von Despot Konstantin Dejan (Dragaš), einem Erben des Serbischen Königreichs und Schwiegersohn des bulgarischen Zaren Ivan Alexander, gegründeten Poganovo-Kloster bei Dimitrovgrad, an der bulgarischjugoslawischen Grenze. Sie wurde laut einer griechischen Inschrift an der Vorderseite der Ikone dem Kloster wahrscheinlich nach dem Tode Konstantin Dejans in der Schlacht bei Rovine am 15.6.1395 von seiner Tochter, der byzantinischen Kaiserin Helena Palaiologos, gestiftet. Das vermutlich aus den höfischen Werkstätten Konstantinopels stammende und zweifellos der byzantinischen Tradition verpflichtete Kunstwerk zeigt dennoch - ebenso wie die komplizierten Verwandtschaftsbindungen seiner Stifterin mit allen drei herrschenden Dynastien auf dem Balkan - enge stilistische und ikono- graphische Beziehungen zu den drei bedeutendsten Kunstkreisen des östlich-orthodoxen Christentums, deren Formensprache sich am Vorabend der osmanischen Eroberung weitgehend einander annäherte. Stilistisch knüpft die Malerei an die spätpalaiologische Kunst an. Die pyramidal aufgebauten dekorativen Kompositionen beider Seiten beziehen für ihre starke emotionelle Wirkung kräftige reich nuancierte Farben ein, deren Gegenüberstellung die Dramatik der bewegten dynamischen Handlung zusätzlich steigert. Die Modellierung ist sehr weich, mit vielen Akzenten der strahlenden und als feine Striche aufgetragenen Lichter. Nicht weniger kompliziert als Genesis und Stil der Ikone ist ihre Symbolik, die bislang Anlaß zu zahlreichen Spekulationen gegeben hat. Die Vorderseite zeigt die Ganzfiguren von Maria mit Beischrift Gottesmutter Kataphyge (Zuflucht) und Johannes (Hagios Joannes Theologos). Während Maria aus der traditionellen Ikonographie und Stellung als Assistenzfigur der Kreuzigungsszene übernommen scheint (allerdings mit einem durch goldbestickte Bordüre und Fransen sehr reich verzierten Maphorion), ist Johannes als alter Mann dargestellt, wie er meistens in der späten Buchmalerei als Evangelist gekennzeichnet wird. Bei der Rückseite mit Überschrift »Das Wunder von Latom« diente wiederum ein bekanntes ikonographisches Schema, wenn auch modifiziert, als Grundlage: die Theophanie-Darstellung des Christus Emmanuel auf dem Regenbogen sitzend und von einer Aureole mit den Evangelistensymbolen umgeben, über einem in einer Felsenlandschaft eingebetteten See mit sieben Fischen; zu beiden Seiten die Propheten Hesekiel und Habakuk mit griechischen Bezeichnungen. Die griechische Inschrift auf der Schriftrolle Christi lautet: »Siehe, unser Gott, auf den wir hoffen. Laßt uns frohlocken, denn Er gibt Ruhe diesem Hause« - eine abgeänderte Wiedergabe des Textes aus Jesaia 25, 9-10. Auf dem offenen Buch in der Hand von Habakuk steht ein Zitat von Hesekiel 3, 1:

 

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»Menschensohn, iß dieses Büchlein«. Die Darstellung Habakuks, dessen Einbeziehung in das Bild auf seine Theophanievision zurückgeht, lehnt sich zu sehr an die traditionelle Ikonographie Johannes’ als Assistenzfigur der Kreuzigungsszene an, um dies durch Zufall oder Mangel an Phantasie beim Künstler zu erklären - ein Zusammenhang zwischen Habakuk und Johannes besteht andererseits durch die Ähnlichkeit der Theophanievision des Propheten mit der Johannes zugeschriebenen Apokalypse. Dennoch bleibt uns eine klare Deutung dieser langen Kette von Verbindungen und Zusammenhängen durch das Fehlen mehrerer Bindeglieder versagt. Eine befriedigende Lösung gibt weder die Hypothese von Xyngopulos, die an die Überlieferung von dem Wunder von Latom anknüpft und eine enge Beziehung der Ikone zum Latomos-Kloster in Thessaloniki vermutet, noch die Anspielung auf das persönliche Schicksal der Stifterin und ihres Vaters, als deren Zwiegespräch I. Dujčev die symbolische Gegenüberstellung beider Hauptfiguren an der Vorderseite ansehen möchte. Vielmehr scheint eine allgemeinere Deutung beider von der endzeitlichen Stimmung der Epoche geprägten Szenen durch die Texte aus Jesaia und aus dem Johannesevangelium 19, 26-27, wo Maria und Johannes mit der Kreuzigungsszene verknüpft sind, im Sinne der Verbundenheit mit Gott als letzte Zuflucht für alle Leidenden durchaus nahezuliegen und wird durch das Patrozinium Johannes’ für das Poganovo-Kloster noch unterstützt. Diese Interpretation mag den Gefühlen der Kaiserin Helena Palaiologos entsprochen haben, deren ganzes weiteres Leben durch das Ereignis bei Rovine überschattet wurde: Bis zu ihrem Tode - sie starb 1450 als Nonne in einem Kloster Konstantinopels - konnte sich die großzügige Stifterin zahlreicher Kirchen und Klöster mit dem Verrat ihres Vaters nicht abfinden, der bei einer für das Überleben der Orthodoxie entscheidenden Schlacht an der Seite der osmanischen Eroberer focht und dabei den Tod fand.

 

T. Gerasimov: L’icône bilaterale de Poganovo au Musee archeologique de Sofia (CA X/1959, 279-288); A. Grabar: A propos d’une icône byzantin du XIVe s. au Musee de Sofia (ebd. 289-504); ders.: Nouvelles recherches sur l’icône bilaterale de Poganovo (ebd. XII/1961, 366-572); A. Xyngopulos 1961; I. Dujčev: Bulgarische Kunst im 14. Jh., Sofia 1965, 43-46; Frühe Ikonen, Nr. 102, 103, 105; NKG - 1966, Nr. 18-19; S. Bosilkov 1968; A. Boschkov 1976, NAG - 1976, Nr. 4; Ausstellungskataloge Nr. 1, 2, 3, 4, 5, 6, 8, 9, 10, 11, 12.

 

 

V. Osmanische Herrschaft und Ausklang (Ende des 14. bis Ende des 18.Jh.)

 

Aufsatzkreuz

Buchsbaumholz in Silbereinfassung. 48 x 12,5 x 5,5 (Kreuz 20 x 12) cm. Nationalmuseum Rila-Kloster. Inv.-Nr. PM-I-336

 

Der vermutlich aus dem 15. Jh. stammende geschnitzte Holzkern, ursprünglich als ein Altaraufsatzkreuz konzipiert, ist durch die Einfassung zum Aufsatz einer Prozessionsfahne umfunktioniert worden. Die Arme des in der Form eines lateinischen Kreuzes gestalteten Holzkerns sind auf beiden Seiten in je sechs mit einem Zackenfries gerahmte Felder gegliedert, in denen Darstellungen von Festszenen im Hochrelief enthalten sind. Wesentlich jünger ist der Silberbeschlag mit kleinen Öffnungen in der Form von Spitzbögen über Spiralsäulchen für die einzelnen Szenen, der das reliefierte Kreuz von allen Seiten umschließt und in der ersten Hälfte des 17. Jh. angefertigt zu sein scheint (Reliefs unter dem Beschlag z. T. durch längeren Gebrauch des Kreuzes bereits beschädigt). Ein doppelter Flechtbandstreifen aus Filigran faßt alle Ränder ein; an den Zwickeln und an der Spitze sind halbkugelförmige Rosetten angebracht. Das ursprünglich zum Silberbeschlag gehörende Postament ist um die Mitte des 18. Jh. durch ein ebenfalls silbernes, jedoch mit getriebenem Flachrelief versehenes Aufsatzstück zur Befestigung auf dem Stiel einer Prozessionsfahne ersetzt worden. Die Form und die ornamentale Verzierung mit Ranken, Rosetten und geometrischen Figuren des ehemals teilweise vergoldeten Aufsatzstückes zeigen bereits Einwirkungen der islamischen Kunst und bestätigen, daß seine Schöpfer vorwiegend für türkische Auftraggeber tätig gewesen sind.

 

Das Bildprogramm des geschnitzten Kreuzes entspricht seiner ursprünglichen liturgischen Funktion als Altaraufsatzkreuz und weist einen engen Zusammenhang mit den einzelnen Phasen der Liturgie auf, bei denen ihm eine bestimmte Rolle zugeteilt wird. So umfaßt die Vorderseite die wichtigsten Phasen der Inkarnation des Logos - der vollendeten Entfaltung der göttlichen Natur Christi -, die den Hauptphasen der Liturgie entsprechen: Verkündigung an Maria, Christi Geburt und Taufe bis zur Auferweckung des Lazarus. Die beiden Szenen auf dem Querbalken - Darbringung und Mariä Tempelgang - stehen ebenfalls eng mit der Liturgie im Zusammenhang: Die Darstellung einer Treppe zum Opfertisch, ein ikonographisches Detail palästinensischen Ursprungs, begegnet nur bei liturgischen Kreuzen als bildhafter Ausdruck der während der Ölweihe vorgelesenen Texte. Die Rückseite bestimmt die Idee von der Auferstehung - Opfer und Buße. Im Mittelpunkt steht der Triumph des Kreuzes mit der Adoration der Ureltern und mit Darstellungen der wichtigsten Zeugen der Inkarnation: Maria als Zeugin der doppelten Natur Christi, Johannes als Zeuge für die Taten, Salome als Zeugin für die erste Stunde des inkarnierten Logos und Longinos als Zeuge seiner letzten Stunde; unten ist die Anastasis, die Szene der Auferstehung von den Toten, oben die Himmelfahrt, das Symbol für die Verknüpfung der irdischen und himmlischen Kirche, ganz unten der Einzug in Jerusalem, in dem die orthodoxe Theologie die Idee der Wiederankunft verkörpert sieht; die beiden anschließenden Darstellungen am Querbalken - Koimesis und Verklärung - stehen wiederum im Zusammenhang mit ihrer eschatologisch-parusialen Auslegung durch die frühchristliche Theologie und Gnosis.

 

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Diese wird durch die kreuzförmige Aureole Christi bei der Verklärung unterstrichen, ein durchaus frühchristliches Motiv östlichen Ursprungs mit endzeitlicher Bedeutung. Wie das Bildprogramm folgt die Ikonographie dieses Kreuzes einem unbekannten östlichen Prototyp, der mehrere vorikonoklastische Züge aufweist (z. B. der Brunnen bei der Verkündigungsszene, die Treppe zum Opfertisch, die Adorationsszene am Triumph des Kreuzes, rechter Descensustyp für die Anastasisszene, elf statt zwölf Apostel bei der Koimesis). Stilistisch zeigen die Reliefs ebenso mehrere archaisierende Züge - äußerst sparsame Kunstmittel, kreuzförmiger Aufbau der Komposition, expressive Formensprache, verkürzte Proportionen der ekstatisch-starren, dennoch emotionell aufgeladenen Figuren. Die einzelnen Szenen sind mit kurzen griechischen Inschriften versehen, deren Orthographie sehr fehlerhaft ist.

 

A. Tschilingirov 1966 (Iz), 37 f.

 

 

Slepče-Evangeliar

Nationales Kirchenmuseum Sofia. Nr. 340

 

In einem der Skriptorien des westlichen Balkans im 15. Jh. auf 305 Papierblättern (30,5 x 20,5 cm) mit schönen Unzialen geschrieben und reich verziert: vier ganzseitige Evangelistenbildnisse (20,4 x 14 cm) - Matthäus und Lukas schreibend, Markus mit Buch und Schriftrolle in der Linken, alle drei mit Evangelistensymbolen im rechten oberen Himmelssegment; Johannes mit Prochor in der Höhle mit Himmelssegment und der Hand Gottes in der linken oberen Ecke; quadratische Titelleisten mit Flechtbandranken auf fol. 2, 83, 139 und 227; Zierleisten und Initialen als Flechtband von Blüten- und Vogelmustern in Grün, Ocker, Rot, Lila und Gold durchsetzt. Die Ikonographie der Evangelisten folgt der frühchristlichen östlichen Tradition mit Darstellungen der Evangelistensymbole. Die Ausführung ist sehr präzis und von hoher künstlerischer Qualität.

 

M. Stojanov 1973, 14!., Nr. 120; V. Pandurski 1977, Nr. 33-38; Ausstellungskataloge Nr. 1, 2, 3, 4, 5, 6.

 

 

Evangeliarbeschlag

Bronze, Silber, getrieben und vergoldet. 32 x 23 (Mittelfeld 26 x 21) cm. Nationales Kirchenmuseum Sofia. Inv.-Nr. 23

 

Das aus der Kirche Sveta Petka in Sofia stammende Evangeliar enthält 243 Papierblätter in Großfolio, geschrieben mit roten Initialen und Unzialschrift; auf beiden Seiten reliefierter Silberbeschlag, ein Werk des Sofioter Goldschmiedemeisters Matej aus dem Jahre 1581. Die Vorderseite besteht aus einer rahmenden ornamentierten Stifterinschrift und halbkugelförmigen Eckbeschlägen; im Mittelfeld Kreuzigung mit Sonne, Mond, vier Engeln (der Engel unten links sammelt mit einer Schale das Blut); mehrere Begleitpersonen: rechts Johannes und Longinos, links Maria, von Salome gestützt, inmitten einer größeren Frauengruppe, am Kreuzfuß die Höhle mit dem Schädel Adams. Rückseite: Anastasisszene, umgeben von durchbrochener Voluten- und Blütenrahmung, in den geschweiften Ecken Darstellungen der vier Evangelisten in Ganzfigur. Die zweite auf uns gekommene Arbeit des Meisters Matej - vier Jahre nach der Anfertigung seines bekannteren Werkes, des Beschlages für das Krupnik-Evangeliar im Rila-Kloster (1577) bringt er hier eine völlig neue Lösung der Zentralkomposition mit der Kreuzigung: Anstelle der Ausgewogenheit und der feierlich repräsentativen, jedoch traditionsbedingten und konventionellen Form des ersten Beschlages tritt hier eine bewegte und expressive Formensprache in Erscheinung und kündigt zugleich die Richtung der weiteren Stilentwicklung an, die allmählich die traditionellen Schemata überwindet und durch ausdrucksvolle und unmittelbar wirkende Kompositionen ersetzt.

 

Alte Kunst in Bulgarien 111/1967, 35; A. Boschkov 1972, 181; V. Pandurski 1977, Nr. 40-41; Ausstellungskataloge Nr. 2, 3, 4, 5, 6, 8, 9, 10, 11, 12.

 

 

Sveta-Petka-Samardshijska-Kirche, Sofia

 

Zum erstenmal im Tagebuch Stefan Gerlachs aus dem Jahre 1578 erwähnt, dürfte die der Schutzheiligen der Sattlerzunft geweihte Kirche im Zentrum von Sofia bereits im späten 15. Jh. bestanden haben - einschiffige gewölbte Anlage (12 x 8 m) mit Narthex, halbrunder Apsis sowie an den seitlichen Innenwänden je zwei großen und zwei kleinen Blendnischen; das gemischte Mauerwerk z. T. in Zellenbautechnik unter Verwendung älterer Baumaterialien und Fundamente aufgeführt. Die Außenmauern sind ungegliedert, die kleinen Fenster gehören nicht zur ursprünglichen Baukonzeption; die Mauern und die Überdachung in der jüngsten Zeit ergänzt. Ein sehr geringer Teil der heute fragmentarisch erhaltenen Bemalung dürfte aus der Gründungszeit stammen; der überwiegende Teil datiert erst aus der zweiten Hälfte des 16. Jh. mit Ergänzungen aus dem 17. Jh. Durch Zerstörung der ursprünglichen Malerei im Ostteil und an der Westwand der Kirche ist das Bildprogramm nur teilweise rekonstruierbar, entspricht jedoch der Tradition (auf dem Gewölbe die vier Hypostasen Christi, von Brustbildnissen der Propheten im fortlaufenden Fries flankiert, die Fest- und Passionsszenen in zwei differenzierten Zyklen, nach unten von Ganzfiguren der Heiligen und Märtyrer sowie von Brustbildnissen in Medaillons in den Blendnischen gefolgt; unterhalb des Gewölbes im Altarraum die geteilte Himmelfahrtsszene, seitlich der Apsis mit Platy- tera (?), Apostelkommunion und zelebrierenden Kirchenvätern, sowie alttestamentliche Szenen; beiderseits des Triumphbogens die zweiteilige Verkündigungsszene). Abweichend vom üblichen Schema erscheinen die Darstellungen der auf einem Synthronon sitzenden Apostel auf dem Triumphbogen sowie die Evangelistendarstellungen in den Zwickeln zwischen den Wandnischen. Die konventionelle Ikonographie folgt den mittelbyzantinischen Schemata,

 

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weist aber oft enge Beziehungen zu der lokalen vorikonoklastischen Tradition auf. Nur bei den Passionsszenen sind Neuerungen einbezogen, vor allem in der narrativen Formensprache des 14. Jh. und im szenischen Beiwerk. Die einer im späten 16. Jh. sehr produktiven Lokalwerkstatt entstammende Malerei zeigt besonders im Detail hohe künstlerische Qualität, bleibt aber hinter den hervorragenden Leistungen der führenden zeitgenössischen Künstler auf dem südwestlichen und zentralen Balkan weit zurück. Seit den 50er Jahren wurden an der Kirche umfangreiche Restaurationsarbeiten vom Nationalinstitut für Denkmalpflege unter N. Muschanov durchgeführt.

 

S. Michajlov 1959; ders. 1961.

 

 

Dragalevzi-Kloster

 

Das laut erhaltenen Urkunden des Zaren Ivan Alexander (1331-71) im 14. Jh. gegründete Kloster in der Nähe von Sofia, der Gottesmutter von Vitoscha geweiht, wurde während der türkischen Eroberung Ende des Jahrhunderts zerstört und anschließend verlassen. Nur wenige Jahrzehnte später jedoch sammelten sich hier wieder Einsiedler und erneuerten die Klostergebäude. Die im späten 15. Jh. errichtete Kirche (kleiner einschiffiger gewölbter Steinbau mit Narthex, 1932 in einen größeren Bau einbezogen) ist als eines der ersten christlichen Gotteshäuser während der osmanischen Herrschaft entstanden und 1476 mit Wandmalerei geschmückt. Von dieser durch eine Stifterinschrift über dem Eingang datierten Bemalung haben sich lediglich die Wandbilder im Narthex erhalten, in den 60er Jahren von L. Kojnova freigelegt (Pantokrator und Panagia in Medaillons im Gewölbescheitel, von einem Fries mit Prophetenbrustbildnissen flankiert; Jüngstes Gericht auf der Nord- und Ostwand, alttestamentliche Szenen auf der Westwand unterhalb der Darstellung des Kirchenpatrons - der Gottesmutter mit dem Kind in einer von Engeln getragenen Aureole auf der Ostwand Predigt am Laubhüttenfest sowie Christus Emmanuel; in der ersten Zone Stifterbildnisse). Der größte Teil des ursprünglichen Wandschmucks im Naos ist durch eine zweite Schicht Anfang des 17. Jh. überdeckt, so daß über das ursprüngliche Bildprogramm, den Inhalt und Stil der Fresken eine unzureichende Vorstellung besteht (Fest- und Passionsszenen in zwei geteilten Zyklen dargestellt, die sich jedoch auf der Nordwand vermischen; darunter ein Medaillonfries und Darstellungen der Heiligen in Ganzfiguren). Der Bemalung von 1476 schließt sich eine wenig spätere (Ende des 15./Anfang des 16. Jh.) auf der Westfassade mit großen Wandbildern der reitenden Heiligen Demetrios und Merkurios beiderseits des Drachenwunders des hl. Georg an; im Tympanon finden sich die thronende Gottesmutter mit dem Kind, von Engeln umgeben, und darunter die fragmentarisch erhaltenen Szenen Daniel zwischen den Löwen und Die drei Jünglinge im Feuerofen. Wie die erste Malschicht im Naos und die Wandmalerei im Narthex zeigen die Wandbilder der Westfassade eine fortschreitende Abwendung von der ikonographischen Tradition sowie eine Neigung zum Phantastischen und zum unterhaltsamen Detail - Tendenzen einer volkstümlichen Interpretation und Umbildung der theologischen Sujets neben einer expressivwirkungsvollen, dennoch derb-vergröbernden und profanierenden Formensprache. Hingegen kennzeichnet die zu Beginn des 17. Jh. ausgeführte zweite Bemalung des Naos eine Rückkehr zur ikonographischen Tradition, die sich unter athonitischem Einfluß vollzogen hat und eine unmittelbare Beteiligung des Erneurers der orthodoxen Malerei in den westbulgarischen Gebieten, des Malers Pimen Zografski, vermuten läßt.

 

A. Grabar 1928, 291-306; M. Kovatschev 1940; A. Vasiliev 1960, 58-62; E. Floreva-Dimitrova 1968; K. Mijatev 1974, 196 f.

 

 

Kremikovzi-Kloster

 

Nordöstlich von Sofia, auf den Abhängen des Balkans gelegen; die Alte Georgskirche ist im späten 15. Jh. errichtet - einschiffige gewölbte Anlage z. T. in Zellenbautechnik ausgeführt; um die Wende zum 16. Jh. ein Narthex angebaut; nach mehreren Umbauten, verursacht durch den Einsturz des Naosgewölbes und durch unsachgemäße Restaurierungsarbeiten, ist ein großer Teil der ursprünglichen Bausubstanz mit der Bemalung verlorengegangen. Eine nicht mehr erhaltene Inschrift berichtete über die 1503 erfolgte Erneuerung der Kirche; eine weitere Inschrift auf dem Stifterbildnis des Metropoliten von Sofia Kalinik († 1503) und des Sofioter Grundbesitzers Radivoj mit seiner Frau und beiden 1493 ver" storbenen Kindern führte durch falsche Lesung und Interpretierung des Textes zu langen Kontroversen und irrtümlicher Auffassung einer Verbindung des Stifters mit dem rumänischen Fürsten Radu Voda. Die Ausmalung der Kirche ist in drei kurz hintereinander folgenden Phasen von unterschiedlichen Künstlern ausgeführt worden. Zuerst entstanden in den 90er Jahren des 15. Jh. die Wandbilder im Naos, erhalten in beiden unteren Zonen (Medaillonfries und Ganzfiguren von Heiligen mit Fragmenten der Festszenen). Die zweite Phase umfaßt die Ausmalung des Narthex um 1503, dessen Wandbilder wesentlich vollständiger auf uns gekommen sind (Medaillonfries und Ganzfiguren in den unteren Zonen, Vitenszenen des Kirchenpatrons in den oberen Zonen und Bildzyklus nach dem Weihnachtskanon auf der Westwand). Zuletzt ist die Westfassade ausgemalt worden (Jüngstes Gericht) - diese Wandbilder besitzen eine geringere Kunstqualität und sind heute fast völlig verblaßt. Der Naos birgt die künstlerisch wertvollsten Wandbilder. Charakteristisch für sie ist die eigenartige Temperatechnik mit den in mehreren dichten Schichten aufgetragenen Farben sowie die ausgeprägte Individualisierung der weit von Schabionisierungen entfernten Heiligen- und Stifterbildnisse, womit sich die humanistischen Tendenzen der bulgarischen Malerei des Hochmittelalters (Bojana) fortsetzen;

 

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alle Inschriften sind slawisch mit tadelloser mittelbulgarischer Orthographie. Denselben Künstlern ist die Wandmalerei weiterer Kirchen in der Moldau aus dem frühen 16. Jh., darunter der Kirche in Hirläu, Rumänien, zuzuschreiben. Die ebenfalls künstlerisch niveauvolle Ausmalung des Narthex mit einem reichen szenischen Beiwerk an den Kompositionen sowie plastisch-modellierten und durch elegante, mit schwungvollen Konturen umrissene Figuren steht hingegen in engem Zusammenhang mit der westbulgarischen Kunsttradition und erscheint als wichtigstes Bindeglied in der Kunstentwicklungskette der durch wenige Denkmäler vertretenen Monumentalmalerei auf dem Balkan des 15. und frühen 16. Jh.

 

I. Schandarov 1898; A. Grabar 1928, 324-336; P. Mutaftschiev 1931, 273-280; G. Balastschev 1942; S. Michajlov 1960; A. Vasiliev 1960, 63-66; K. Paskaleva 1967; A. Boschkov 1969 (Malerei), 191 bis 195; K. Paskaleva: Nouvelles donnees sur l’église St. Georg de Monastere de Kremikovzi (Actes du XIVe Congres Intern. des fitudes byzantines, Bucarest 1971, III/1976, 345-347).

 

 

Ilienzi-Kloster

 

Von dem im 16. und 17. Jh. bedeutenden Kloster am nördlichen Rande von Sofia ist nur die Kirche erhalten - einschiffiger gewölbter Steinbau (19,50x6,80 m) mit halbrunder Apsis, bis zu 1 m in der Erde vergraben, in drei Bauperioden ausgeführt: Der ursprünglichen Anlage aus dem letzten Viertel des 16. Jh. mit je drei Blendnischen an den seitlichen Innenwänden schloß sich wenig später ein Narthex und 1832 ein Exonarthex an; zugleich wurde die ganze Kirche von außen verputzt, durch Strebepfeiler im Ostteil befestigt und neu ausgemalt. Bis jetzt ist lediglich ein geringer Teil der später übertünchten Malerei im Naos freigelegt (Melismos in der Apsisnische, Festszenen im Gewölbe, Deesis in der zweiten Nordnische, Koimesis auf der Westwand sowie Bildnisse von Heiligen in Medaillons oder in Ganzfiguren, alle mit slawischen Inschriften). Bildprogramm und Ikonographie sind für das späte 16. Jh. charakteristisch (Deesis mit Christus als Großer Priester und Gottesmutter als Himmelskönigin, symmetrische Komposition der Anastasisszene, Medaillons mit Prophetenbildnissen). Die übertriebene Akzentuierung der Farbkontraste, die gereckten Proportionen der Darstellungen und ihre starke Ausdruckskraft erreichen hier einen der Höhepunkte der asketischen Richtung der spätmittelalterlichen Monumentalmalerei Bulgariens, besonders auf dem Bildnis der Gottesmutter in der Deesis sichtbar. Die zur Zeit ebenfalls nur im geringen Umfang freigelegte Wandmalerei aus dem frühen 17. Jh. im Eso- narthex (Medaillons und Ganzfiguren von Märtyrern und Einsiedlern, Jüngstes Gericht und der Tierkreis) ist wahrscheinlich unter Beteiligung des Malers Pimen Zografski entstanden. Die aus dem Jahre 1832 stammende Malerei des Exonarthex ist von einer lokalen Werkstatt ausgeführt worden und besitzt nur geringe künstlerische Qualität.

 

V. Pandurski 1969.

 

 

Heiliger Kliment von Ochrid

Tempera auf Holz. 35 x 27 x 2 cm. Nationales Kirchenmuseum Sofia. Inv.-Nr. 3250

 

Brustbild des segnenden Heiligen im Phelonion mit Omophorion und einem Evangelienbuch in der linken Hand. Die Ikonographie der vermutlich im frühen 15. Jh. entstandenen Ikone folgt in Hauptzügen dem Prototyp aus dem späten 14. Jh. in der Klimentkirche, Ochrid, jetzt in der Ikönengalerie, ebd. (V. Djurić 1961, Nr. 78, K. Balabanov 1969, Nr. 45), zeigt jedoch eine Profanierung und Vereinfachung des hochkultivierten palaiologi- schen Vorbildes. Die übertriebene Modellierung und die stark akzentuierten weißen Lichter auf dem hellen Inkarnat, deren ornamentierte Stilisierung die dekorative Wirkung der streng symmetrisch aufgebauten Komposition steigert, sind für die nachpalaiologische Kunst mit ihren antiklassizistischen Tendenzen charakteristisch. Es wird erneut eine Ausgewogenheit und ekstatische Starrheit angestrebt; die Formensprache versteift und neigt zu einer Schematisierung, dennoch gibt sie dem Kultbild die im 13. und 14. Jh. verlorengegangene Abstraktheit und Zeitlosigkeit wieder zurück.

 

V. Pandurski 1966; A.Vasiliev / I. Vasilieva 1967; V. Pandurski 1977, Nr. 21.

 

 

Deesis

Tempera auf Holz. 108,5 x 95,5 x 3,5 cm- Nationalgalerie Sofia. Inv.-Nr. 199

 

Der mit seiner Rechten segnende Christus hält in der Linken ein offenes Evangelienbuch mit der Inschrift aus dem Johannesevangelium 8,12; beiderseits hinter dem Thron die kleineren Figuren Mariä und Johannes’ in der üblichen Stellung und Tracht. In der rechten unteren Ecke griechische Stifterinschrift mit dem Datum 1495. In der differenzierten Größe der Figuren, der Bekleidung Christi und der Form des Throns, ohne Lehne und in umgekehrter Perspektive dargestellt, ist die alte Tradition noch spürbar, während in der graphisch-linearen Behandlung der stark akzentuierten Lichter auf dem dunklen Inkarnat und den in breiten Flächen aufgetragenen Lokalfarben eine für das 16. und 17. Jh. charakteristische Besonderheit der Formensprache bereits vorgebildet erscheint.

 

Frühe Ikonen, Nr. 112-113; NKG - 1967, Nr. 25; S. Bossilkov 1968; NAG - 1976, Nr. 8; Ausstellungskataloge Nr. 1, 2, 8, 9, 10, 11, 12.

 

 

Kirchentür

Nußbaumholz, 2,03 x 1,22 m. Nationalmuseum Rila-Kloster

 

Die in à-jour-Technik ausgeführte Kirchentür war mit Inkrustationen versehen und zeigt noch Spuren der ursprünglichen Goldfassung. Jeder Flügel mit einfassender halbrunder Flechtbandrahmung ist in fünf kassettenähnliche quadratische Felder unterteilt,

 

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in deren Mitte sich je eine halbrunde Rosette befand (die erste von unten rechts und die zweite von links sind, wie die zahlreichen kleinen Rosetten an den Ecken der Rahmen, verloren), vom Flechtbandornament mit Palmetten und stark stilisierten phantastischen Tierdarstellungen und Fabelwesen umrahmt. Sowohl das Ornament als auch die Ikonographie der Tierdarstellungen zeigen eine starke Bindung an die bulgarische bildnerische Tradition, die bis in die vorchristliche Zeit zurückreicht (Goldschatz von Nagyszentmiklös, Truhe von Terracina) und nicht weniger für die mittelalterliche Buchmalerei und Goldschmiedekunst Bulgariens charakteristisch ist, die die Prototypen für die Holztür lieferten.

 

In der Wissenschaft irrtümlich ins 14. Jh. datiert und zur ursprünglichen Ausstattung des 1343/44 erbauten und 1834 abgerissenen Katholikons des Rila-Klosters gerechnet, entstammt die Tür jedoch wahrscheinlich einer athonitischen Werkstatt des 15. und i6,Jh.,zu deren Arbeiten neben den geschnitzten Türen im Dionysios-Kloster auch die von Snagov und Slepče gehören dürften.

 

K. Mijatev 1922-25, 319 f.; Das Rila-Kloster 1957, 57 f.; T. Siljanovska-Novikova 1963, 72 f. (Lit.); Ausstellungskataloge Nr. 1, 2.

 

 

Gottesmutter Hodegetria mit Propheten

Tempera mit Gold auf Eichenholz. 130 x 99 x 3,8cm. Nationalmuseum Sofia. Inv.-Nr. 1728

 

Die aus Nessebar stammende große Prozessionsikone stellt vermutlich ein importiertes Werk der auf dem Berge Athos tätigen italo-griechischen Schule dar. Der traditionelle »linke« Hodegetria-Typus zeigt fast alle Merkmale des alten überlieferten Bildschemas (das Kind stützt mit der Linken eine Schriftrolle über seinem Knie), während die dynamisch-bewegten Prophetenfiguren an palaiolo- gische Vorbilder anknüpfen. Hingegen verrät die strenge und betont spiritualisierende Formensprache die asketischen Züge der athonitischen Mystik, deren Blütezeit mit dem Entstehungsdatum der Ikone (Jahr 1566, Indiktion 9) zusammenfällt, das in der Stifterinschrift an der unteren Rahmenleiste enthalten ist.

 

K. Krestev / V. Sachariev 1960, Nr. 45; A. Akrabova-Shandova 1966, Nr. II; Ausstellungskataloge Nr. 8, 9, 10, 11, 12.

 

 

Nikolaoskirche, Mariza

 

An den Nordabhängen des Rilagebirges, am oberen Mariza-Fluß gelegen; der zu Beginn des letzten Drittels des 16. Jh. entstandenen schlichten Dorfkirche (einschiffiger gewölbter Steinbau mit Innenabmessungen 5,4 x 3,6 x 3,2m) wurde 1829 im Westen ein größerer rechteckiger Anbau mit Tonnengewölbe hinzugefügt. Die Architektur folgt einem um die Wende vom 16. zum 17. Jh. in den westlichen Gebieten der Balkanhalbinsel verbreiteten Bautypus gewölbter einschiffiger Steinkirchen mit ungegliederten Innen- und Außenwänden sowie als charakteristischer Besonderheit einem vorspringenden Bogen über Lisenen an der Westfassade am Anschluß des Gewölbes. Die Ausmalung der ursprünglichen Kirche wurde in zwei kurz hintereinander folgenden Phasen ausgeführt: unmittelbar nach der Errichtung die der Westfassade (fragmentarisch erhaltenes Jüngstes Gericht) und der Apsisnische (Platytera und Melismos) in Freskotechnik auf Lehmgrund; etwas später, vermutlich zu Beginn der 90er Jahre des 16. Jh., die des Naos (über ornamentalem Sockel Ganzfiguren der Kirchenväter und Märtyrer sowie Deesis und Vision des hl. Petrus von Alexandrien; darüber ein Medaillonfries - im Altarraum Brustbildnisse der Kirchenväter in rechteckigen Rahmen - sowie ein reduzierter Zyklus der Fest- und Passionsszenen; im Gewölbescheitel Christus Pantokrator im Medaillon mit den himmlischen Hierarchien, von einem Fries mit Prophetenbrustbildnissen flankiert; westlich vom Pantokrator Christus Emmanuel und östlich Christus in der Glorie als eine Fortsetzung der Himmelfahrtsszene an der Ostwand). Stil und Ikonographie sind weitgehend der alten Lokaltradition verpflichtet, besonders deutlich an der graphisch-linearen Formensprache mit betont asketisch-mystischem Ausdruck und kräftigen Farbkontrasten der ersten Bemalung spürbar sowie in den überlieferten, z. T. vorikonoklastischen ikonographischen Typen (Typologie der Heiligen und Christi, fortlaufender Fries mit Prophetendarstellungen, Deesis mit stehendem Christus und Maria im ikonographischen Typus Paraklesis, Pantokrator mit der segnenden Rechten über der Schulter u. a.). Daneben erscheinen jedoch auch einige Besonderheiten der spätmittelalterlichen Symbolik (Mandylion innerhalb der Himmelfahrtsszene, Joseph im Gespräch mit dem Satan im Weihnachtsbild) und zeitbezogenes szenisches Beiwerk. 1961 bis 1970 wurden die Malerei und die Architektur restauriert und konserviert (N. Muschanov und B. Ilieva mit Kollektiv).

 

A. Boschkov 1969 (Wandmalerei), 120-124; A. Tschilingirov 1976 (Lit.).

 

 

Erzengel Michael

Tempera mit Silber auf Holz. 60 x 45,5 x 3 cm. Nationalgalerie Sofia. Leihgabe des Nationalen Kirchenmuseums. Inv.-Nr. 3334

 

Streng zeremonielle Darstellung des halbfigurigen Erzengels in roter geblümter Chlamys mit Loros, Diadem sowie Schwert und Sphaira in den Händen; profilierter Rahmen mit Flechtbandornament und slawischer Inschrift. Die fast graphische Formensprache der aus Plovdiv stammenden Ikone und der auf starken Hell-Dunkel-Kontrasten beruhende Aufbau der Komposition bei einer sonst zurückhaltenden Farbigkeit und einem Übergewicht der schwarz-rot-silbernen Farbskala entsprechen der asketischen Stilrichtung in der bulgarischen Malerei des späten 16./frühen 17. Jh. Es wird eine extreme Entmaterialisierung bei der Wiedergabe des Gesichts und Körpers erreicht, die die Ausdruckskraft des Kultbildes steigert.

 

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Nach einer Rückkehr der christlichen Kunst während der Palaiologenzeit zu den Naturvorbildern wird wiederum eine äußerste Stilisierung angestrebt sowie das Abstrakte und Zeitlose hervorgehoben.

 

K. Krestev / V. Sachariev 1960, Nr. 90; N. Schmirgela 1961 (Iz); S. Bossilkov 1966, VIII; NKG - 1967, Nr. 54; NAG - 1976, Nr. 24; A. Tschilingirov 1976, 20; Ausstellungskataloge Nr. 1, 2.

 

 

Konzil der Erzengel Michael und Gabriel

Tempera mit Gold auf Holz. 89,5 x 53,5 x 3 cm. Nationalgalerie Sofia, Leihgabe des Bezirksmuseums Veliko Tirnovo. Inv.-Nr. 67-x

 

Die aus Veliko Tirnovo stammende Ikone repräsentiert das ältere ikonographische Schema des Kultbildes für das Fest der himmlischen Hierarchien (8. November), bei dem nur die Erzengel Michael und Gabriel vertreten sind, die ein Medaillon mit dem Brustbildnis des Christus Emmanuel (imago clipeata) halten. Dieses Bildschema, das durch die georgische Ikone aus der Erzengelkirche in Pchotrer, Swanetien (12. Jh.), und die Ikone im Russischen Museum, Leningrad (spätes 13. Jh.), sowie die Wandbilder in Staro Nagoričino (1318) und in der Heilandskirche in Ziča (14. Jh.) bekannt ist, wird hier durch die Darstellung des mit beiden Händen segnenden Emmanuel und durch die aufgegebene strenge Frontalität beider Erzengel abgewandelt, ähnlich den Wandbildern der zweiten Bemalung in Berende (16. Jh.). Auch die vielfarbige strahlende Aureole des Emmanuels, wie die charakteristische Darstellungsweise der Flügel, die graphische Behandlung der Formen mit gereckten Proportionen und das helle Inkarnat mit weißen Lichtern und tiefschwarzen Schatten der Gesichter folgen der asketischen Richtung der Balkanmalerei des späten 16. Jh., wie wir sie von der ersten Bemalung der Nikolaoskirche in Mariza kennen, deren Schöpfer zum gleichen Kunstkreis und möglicherweise zur gleichen Werkstatt gehörte. Die Ikone unterscheidet sich von den späteren überladenen Darstellungen desselben Themas mit Vertretern aller himmlischen Hierarchien, die in Rußland bereits im 15. Jh. auftreten, jedoch in Bulgarien erst seit dem 17. Jh. (die Ikone aus dem Batschkovo- Kloster in der Nationalgalerie Sofia, Frühe Ikonen Nr. 138) charakteristisch sind.

 

N. Schmirgela 1961 (Iz); NKG - 1967, Nr. 50; S. Bossilkov 1968, Nr. 8; NAG - 1976, Nr. 50; A. Tschilingirov 1976, 20 f.; Ausstellungskataloge Nr. 1, 2, 8, 9, 10, 11, 12.

 

 

Roshen-Kloster

 

Ehemals Metochion des athonitischen Klosters Iviron, 6 km östlich von Melnik gelegen. Die Zeit der Gründung ist unbekannt; im 14. Jh. wirkte hier ein Skriptorium, von dem illuminierte Manuskripte hervorgegangen sind. Das vermutlich im 12.-13.Jh. gegründete Katholikon »Geburt der Gottesmutter« - eine mit Satteldach flach gedeckte dreischiffige Säulenbasilika, im Osten mit Zentral- und Südapsis - ist mehrmals umgebaut worden. Um die Mitte des 16. Jh. erhielt es einen Narthex mit Nordkapelle; in den 20er Jahren des 18. Jh. wurde das ganze Gotteshaus erneuert und ausgemalt. Die frühesten Reste des Wandschmucks sind die Fresken im Narthex (Deesis, Koimesis, Herabkunft des Heiligen Geistes, Festszenen, Stifterbildnisse) aus der zweiten Hälfte des 16. und aus dem frühen 17. Jh.; um 1730 wurden sie z. T. durch die neue Malschicht überdeckt und erst in den letzten Jahren freigelegt (L. Kojnova mit Kollektiv). Chronologisch schließt sich dieser Malerei das Wandbild des Pantokrators mit Evangelistensymbolen und Medaillons mit Apostelbrustbildnissen in der Nische der Westfassade aus dem Jahr 1597 an; stilistisch verwandt sind die fragmentarisch erhaltenen Fresken an der Südfassade aus dem Jahr 1611 (Jüngstes Gericht mit dem Tierkreis). Während der Erneuerung des Katholikons wurde der ganze Kirchenraum laut Stifterinschrift über dem Westeingang aus dem Jahr 1732 vollständig neu ausgemalt (erweiterte Fest-, Wunder- und Passionszyklen in den oberen zwei Zonen sowie Medaillonfries mit Brustbildnissen von Märtyrern und Ganzfiguren von Heiligen und Einsiedlern in den unteren zwei Zonen). Dieser Zeit gehören auch die weiteren Stifterbildnisse im Narthex und auf der Nordwand an. Während die Fresken des 16. und frühen 17. Jh. den besten Traditionen des weichen und sehr plastischen malerischen Stils folgen, zeigt die spätere Bemalung des 18. Jh. bereits Verfallserscheinungen - eine fortschreitende Schematisierung mit trockener und lebloser Farbgebung sowie ausgeprägt manieristische Ziertendenzen. Dennoch fehlt es nicht an einzelnen Hochleistungen, zu denen das eindrucksvolle Stifterbildnis der Nonne Melanie in der Nordkapelle, die Wunder- und Passionsszenen im Naos, aber vor allem die von denselben Künstlern gemalten großen und Festikonen der Ikonostasis und des Hegume- nosthrons zählen. Zu der Ausstattung des Katholikons gehören noch die Glasmalerei, venezianische Arbeit aus dem Jahre 1715, sowie die große flach geschnitzte und vergoldete Holzikonostasis mit drei Ikonenrängen und zwei Proskynetarien von 1732. Von besonderer künstlerischer Qualität sind die Ikonostasis in der Südkapelle mit à jour geschnitzten Szenen (Verklärung, Gastfreundschaft Abrahams und Sündenfall) sowie die ebenso mit Holzschnitzerei versehene Kirchentür, Werke der Athos-Schule, um 1800. Die Ikonostasis der Nordkapelle ist hingegen ein jüngeres volkstümliches Schnitzwerk mit z. T. älteren Ikonen, darunter die berühmte wundertätige Ikone der Gottesmutter Tabatschka (1790) im Proskynetarion an der Nordwand.

 

Die kleine zweigeschossige Beinkirche außerhalb des Klosters enthält teilweise gut erhaltene Wandmalerei von 1622 - kleine Szenen (Johannes-Vorläufer-Zyklus) mit reichem Kolorit, Werk einer Provinzschule unter athoni- tischem Einfluß. Die Klosterklausur mit dem Refektorium, ebenso wie das Katholikon mehrmals umgebaut, wurde 1970-77 restauriert (N. Muschanov). Die mit einer Inschrift aus dem Jahr 1728 versehene Wandmalerei im Refektorium (Abendmahl in der Apsis, Akathistos-Zyklus,

 

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Medaillonfries und Ganzfiguren von Heiligen und Einsiedlern) und im Südflügel (Kirchenkonzilien über ornamentalem Sockel), fragmentarisch erhalten und erst kürzlich freigelegt (L. Kojnova), stellt ebenfalls die Arbeit einer Lokalschule mit dekorativer und kalligraphischer Formensprache dar, in der die Einflüsse der Ikonen- und Miniaturmalerei erkennbar sind.

 

P. Perdrizet: Melnic et Rossno (BCH XXXI/1907, 55-37); N. Mavrodinov 1926-31, 301-304; A. Vasiliev 1960, 88-91; ders. 1964, 181-186; L. Kojnova-Arnaudova 1973; P. Mitanov/L. Kojnova- Arnaudova 1975.

 

 

Kleine Weihwasserschale

Silber, getrieben und vergoldet. Höhe 4 cm, Ø 13 cm. Nationales Kirchenmuseum Sofia. Inv.-Nr. 6082

 

Flache runde Schale; im leicht aufgewölbten Mittelfeld Brustbild der Gottesmutter mit dem Kinde, von einer Spitzbogenarkade mit Ganzfiguren der vier Evangelisten, der Apostel Petrus und Paulus sowie der Heiligen Kosmas, Damianos, Theodoros, Sava, Simeon, Demetrios und Nestor umgeben, die als getriebene und vergoldete Miniaturreliefs in einem volkstümlich-primitiven Stil ausgeführt sind, dennoch eine starke unmittelbare Wirkung auszuüben vermögen. Signiert vom Meister Andrej mit dem Jahr 1597.

 

Alte Kunst in Bulgarien III/1967, 38; A. Boschkov 1972, 70; V. Pandurski 1977, Nr. 42; Ausstellungskataloge Nr. 8, 9, 10, 11, 12.

 

 

Christi Geburt

Tempera und Gold auf Holz. 49 x 38 x 2 cm. Nationalgalerie Sofia. Leihgabe des Nationalmuseums. Inv.-Nr. 3604

 

Die Szene gibt das postbyzantinische kombinierte iko- nographische Schema wieder, in dem der von dem Mosaik der Capella Palatina in Palermo bekannte mittelbyzantinische Prototyp ständig variiert bzw. ergänzt und durch neue Einzelheiten bereichert wird, die auf unterschiedliche Vorlagen zurückgehen. So z. B., während die Landschaft und die beiden Motive in der rechten oberen Ecke dieser Ikone - die lobpreisenden Engel und die Heiligen Drei Könige - ziemlich genau die Wandmalerei im Kloster Dionysios wiedergeben und die Gruppe mit dem blasenden Hirten eine Nachbildung der gleichen Figuren auf der Ikone im Katholikon der Großen Lawra darstellt, läßt sich der rechte Engel der Ikone in der Eustatioska- pelle anschließen, und die Badeszene kopiert das Mosaik der Apostelkirche in Thessaloniki - allerdings ist hier das Kind nach den puritanischen Ansichten des athonitischen Mönchtums bekleidet (vgl. dazu K. Kalokyres 1953, 17 bis 44). Bezeichnend ist das Fehlen der Szene des Zwiegesprächs Josephs mit dem »Alten Hirten«, was ebenso auf eine spätathonitische Interpretierung des Themas hindeutet. Nach Farbgebung, Modellierung und Auftrag der Lichter steht diese ursprünglich zu der Ausstattung der Stephanoskirche in Nessebar vom Jahre 1599 gehörende Ikone den großen Ikonostasisikonen auf der einen Seite und den Wandbildern derselben Kirche auf der anderen Seite sehr nahe und stellt somit die Verbindung zu diesen Werken der Tafel- und Monumentalmalerei her.

 

NAG - 1976, Nr. 6r.

 

 

Gottesmutter Eleusa

Tempera mit Gold auf Holz. 109,5 x 78,5 x 3,5 cm. Nationalgalerie Sofia. Leihgabe des Nationalmuseums. Inv.-Nr. 3 596

 

Der bereits seit dem 10. Jh. bekannte, jedoch erst im 12. Jh. weitverbreitete ikonographische Typus der Gottesmutter des Erbarmens (Eleusa) erreicht in der postbyzantinischen Zeit eine ungewöhnliche Popularität und nimmt in seinen wenig voneinander abweichenden Varianten wohl die erste Stelle unter den Gottesmutterikonen ein. In den Werken der italo-griechischen Maler des 16. Jh. erneuert, fand dieser Ikonentypus unter Vermittlung der Athosklöster auf dem ganzen Balkan bis zur Walachei und der Moldau eine breite Aufnahme - nicht nur durch die importierten Kunstwerke, sondern auch durch die von einheimischen Künstlern geschaffenen Nachbildungen der ruhmvollen und wundertätigen Ikonen des Heiligen Berges, Ziel zahlreicher Pilgerfahrten des ganzen orthodoxen Christentums. Ein vom Athos auf Seewegen importiertes Werk italo-griechischer Provenienz scheint auch die den sogenannten »linken« Eleusa-Typus repräsentierende und als Gottesmutter Allgepriesene (Theotokos Panymnetos) bezeichnete Ikone aus Nessebar aus der Zeit um 1600 zu sein. Allerdings wäre ein lokaler Ursprung nicht ganz auszuschließen, da die Stadt gerade um die Wende vom 16. zum 17. Jh. eine neue Kunstblüte erlebte, die nicht nur durch möglicherweise importierte Kunstwerke belegt werden kann, sondern vor allem durch die zur gleichen Zeit entstandenen Wandmalereien, Werke einer produktiven Lokalschule oder zumindest einer Gruppe dort länger ansässiger Maler, denen ebensogut eine Reihe von Ikonen zugeschrieben werden dürfen. Unabhängig von dem heute kaum zu ermittelnden Ursprung der Künstler stehen ihre Werke sowohl ikonographisch als auch stilistisch der athonitischen Kunst des späten 16. Jh. und somit der offiziellen Stilrichtung der christlich-orthodoxen Kunst nahe. Von Nessebar wie von den beiden anderen bedeutenden Zentren zeitgenössischer christlicher Kunst in Bulgarien, dem Batschkovo- und Roshen-Kloster, erhielt das Balkaninnere die erneuerten oder neugeschaffenen ikono- graphischen Typen sowie die neue Formensprache. Ein typisches Exempel für diese Kunst bieten die Ikonen aus Nessebar, darunter die Eleusa, Christus Pantokrator und die Nikolaosikone (Nationalmuseum Sofia Nr. 2459 und 2445, Akrabova-Shandova 1965, Nr. V und VI): Ikonographie und Stil halten an den frühpalaiologischen Prototypen mit ihren durch die humanistische Strömung des frühen 13. Jh. beeinflußten menschlichen, milden und sanften, dennoch spirituell betont ernsten und zurückhaltenden Heiligentypen mit leicht verlängerten Proportionen fest;

 

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die Modellierung ist sehr weich und präzis, mit einer Betonung der als feinste Striche aufgetragenen Lichter; die Goldschraffierung erscheint als wichtiges Stilmerkmal und steigert neben der dekorativen Wirkung auch den Repräsentationswert des Kunstwerkes, dessen Funktion als Kultbild bestimmte Würde und Glanz einschließt.

 

NKG - 1967, Nr. 42; NAG - 1976, Nr. 56; Ausstellungskataloge Nr. 8, 9, 10, 11, 12.

 

 

Christus Pantokrator

Tempera auf Eichenholz. 124,5 x 87 x 3,2 cm. Nationalgalerie Sofia. Leihgabe des Nationalmuseums. Inv.-Nr. 2459

 

Traditionelles frontales Brustbild des segnenden Christus mit offenem Evangelienbuch (Text nach Joh 8, 12), üblichen Initialen und Bezeichnungen (die segnende Rechte von den Falten des Himations verhüllt); Stifterinschrift von Mano Julianos mit Familie von 1607. Gehört neben weiteren drei 1607 datierten Ikonen aus Nessebar einer Gruppe von Kunstwerken vermutlich lokalen Ursprungs an, die sowohl der Wandmalerei der Stephanoskirche in Nessebar als auch der Eleusa-Ikone (Nationalmuseum Sofia 3596) stilistisch verwandt sind. Ebenso wie an den anderen Ikonen aus Nessebar wird hier der im 16. Jh. erneuerte Pantokrator-Typus mit betont mildem Ausdruck (ohne Stirnlöckchen) in der gleichen Formensprache und hohen technischen Perfektion wiedergegeben.

 

I. Akrabova-Shandova 1965, Nr. VI; NKG - 1967, Nr. 45; NAG - 1976, Nr. 52; Ausstellungskataloge Nr. 8, 9, 10, 11, 12.

 

 

Königstür

Tempera auf Lindenholz. 120 x 86,5 x 5,3 cm

 

Die liturgische Funktion der Mitteltür der Ikonostasis, die während des Höhepunktes der Liturgie geöffnet und als Königstür oder Tor der Barmherzigkeit bezeichnet wird, bestimmt auch ihr Bildprogramm, das von den frühesten hochmittelalterlichen Beispielen bis zum Ausgang des Mittelalters erhalten blieb. Die Zentraldarstellung ist der in zwei Teile getrennten Szene Verkündigung an Maria mit den Figuren der Propheten David und Salomo auf dem Hintergrund vorbehalten, zu denen an den späteren Werken noch die Bildnisse der Evangelisten und Kirchenväter hinzugefügt werden. Während sich die geschnitzte Königstür als fester Bestandteil sogar in den kleinsten Dorfkirchen Westbulgariens seit dem 14. Jh. eingebürgert hat, behaupten sich in den östlichen Landesteilen bis ins 18. Jh. Königstüren mit auf die ganze Fläche gemalten Verkündigungsdarstellungen nach heute nicht mehr erhaltenen hochmittelalterlichen Vorbildern, deren Ikonographie und stilistischen Merkmalen sie weitgehend folgen. So zeigt die aus dem Preobrashenie-Kloster bei Tirnovo stammende Tür die Nachbildung eines Prototyps des späten 14. Jh.; die ikonographische Überlieferung ist an den Figuren sowie an der Architekturkulisse mit ihrer umgekehrten Perspektive sichtbar, während sich in der Formensprache eine gewisse Vergröberung und Vereinfachung bemerkbar macht. In den stilisierten und schematisierten Gesichtern sind noch die Merkmale des strengen Stils aus der Jahrhundertwende vom 16. zum 17. Jh. feststellbar, und die Malerei ist noch nicht von den volkstümlichen Tendenzen beeinflußt, die in Ostbulgarien erst im späten 17. Jh. hervortreten. Die kleinen Figuren Salomos und Davids sind hier aus der Buchmalerei übernommen.

 

Ausstellungskataloge Nr. 8, 9, 10, 11, 12.

 

 

Christi-Geburt-Kirche, Arbanassi

 

Dem ursprünglichen Bauwerk aus dem späten 16. Jh. - einschiffige gewölbte Kirche mit drei Gurtbögen und Blendnischen auf den Seitenwänden - schließen sich vom Beginn bis zu den 40er Jahren des 17. Jh. nacheinander ein ebenfalls gewölbter und durch Gurtbögen gegliederter Westbau als Vorhalle (Frauenabteilung), eine Johannes dem Täufer geweihte nordöstliche Annexkapelle (später in zwei Abteilungen für Männer und Frauen getrennt) und zuletzt eine ursprünglich offene Umgangsgalerie nach Norden und Westen an; noch später wurden die offenen Spitzbögen der Galerie zugemauert, so daß die Nord- und Westfassade eine Blendbogenarkade erhielt. Im Unterschied zu der Bauanlage ist ihre Ausmalung in fast allen nacheinanderfolgenden Phasen durch Inschriften genau datiert. Die erste Wandmalerei der ursprünglichen Kirche, durch die spätere Malschicht verdeckt, wurde laut einer 1976 freigelegten Stifterinschrift über dem Eingang 1597 ausgeführt. Nicht viel später entstand die Bemalung der ursprünglichen Westfassade, von den Mauern des Westbaus und ebenfalls durch eine spätere Malschicht verdeckt, 1969-74 freigelegt (Jüngstes Gericht und Christi Geburt in der Entlastungsnische über dem Eingang). Sie knüpft an die zeitgenössischen Werke des strengen Stils an (Georgskirche in Veliko Tirnovo, 1616) und bildet einen Übergang zum weichen plastischen Stil des 17. Jh., dem die spätere Malerei der Kirche angehört. Die zweite Malschicht des Naos (Männerabteilung) und die durch mehrere Inschriften datierte Bemalung der Anbauten schloß sich offensichtlich unmittelbar an die Bauarbeiten an: Vorraum (Frauenabteilung) 1638, Vorraum der Johanniskapelle 1642, Johanniskapelle 1643, Nordgalerie 1643, Südgalerie 1649. Die geschnitzte Ikonostasis mit Ikonen und bemalten Tafeln (Erschaffung der Welt) ist in den 20er Jahren des 18. Jh. entstanden. Das Bildprogramm folgt der Tradition: Altarraum - Platy- tera, Apostelkommunion, Himmlische Liturgie und

 

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Melismos in der Apsisnische, Schmerzensmann in der Prothesisnische, Diakonen- und Kirchenväterbildnisse; Naos - Medaillonfries und Ganzfiguren in den unteren Zonen (Brustbildnisse der Propheten in Medaillons in den Wandnischen), zwei Reihen von Fest- und Passionsszenen (z. T. vermischt); auf dem Gewölbe die Hypostasen Christi in drei großen Medaillons ohne Prophetenfries - Christus in der Glorie von der Himmelfahrt, Pantokrator und der Gnadenstuhl; Vorraum - Wurzel Jesse auf der Nordwand, Akathistos-Zyklus auf der Süd- und Westwand, darunter Ganzfiguren von Einsiedlern; Johanniskapelle - Platytera in der Apsis, Medaillon mit Johannes dem Täufer auf dem Gewölbe und Vitenszenen des Patrons sowie Stifterbildnis; Nordgalerie - Lobpreisung Gottes nach dem 150. Psalm, Genesiszyklus; Westgalerie - Marienleben, Vitenszenen des hl. Georg und Stifterbildnis, Ökumenische Konzilien, Gastfreundschaft Abrahams; Südwand - Deesis, Apostelzyklus, Ganzfiguren von Heiligen und Stiftern. Während sich in den ikonographischen Schemata die Tradition weiter behauptet, deuten viele folkloristische und naturalistische Interpolationen auf eine fortschreitende Säkularisierung der christlichen Kunst hin. Die narrativen Tendenzen gewinnen immer mehr an Gewicht und verleihen den sich durch individuelle Züge auszeichnenden Kompositionen und Einzeldarstellungen eine eigene Prägung.

 

I. Schurkova 1959; A. Vasiliev 1960, 85-86; L. Praschkov 1978.

 

 

Georgskirche, Veliko Tirnovo

 

Gewölbte einschiffige Kirche mit Narthex und halbrunder Apsis. Die laut Stifterinschrift 1616, vermutlich bald nach der Errichtung der Kirche, ausgeführte Wandmalerei ist nur fragmentarisch erhalten (zelebrierende Kirchenväter in der Apsisnische, Koimesis, Abendmahl, Gastfreundschaft Abrahams, Brustbildnisse und Ganzfiguren von Märtyrern und Einsiedlern an der Westwand, Jüngstes Gericht und Hochzeit in Kana im Narthex). Während die konventionelle Ikonographie der überladenen Kompositionen nur durch einige selten erscheinende Einzelheiten von den übrigen zeitgenössischen Werken abweicht (Maria in der Koimesisszene in Man- dorla, von Engeln und zwei Gruppen Seligen im Himmel flankiert), stellt der Stil dieser Wandmalerei eine Sondererscheinung in der spätmittelalterlichen bildenden Kunst Bulgariens dar, wo die mystisch-spiritualistische Aussage einen ihrer Höhepunkte erreicht hat. Die asketische Stilrichtung, wie sie vor allem von der ersten Bemalung der Nikolaoskirche in Mariza und des Ilienzi-Klosters sowie durch die Ikonen Konzil der Erzengel Michael und Gabriel aus Veliko Tirnovo und Christus Pantokrator aus Bulgarovo vertreten wird, nähert sich hier ihrer Schlußphase und wird durch Schematismus und Versteifung der Formen gekennzeichnet. Die Restaurierung der während des Erdbebens 1913 stark beschädigten Kirche wurde 1975 abgeschlossen, und das Denkmal ist in ein Museum umgewandelt.

 

 

Christus Pantokrator

Tempera auf Holz. 62,5 x 42 x 2 cm. Nationalgalerie Sofia. Leihgabe des Nationalmuseums Sofia. Inv.-Nr. 6346

 

Frontales Brustbild des segnenden Christus mit traditioneller Inschrift auf dem punzierten Kreuznimbus und Monogrammen; das aufgeschlagene Evangelienbuch in seiner linken Hand mit dem slawischen Text aus Matth 11,28-29: »Kommet alle zu mir, ihr Mühseligen und Beladenen, ich werde euch erquicken. Nehmt mein Joch auf euch und lernet von mir, denn ich bin sanftmütig und demütig von Herzen.« Die aus dem Dorf Bulgarovo, südlich von Burgas, stammende Ikone zeigt den Höhepunkt in der Entwicklung der asketischen Stilrichtung in der christlichen Kunst Bulgariens des 16.-17. Jh., wobei dem dekorativen Element in der ornamental-plastischen Verzierung des Rahmens und des Nimbus bereits eine wichtige Rolle zugemessen wird. Die mystisch-spirituelle Aussage erreicht eine extreme Steigerung: Die Proportionen sind bis ins Absurde verlängert, die Modellierung ist durch starke Hell-Dunkel-Kontraste ersetzt und das Naturvorbild durch ein Schema verdrängt, von dem dennoch eine starke Ausdruckskraft sowohl als Kultbild als auch als Kunstwerk ausgeht.

 

Ch. Chernev 1969, 26; NAG - 1976, Nr. 38.

 

 

Heiliger Demetrios auf rotem Roß

Tempera mit Gold auf Holz. 94 x 56,5 x 2 cm. Nationalgalerie Sofia. Leihgabe des Bezirksmuseums Veliko Tirnovo. Inv.-Nr. 65-x

 

Darstellung des Reiterheiligen, einen anonymen Ungläubigen tötend, mit griech. Beischrift »Heiliger Demetrios Großer Fürst«; fragmentarisch erhaltene Stifterinschrift mit der Jahreszahl 1617. Die bereits vor dem Bilderstreit festgelegte Ikonographie der Wunderszene ist ursprünglich als ein Pendant zur Wunderszene des hl. Georg, ein Symbol des Sieges des Christentums über das Heidentum, verstanden worden, in der Folgezeit jedoch durch spätere, in die Vita des Heiligen interpolierte Darstellungen unter Bezugnahme auf nationale und politische Spekulationen unterschiedlich interpretiert. So wird der ursprünglich als Diokletian (Silberrelief aus Georgien, 11. Jh.) oder als Julian Apostata (Ikone aus Sinai, 8.-9. Jh.) bezeichnete Feind auf späten byzantinischen Ikonen und Fresken mit den bulgarischen Zaren Gavril Radomir (Ikone im Kirchenmuseum Sofia, 14. Jh.) und Kalojan (Wandmalerei in Dečani, 14. Jh.) identifiziert, während er an bulgarischen Darstellungen die Nationaltracht eines Griechen trägt (Holzrelief an der Ikonostasis der Kirche Sveta Marina in Plovdiv). Dennoch weisen die meisten Darstellungen, wie das Wandbild in Mariza und die Ikone aus Veliko Tirnovo, keine Zarenattribute und keine genauere Bezeichnung des besiegten Feindes auf, der als anonymer Soldat erscheint und in der Zeit der Fremdherrschaft zu einer Steigerung des Selbstbewußtseins der Christen beitragen sollte.

 

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In der auf den Kontrast komplementärer Farben meisterhaft aufgebauten Komposition, worin das Ornament eine vorrangige Rolle spielt, verdrängt das formal-dekorative Prinzip sowohl das mystagogische als auch das narrative Prinzip, und das Kultbild erlangt wiederum eine Selbständigkeit, deren Wirkung auf der eigenen Aussage des Kunstwerkes basiert.

 

NKG - 1967, Nr. 55; NAG - 1976, Nr. 54; Ausstellungskataloge Nr. 1, 2.

 

 

Königstür

Tempera auf Lindenholz mit Goldeinfassung. 121 x 76 mal 3,5 cm. Nationalgalerie Sofia. Leihgabe des Nationalmuseums. Inv.-Nr. 1926a

 

Gehörte zu der 1620 geschnitzten Ikonostasis des Poganovo-Klosters, Bez. Dimitrovgrad, SFR Jugoslawien, von der noch der Deesisfries und die beiden großen Ikonen des Pantokrators und der Gottesmutter erhalten sind und ebenfalls in der Nationalgalerie Sofia aufbewahrt werden. Die Königstür stellt ein frühes Beispiel für die volkstümliche Tendenz dar, die bereits zu Beginn des 17. Jh. auf die christliche Kunst Westbulgariens Übergriff und sich in einer Vergröberung und Disproportionierung der Formen, neben verstärkter emotioneller Aufladung der Gestalten äußert. Gleichzeitig werden Einflüsse der islamischen Kunst erkennbar (Spitzbögen, Ornamentik, Farbgebung mit kräftigem rotem und blauem Hintergrund für die vergoldeten Ranken und Rosetten).

 

VNM, 221; NKG - 1967, Nr. 49; G. Bröker: Ikonen, Leipzig 1968, 45, Abb. 24; NAG - 1976, Nr. 31; Ausstellungskatalog Nr. 2.

 

 

Katholikon und Refektorium des Baschkovo-Klosters

 

Seit dem späten 16. Jh. ist eine Wiederbelebung der Bau- und Kunsttätigkeit im Batschkovo-Kloster zu verzeichnen. In dem während der osmanischen Eroberung ausgeplünderten und anschließend zeitweilig verlassenen Kloster versammelte sich eine neue Gemeinde, die schnell die Schäden an den Klostergebäuden beseitigen konnte. Die wiederaufgefundene, als wundertätig angesehene Ikone der Gottesmutter von Petritsch, ein Werk der georgischen Kunst aus dem Jahr 1310, zog aufs neue zahlreiche Pilger aus allen Teilen des Balkans und vor allem Flüchtlinge aus dem zwangsislamisierten Rhodopengebiet an, so daß das alte, 1083 erbaute Katholikon nicht mehr ausreichte. Mitte des 16. Jh. wurde es abgerissen, um durch eine neue, größere Kirche ersetzt zu werden. Der Neubau verzögerte sich jedoch durch Schwierigkeiten mit den türkischen Behörden, und das neue Katholikon konnte erst zu Beginn des nächsten Jahrhunderts vollendet und 1604 der Heiligen Dreifaltigkeit sowie der Gottesmutter von Petritsch geweiht werden - Kreuzkuppelbau vom athonitischen Klostertyp mit polygonaler Apsis und zwei Sängerkonchen sowie einem mit flacher Blindkuppel überdeckten Narthex; das Mauerwerk besteht aus Backstein mit Außenverkleidung aus Marmorplatten. Die beiden kleinen Portalvorbauten im Norden und Süden wurden Mitte des 19. Jh. hinzugefügt, als die Kirche zum zweitenmal bemalt wurde. Dem Katholikon folgten 1616 das Metochion, 1622 die Lagerräume und 1626 der Umbau des Refektoriums im Südwestflügel der Klausur, ursprünglich als flach gedeckter Bau errichtet und mit einem langen Marmortisch laut Stifterinschrift aus dem Jahr 1601 ausgestattet, jedoch erst während der Umbauten mit Tonnengewölbe, Ost- und Westapsis versehen. Zu dieser Bauphase dürfte ebenfalls die Errichtung der Vorhalle und der Küche sowie die Befestigung der Außenmauern gehören. Laut Stifterinschrift wurde 1643 das Refektorium und der Narthex des Katholikons mit Wandmalerei ausgeschmückt, die erst in den letzten Jahren nach der umfangreichen Restaurierung beider Bauten (N. Muschanov) freigelegt wurde (R. Ondraček und B. Kolarski mit Kollektiv).

 

Beide Freskenensembles gehören zu den bedeutendsten und am besten erhaltenen Werken der Monumentalmalerei des Balkans aus der Mitte des 17. Jh. Die Bemalung ist fast vollständig erhalten geblieben und repräsentiert das spätathonitische Bildprogramm in allen Einzelheiten - Refektorium: Deesis in der Westapsis- nische, Wurzel Jesse mit Darstellungen der Vorläufer Christi, einschließlich der heidnischen Philosophen und der Sibylle im Gewölbe, ein zjteiliger Akathistos-Zyklus mit den Ökumenischen Konzilien entlang des Gewölbeansatzes, das Jüngste Gericht an der Ostwand mit der von Erzengeln flankierten Gottesmutter im Paradies in der Ostapsisnische sowie Ganzfiguren der heiligen Einsiedler und Märtyrer entlang der Seitenwände; der Narthex ist mit einem von Prophetenmedaillons und Darstellungen der himmlischen Hierarchien umgebenen Pantokratorbildnis in der Blindkuppel versehen; Marty- rienszenen im Gewölbe und Ganzfiguren von Heiligen an der Süd- und Westwand schließen sich an; im Westportal die dreiteilige Szene Gastfreundschaft Abrahams, während an der Ostwand Christus mit den Aposteln und darunter die Stifterbildnisse mit weiteren Märtyrerdarstellungen verteilt sind. Die einheitliche und äußerst dekorative Formensprache der Fresken mit weicher Modellierung und sehr fein nuancierter Farbskala mit warmen grünlichen Schatten und gedämpften ockerroten Lichtern läßt die Arbeit von zwei Hauptmeistern mit ihren Gehilfen unterscheiden, die nur in der Gestaltung des ornamentalen Dekors voneinander abweicht. Die Malerei ist den besten Traditionen der postbyzantinischen italo-griechischen Schule verpflichtet, die seit dem 16. Jh. vom Athos ausstrahlte. Dennoch stellen die beiden Freskenkomplexe die letzte Entwicklungsstufe dieser distinguierten und sehr kultivierten Kunst dar, der Manierismen und betonte Ziertendenzen nicht fremd bleiben und die im Begriff ist, die spirituell-geistige Substanz der kirchlichen Kunst zu Anbruch der neuen Zeit preiszugeben.

 

J. Ivanov 1911, 219-229; A. Vasiliev 1960, 76-80; A. Boschkov 1969 (Malerei), 265-268; K. Mijatev 1974, 205-209.

 

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Diskos

Silber, getrieben und vergoldet, mit Zellenschmelz. Höhe 14 cm, Ø 42 cm. Schatzkammer des Batschkovo-Klosters. Inv.-Nr. 75

 

Das bedeutendste auf uns gekommene Werk der Goldschmiedekunst von Čiprovci. Die Funktion eines Diskos für die Proskomidie an dieser flachen runden Schale mit niedrigem konischem Postament wird durch die in Niellotechnik und im Flachrelief ausgeführten Figuraldarstellungen betont: Im Mittelfeld eine mehrteilige Komposition - in der Mitte Gottesmutter Lebenspendende Quelle mit dem Gott Zebaoth, Engeln, Salomo und dem hl. Basileios dem Großen mit Schriftrollen; darunter Apostelkommunion sowie die zelebrierenden Gregorios von Nyssa, Diakon Stephanos und Johannes Chrysostomos; diese große Komposition wird von einer umlaufenden Stifterinschrift aus dem Jahr 7152 (= 1644 n. Chr.) mit dem Namen des Künstlers, des Meisters Petar Jo(anov) aus Ciprovci, eingefaßt. Ein weiterer Medaillonfries mit 19 Brustbildnissen von Propheten zwischen Ranken geht aus der Figur des schlafenden Jesse hervor. Am flachen, etwa 7,5 cm breiten Rand sind weitere, in Zellenschmelztechnik ausgeführte pflanzliche Motive, 17 Reliefs mit Darstellungen der Festszenen, der vier Evangelisten und des Erzengels Michael angebracht. Alle Begleitinschriften sind slawisch. Von den 51 Edelsteinen, die ehemals das liturgische Gefäß verziert haben, sind nur einige erhalten geblieben.

 

D. Drumev 1962, 76-82; M. Ivanov 1967, Nr. 48; Ausstellungskataloge Nr. 3, 4, 5, 6, 8, 9, 10, 11, 12.

 

 

Liturgische Geräte, Batschkovo-Kloster

Eucharistischer Kelch. Spätes 17. Jh. Höhe 22 cm, Ø 12 cm

Zeon (Teplota). 1678. Höhe 13,5 cm, Ø 5 cm

Artophorion. Ende 17. Jh. 25 x 10,3 x 10,3 cm

Silber, getrieben und vergoldet, mit Zellenschmelz und Edelsteinen. Nationales Kirchenmuseum Sofia. Inv.-Nr. 6887, 6886, 6418

 

Gehören zu einer Gruppe kirchlicher Geräte, die vermutlich einer Plovdiver Werkstatt entstammen, zwischen 1671 und 1705 dem Batschkovo-Kloster gestiftet worden sind und heute z. T. in der Schatzkammer des Klosters, im Nationalmuseum und im Nationalen Kirchenmuseum Sofia aufbewahrt werden. Die präzise Ausführung der Filigranarbeit mit Zellenschmelz, getriebenem Silber und Applikationen aus Edelsteinen entspricht dem gestiegenen Repräsentationsanspruch des Klosters, das zu dieser Zeit seine höchste Blüte erlebte und als das reichste auf bulgarischem Gebiet galt. Die Ornamentik setzt sich aus stark stilisierten Rosetten und pflanzlichen Motiven zusammen, die zuweilen orientalische Tulpenmuster nachahmen. In der Farbgebung und der Form der Geräte sind ebenfalls Einflüsse der islamischen Kunst feststellbar.

 

A. Boschkov 1972, 194-201; V. Pandurski 1977, Nr. 164, 167; Ausstellungskataloge Nr. 2, 3,4, 5, 6.

 

 

Weihwassergefäß

Silber, getrieben, mit Zellenschmelz und Goldinkrustationen. Höhe 32 cm, Ø oben 32, unten 17,5 cm. Schatzkammer des Batschkovo-Klosters. Inv.-Nr. 74

 

Große halbkugelige Schale auf einem konischen Postament, an der Wandung mit flachen Reliefs. Im Mittelfeld der Schale Darstellung der Taufe Christi, von einem Fries mit frontalen Brustbildnissen der Gottesmutter mit dem Lebensbaum und der zwölf Apostel sowie von einem zweiten, nach außen als konvexe Halbkugel erscheinenden ornamentalen Fries umgeben; am Rand folgen zwei weitere Ornamentfriese mit pflanzlichen Motiven, der äußere in Zellenschmelz mit Golddraht ausgeführt und durch eine Rinne zur Ableitung des Wassers unterbrochen. Der konische Fuß durch zwei Reihen Halbkugeln mit pflanzlichen Ornamenten verziert; eine griechische Inschrift am Fußrand berichtet, das Gerät sei 1735 während der Amtszeit des Hegumenos Kalinik erneuert und ergänzt worden (vermutlich aus dieser Zeit stammt die Zellenschmelz- und Goldinkrustation). Innen eine weitere griechische Inschrift: »Möge es von Ewigkeit zu Ewigkeit dienen«.

 

M. Ivanov 1967, Nr. 47; Ausstellungskataloge Nr. 3, 4, 5, 6, 8, 9, 10, 11, 12.

 

 

Evangeliarbeschlag

Silber, getrieben und vergoldet, mit Email und Halbedelsteinen. 29 x 21 cm. Nationales Kirchenmuseum Sofia. Inv.-Nr. 168/6101

 

1615 in Venedig gedrucktes Evangeliar mit Beschlag vom Jahr 1696, ehemals Batschkovo-Kloster, seit 1915 im Kirchlichen Museum Sofia. Beide Seiten des Beschlages mit Flachreliefs in Treibarbeit sowie Figuraldarstellungen in Niellotechnik geschmückt; dazwischen farbiger Zellenschmelz mit Ranken- und Blütenmustern sowie Inkrustationen aus Edelsteinen. Vorderseite: Kreuzigung mit den Assistenzfiguren Maria und Johannes sowie den vier Evangelistensymbolen an den Ecken des Mittelfeldes; an der unteren Rahmenleiste eine Stifterinschrift, oben Deesis und zu beiden Seiten je sechs Brustbildnisse der Apostel in Spitzbogenmedaillons. Rückseite: im Mittelfeld die Anastasis, an den Rahmenleisten ebenfalls in Spitzbogenmedaillons Darstellungen der vier Evangelisten und der zwölf großen Feste-MariäTempelgang, Verkündigung an Maria, Christi Geburt, Darbringung, Taufe, Verklärung, Auferweckung des Lazarus, Kreuzigung, Anastasis, Frauen am Grabe, Himmelfahrt und Koimesis. An diesem Werk der Goldschmiedekunst des ausgehenden 17. Jh. überwiegt der Repräsentationscharakter, zugleich tritt jedoch in der schematisierenden und nunmehr graphisch-linear gewordenen Formensprache eine äußere Ziertendenz zutage. Gleichzeitig sind die zunehmenden islamischen Einflüsse in Form, Ornament und Farbgebung nicht zu übersehen.

 

A. Boschkov 1972, 182; V. Pandurski 1977, Nr. 182-183.

 

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Epimanikion

Gold- und Silberstickerei auf Seide, mit Perlen besetzt. Schatzkammer des Batschkovo-Klosters

 

Das traditionelle Bildprogramm mit der zweiteiligen Verkündigungsszene an den Epimanikien erhält im Spätmittelalter häufig eine pflanzlich-dekorative Umrahmung, die immer reicher ausgestattet und neben kunstvoller Gold- und Silberstickerei mit Edelsteinen und Perlen besetzt wird. Die Ornamentik der aus dem 17. Jh. stammenden Batschkover Epimanikien bleibt jedoch immer noch mit der spätpalalologischen Tradition verbunden, während die Spitzbögen auf Einflüsse der islamischen Kunst hindeuten.

 

 

Eliaskirche, Boboschevo

 

Einschiffiger gewölbter Steinbau mit zwei Sängerkonchen im Norden und Süden; die Westfassade ähnlich wie bei der Kirche in Mariza durch einen vorspringenden Bogen gegliedert. Die ursprüngliche Bemalung nur in den oberen Zonen und am Gewölbe erhalten; unten sind die Innenwände neu verputzt und z. T. durch spätere Wandmalerei mit geringem Kunstwert ergänzt. Ikonographie und Bildprogramm entsprechen der Tradition: auf dem Gewölbe die vier Hypostasen Christi - Christus in der Glorie (Fortsetzung der Himmelfahrtsszene am Osttympanon), Pantokrator, Alter der Tage und Emmanuel -, durch einen umlaufenden Medaillonfries mit Prophetenbrustbildnissen flankiert, an den sich zwei getrennte Bildzyklen mit den Fest- und Passionsszenen an der Nord-, Süd- und Westwand anschließen. Die sehr kultivierte Ausführung der Wandbilder sowie ihre durch weit ausgedehntes szenisches Beiwerk und phantastische Kulissen bereicherte dekorative Formensprache steht der offiziellen Stilrichtung athonitischer Provenienz, u. a. der Bemalung der Theodorenkirche in Dobarsko (1614), sehr nahe und grenzt sich von den Werken der volkstümlichen Richtung (Bilinzi- und Alino-Kloster) deutlich ab. Die Datierung der Wandmalerei auf Grund einer Inschrift der Eliasikone an der Ikonostasis von 1678 ist problematisch, dennoch dürfte diese nicht wesentlich früher eingesetzt werden.

 

A. Vasiliev 1964, 155-157.

 

 

Apostel Petrus und Paulus

Tempera auf Kiefernholz. 103 x 66 x 3 cm. Nationalgalerie Sofia. Leihgabe des Nationalmuseums. Inv.-Nr. 1770

 

Die aus Südbulgarien stammende Ikone folgt dem traditionellen ikonographischen Typus: die in Ganzfiguren mit ihren Attributen dargestellten Apostel (Schlüssel für Petrus, Evangelienbuch für Paulus), das Kirchenmodell haltend; griechische Stifterinschrift aus dem Jahre 1684. Nicht zu übersehen sind hier die in der Spätphase des strengen Stils des 16.-17. Jh. aufgetretene Versteifung und Verhärtung der Formen sowie die verarmte Farbgebung, wodurch die Ikone im Gegensatz steht zu den gleichzeitigen Tendenzen zur höchst repräsentativen und prachtvollen kirchlichen Kunst, erkennbar an mehreren zeitgenössischen Ikonen und Fresken.

 

I. Akrabova-Shandova 1965, Nr. XI; NKG - 1967, Nr. 64; NAG - 1976, Nr. 23.

 

 

Taufe Christi / Einzug in Jerusalem (Det.)

Tempera auf Holz. 42 x 35 x 2,5 und 39,5 x 34,5 x 2,5 cm. Nationales Kirchenmuseum Sofia. Inv.-Nr. 3075; Nationalgalerie Sofia - Leihgabe des Bezirksmuseums Veliko Tirnovo. Inv.-Nr. 111-x

 

Eine Reihe Ikonen aus dem letzten Drittel des 17. Jh. aus Veliko Tirnovo und vorwiegend die ehemals zur Ikonostasis des Katholikons im Prissovo-Kloster gehörenden und heute z. T. im Nationalen Kirchenmuseum Sofia und im Bezirksmuseum Veliko Tirnovo aufbewahrten Festzyklusikonen werden in der kunstgeschichtlichen Literatur als Schule von Prissovo geführt, obwohl das in der Nähe der Stadt gelegene kleine Kloster als Sitz einer produktiven Werkstatt höchst problematisch erscheint. Wenn diese Ikonen auch wegen gewisser stilistischer Differenzen nicht als Arbeiten eines einzigen Malers angesehen werden können, so bilden sie doch insgesamt eine geschlossene Gruppe von Werken einer Werkstatt mit Meistern und Schülern, die in unterschiedlichem Maße an ihrer Herstellung beteiligt waren. Obgleich sich diese Arbeiten von den anderen zeitgenössischen Ikonen abheben, sind sie dennoch nicht als eine Lokalerscheinung zu betrachten und stellen vielmehr eine für ihre Zeit typische Erscheinung dar, die durch ihre subjektive Note als repräsentativ für eine ganze Stilrichtung gelten darf. In ihrer volkstümlich beeinflußten, doch in der alten Tradition haftenden Ikonographie zeigen sie die zeitbedingte Tendenz zu dekorativen Formen und wirkungsvoller Farbgebung; die Maler schenken der Wiedergabe ihres Milieus große Aufmerksamkeit und nehmen in das phantasievoll gestaltete szenische Beiwerk unterhaltsame folkloristische Details auf, die ihren Arbeiten eine besondere Prägung verleihen. Unverkennbar ist ebenfalls der Ausdruck bis hin zur Grimasse bei den grotesken kleinen Figuren mit übergroßen gerunzelten Gesichtern und weit geöffneten Augen, die eine in ihrer Unmittelbarkeit und Naivität ergreifende melancholische Ausstrahlung auf die Zuschauer besitzen.

 

NKG - 1967, Nr. 61; Ch. Chernev 1969, 34 f.; NAG - 1976, Nr. 78; Ausstellungskataloge Nr. 3, 4, 5, 6.

 

 

Drachenwunder des hl. Georg mit Vitenszenen

Tempera mit Gold auf Lindenholz. 90 x 72 x 3 cm. Nationalgalerie Sofia. Leihgabe des Nationalmuseums. Inv.-Nr. 1470

 

Die Ikone gehörte ursprünglich zur Ikonostasis der Georgskirche in Veliko Tirnovo; laut Inschrift an der

 

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unteren Rahmenleiste vom Meister Joann aus Tschevin-dol geschaffen, datiert 1684. Ebenso wie die anderen Ikonen der »Prissovo-Schule« stellt sie eine volkstümliche Interpretation des bekannten Sujets aus der Vita des Heiligen dar mit der für die Ikonographie des Balkans charakteristischen Figur des hinter dem Heiligen reitenden Jungen, des Sohnes von Leo aus Paphiagonien, die auf eine späte Interpolation in die Vita des hl. Georg zurückgeht. Außer der Zentralszene mit dem Drachenwunder sind an beiden Seitenrändern und oben zwölf Vitenszenen abgebildet: Der Heilige vor Diokletian, Überführung ins Gefängnis, Peinigung des Heiligen, Martyrium mit Rad, Martyrium mit ungelöschtem Kalk, Martyrium mit Steinen, Erweckung des Ochsen, Enthauptung, Abführung des Heiligen, Herabstürzen der Idole, Erweckung des Toten, Enthauptung der Kaiserin Alexandra - alle mit fragmentarisch erhaltenen griechischen Inschriften, die eine sehr fehlerhafte Orthographie aufweisen.

 

VNM, 212; W. Felicetti-Liebenfels 1956, 95; I. Akrabova-Shandova 1965, Nr. XV; NKG - 1967, Nr. 56; Ch. Chernev 1969, 24 t.; NAG - 1976, Nr. 28; Ausstellungskataloge Nr. 2, 3, 4, 5, 6, 8, 9, 10, 11, 12.

 

 

Die heiligen drei Bischöfe

Tempera mit Gold auf Holz. 92,5 x 58,5 x 3,5 cm. Nationalgalerie Sofia. Leihgabe des Bezirksmuseums Veliko Tirnovo. Inv.-Nr. 69-x

 

Die drei Kirchenväter, Gregorios von Nazianz, Johannes Chrysostomos und Basileios der Große, deren die christlich-orthodoxe Kirche am 30. Januar gedenkt, sind an der Festtagsikone aus Tirnovo in einer für das späte 17. Jh. charakteristischen feierlichen Komposition mit betont ornamental-dekorativen Formen dargestellt. Die asketische Auffassung des strengen Stils wird hier durch eine Freude an dem echten Zierat und an der prächtigen Farbigkeit abgelöst. Die straffe und starre Haltung ist überwunden, und die sich rhythmisch wiederholenden Gesten und Formen des Faltenwurfes beleben die Komposition. Dennoch sind gewisse manieristische Züge in der weitgehenden Stilisierung und in der Überbetonung des Ornaments nicht zu verkennen.

 

NKG - 1967, Nr. 27; Ch. Chernev 1969, 23 f.; NAG - 1976, Nr. 72; Ausstellungskatalog Nr. 2.

 

 

Johannes der Täufer mit Vitenszenen

Tempera mit Gold auf Holz. 93,5 x 65,5 x 3,5 cm. Nationalgalerie Sofia. Leihgabe des Nationalmuseums. Inv.-Nr. 951

 

Halbfigur des Heiligen im ikonographischen Typus Johannes Vorläufer Engel Gottes (Mal 3, 1; Matth 11, 10) in der Tracht des Asketen, mit Flügeln, Kreuzzepter und Schriftrolle mit Auszug aus Matthäus 3, 2. Ornamentierter und punzierter plastischer Nimbus, doppelter geschnitzter Rahmen mit einfachem Rosetten- und Flechtbandornament. Am Rande 14 Vitenszenen: Geburt, Verkündigung an Elisabeth, Genesung Elisabeths, Verkündigung an Zacharias, Begegnung Elisabeths und Marias, Bestattung des Hauptes Johannes’, Bestattung des Leichnams des Heiligen, Predigt, Gericht bei Herodes, Enthauptung des Zacharias, Taufe Christi, Enthauptung Johannes’, Festmahl bei Herodes, Johannes im Kerker. Slawische Bezeichnungen an allen Szenen; Stifterinschrift am unteren Rand mit dem Namen des Malers Petar und des Stifters, des Priesters Toma; offensichtlicher Fehler in der Umrechnung des Entstehungsjahres 1604 (7112 von der Erschaffung der Welt) statt 1694 (7202). Die Ikone ist demselben Kunstkreis, jedoch nicht demselben Maler zuzuschreiben, dem die anderen drei Ikonen aus der Nikolaoskirche in Vraza angehören (Nationalmuseum Sofia Nr. 948, 949 und 950, Akrabova-Shandova 1965, Nr. XVII, XVIII, XIX). An dieser Ikone macht sich die Verdrängung des asketischen Stils vom 17. Jh. durch einen Schematismus bemerkbar. Die geometrisierenden Gesichts- und Körperformen erscheinen nunmehr als Schemata und Symbole und haben mit dem Naturvorbild sowie mit den verlorengegangenen alten ikonographischen Prototypen nichts gemein. Spuren des Narrativen sind nur in den Vitenszenen enthalten, die jedoch nach der Unterbrechung der Überlieferung immer mehr Züge einer Volkskunst gewinnen. Wie die trockene und unbeholfene Zeichnung, ist auch die Farbkomposition einem Verfall ausgesetzt. Sie hat ihre symbolische Bedeutung sowie die Abstimmung und Ausgewogenheit des Kolorits eingebüßt und begnügt sich mit einer bunten, jedoch an Halbtönen und Nuancen armen Farbskala.

 

VNM, 212; Frühe Ikonen, Nr. 130; I. Akrabova-Shandova 1965, Nr. XVI; NKG - 1967, Nr. 66; NAG - 1976, Nr. 47; Ausstellungskataloge Nr. 2, 8, 9, 10, 11, 12.

 

 

Heiliger Nikolaos mit Vitenszenen

Tempera auf Lindenholz. 93 x 65 x 3,2 cm. Nationalmuseum Sofia. Inv.-Nr. 948

 

Stammt von der Ikonostasis der alten Nikolaoskirche in Vraza, der noch drei weitere Ikonen der gleichen Werkstatt aus den Jahren 1694, 1695 und 1699 angehörten (Nationalmuseum, Inv.-Nr. 949, 950 und 951, Akrabova-Shandova 1965, Nr. XVI-XVIII). Frontale Halbfigur des segnenden Heiligen mit plastisch-ornamentiertem Nimbus im Polystaurion mit Omophorion, in der Linken das Evangelienbuch haltend. An dem unteren und an den seitlichen Rändern zwölf Vitenszenen mit fragmentarischen slawischen Inschriften: Geburt, Einführung in die Schule, Diakonats-, Priester- und Bischofsweihe, der Heilige erscheint Kaiser Konstantin im Traum, der Heilige erscheint Gefangenen im Kerker, Rettung der zum Tode Verurteilten in Andriake, Erweckung Eulalias, Rettung des Jünglings Basileios von der Gefangenschaft, Entschlafen des Heiligen, Rettung aus Seenot. Doppelt profilierter Rahmen mit Bogen und geschnitztem Rankenornament am Außenrand.

 

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In den stark stilisierten Formen dieses Werkes einer provinziellen Werkstatt tritt der Schematismus des späten 17. Jh. am deutlichsten auf - die Gesichtszüge ähneln geometrischen Figuren, und die Kreuze des Polystaurions sind in ein Schachbrettmuster umgewandelt. Nur einige der Vitenszcnen haben den narrativ-naturalistischen Charakter des Prototyps behalten, dennoch sind sie durch das Ornament und das stilisierte szenische Beiwerk ebenfalls der gesamten dekorativen Komposition untergeordnet. Zugleich sind hier Einflüsse der islamischen Kunst - hauptsächlich der arabischen Miniatur - sowohl in der Ornamentik und in der Architekturkulisse (besonders deutlich an der zweiten Szene links) als auch im Kolorit erkennbar.

 

VNM, 212; I. Akrabova-Shandova 1965, Nr. XIX; Ausstellungskataloge Nr. 2, 8. 9, 10, 11, 12.

 

 

Aufsatzkreuz

Buchsbaumholz in Silbereinfassung. 45 x 18 x 3 (Kreuz 20 x 12,5) cm. Nationalmuseum Rila-Kloster. Inv.-Nr. PM-I-335

 

Der geschnitzte Holzkern in gleicher Form wie das Kreuz PM-I-336 gestaltet, jedoch die Rahmen der Einzelfelder mit Spitzbögen über Spiralsäulchen und griechischen Inschriften auf dekorativen Schrifttafeln versehen; ein ornamentaler Fries aus vierblättrigen Rosetten bildet den Rahmendekor und wird in den Zwickeln auf jeder Seite von je vier großen Rosetten (Rose von Jericho) unterbrochen. Die Einfassung ist wesentlich schlichter und besteht lediglich aus einer umlaufenden Silberblechleiste, die zwei Kugeln auf dem Querbalken sowie eine Rosette auf der Spitze schmücken; unten ist ein Aufsatzstück, ähnlich wie am anderen Kreuz, angebracht.

 

Im wesentlichen folgen Ikonographie und Bildprogramm des vermutlich Ende des 17. Jh. geschnitzten Kreuzes älteren Vorbildern. Die Unterschiede, die die Szenen Verklärung und Kreuzigung betreffen, ergeben sich aus der gewandelten liturgischen Deutung. Das eschatologisch-parusiale Moment bei der Verklärungsszene weicht vom volksbrauch- und liturgiegeprägten Verständnis im Zusammenhang mit dem Erntedankfest ab, das der Liturgie am Tag der Verklärung seit dem 17. Jh. seinen Stempel aufdrückt. Die Deutung der Kreuzigung als ein historisches und weniger als ein mystisches Ereignis führt zur Trennung der Adorationsszene von der Kreuzigung und zu ihrer Absonderung als Einzeldarstellung im Zusammenhang mit dem Fest der Kreuzverehrung (dem 3. Sonntag der Fastenzeit). Die Deutung der Szene Auferweckung des Lazarus ebenfalls als historisches Ereignis bewirkt die Eingliederung in die Passionsszenen auf der Rückseite, zu denen auch die Grablegung hinzugefügt wird. Die Bedeutung der historisierenden Interpretation wird auch durch die Darstellungen der Evangelisten unterstrichen, denen nunmehr eine wichtige Stelle auf beiden Seiten zu Füßen des Kreuzes zugewiesen wird. Die östlichen ikonographischen Motive verschwinden aus dem Bild und werden durch die spätathonitische Ikonographie verdrängt. Im Zusammenhang mit den humanistischen Strömungen der Neuzeit wird in der Komposition eine Unmittelbarkeit und Klarheit sowie eine gesteigerte emotionelle Aussage anstelle der Symbolsprache angestrebt. Bezeichnend für diese Auffassung ist die Kreuzigung mit der durchaus menschlichen leidenden Figur Christi, auf deren Beugung sogar das Kreuz reflektiert.

 

A. Tschilingirov 1966 (Iz), 58 f.; Ausstellungskataloge Nr. 8, 9, 10, 11, 12.

 

 

Aër

Silberstickerei auf Seide. 72 x 55,5 cm. Nationalmuseum Rila-Kloster. Inv.-Nr. PMTI-23

 

Im Mittelfeld des rechteckigen Tuches erscheint entsprechend seiner liturgischen Funktion eine Symboldarstellung der Proskomidie; Der Melismos in einem Diskos auf hohem Postament wird von zwei Erzengeln mit Rhipidien und einem Cherub mit Rauchfaß umgeben. Die umlaufende slawische Inschrift auf dem Rahmen gibt die Worte wieder, die der Priester während des Sakraments der Proskomidie ausspricht: »Wie ein Schaf wurde Er zum Schlachten geführt, und wie ein unschuldiges Lamm vor seinem Scherer verstummt, so tat Er Seinen Mund nicht auf. In Seiner Erniedrigung ward Sein Gericht aufgehoben. Wer könnte Seine Herkunft verstehen? Denn Sein Leben wird von der Erde hinweggenommen« (Jes 53, 7-8); »Geschlachtet wird das Lamm Gottes, das da trägt die Sünde der Welt, für das Leben und das Heil der Welt« (vgl. Joh 1.29). Die sehr dekorativen geometri- sierenden Formen schließen sich der Buchmalerei des späten 17. Jh. an, einer Zeit, in der die Kunststickerei ihre große Blüte in den bulgarischen Klöstern erlebte.

 

Ausstellungskataloge Nr. 8, 9, 10, 11, 12.

 

 

Evangeliarbeschlag

Silber, getrieben und vergoldet. 33 x 24 cm. Nationales Kirchenmuseum Sofia. Inv.-Nr. 6117

 

Griechisches Evangeliar, 1624 in Venedig gedruckt, mit Beschlag von 1712. Die Vorder- und Rückseite in mehrere ovale Einzelfelder mit figuralen Darstellungen unterteilt- Vorderseite: in der Mitte Kreuzigung mit je zwei Evangelistensymbolen sowie in den Ecken Verkündigung an Maria und Darbringung, unten Auferweckung des Lazarus und Taufe Christi;-Rückseite: in der Mitte Anastasis mit weiteren zwei Evangelisten und ihren Symbolen, oben Einzug in Jerusalem und Verklärung, unten Koimesis und Himmelfahrt. Auf den beiden Seiten ornamentale Rahmenleisten mit Inkrustationen aus farbigen Halbedelsteinen sowie Rankenornament zwischen den Einzelszenen. Die volkstümlich-folkloristische Formensprache setzt sich endgültig durch und verdrängt die Tradition, die nur noch entfernt in einigen Schemata zu spüren ist, wenn auch gerade die für das zentrale Balkangebiet charakteristischen

 

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ikonographischen Typen sich am längsten erhalten haben (Triumph des Kreuzes, der mit beiden Händen segnende Christus aus der Himmelfahrt, der linke Des- censustypus im Anastasisschema).

 

A. Boschkov 1972, 186; V. Pandurski 1977, Nr. 218-219.

 

 

Thrönende Gottesmutter mit Propheten

Tempera mit Gold auf Kiefernholz. 113 x 88 x 5 cm. Nationalgalerie Sofia. Leihgabe des Nationalmuseums. Inv.-Nr. 191

 

Ganzfigur der auf einem hohen Thron mit Suppeda- neum sitzenden Gottesmutter mit dem segnenden Kind auf dem Schoß, beiderseits von kleinen Engelfiguren flankiert; links und rechts je sechs Brustbildnisse von Propheten mit Schriftrollen (David, Moses, Jeremias, Daniel, Hesekiel, Habakuk; Salomo, Gedeon, Joel, Zacharias, Jesaja, Micha). Geschnitzte Nimben und Rahmen mit Rankenornament versehen; die Zentralkomposition in einem ebenfalls ornamental dekorierten Bogen mit Rankenwerk in den Zwickeln eingeschlossen. Slawische Inschriften über allen Darstellungen und an den Schriftrollen der Propheten; unten Stifterinschrift mit dem Namen des Malers, des Priesters Nikola aus Teteven, teilweise in Kryptogramm, mit Jahresbezeichnung nach der Erschaffung der Welt (7211) und nach der Geburt Christi (1703). Erhalten ist noch die als Pendant gemalte Pantokratorikone von demselben Maler, ebenfalls in der Nationalgalerie Sofia (Inv.-Nr. 190, NAG - 1976, Nr. 86). Im Monumentalaufbau der Komposition mit schweren, lastenden Formen sind die Verbindungen mit der hochmittelalterlichen Freskomalerei spürbar, die als Bindeglied der Traditionskette alte Schemata und ikonographische Typen überliefert hat. Dennoch sind auch hier die modischen Zugeständnisse nicht zu übersehen, die an dem reichverzierten Barockthron, dem Suppedaneum sowie bei der Anwendung von Naturvorbildern für die Gesichtszüge und bei der Kleidung in Erscheinung treten und im Laufe des 18. Jh. in der bulgarischen Malerei ständig zunehmen.

 

A. Vasiliev 1962’, 467; I. Akrabova-Shandova 1965, Nr. XXI; NKG - 1967, Nr. 73; NAG - 1976, Nr. 191; Ausstellungskataloge Nr. 1, 2, 3, 4, 5, 6, 8, 9, 10, 11, 12.

 

 

Epigonation

Gold- und Silberstickerei auf; Seide. 29 x 29cm. Schatzkammer des Batschkovo-Klosters. Inv.-Nr. 102

 

Das von ornamentalen Streifen umrahmte quadratische Mittelfeld nimmt eine dekorative Darstellung der Verklärungsszene ein. Die traditionelle Ikonographie mit der stilisierten Berglandschaft ist um pflanzliche Ornamente, Sterne sowie die Darstellungen des inkarnierten Logos im Himmelssegment und um zwei Cherubim bereichert; unter der mit einem ausladenden Kreuz ausgezeichneten Figur Johannes’ findet sich eine gestickte slawische Inschrift mit dem Namen der Künstlerin, Sultana. Wahrscheinlich handelt es sich hier um eine weltliche Künstlerpersönlichkeit und nicht, wie sonst üblich, um eine Nonne. Das stark von der islamischen Kunst beeinflußte Ranken- und Tulpenornament sowie die überladene und sehr dekorative Komposition mit mehreren interpolierten Details deuten auf eine Abweichung von der Tradition hin, die sich seit dem frühen 18. Jh. - die Entstehungszeit dieser Arbeit - immer deutlicher erkennen läßt.

 

Ausstellungskataloge Nr. 3, 4, 5, 6, 8, 9, 10, 11, 12.

 

 

Heilige Marina

Tempera mit Gold auf Lindenholz. 61,5 x 28,5 x 3 cm. Nationales Kirchenmuseum Sofia. Inv.-Nr. 3918

 

Halbfigur der heiligen Marina in zinnoberrotem mit goldenem pflanzlichem Ornament verziertem Maphorion, die Rechte mit Märtyrerkreuz und die Linke in Begrüßungsgestus. Der profilierte Rahmen mit z. T. durchbrochener Schnitzerei in der Form eines Giebels mit stark stilisiertem blühendem Kreuz zwischen zwei Ziborien; griech. Inschrift mit dem Namen der Heiligen. Ursprünglich gehörte die Ikone vermutlich zu einem Ikonostasen- fries in Plovdiv, dem noch ein Panneau mit den Ganzfiguren der hl. Paraskeue und hl. Kiriake, ebenfalls im Kirchenmuseum Sofia (Inv.-Nr. 3858), entstammt. Im Sinne der dekorativen Tendenzen des späten 17./frühen 18. Jh. wird hier dem formalen Aufbau der Komposition Vorrang eingeräumt, wobei ein Einklang zwischen der Symbolik und den rein dekorativen Formen angestrebt wird: Die auf dem Bild dominierende feuerrote Farbe stellt eine Andeutung an das Martyrium der verbrannten Heiligen dar.

 

Frühe Ikonen, Nr. 149; V. Pandurski 1977, Nr. 39; Ausstellungskataloge Nr. 1, 2, 3, 4, 5, 6, 8, 9, 10, 11, 12.

 

 

Die Vierzig Märtyrer von Sebasteia

Tempera auf Holz. 76,5 x 58 x 4 cm. Nationalgalerie Sofia. Leihgabe des Nationalmuseums. Inv.-Nr. 289

 

Im traditionellen Bildschema des Martyriums der Vierzig Soldaten aus Sebasteia sind alle Einzelheiten der Ikonographie des 18. Jh. enthalten (weit ausladende Landschaft, Christus, auf dem Regenbogen sitzend, verteilt Kronen als Auszeichnung der Märtyrer), dennoch ist in der dynamischen und dramatisch bewegten Komposition mit überbetontem Ausdruck auch die abweichende Lokaltradition spürbar, die sich in der bulgarischen Malerei bereits im 10.-11.Jh. (Vodoča, Ochrid) von dem mittelbyzantinischen Schema absetzte. Wie an den meisten zeitgenössischen Werken der bulgarischen Ikonenmalerei spielt die Gegenüberstellung der komplementären Farben eine für die Aussage hervorragende Rolle.

 

NKG - 1967, Nr. 76; NAG - 1976, Nr. 138.

 

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Christi Verklärung

Tempera auf Holz. 87 x 64,5 x 2 cm. Nationalgalerie Sofia. Inv.-Nr. 4

 

An dieser Ikone aus dem frühen 18. Jh. ist das traditionelle Schema zu einer dekorativen Komposition verändert, bei der neben einer stark stilisierten linear-flächigen Formensprache mit ausschließlich graphischer Behandlung der Konturen, Schatten und Lichter eine feine und präzise Modellierung der fast miniaturartigen Gesichter der Personen auftritt. Die abstrakte warme ocker-rote Farbskala steigert die irreale Wirkung des Kunstwerkes und läßt keinen Zweifel aufkommen, daß es sich hier um ein Kultbild und keineswegs um eine Illustration oder Nachbildung geschichtlicher Ereignisse handelt. Fragmentarisch erhaltene griechische Inschriften, an der Schrifttafel Moses die Zahlen 1 bis 10 für die Zehn Gebote.

 

NAG - 1976, Nr. 91.

 

 

Auferweckung des Lazarus

Fresko, auf Leinen übertragen. 95 x 110 cm. Nationalgalerie Sofia. Leihgabe des Nationalmuseums. Inv.-Nr. 3580

 

Ein Teil des Wandschmucks der in den 40er Jahren abgerissenen Alten Georgskirche in Nessebar, erneuert und ausgemalt 1704, ist abgenommen worden und wird im Nationalmuseum Sofia aufbewahrt. Die starken athonitischen Einwirkungen in Ikonographie und Stil sind an der Auferweckung des Lazarus besonders deutlich erkennbar: Das Wandbild folgt dem neuen Schema mit eingewölbtem Felsengrab, das erstmalig an der Ikone des Theophanes von Kreta (DOP 23-24/1969-70, T. 73) erscheint; gleichzeitig nimmt die Plastizität der Form zu, durch die betonten hellen Lichter noch gesteigert. Auch eine Verlängerung der Proportionen neben aufgelockerter Haltung der Figuren sowie zeitbezogenes szenisches Beiwerk sind für diese neue Richtung symptomatisch, die in der ersten Hälfte des 18. Jh. stagniert, jedoch nach der Jahrhundertmitte weiterhin stilbestimmend ist.

 

A. Vasiliev 1950 (INMB), 54 b; ders. 1962, 473 f.; NAG - 1976, Nr. 92.

 

 

Erzengelkirche, Arbanassi

 

Die mehrmals umgebaute und erweiterte Kirche geht in ihrer ersten Baukonzeption nicht über das frühe 16. Jh. zurück und stellt ursprünglich eine einschiffige gewölbte Anlage mit einer polygonalen Apsis dar; während zahlreicher Veränderungen im 17. Jh. und zuletzt 1761 erhielt die Kirche eine geschlossene Nordgalerie und eine kleine Annexkapelle mit eigener Apsis sowie einen Vorraum nach Westen (Frauenabteilung); das Innere wurde zu einer stützen- und tambourlosen Kuppelkirche mit zwei Sänger- konchen umgestaltet, wobei die Pendentifblindkuppel mit einem Satteldach verdeckt wurde. Im Unterschied zu den anderen zeitgenössischen Bauten zeichnet sich die Erzengelkirche auch durch ihre reiche, mit Blendbogenfries gestaltete West- und Nordfassade aus.

 

 

Die ursprüngliche Putzschicht mit der ersten Bemalung ist bei den Umbauten abgeschlagen worden, dennoch in einer Grube neben der Kirche fragmentarisch erhalten geblieben. Der ganze Naos wurde vermutlich zu Beginn des 18. Jh. zum zweitenmal ausgemalt, später teilweise übermalt; die erst 1975 freigelegten (D. Peschev mit Kollektiv) Wandbilder stellen eines der wichtigsten Werke bulgarischer spätmittelalterlicher Monumentalmalerei dar, in dem die Ideen einer Übergangszeit sowohl in den neuen ikonographischen Lösungen als auch im dekorativen, jedoch durch naturalistische Tendenzen geprägten Stil am deutlichsten hervortreten. Die laut Inschrift 1761 von den Malern Michail aus Thessaloniki und Georgi aus Bukarest ausgeführten Wandbilder im Vorraum (große Medaillons mit Darstellungen der Hypostasen Christi, der Panagia und Johannes’ des Täufers, Akathistos-Zyklus, Medaillons und Ganzfiguren der Heiligen auf den Seitenwänden sowie die Monumentalkomposition Konzil der Erzengel und in Fresco-secco-Technik ausgeführte Ikonen auf der Ostwand) gehören dagegen einem konventionellen und konservativen Stil an und widerspiegeln den Rückgang der fortschrittlichen Tendenzen und die Suche nach neuen Kunstmitteln und -lösungen zur Überwindung der Schablonen. Zu der späteren Ausstattung der Kirche gehören noch die geschnitzte Ikonostasis und der Bischofsthron aus dem Jahr 1813, Werke der Trjavna-Schule.

 

A. Vasiliev 1962, 478; A. Boschkov 1965; K. Mijatev 1974, 204 f.

 

 

Enkolpion-Diptychon

Lindenholz. 7,5 x 7 cm. Schatzkammer der Metropolitenkirche, Samokov

 

Die Darstellungen an den beiden Teilen dieses als Diptychon gestalteten und in einer jüngeren Einfassung aus dem Jahr 1806 eingeschlossenen Enkolpions sowie die ungewöhnliche hexagrammetrische Form weichen von der üblichen runden Form mit Bildnissen des Pantokrators und der bischöflichen Panagia ab. Diese Abweichung in Bildprogramm und Gestaltung läßt sich aus der spekulativen spätmittelalterlichen Symbolsprache erklären: Die für die christliche Priesterweihe als paradigmatisch geltende Szene Mariä Tempelgang wird hier mit der Darstellung des Kaiserpaars Konstantin und Helena zu Seiten eines Kreuzes in Zusammenhang gebracht, dessen Fest bei dem orthodoxen Christentum immer noch mit verschiedenen vorchristlichen magischen Bräuchen verbunden ist -

 

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bis zum heutigen Tage findet an diesem Festtag, dem 21. Mai, in einem Dorf Südostbulgariens ein Ritus mit Tänzen auf glühenden Steinen vor der Ikone der Heiligen statt. Die Beziehung zwischen dem Zeichen Salomos - dem klassischen Symbol der Magie - und dem Kreuz sowie dem Symbol der Priesterweihe unterstreicht auf diesem Enkolpion den Sinn eines Abzeichens des Bischofs. Die Ikonographie beider Kompositionen ist der Miniaturschnitzerei angepaßt und entsprechend vereinfacht worden, während der dekorative Stil und die Ausführung in Flachrelief mit weicher Modellierung sie unter den Werken bulgarischer Miniaturplastik des späten 18. Jh. einfügt.

 

 

Triptychon

Lindenholz. 7,8 x 2,2; 7,8 x 5; 7,8 x 2,2cm. Nationales Kirchenmuseum Sofia. Inv.-Nr. 6315

 

Im Zentralfeld des kleinen geschnitzten Triptychons ist die Szene des Drachen Wunders des hl. Georg mit allen Details der spätmittelalterlichen Ikonographie dargestellt - es fehlt lediglich die Gruppe der Stadteinwohner auf dem Turm, dagegen ist aber oben die Halbfigur des Gott Zebaoth angebracht, ein Motiv, das nur für den spätathonitischen Kunstkreis charakteristisch ist. An den beiden Flügeln erscheinen vor der phantastischen Architekturkulisse die Ganzfiguren des hl. Johannes Chrysostomos, des hl. Basileios des Großen, des hl. Gregorios von Nazianz und des hl. Athanasios in liturgischen Gewändern mit Sakkos und Omophorion. Neben der überlieferten Ikonographie treten auch Einwirkungen der islamischen Kunst auf - vor allem an den Spitzbögen und am szenischen Beiwerk, das gewisse Beziehungen zu arabischen Miniaturen erkennen läßt. Im ornamentalen Rahmen sind schwer lesbare griechische Inschriften angebracht. Durch seine meisterhafte dekorative Komposition und präzise Ausführung nimmt dieses Triptychon eine hervorragende Stelle unter den zahlreichen Werken spätmittelalterlicher bulgarischer Miniaturholzplastik ein. Stilistisch verwandt mit dem Triptychon im Nationalmuseum Sofia aus dem Jahr 1787, Inv.-Nr. 903, und wahrscheinlich in derselben Werkstatt entstanden.

 

Ausstellungskataloge Nr. 8, 9, 10, 11, 12.

 

 

Kleines Altaraufsatzkreuz

Buchsbaumholz. 10,8 x 6,2 cm. Ehemals Staatliche Museen zu Berlin. Inv.-Nr. 792

 

Die einfache Form eines lateinischen Kreuzes durch Zwickelmedaillons auf rechtwinkligen Stegen bereichert; jede Seite durch zwei Spiralsäulchen und drei Querriegel in sechs fast gleich große Felder mit gezackten Flachbogenarkaden zerlegt. An den Seiten der Kreuzarme Einschnitte, durch Zapfen geschlossen, oben und unten offen. Hochrelief mit Durchbrucharbeit. Auf der Vorderseite in der Mitte Kreuzigung (mehrere Begleitfiguren, dekorative architektonische Kulisse mit Arkade), oben Himmelfahrt (Christus in kranzähnlicher Aureole, mit beiden Händen segnend, Inschrift ВОЗНЕСЕ[НІЕ], unten Verklärung (Petrus in der Mitte, flankiert von Jakobus und Johannes in tiefer Verbeugung, Inschrift ПРЕОБРАЖЕ[NІЕ]) und Herabkunft des Heiligen Geistes (große Figur des personifizierten Kosmos in der Mitte, Inschrift СОШЕСТВІЕ [С̅Т̅ГО ДУХА]), links Koimesis (УСПЕNІЕ П̃Р[Б̅Ц̅Ы]), rechts Einzug in Jerusalem (В[Л]ИЗАNІЕ); auf der Rückseite in der Mitte Christi Geburt (Maria, in der Höhle vor dem Kind kniend, oben zwei Engel, links heranreitende Drei Könige, rechts blasender Hirt, unten die Badeszene und das Zwiegespräch Josephs mit dem »Alten Hirten«), oben Verkündigung an Maria vor dem Brunnen, unten Auferweckung des Lazarus (mit rechteckigem Felsengrab, Inschrift ЛАЗАРЪ) und Anastasis (ВЪСКРЕСЕNІЕ - linker Descensustyp mit symmetrisch verteilten Urelternfiguren), links Taufe Christi (БОГОІ-АВЛЕNІЕ - Christus segnend, ohne Perisoma, die Rechte des Täufers über seinem Kopf), rechts Darbringung (СТРЕѢТЕНІЕ - mit drei Ziborien im Hintergrund); in den Zwickelmedaillons Brustbilder von bekrönten Propheten mit Schriftrollen. Randleisten mit Spirallinien und Zickzackstrichen verziert.

 

1835 von der Sammlung Nagler für die Preußische Kunstkammer erworben und später von der frühchristlichbyzantinischen Abteilung der Königlichen Museen von Berlin übernommen. Während des zweiten Weltkrieges in den Friedrichshainbunker verlagert und seit dem Großbrand 1945 vermißt; jetziger Aufbewahrungsort unbekannt. Bei seinen ersten Veröffentlichungen durch Kugler, Bode und v. Tschudi, denen sich Wulff und Volbach angeschlossen haben, wurde es wegen der angeblich fehlerhaften russischen Orthographie als »griechisch nach russischem Vorbild« bestimmt und in das 17. Jh. gesetzt (Volbach korrigierte nur die Datierung auf 18. Jh.). In der Tat zeigen die Inschriften sehr korrekt die mittelbulgarische Orthographie aus dem späten 18./frühen 19.Jh. Stilistisch ordnet sich das Werk ebenso einer umfangreichen Gruppe ähnlich präzis geschnitzter Kreuze mit den gleichen ikonographischen Besonderheiten ein, jedoch ohne Inschriften, zu denen die Kreuze Nr. PM-I-57 und PM-I-32 im Nationalmuseum Rila-Kloster sowie Nr. 6114 und 6889 im Nationalen Kirchenmuseum Sofia gehören.

 

P. Kugler: Beschreibung der Kunst-Schätze von Berlin und Potsdam. II. Beschreibung der in der Königl. Kunstkammer zu Berlin vorhandenen Kunst-Sammlung, Berlin 1838, 61, Nr. 96; W. Bode / H.v. Tschudi: Beschreibung der Bildwerke der christlichen Epoche, Berlin 1888, 152, Nr. 592; O. Wulff: Altchristliche und mittelalterliche byzantinische und italienische Bildwerke. II. Mittelalterliche Bildwerke, Berlin 1911, 58, 1842; W.F. Volbach: Mittelalterliche Bildwerke aus Italien und Byzanz, Berlin 19302, inf., Nr. 722. (Bei Wulff und Volbach die Inv.-Nr. irrtümlicherweise als 722 angegeben).

 

 

Großes Altaraufsatzkreuz

Buchsbaum- und Lindenholz. 80 x 40 x 4 cm. Nationalmuseum Rila-Kloster

 

Das einzige Werk bulgarischer spätmittelalterlicher Miniaturplastik, dessen Autor durch die Überlieferung bekannt ist -

 

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Mönchspriester Rafail, geboren um die Mitte des 18. Jh. im Dorf Galischta, gestorben in den 30er Jahren des 19. Jh.; nach der Vollendung seines Werkes, an dem er zwölf Jahre gearbeitet haben soll, Ende des 18. Jh. erblindet. Das große Altaraufsatzkreuz ist in der Form eines blühenden lateinischen Kreuzes gestaltet, mit sternförmigen Endungen an den Spitzen der Kreuzarme und in den Zwickeln, auf einem Postament aus jüngerer Zeit befestigt, das mit irreführendem Datum 1802 versehen ist. Auf jeder Seite des Kreuzstammes sind je zehn Szenen geschnitzt (Vorderseite: Verkündigung an Maria, Mariä Tempelgang, Mariä Geburt, Darbringung, Christi Geburt, Heilung des Gebrechlichen, Geburt Johannes’ des Täufers, Zwölfjähriger Jesus im Tempel, Taufe Christi und Verklärung; Rückseite: Himmelfahrt, Herabkunft des Heiligen Geistes, Koimesis, Kreuzabnahme, Kreuzigung, Einzug in Jerusalem, Ungläubiger Thomas, Kreuzerhöhung, Anastasis, Auferweckung des Lazarus); in den Sternen an den Spitzen der Kreuzarme und neben dem Kreuzstamm je fünf weitere Szenen (Vorderseite: Gastfreundschaft Abrahams, Heilung des Blinden, Enthauptung Johannes’ des Täufers, Verkündigung an Abraham, Jakobs Himmelsleiter; Rückseite: Abendmahl, Frauen am Grabe, Christus in Emmaus, Daniel unter den Löwen, Drei Jünglinge im Feuerofen). Am Fuß des Kreuzes Darstellungen der Apostel Petrus und Paulus sowie Konstantin und Helena an der Rückseite, in den Abzweigungen mehrere Brustbildnisse von Propheten, Aposteln, Einsiedlern und Evangelisten in Medaillons. Die Festszenen sind von Spitzbögen auf Spiralsäulchen gerahmt, mit umlaufendem Flechtbandornament, durch achtblättrige Rosetten (Rose von Jericho) unterbrochen.

 

Die bedeutendste Schöpfung der christlich-orthodoxen Miniaturplastik am Ausgang des Mittelalters. Die Festszenen stellen das umfangreichste Kompendium spätatho- nitischer Ikonographie mit allen Einzelheiten der z.T. als ganze Zyklen gestalteten Sujets (z. B. Verklärung und Taufe Christi) dar; die Hunderte von Einzelfiguren wie das überaus reiche szenische Beiwerk sind mit äußerster Vollendung in Hochrelief ausgeführt, jedoch von einem gewissen Manierismus nicht frei, der die Ausweglosigkeit der kirchlichen Kunst in der jüngeren Zeit spüren läßt und ihre weitere Entfaltung lediglich in der formalen Vollkommenheit einer narrativen Formensprache sieht.

 

A. Vasiliev 1965, 654 f.; A. Tschilingirov 1966 (Iz), 39-42; ders. 1966 (BK) 310-312; P. Petrov 1969; A. Boschkov 1972, 255 f.

 

 

Enkolpion-Diptychon

Lindenholz. 0 7,5 cm. Schatzkammer der Metropolitenkirche, Samokov

 

Als zweiteilige Einlage eines ovalen Behälters gestaltet, der ursprünglich offensichtlich in reicher Ausstattung in Gold, Email und Edelsteinen ausgeführt werden sollte, jedoch - wie die beiden runden Miniaturreliefs - unvollendet geblieben und später durch eine primitive Silberdose ersetzt worden ist. In den kreisförmigen Medaillons mit ornamental eingeschnittenen Rahmen (bei dem zweiten unvollendet) sind durch Flechtranken, die von dem schlafenden Jesse und dem aus einem Wal steigenden Propheten Jonas ausgehen, jeweils sechs größere und vier kleinere ovale Felder gebildet, in denen die zwölf großen Feste sowie die Brustbildnisse der Propheten David, Salomo, Hesekiel, Daniel und der vier Evangelisten dargestellt werden.

 

Das Ende des 18. Jh. entstandene Diptychon zeigt den Höhepunkt in der technischen Perfektion der bulgarischen Miniaturschnitzerei, die sogar noch das Kreuz des Mönchs Rafail übertrifft und die weitere Entwicklung in der Richtung einer lediglich formalen Vervollkommnung ankündigt. Im Vergleich mit den älteren Werken ist die Komposition dynamischer und freier aufgebaut, oft wird das traditionelle Schema aufgegeben, zugleich jedoch das dekorativ-formale Prinzip überbetont. Neben der bislang noch nie erreichten Virtuosität der Miniaturschnitzerei sind auch die Voraussetzungen eines Manierismus stärker als zuvor vorhanden, der sich hauptsächlich an der ausladenden Komposition erkennen läßt. Es treten immer öfter abendländische Einflüsse - vor allem aus Venedig - auf, sehr deutlich am architektonischen Hintergrund wie auch an der Palme und dem Pferd bei der Szene Einzug Christi in Jerusalem ablesbar.

 

 

Heiliger Charalampios

Tempera und Gold auf Holz. 52 x 33,5 x 2 cm. Nationalgalerie Sofia. Leihgabe des Nationalmuseums. Inv.-Nr. 923

 

Die Stilisierung und Schematisierung der Gesichtszüge des Heiligen haben in der 1770 datierten Ikone aus der Region von Samokov einen Höhepunkt erreicht, der auch in der religiösen Malerei Bulgariens aus der Spätzeit nicht sehr häufig vorkommt und dem wenige an Qualität vergleichbare Stücke gegenüberstehen. Die sowohl für den geschnitzten Rahmen als auch für das bemalte Bild einheitliche dekorative Formensprache, in der dem Rot- Grün-Gold-Farbakkord eine vorrangige Funktion für die Aussage beigemessen wird, ist für die Kunstwerke des späten 17. und 18. Jh. typisch. Von demselben Maler sind zwei weitere, 1775 und 1776 datierte Ikonen in Kamenna Riksa und im Eliaskloster in Teteven (A. Vasiliev 1962, 469!.), die mit dem Namen Priester Pavel signiert sind.

 

NAG - 1976, Nr. 98.

 

 

Gottesmutter des Zeichens mit Erzengeln und Heiligen

Tempera auf Holz. 49 x 45 x 2 cm. Nationalgalerie Sofia. Leihgabe des Bezirksmuseums Veliko Tirnovo. Inv.-Nr. 108-x

 

Die Ikone läßt eine volkstümliche Interpretation des Themas von der Lobpreisung des Christentums im Zusammenhang mit dem Fest der Orthodoxie -

 

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dem ersten Sonntag der großen Fastenzeit - erkennen: In der Mitte oben ist die Gottesmutter, Symbol der doppelten Natur Christi, in einem Medaillon eingeschlossen und von Erzengeln flankiert; unten sind die Heiligen Konstantin und Helena mit dem Wahren Kreuz und die Schöpfer der orthodoxen Liturgie, Johannes Chrysostomos und Basileios der Große im Bischofsornat, Schriftrollen mit Auszügen ihrer Liturgien auf slawisch haltend. Die vermutlich für eine kleine Dorfkirche vorgesehene Festtagsikone, ein Werk der Schule von Trjavna, ist für die volkstümliche Richtung des späten 18. Jh. repräsentativ: Die kanonisierten Schemata bleiben in den Hauptzügen noch erhalten, dennoch häufen sich die dekorativen Ziermotive an - im Hintergrund des Medaillons sowie an den Gewändern der Gottesmutter, der Erzengel und der Heiligen deutlich ablesbar. Zugleich tritt eine gewisse Vergröberung und Schematisierung der Form auf; die Farbkomposition ist gedämpft und hauptsächlich auf irdischen rot-ockerbraunen Farben aufgebaut.

 

NAG - 1976, Nr. 110.

 

 

Christus-Pantokrator

Tempera auf Kiefernholz. 80 x 54,5 x 5,5 cm. Nationalmuseum Rila-Kloster. Inv.-Nr. PM-III-30

 

Die 1775 datierte und ursprünglich zur Ausstattung der Kirche am Grabe des hl. Ivan von Rila gehörende Ikone des Pantokrators ist das früheste Beispiel der neuzeitlichen Tendenzen der athonitischen Malerschule, die im letzten Drittel des 18. Jh. zunehmend eine Annäherung zum Naturvorbild anstreben. Sowohl im Kolorit, das die abstrakte Farbgebung in Inkarnat, Hintergrund und Bekleidung endgültig aufgegeben hat, als auch in der gesteigerten Plastizität der Formen läßt sich das Neue deutlich spüren, wobei bis zum Beginn des 19. Jh. der spirituelle Ausdruck und die strenge Haltung noch vorherrschen.

 

Ausstellungskataloge Nr. 8, 9, 10, 11, 12.

 

 

Deesis mit zwölf Aposteln

Ikonostasenfries (Detail)

Tempera auf Nußbaumholz. 170 x 24 x 5cm. Nationalmuseum Rila-Kloster. Inv.-Nr. PM-III-72

 

In geschnitzten und vergoldeten Rahmen mit Ranken- und Flechtbandornament mit Rosetten, in den Einzelfeldern eines Arkadenfrieses Halbfiguren des thronenden Christus, Mariä und Johannes’des Täufers, flankiert von je sechs Apostelfiguren mit griechischen Inschriften. Gehörte vermutlich zu einer Nebenikonostasis des in den 80er Jahren des 18. Jh. erneuerten und 1834 abgerissenen alten Katholikons vom Rila-Kloster. Ein Werk der Athos-Schule, bei dem enge Zusammenhänge mit den vom athonitischen Mönch Zacharij signierten bzw. ihm zugeschriebenen Ikonen desselben Klosters feststellbar sind und die gleichen Tendenzen zur Erneuerung der orthodoxen ikonographischen Tradition aufweisen.

 

Ausstellungskataloge Nr. 8, 9, 10, 11, 12.

 

 

Ikonostasis

Nußbaumholz in Goldeinfassung. Kapelle des hl. Ivan von Rila im Katholikon des Rila-Klosters

 

Die Ikonostasis der 1343/44 errichteten und 1834 abgerissenen Klosterkirche wurde in der Südkapelle des anschließend erbauten neuen Katholikons des Rila- Klosters aufgestellt, wobei zu diesem Zweck geringfügige Umbauten, einschließlich einer Verringerung der Breite, vorgenommen werden mußten. Laut Inschrift ist die Ikonostasis 1787 während der umfangreichen Sanierungsarbeiten und der Ausmalung der alten Kirche geschnitzt und bemalt worden; etwas später - vermutlich zu Beginn des 19. Jh. - wurde sie vergoldet, und noch später sind die großen geschnitzten Flachreliefplatten der unteren Reihe hinzugefügt worden, während am ursprünglich durch einen Vorhang abgeschlossenen Nordeingang erst in jüngerer Zeit eine Tür angebracht wurde. Die Gliederung der sehr präzis à jour geschnitzten Ikonostasis entspricht dem klassischen athonitischen Typ: In der Mitte der unteren Reihe ist die Königstür, beiderseits von den großen Ikonen des Pantokrators und der Hodegetria, Johannes’ des Täufers und des Kirchenpatrons, des hl. Ivan von Rila, umgeben; die Ikonen sind unten und oben von geschnitzten dekorativen Hochrelieftafeln mit pflanzlichen und figuralen Motiven eingefaßt und durch ebenso geschnitzte und mit Rankenornament zwischen figuralen Darstellungen versehene Säulen mit Basen und Kapitellen getrennt; in den Tympana sind Figuralkompositionen, wie Samson mit dem Löwen, die Jakobsleiter, der Pelikan sowie eine Jagdszene mit dem vermutlichen Selbstbildnis des Hauptmeisters, angebracht. Die untere Reihe wird mit einem ornamentalen Gesims abgeschlossen, dem ein Fries mit kleinen Festikonen und der Deesis-Gruppe in der Mitte, von zwei Rankenfriesen umgeben, folgt (der untere Fries mit Prophetenmedaillons, in der Mitte die Darstellung des schlafenden Jesse). Die ganze Anlage wird durch eine monumentale Kreuzigung bekrönt, die von den Assistenzfiguren Maria und Johannes zwischen geschnitzten Vasen mit Blumen, Drachen und Tauben flankiert wird.

 

Die Ausführung ist mit großer Wahrscheinlichkeit einem der beiden Meister der Ikonostasis in der Metropolitenkirche zu Samokov - vermutlich dem aus den Urkunden bekannten Andon vom Berge Athos - zuzuschreiben. Die von abendländischen Einflüssen stark abhängige Formensprache zeigt eine für die im späten 18. Jh. auf dem Athos aufgetretene antikisierende Strömung charakteristische Tendenz zur Bereicherung der Symbolaussage und zur tieferen Spiritualität.

 

Die ursprünglich dieser Ikonostasis angehörenden Ikonen, wie auch die 1787 datierte Malerei an der Königstür, entstammen demselben Kunstkreis;

 

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einige Ikonen sind vom athonitischen Mönch Zacharij signiert, der Ende des 18. Jh. zusammen mit Christo Dimitrov im Rila- Kloster tätig gewesen ist. In der Ikonographie sind auch Einflüsse Rußlands feststellbar, die in der Erneuerung der athonitischen Kunst Ende des i8./Anfang des 19. Jh. neben den abendländischen Einflüssen eine wichtige Rolle zu spielen begannen.

 

Die von K. Mijatev in der Literatur eingeführte Zuschreibung dieser Ikonostasis an die Samokov-Schule und Datierung in die Mitte der 30er Jahre des 19. Jh., denen sich weitere Forscher wie A. Boschkov angeschlossen haben, sind unkorrekt. Sie basieren auf der irrtümlicherweise damit in Zusammenhang gebrachten Eintragung über die Entlohnung von Holzschnitzern im Rechnungsbuch des Klosters, welche sich jedoch auf andere Arbeiten bezieht, und lassen die Inschriftenrauf der Ikonostasis wie auf den Ikonen außer Betracht.

 

Derselben Werkstatt entstammt auch der Hegumenos- thron der alten Klosterkirche, heute ebenfalls im Katho- likon des Rila-Klosters, mit einer Stifterinschrift vom Jahr 1797 und Dreifaltigkeitsikone - spätathonitische Interpretation des Paternitas-Typus.

 

K. Mijatev: Die kirchliche Wandmalerei und Holzschnitzerei (Das Rila-Kloster, Sofia 1957, 59 f.); A. Boschkov 1972, 251.

 

 

Gottesmutter Himmelskönigin

Fresko. Klausur des Rila-Klosters

 

Nach der Ausplünderung des Rila-Klosters 1778 setzte 1784 mit den Sanierungsarbeiten und der Ausmalung der Klosterkirche eine umfangreiche Bautätigkeit ein, die ihren Höhepunkt mit der Errichtung des neuen Katho- likons 1834-37 erreichte und damit den Beginn der Neuzeit in der bulgarischen Kunstgeschichte kennzeichnete. Vom Anfangsstadium dieser Bauperiode sind uns nur wenige Ikonen und Holzschnitzereien der 1834 abgerissenen Kirche überkommen, darunter einige Fragmente der laut Stifterinschrift 1794 ausgeführten Fresken, die im Museum des Klosters aufbewahrt werden oder - wie die Wandbilder des hl. Ivan von Rila und der Gottesmutter Himmelskönigin - in die Klausur wiedereingesetzt wurden. Ikonographie und Stil der Malerei schließen sich der athonitischen Schule des späten 18. Jh. an, deren dekorative Formensprache starke Einflüsse auf die sich zu dieser Zeit herausbildenden bulgarischen Nationalschulen ausübte. Eine Annäherung zum Naturvorbild, die wenige Jahre zuvor die Ikonenmalerei erfaßte, breitet sich nunmehr auch auf die Monumentalmalerei aus und bereitet die große Wende zum Naturalismus im 19. Jh. vor.

 

 

Ikonostasis

Nußbaumholz, z. T. in Goldeinfassung. Metropolitenkirche, Samokov

 

Laut Eintragungen aus den Jahren 1791 —1793 im Rechnungsbuch der Samokover Metropolitenkirche vom bulgarischen Meister Andon - vermutlich unter Beteiligung eines weiteren Meisters und einigen Gehilfen - auf dem Berge Athos angefertigt und nach Samokov übergeführt. Die mehrfachen Veränderungen im Zusammenhang mit Umbauten und Erweiterungen der Kirche haben die Gesamtkomposition der Ikonostasis beeinflußt: Nachdem die Arbeit bereits fortgeschritten und die Schnitzerei der beiden unteren Reihen vollendet war, sind zu den Tafeln geschnitzte Seitenfelder hinzugefügt worden. Schon zu Beginn des 19. Jh. wurde der einschiffige Hallenbau durch zwei Seitenschiffe erweitert, denen sich in den 20er Jahren zwei entsprechende Seitenflügel der Ikonostasis anschlossen, vom Meister Athanas Teladur, dem Gründer der Samokover Schnitzereischule, unter weitgehender Berücksichtigung des Stils und der Komposition des Mittelteils ausgeführt.

 

Die Gesamtkomposition und die Gliederung des ursprünglichen Mittelteils der Ikonostasis gleicht der der Ikonostasis im Rila-Kloster vom Jahre 1787, ist jedoch wesentlich erweitert; die Holzschnitzerei ist präziser und zeigt den Höhepunkt der bulgarischen Monumentalplastik, dem sogar die Meisterwerke aus dem zweiten Drittel des 19. Jh. nachstehen. Die zum Teil eklektische, dennoch wirkungsvolle und technisch vollendete expressive Formensprache der Schnitzerei und der Ikonen, die wiederum laut Eintragungen im Rechnungsbuch u. a. dem Maler Christo Dimitrov aus Samokov zugeschrieben werden, weist zugleich neben den immer deutlicher gewordenen Einwirkungen des Abendlandes Merkmale der im späten 18. Jh. aufgetretenen, wenn auch kurzlebigen, antikisierenden Strömung auf dem Athos auf, die eine formale und geistige Erneuerung der christlichen Kunst auf der Basis der antiken Kunst und einen Rückgriff in die überlieferte altchristliche Symbolik anstrebte, deren Formen sie nachzubilden versuchte. Diese Bestrebungen gelangten nicht über das erste Jahrzehnt des 19. Jh. hinaus; sie wurden von der Volkskunst und den folklo- ristischen Tendenzen der sich rasch entwickelnden Nationalschulen überschattet und zum Erliegen gebracht.

 

Zu der Ausstattung der Samokover Metropolitenkirche gehören noch der von denselben Meistern geschnitzte Ambo, zwei Proskynetarien, der Stuhl für den Kirchenvorstand, an dessen Füßen die beiden Holzschnitzer ihre Selbstbildnisse angebracht haben, sowie der Metropolitenthron, mit einer Ikone von Christo Dimitrov versehen - Christus Großer Priester (74 x 49 x 3 cm, slawische Inschrift auf dem offenen Evangelienbuch aus Matthäus 11, 28-30 und Stifterinschrift der Samokover Maurerzunft von 1797).

 

N. Mavrodinov 1957, 72, 116; A. Tschilingirov 1964 (Lit.); A.Vasiliev 1965, 321, 477 f.; Ausstellungskataloge Nr. 8, 9, 10, 11, 12.

 

 

Mariä-Tempelgang-Kirche, Rila-Kloster

 

Aus der umfangreichen Kunsttätigkeit, die im späten 18. Jh. im Rila-Kloster einsetzte, ist uns ein fast unversehrt erhaltenes Denkmal überliefert -

 

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die laut Stifter inschrift 1795 erbaute und ausgemalte Beinkirche des Klosters, »Mariä Tempelgang«. Die Bemalung des schlichten zweigeschossigen gewölbten Baus, ausgeführt von Künstlern der Athos-Schule - vermutlich Christo Dimitrov (1744?-1820), dem späteren Gründer der Samokover Malerschule, und dem Mönch Zacharij -, zeigt die wichtigsten Merkmale der athonitischen Kunst des späten 18. Jh.: eine sehr dekorative und repräsentative Formensprache, die alle Errungenschaften der alten Tradition, in erster Linie in der perfekten Freskotechnik, fortzuführen wußte, sich zugleich jedoch auch Neuerungen in der Ikonographie, in der Ornamentik und im szenischen Beiwerk aus Westeuropa, Rußland sowie für Übernahmen aus der Natur offenhielt. Ein reduzierter Akathistos-Zyklus im Kirchenvorraum bildet neben den Heiligenbildnissen den Höhepunkt ihrer Leistungen und wird gleichzeitig zum Vorbild für die christliche Monumentalmalerei Bulgariens in der ersten Hälfte des 19. Jh. in Form und Stil. Die Fresken der Kirche sind 1969 bis 1972 freigelegt und konserviert worden (D. Peschev mit Kollektiv).

 

I. Entschev-Vidju 1930—31; Das Rila-Kloster 1957, 248-251.

 

 

Sbornik

383 Papierblätter in Kleinoktav. Nationalbibliothek Sofia, Nr. 693

 

Sammelband mit verschiedenen kirchlichen und weltlichen Texten, u. a. einer bulgarischen Geschichte und den Viten der hl. Petka (Paraskeue) und des hl. Ivan von Rila, in Halbunzialschrift, 1796 vom Priester Puntscho aus Mokresch geschrieben. Reiche Verzierung mit Initialen und Textillustrationen, darunter zwei Selbstbildnisse des Autors, die in einer primitiven und naiv-volkstümlichen Weise ausgeführt sind, aber lebendig und phantasievoll erscheinen.

 

B. Zonev 1925; B. Angelov 1964, 149-167; M. Stojanov 1973, Nr. 490; BRK - 1976, Nr. 280.

 

 

Kirche des Evangelisten Lukas an der Einsiedelei zum Rila-Kloster

 

Die kurze Inschrift am Eingang der kleinen einschiffigen Kirche an der Einsiedelei zum Rila-Kloster erwähnt lediglich das Jahr der Errichtung und Ausmalung (1799) sowie den Namen des Stifters, des Mönchs Ignatij. Dennoch bietet diese Stiftung einige interessante Einzelheiten für die Kulturgeschichte Bulgariens zu Beginn der Neuzeit. Der Stifter mit weltlichem Namen Joann Kaipaktschi aus Stara Sagora ist der berüchtigtste Räuber und Mörder seiner Zeit auf dem Balkan gewesen. Nach der Schilderung des ersten Geschichtsschreibers des Rila-Klosters, Neofit Rilski, hat der »berühmte und schreckliche Räuber« eine Erleuchtung gehabt und nach einer Pilgerfahrt zum Heiligen Grabe sein Vermögen dem Kloster gestiftet, von dem dann die kleine Kirche errichtet und ausgemalt wurde. Dabei ließ der Stifter auch sein Bildnis an einem ehrenvollen Platz in der Kirche sowie noch einmal im Narthex in der Person des Apostels Paulus vor der Paradiespforte anbringen. Die im eklektischen und dekorativen Stil des ausgehenden 18. Jh. von Malern des athonitischen Kunstkreises, vermutlich unter Beteiligung von Christo Dimitrov, ausgeführten Fresken folgen in Bildprogramm und Ikonographie immer noch den Prototypen vom Berge Athos, jedoch zugleich auch den folkloristischen und profanen Tendenzen der Neuzeit. Beachtenswert sind das szenische Beiwerk mit zahlreichen aus der Natur entlehnten Einzelheiten sowie die überaus vitalen Heiligen- und Engeldarstellungen, denen die asketischen Ideale der vergangenen Zeit fremd erscheinen.

 

I. Entschev-Vidju 1930-31; N. Mavrodinov 1957, 64 f.; Das Rila- Kloster 1957, 252-258; A. Vasiliev 1960, 94.

 

 

Die Heiligen Kosmas und Damianos

Tempera auf Holz. 34 x 23,7 x 2,5 cm. Bezirksmuseum Veliko Tirnovo

 

Die kleine Ikone gehörte ursprünglich neben weiteren von demselben volkstümlichen Maler der Trjavna-Schule ausgeführten Ikonostasenikonen zur Ausstattung der im 19. Jh. erneuerten Erzengelkirche in Arbanassi. An diesen späten Arbeiten haben die folkloristisch profanen Züge weitgehend die Formensprache der kirchlichen Kunst beeinflußt: Die festgelegten Schemata und ikonographi- schen Typen sind völlig aufgegeben; die Ausdruckskraft des kultischen Bildes hat sich dadurch jedoch nicht vermindert, sondern durch Frische der Empfindung und Unmittelbarkeit noch an Wirkung gewonnen. Die grotesken und in stark verkürzten Proportionen dargestellten Figuren sind dennoch in ihrer naiven Konzeption sehr lebendig und strahlen eine feierliche, weihevolle Stimmung aus, wobei die klangvollen, reinen Farben eine vorrangige Rolle in der Gesamtkomposition spielen.

 

 

Mariä Geburt

Tempera auf Holz. 55,5 x 47,5 x 3 cm. Nationalgalerie Sofia. Inv.-Nr. 123

 

Vermutlich das Werk eines anonymen Künstlers der Trjavna-Schule vom 19. Jh., dem auch weitere Ikonen im Bezirksmuseum Veliko Tirnovo zuzuschreiben sind. Die Ikone vermittelt alle Reize der naiven volkstümlichen Kunst des überlieferten orthodoxen Sujets in einer ungewöhnlichen Weise. Die Wandlung der Formensprache und des Inhalts der christlichen Kunst ist hier bereits vollzogen: Das festgefügte Schema ist aufgegeben und die kirchliche Malerei in den Bereich der Volkskunst gerückt. Das Hauptgewicht wird auf die Ausdruckskraft und die feierliche Stimmung, statt auf eine psychologische Auseinandersetzung mit dem religösen Thema gelegt. Dieser Ausdruckskraft und Stimmung widmet der naive Maler alle ihm zur Verfügung stehenden Kunstmittel und

 

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baut eine seltsam groteske Komposition auf, deren Formen mit stark divergierenden Maßstäben bis zum Absurden stilisiert sind, doch in ihrer Unmittelbarkeit und Ungezwungenheit eine unüberwindliche Anziehungskraft auszuüben vermögen. Dennoch resultiert die eigenartige Interpretation des kanonisierten Themas weniger aus den begrenzten technischen Fähigkeiten des Künstlers, sondern vielmehr aus dem individuellen Verhältnis zu seinem Thema, wobei der expressiven Gegenüberstellung kräftiger reiner Farben ohne Nuancen und Übergänge eine hervorragende Rolle zufällt. In seinem schöpferischen Eifer hat der Ikonenmaler allerdings die Hauptperson, Maria, vergessen und, um das Versäumte nachzuholen, anschließend einen viereckigen undefinierbaren Gegenstand im Vordergrund gemalt, der offensichtlich die Wiege des neugeborenen Kindes darstellen soll.

 

NKG - 1967, Nr. 84; S. Bossilkov 1968; Ch. Chernev 1969, 31f.; NAG - 1976, Nr. 152; Ausstellungskataloge Nr. 1, 2, 5, 4, 5, 6, 8, 9, 10, 11, 12.

 

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