Christliche Kunst in Bulgarien 

Assen Tschilingirov

 

III. Byzantinische Herrschaft 44 (1018-1186)

   - Architektur  45

   - Monumentalmalerei  47

   - Ikonenmalerei  50

   - Kunsthandwerk  51

 

Zeichnungen:

 

o  Neresi, Panteleimonoskirche, Marmorplatte von der ersten Chorschranke, 11. Jh.  45

o  Kjustendil, Kreuzkuppelkirche in Koluscha, 11. Jh.  46

o  Veljusa, Klosterkirche, 1080  46

o  Drenovo, Gemeindekirche, 6. bis 11. Jh.  46

o  Batschkovo-Kloster, Beinkirche, um 1083. Längsschnitt und Grundrisse  47

o  Batschkovo-Kloster, Beinkirche, um 1083. Ornamentfriese, Fresko  48

 

  

III. Byzantinische Herrschaft (1018-1186)

 

Das Ende der Zentralmacht im Bulgarenreich im Jahre 1018 blieb nicht ohne Auswirkungen auf die bildende Kunst und die Architektur. Die bis auf die Fundamente zerstörte Hauptstadt Preslav verlor für immer ihren Rang als geistiger und kultureller Mittelpunkt des Landes. Diese Rolle übernahm für wenige Jahrzehnte Ochrid, die Hauptstadt des Westbulgarischen Reiches, die während der späten Regierungszeit Samuils (996-1014) vorübergehend als Zarenresidenz und Patriarchensitz diente. Als religiöses Zentrum des autonomen Erzbistums, dessen Grenzen einen großen Teil der bulgarischen Gebiete umfaßten, behielt Ochrid auch nach der byzantinischen Eroberung seine Bedeutung, wobei von der Stadt jedoch keine Ausstrahlung auf die kulturelle Entwicklung des ausgedehnten Territoriums der Diözese ausging. Die byzantinische Hauptstadt Konstantinopel erwies sich ebenso unfähig, die kulturelle Entwicklung des in zahlreiche Lehnherrschaften zersplitterten Feudalstaates voranzutreiben. Die Qualität der geschaffenen Kunstwerke ging selten über das Provinzielle hinaus. Sogar dort, wo die Stifter von Kirchen und Klöstern den höfischen Kreisen Konstantinopels entstammten, wie Erzbischof Leo (1037-1056), der die Sophienkirche in Ochrid wiederaufbauen und zum Teil ausmalen ließ, oder Alexios Komnenos (Abb. 88, 89), der die Fresken in Neresi im Jahre 1164 stiftete, gewannen die lokalen Besonderheiten die Oberhand. Wohl die einzige Ausnahme unter den erhaltenen Werken der monumentalen Kunst bildet die von dem byzantinischen Feldherrn und Großdomestikos des Westens, Gregorios Bakuriani († 1086) (Abb. 83 bis 87), gestiftete Beinkirche des Batschkovo-Klosters, die sich eindeutig in die Konstantinopeler Hofschule einreihen läßt und ein überragendes künstlerisches Niveau besitzt.

 

Wenn auch in der ersten Zeit nach der byzantinischen Eroberung die meisten bulgarischen Feudalherren ihre Lehngüter behielten, wurden sie nach und nach durch byzantinische Adlige ersetzt, deren Namen seit der Mitte des 11. Jahrhunderts immer öfter in den Stifterinschriften auftauchten. Der durch häufige Aufstände bulgarischer Bojaren herbeigeführte Wechsel der führenden Staatsoligarchie und des oberen Klerus brachte weder Frieden noch Beruhigung im Lande. Die Unzufriedenheit der in verstärkte Abhängigkeit von den neuen Feudalherren geratenen bulgarischen Landbevölkerung fand in der seit der byzantinischen Eroberung auffallenden Zunahme der Protestbewegung des Bogomilentums ihren Ausdruck, das sich trotz äußerster Abschreckungsmaßnahmen, zu denen auch die öffentliche Verbrennung von Bogomilenanführern zählte, unvermindert ausbreitete. Zwischen der Mehrheit der Bevölkerung und der byzantinischen Kirche, die sich voll und ganz hinter die Politik von Byzanz stellte, brach eine tiefe Kluft auf. Zu den seit der Mitte des 11. Jahrhunderts zunehmenden Unruhen kamen die Verwüstungen hinzu, die die Normannen- und Kumaneneinfälle sowie die ersten Kreuzzüge anrichteten. So wurde das nördliche Balkangebiet zu einem ständigen Brandherd, den die byzantinische Zentralmacht nicht mehr zu kontrollieren imstande war.

 

In den Auseinandersetzungen mit den Lehren der Paulikianer und Bogomilen, die das gesamte Thrakien mit dessen Metropole Philippopolis erfaßt hatten, griff Byzanz zu drastischen Maßnahmen. Dennoch führten die blutigen Feldzüge und die Vernichtung von Städten und Dörfern der Ketzer nicht zum gewünschten Erfolg. Gleichzeitig bemühte sich die offizielle Theologie um eine Widerlegung der häretischen Lehren und eine Neubegründung ihrer wichtigsten Dogmen, darunter der von den Bogomilen wie von den Paulikianern abgelehnten Kreuz- und Bilderverehrung. Die ebenso angefochtenen Formen der Sakramente wurden vervollkommnet und von Auslegungen des komplizierten Symbolverständnisses unterstützt. Insofern erfuhren sowohl die Liturgie als auch das mit ihr verbundene Ausschmückungssystem der Kirchen in der Folgezeit eine endgültige Festlegung. Während sich das den Liturgiekommentaren des Patriarchen Germanos († 733) und besonders des Theodor von Andida (n. Jh.) entsprechende mittelbyzantinische Bildprogramm auf die Hauptereignisse der Inkarnation des Logos als Prototyp des liturgischen Mysteriums beschränkte und das hierarchische Prinzip betonte, verstanden die orthodoxen Theologen des 13. und 14. Jahrhunderts, wie Nikolaos Kabasilas († 1363), das liturgische Geschehen als Symbol des Lebens und der Heilstaten Christi. Infolgedessen wurden die wenigen Festszenen, die die Innenwände der mittelbyzantinischen Kirchen schmückten, seit dem 13. Jahrhundert mehr und mehr durch erweiterte Bildzyklen der Passion und der Wundertaten Christi ersetzt, die die Sujets in zahlreiche Einzelszenen zerlegten, bei denen das erzählerisch-belehrende Prinzip gegenüber dem mystagogischen den Vorrang gewann.

 

Mit der Versinnbildlichung der Liturgie korrespondierten eine Reihe bildlicher Darstellungen. Parallel mit der sich im 11. und 12. Jahrhundert vollziehenden Entfaltung der Proskomidie entstanden gerade auf dem Balkan häufig Darstellungen des liturgischen Geschehens,

 

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Neresi, Panteleimonoskirche, Marmorplatte von der ersten Chorschranke, 11. Jh.

 

 

an denen sich die Entwicklung des ikonographischen Typus der zelebrierenden Kirchenväter vor dem für Christus vorbereiteten Thron (Hetoimasie) in Batschkovo, Veljusa (n.Jh.), Neresi, in der Nikolaos- und Demetrioskirche in Varoš bei Prilep (12. Jh.) und der Nikolaoskirche in Melnik (kurz vor 1220) bis zu den komplizierten mehrfigurigen Kompositionen der Himmlischen Liturgie aus der postbyzantinischen Zeit lückenlos verfolgen läßt.

 

Entgegen der Ablehnung des Kreuzes durch die Bogomilen als »Holz der Schande« stellte die orthodoxe Kirche das Kreuz heraus und suchte es als Grundsymbol der Erlösung durch Christus zu erklären, die sich mit dem »Baum des Lebens« im Gegensatz zum »Baum der Sünde« verbindet. In diesem Zusammenhang wurde der Text des apokryphen Nikodemusevangeliums herangezogen, das die Worte Christi wiedergibt, wonach die Erlösung aller, die wegen des Holzes der Sünde in der Hölle sind, durch das Holz des Kreuzes vollzogen werden soll.

 

Es häuften sich die auf den Baum des Lebens bezogenen Darstellungen des blühenden Kreuzes in den Werken der Malerei, Plastik und Toreutik. Die Stelle des Kreuzreliquiars, dessen Platz auf dem Altar neben dem Evangelienbuch seit dem 8. Ökumenischen Konzil (869) festgelegt war, nahm nach und nach das Aufsatzkreuz mit geschnitzten Miniaturen ein, in dessen kreuzförmigen Holzkern ein Reliquiensplitter eingelassen war; die wertvolle Einfassung aus Edelmetall, oft auch mit Edelsteinen, diente nunmehr als Rahmen und Griff oder Postament.

 

Während der auf den Bilderstreit folgenden Jahrhunderte wurde das Sanktuarium endgültig vom übrigen Raum der orthodoxen Kirchen abgetrennt. Die ursprünglich niedrige Chorschranke nahm allmählich den Charakter einer Trennwand (Templon) an, der nunmehr eine immer wichtigere Rolle als geistiger Mittelpunkt des kirchlichen Innenraums beigemessen wurde. An dieser Trennwand »zwischen der sichtbaren und unsichtbaren Welt« (Symeon von Thessaloniki) wurden Ikonen angebracht, auf denen Vertreter der himmlischen Hierarchie, Heilige und Märtyrer als Vermittler zwischen beiden Welten dargestellt wurden und somit das Prinzip der Fürbitte (Deesis) versinnbildlichten.

 

Alle dogmatischen und liturgischen Neuerungen setzten sich, wenn auch zögernd, im gesamten Einflußbereich des Konstantinopeler Patriarchats durch, das sich um die Jahrtausendwende von Süditalien bis zu den nordosteuropäischen Gebieten Rußlands sowie dem georgischen Kaukasus ausgebreitet hatte und sich immer deutlicher von Rom abgrenzte, bis es 1054 zum endgültigen Bruch zwischen dem westlichen und östlichen Christentum kam. Dagegen ließ die Expansion der byzantinischen hauptstädtischen Kunst allmählich an Intensität nach. Innerhalb der orthodoxen Welt lösten sich die von Konstantinopel ausstrahlenden künstlerischen Impulse in zahlreichen provinziellen Schulen und Stilrichtungen auf. Der Prozeß einseitiger Einwirkungen verwandelte sich nach und nach in ein wechselseitiges Geben und Nehmen. Bei der Vielseitigkeit und Mannigfaltigkeit dieser östlichorthodoxen Kultur und Kunst, welche durch die eigene Prägung der auf einem weiten Gebiet verstreuten lokalen Schulen gekennzeichnet ist, war nicht mehr Konstantinopel das einigende Bindeglied, sondern das ideelle Band zwischen den einzelnen orthodoxen Ländern. Die Kunst wurde nicht mehr nur von einem einzigen Zentrum, sondern, entsprechend der politischen Zersplitterung der osteuropäischen Feudalstaaten, von mehreren Zentren bestimmt. So verlor Konstantinopel bereits vor der Eroberung durch die Kreuzfahrer im Jahre 1024 seine führende Stellung auf kulturellem Gebiet, die es auch während der Restauration des Imperiums unter den Palaiologen nur in begrenztem Maß zurückzugewinnen vermochte.

 

 

Architektur

 

In der Architektur wurde während der byzantinischen Fremdherrschaft in Bulgarien eindeutig die Kreuzkuppelkirche bevorzugt. Die Entwicklung der basilikalen Bauform hatte bereits mit der Erzbischofsbasilika in Pliska ihren Höhepunkt überschritten; wenn auch weiterhin in den ehemaligen bulgarischen Gebieten Basiliken gelegentlich entstanden, wurden sie zum größten Teil entweder über den alten Grundmauern aufgeführt -

 

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Kjustendil, Kreuzkuppelkirche in Koluscha, 11. Jh.

Veljusa, Klosterkirche, 1080

Drenovo, Gemeindekirche, 6. bis 11. Jh.

 

 

wie der unter dem Erzbischof Leo (1037-1056) wiederaufgebaute und erweiterte Mittelteil der Sophienkirche in Ochrid und die Achillkirche in Prespa sowie die vermutlich ebenfalls nur umgebaute Nikolaoskirche in Manastir bei Prilep (1095) und die Bischofskirche in Serrai - oder aber in traditionellen Bauformen errichtet, ohne bedeutende Neuerungen aufzuweisen, wie die Nikolaoskirche in Melnik (zweite Hälfte des 12. Jh.). Diese Basiliken sind hauptsächlich Bischofskirchen, die noch immer zu repräsentieren und eine große Gemeinde aufzunehmen hatten - im Unterschied zu den relativ kleinen einschiffigen und Kreuzkuppelkirchen, die für die Ansprüche und Aufgaben als Hof- oder Burgkapellen besonders geeignet erscheinen. Die byzantinisch-hauptstädtischen Einflüsse machen sich an den polygonalen Apsiden (Manastir), an den Säulenstützen, die endgültig die Pfeiler verdrängt haben, oder in der Bautechnik bemerkbar. Bei komplizierten Bautypen handelt es sich meistens um eine aus Basilika und Kreuzkuppelkirche gebildete Zwischenform, die auf spätere Umbauten älterer, ursprünglich basilikaler Anlagen zurückgeht, wie die Anfang des 12. Jahrhunderts wiederaufgebaute Kirche in Drenovo - die Einwirkungen Konstantinopels zeigen sich hier sowohl in der durch Bögen seitlich geöffneten Vierung als auch im verlängerten Altarvorraum, während die Außengestaltung und die Bautechnik unverkennbar der lokalen Tradition (Ochrid, Kastoria) folgen; im Sinne der bulgarischen Bautradition sind auch die pseudokonstruktiven Blendbögen an den Seitenfassaden angelegt, deren Zahl von 4 auf 5 an jeder Seite erhöht ist.

 

 

Einflüsse Konstantinopels finden sich auch an den Klosterkirchen zu Veljusa (1080) und Neresi (Anfang des 11. Jh.). In Veljusa verbinden sich die vorzugsweise an Konstantinopeler Kirchen vorkommende polygonale Apsis und die Mischtechnik mit der Verzierung durch eine doppelte Blendbogenreihe, während in Neresi wiederum die Errichtung eines Kreuzgewölbes über dem Mitte des 12. Jahrhunderts angebauten Narthex hauptstädtischen Einfluß verrät, ebenso wie die Verzierung der Archivolten im Tambour und an der Hauptapsis. Besonders auffallend sind hier die vier quadratischen Türme im Osten und Westen, die die alte Tradition des zentralen Balkans (Dshanavar-tepe) aufnehmen, doch gleichzeitig durch die Kuppelbedeckung byzantinischen Vorbildern folgen, allerdings ohne die für Konstantinopel typische oktogonale Form der Tamboure zu übernehmen.

 

Einer geschlossenen Gruppe gehören die kleinen Kreuzkuppelkirchen ohne freie Stützen in Westbulgarien aus dem 11. und 12. Jahrhundert an, deren Kreuzarme entweder in den Mauern ausgespart wurden (die Klosterkirche zu Rakoviza und der Ostteil der Bojana-Kirche) (Abb. 11) oder seitlich hervortreten (Theodoroskirche in Boboschevo und die Nikolaoskirche in Separevo-banja). Gelegentlich erscheinen auch Kreuzkuppelkirchen, deren Kuppel auf den in den Seitenmauern eingebauten Pilastern ruht (Erzengelkirche im Batschkovo-Kloster und Sophienkirche in Sliven, 12. Jh., 1835/36 umgebaut) (Abb. 81).

 

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Eine weitere Entwicklungsstufe des Kreuzkuppeltypus mit vier freien Stützen vertreten die laut einer von Evans veröffentlichten Inschrift unter Kaiser Isaak Komnenos (1057-1059) erbaute Gottesmutterkirche in Matejče bei Skopje und die vermutlich aus derselben Zeit stammende Kirche in Koluscha, Kjustendil (1898 umgebaut). Beide Kirchen zeigen den Höhepunkt der Einflüsse Konstantinopels - sie weisen je einen verlängerten Altarvorraum sowie Kreuzgewölbe beziehungsweise Blindkuppeln über den Eckräumen auf; die Blendbögen an den Seitenfassaden entsprechen der Innengliederung der Schiffe (in Koluscha mit Ausnahme des Chors).

 

Von der durch Schriftquellen belegten umfangreichen Bautätigkeit des Großdomestikos des Westens, Gregorios Bakuriani (f 1086), eines Armeniers georgischer Herkunft, der zum engsten Kreis um den Kaiser Alexios Komnenos (1081-1118) gehörte, sind nur wenige Bauten, diese aber von überragender künstlerischer Qualität, erhalten geblieben. Mit seinem Namen lassen sich neben der Beinkirche auch ein Teil der später stark veränderten Klosteranlagen (Abb. 85 bis 87) und die umgebaute Erzengelkirche im Batschkovo-Kloster (Abb. 81) sowie die als kleiner Kreuzkuppelbau errichtete Georgskirche des Metochion in Assenovgrad verbinden, bei der anscheinend nur der östliche Teil der Südmauer zum ursprünglichen Bau gehört.

 

Den ersten Platz unter den von Bakuriani gestifteten Bauwerken nimmt zweifellos die Beinkirche des Batschkovo-Klosters ein (Abb. 85, 84). In der Außenverzierung dieser zweigeschossigen Kirche treffen sich gleichermaßen die Bautraditionen Bulgariens, Byzanz’ und Armeniens: Die rhythmische Reihenfolge der für die bulgarische Baukunst charakteristischen pseudokonstruktiven Blendbögen geht von den Seitenfassaden, wo sie ihre Zahl auf je acht erhöht hat, auch auf die Ostfassade über; zugleich weisen die Archivolten komplizierte Profile auf - ein Merkmal der armenischen Baukunst, das jedoch durch die malerische, für die Bauten Konstantinopels typische Mischtechnik der Jahrtausendwende ebenso stark byzantinisierende Züge trägt. Diese Synthese zwischen den Formen der lokalen Tradition, des Christlichen Ostens und Konstantinopels ist typisch für die byzantinische Baukunst nach der Jahrtausendwende und, wie die Außengestaltung der Beinkirche des Batschkovo-Klosters, wegweisend für die christlich-orthodoxe Kunst der Folgezeit, ebenso wie die Klosterkirchen von Drenovo und Neresi die Entwicklung der Kreuzkuppelform ablesen lassen. Es bilden sich kombinierte Bautypen heraus, in denen die lokalen, östlichen und hauptstädtischen Züge vollkommen verschmelzen.

 

 

Monumentalmalerei

 

Eine ähnliche Verschmelzung der lokalen Tradition mit den Merkmalen der hauptstädtisch-byzantinischen Kunst geht auch in der Bauplastik und Monumentalmalerei aus der Zeit der byzantinischen Fremdherrschaft in Bulgarien vor sich. Im östlichen Landesteil ist aus dieser Zeit kein nennenswertes Kunstwerk erhalten geblieben, da die Kunsttätigkeit infolge der Verwüstung dieses Gebiets völlig zum Erliegen kam. Weniger betroffen waren die westbulgarischen Gebiete, wo nach den ein halbes Jahrhundert andauernden Kriegen ein Teil der Kirchen wiederaufgebaut und neu ausgeschmückt wurde. Auch entstanden im 11. und 12. Jahrhundert in diesem Raum eine Reihe neuer Werke der Monumentalkunst, die zwar im Vergleich mit dem hohen künstlerischen Niveau der vorangegangenen Entwicklungsphase eine stark abfallende Tendenz zeigen, jedoch wenigstens die ikonographischen Typen und auch die traditionelle Kunsttechnik der nachfolgenden Zeit übermitteln.

 

Schon das erste Kunstwerk, das nach der Niederlassung der byzantinischen Verwaltung in Ochrid entstanden zu sein scheint, die Ausmalung des unter Erzbischof Leo (1037-1054) wiederaufgebauten Mittelschiffs der Sophienkirche,

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Batschkovo-Kloster, Beinkirche, um 1083. Längsschnitt und Grundrisse

 

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zeigt entsprechend der allgemeinen Entwicklung der byzantinischen Monumentalmalerei durchaus traditionelle Kunstmittel. Die Ikonographie bewahrt im wesentlichen archaische Züge, wobei sehr zögernd auch Neuerungen Konstantinopels - direkt oder durch Vermittlung Thessalonikis - allmählich vollzogen wurden. Die künstlerische Qualität bleibt provinziell und trägt schematische Züge. Im Vergleich mit den älteren Fresken des Sanktuariums verliert die Aussage an Unmittelbarkeit und Lebendigkeit. Die Modellierung ist trocken, die Zeichnung hart und unbeholfen. Das alles ist typisch für die byzantinische provinzielle Kunst im zweiten Drittel des 11. Jahrhunderts, wie wir sie an den Fresken in der Chalkeon-Kirche sowie in der Sophienkirche in Thessaloniki beobachten.

 

Der lokal-traditionellen Stilrichtung gehören auch die fragmentarisch und in schlechtem Zustand erhaltenen Fresken in Veljusa (nach 1080) an, die nur eine durchschnittliche Qualität besitzen. Dagegen weisen die Fresken der Beinkirche im Batschkovo-Kloster (Abb. 85 bis 87) die Charakterzüge einer erlesenen höfischen Kunst auf. Es besteht kein Grund, diese Wandmalerei zeitlich von der Errichtung der Kirche im Jahre 1083 zu trennen, auch wenn wir kein anderes Denkmal vergleichbarer Qualität aus dieser Zeit besitzen, was viele Forscher veranlaßt hat, dieses Kunstwerk ins 12. Jahrhundert zu datieren. Über die Stilrichtungen und Eigenarten der Konstantinopeler Hof schule aus dem späten 11. Jahrhundert können wir nur anhand erhaltener Miniaturmalereien urteilen, wie etwa der Miniaturen in den Homilien des Johannes Chrysostomos (Bibliotheque Nationale Paris, Coisl. 79) oder in der Himmelsleiter des Johannes Klimakos (Vatikan, Cod. vat. gr. 394), die uns jedoch keinen Eindruck von der Monumentalität und Raumgestaltung der komnenischen Klassik vermitteln können. Der Vergleich mit byzantinischen Mosaikenensembles - Daphni (um 1100) und Michael-Kloster in Kiew (1108) - ist ebensowenig aufschlußreich, da diese Werke bereits eine manieristische Tendenz zur Verkleinerung der Form und zur Stilisierung der Linie kennzeichnet, die wir in Batschkovo nicht feststellen können.

 

Es wäre kaum vorstellbar, daß die Klostergemeinde im 12. Jahrhundert, lange nach dem Tode Bakurianis, einen so großen Künstler wie den inschriftlich belegten Autor der Fresken »oben und unten«, den Maler Johannes Iberopoulos, für die Ausmalung der ursprünglich als Privatmausoleum für den Stifter und dessen Bruder angelegten Kirche hätte gewinnen können. Auch die Ikonographie sowie das Bildprogramm stehen dem 11. Jahrhundert näher als dem folgenden. Dafür spricht vor allem die nur im Ansatz ausgebildete Form der Apsiskomposition in der oberen Kirche - die zelebrierenden Kirchenväter vor dem für Christus vorbereiteten, von Kerzenleuchtern flankierten Thron (Hetoimasie) sind schon nach Osten gewandt, jedoch fehlen die Mitte des 12. Jahrhunderts hinzutretenden Darstellungen der Engel und des Jesuskindes auf dem Diskos (Melismos). Die vereinzelten Einwirkungen des Christlichen Ostens, die bereits A. Grabar, erster Erforscher der Fresken, feststellte, wurden, ebenso wie die vom antiken Illusionismus abzuleitenden »aufgehängten« Bildnisse, von der byzantinischen Ikonographie nach dem Bildersturm allmählich assimiliert und schließlich in das Bildprogramm integriert.

 

Andererseits weist auch das Bildprogramm die Merkmale des reifen komnenischen Stils auf - die Festszenen beschränken sich auf die wichtigsten; in der Gruft dominieren die Themen Tod, Auferstehung und Wiederkunft, Abb. Ii während im Narthex der oberen Kirche die Theophaniedarstellung - eine Reminiszenz an die Apsiskomposition von Hosios David in Thessaloniki (6. Jh.) - den ganzen Raum beherrscht.

 

Am bedeutendsten an den Fresken von Batschkovo ist jedoch ihr - für die Blütezeit der komnenischen Klassik charakteristischer - monumentaler Stil.

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Batschkovo-Kloster, Beinkirche, um 1083. Ornamentfriese, Fresko

 

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Der gesamte Freskenschmuck ist der Gliederung der Innenflächen in dem Maße untergeordnet, daß selbst die Profile der Pilaster und Bögen als Rahmen mit in die Kompositionen einbezogen werden. Einen solchen Einklang zwischen Malerei und Innenarchitektur finden wir in der späteren byzantinischen Kunst sehr selten. Vielmehr werden seit dem 12. und besonders im 13. Jahrhundert die Innenflächen der Kirchen durch mehrere gerahmte Kompositionen zergliedert, die die Einheit des Raumes erheblich stören.

 

Die auf dem Rhythmus der ruhigen und erhabenen Bewegungen der Gestalten aufgebauten symmetrischen Kompositionen sind höchst sparsam und ausgewogen - die Figurenzahl ist auf wenige Hauptpersonen reduziert, und das szenische Beiwerk fehlt oder ist nur dort angedeutet, wo es in unmittelbarem Zusammenhang mit der Handlung steht. Es wird auf jegliche zeitliche oder räumliche Lokalisierung der dargestellten Szenen oder Figuren verzichtet, so daß sie außerhalb von Raum und Zeit erscheinen, was der abstrakte hellblaue oder rote Hintergrund noch betont. Die Proportionen der menschlichen Gestalten sind im Vergleich mit den Werken des frühen 11. Jahrhunderts verlängert, bleiben jedoch weit hinter den Übertreibungen des 12. Jahrhunderts zurück.

 

Die weiche Modellierung steht der linearen Stilisierung der späteren komnenischen Kunst sehr fern, wobei die parabolische Linie, die die Konturen der Figuren wie auch die Schatten und die Lichter zeichnet, bereits eine wichtige Funktion hat, ohne jedoch zum Selbstzweck zu werden. Die Farbigkeit ist fein aufeinander abgestimmt und vermeidet sowohl intensive Töne als auch starke Kontraste. Die Farben tragen vielmehr Symbolwert und bezeichnen keine Eigenschaften der Gegenstände.

 

Die entmaterialisierten, gereckten Gestalten der Heiligen haben schmale lange Gesichter. Vergeistigung und Ernst, die aus ihren weit geöffneten Augen sprechen, vermitteln zugleich den Eindruck tiefster Konzentration. Die Dargestellten sind innerlich an einer Mysterienhandlung beteiligt und haben, um dieses Mysterium mitzuerleben, ihre von der Erde weit entfernte Welt für einen Augenblick von höchster Wichtigkeit verlassen. Sie blicken in unsere Welt, der sie ehemals angehört haben und an die sie nur noch durch feine geistige Fäden gebunden sind. Kennzeichnend ist ihre feierliche Zurückhaltung, die ihnen sowohl die lebhaften, leidenschaftlichen Gesten als auch den Ausdruck menschlicher Gefühle, wie Freude, Bewunderung oder Trauer, fremd erscheinen läßt. Lediglich die leuchtenden Funken in ihren Augen bezeugen ihren unerschütterlichen Glauben, ihren unbezwungenen Willen und ihre geistige Größe (N. Mavrodinov).

 

Die höchste künstlerische Leistung des Meisters (Abb. 87) stellt zweifellos das Bildnis der Gottesmutter aus der Deesis dar, das zugleich als eine Synthese der charakteristischen Wesenszüge der byzantinischen Monumentalmalerei in ihrer Blütezeit gelten darf: Die Formen sind extrem vergeistigt, der strenge Ausdruck, vom Mysterium des Todes erleuchtet, entbehrt jeglicher sentimentalen Note, auch wenn in ihm die mütterliche Vorahnung vom Leiden am Kreuz und das tiefste Mitgefühl der Fürbitterin für alle leidende, unterdrückte und gepeinigte Kreatur mitschwingen. Die Grenzen zwischen Irdischem und Überirdischem, Realem und Irrealem, Konkretem und Abstraktem sind aufgehoben: Das Bildnis hat die vollkommene Selbständigkeit des orthodoxen Kultbildes, der Ikone, erreicht, es ist gleichzeitig ein lebendiges Wesen und ein Symbol - Symbol des personifizierten Gebets.

 

 

Die nächste Entwicklungsstufe bilden die Fresken von Neresi, Makedonien (1164) (Abb. 88, 89), deren Ursprung in der Forschung umstritten ist. Während ihr Stil mit seiner fortgeschrittenen linearen Stilisierung als kennzeichnend für das 12. Jahrhundert erscheint und auf unmittelbare Einwirkungen Konstantinopels hindeutet, ist ihr mit Dramatik und innerer Spannung erfüllter Ausdruck dem hauptstädtischen Klassizismus des späten 12. Jahrhunderts durchaus fremd und stellt eine weitere Entwicklungsstufe des primitiven Expressionismus der lokalen Schule in den Westgebieten Bulgariens dar. Die Synthese beider Stilrichtungen - der klassizistischen Hofkunst Konstantinopels und der expressiven und archaisierenden Kunst des westlichen Balkans, die sich »nach dem Geschmack des Provinziellen zu einem Realismus entwickelt hat« (N. Mavrodinov) - bezeichnet den Beginn der Schlußphase der byzantinischen Kunst, die Auflösung ihrer geistigen Substanz, bevor sie in der sogenannten Palaiologischen Renaissance in die Abart eines Manierismus verfällt und allmählich auch formal aufgelöst wird.

 

Die in den 20er Jahren entdeckten, aber erst in jüngster Zeit freigelegten und konservierten Fresken stellen das bedeutendste Denkmal der osteuropäischen Monumentalmalerei des 12. Jahrhunderts dar. Ihr künstlerisches Niveau ist sehr hoch, was sich in der stark ausgeprägten individuellen Charakterisierung der Gestalten ebenso wie in einer virtuosen Maltechnik widerspiegelt. Das wichtigste Kunstmittel bildet hier die bis zur Vollendung beherrschte, bald gebogene, bald gebrochene Linie, die als »vollkommenstes Mittel zum Erreichen ungewöhnlicher emotioneller Akzente« eingesetzt wird (Lazarev). Die lineare Stilisierung hat die weiche Modellierung völlig abgelöst und sich derart übersteigert, daß sie zugleich eine gewisse formale Dekadenz aufweist.

 

Als neue und entscheidende Züge bringen die Fresken von Neresi eine emotionelle Aufladung in die orthodoxe Kunst ein. Die Größe der hier tätigen Künstler drückt sich in der Wiedergabe hochdramatischer Konflikte und starker Gefühle aus, wie sie bislang in der byzantinischen Kunst unbekannt und im Konstantinopeler Kunstkreis auch später nicht zu finden sind. Als kennzeichnend erscheinen die Szenen der Kreuzabnahme und Beweinung, deren Maler eher seinen Emotionen treu bleibt, als dem Kanon und der Natur zu folgen. Er deformiert die Figuren - sie werden gebogen und ausgezehrt und ihre Proportionen bis ins Absurde verlängert, um die Empfindungen und die Ideen auszudrücken, was zum Beispiel die »unnatürliche« Stellung des Johannes in beiden Szenen und die Christus umarmende Maria der Beweinung zeigen.

 

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Der Wahrhaftigkeit der Gefühle opfert der Künstler die Naturwahrheit wie auch die Ausgewogenheit und die Symmetrie der Komposition. Der Rhythmus ist nicht mehr ruhig und gleichmäßig, sondern gebrochen und mit dramatischen Akzenten erfüllt. Zugleich bedient sich der Maler auch bestimmter Naturvorbilder für das szenische Beiwerk, das an Bedeutung gewinnt und oft unmittelbar der Natur entlehnt ist. Das Kolorit bleibt nicht mehr abstrakt und entspricht oft den realen Farbwerten der Gegegenstände. Das sind die ersten Zeichen der Protorenaissance, der wir ein Jahrhundert später konsequent weitergeführt in Bojana begegnen werden.

 

Die anderen Denkmäler der Monumentalmalerei des 12. Jahrhunderts bleiben weit hinter den Fresken von Neresi zurück und gehören einer konventionellen, traditionsgebundenen Stilrichtung an. An erster Stelle zählen die Fresken der Kirchen Hagioi Anargyrioi und Hagios Nikolaos Kasnitzes in Kastoria dazu, in deren aus dem letzten Drittel des 12. Jahrhunderts stammender Bemalung ihr Erforscher S. Pelikanides eine Wiederholung des ikonographischen Schemas der ersten Malschicht vermutet, während in der Kirche Panagia Mavriotissa auch neuere ikonographische und stilistische Momente festzustellen sind, deren Ursprung man in Thessaloniki zu finden glaubt. Dagegen scheinen die wenigen erhaltenen Fragmente der während des ersten Weltkriegs zerstörten Mosaike der Kathedrale von Serrai auf die Konstantinopeler Schule hinzudeuten. Zu erwähnen sind noch die kürzlich freigelegten Fresken von Pataleniza und die ebenso in den letzten Jahren entdeckten und noch nicht ganz veröffentlichten Fragmente des Wandschmucks der Demetrioskirche (Anfang des 12. Jh.) und der Apsis der Nikolaoskirche in Varoš bei Prilep (Ende des 12. Jh.), die eine, wenn auch gewissermaßen konventionelle, dennoch technisch hochstehende Stilrichtung der lokalen Schule vertreten und weitere Beweise für die Kontinuität der ikonographischen und künstlerischen Tradition auf dem Balkan liefern.

 

 

Der fortschreitende Verfall jener Kunstrichtung, deren Blüte wir in Batschkovo beobachten konnten und deren Profanierung wenige Jahrzehnte nach Neresi in den volkstümlich-bizarren Fresken von Kurbinovo (1191) einsetzte, ist auf das Fehlen eines führenden Kunstzentrums in den bulgarischen Gebieten während der byzantinischen Fremdherrschaft zurückzuführen. Das Entstehen von Kunstwerken hing vom Zufall und dem Geschmack einzelner Feudalherren ab. Die künstlerische Tradition der regionalen Schulen riß nunmehr auch in den westlichen bulgarischen Gebieten weitgehend ab - lediglich die ikonographische Tradition lebte fort, meist jedoch nur im unschöpferischen Wiederholen alter Schemata. Gleichzeitig gewann Thessaloniki als kultureller Mittelpunkt der westlichen Balkanhalbinsel an Bedeutung und wirkte seit dem späten 13. Jahrhundert bis weit nach Nordwesten vorbildhaft, wo das junge Serbische Königreich seine größte kulturelle Blüte erlebte und die bedeutendsten Baumeister und Maler dieses Kunstkreises anzog.

 

 

Ikonenmalerei

 

Die parallel zur Entwicklung der Monumentalmalerei verlaufende Entwicklung der Ikonenmalerei in der Zeit der byzantinischen Fremdherrschaft ist durch wesentlich weniger Beispiele belegt. Obgleich wir den Quellen, wie dem Typikon des Batschkovo-Klosters (1083) und dem Testament der Nonne Maria (1098), genügend Zeugnisse der großen Verbreitung der Ikonen verdanken, ist die Zahl der auf dem Territorium des Ersten Bulgarenreichs, wie auch im gesamten Byzantinischen Reich, erhaltenen Denkmäler aus dem 11. Jahrhundert sehr gering. Zu diesen Werken gehören die der volkstümlichen Stilrichtung nahestehende Ikone der Vierzig Märtyrer (Nationalmuseum Ochrid) sowie die zweiteilige Verkündigung von Ochrid. Sie zeigen bereits die ersten Ansätze des spezifischen Ikonenstils, dessen weiche Modellierung und reich nuancierte Skala der Temperafarben vom Monumentalstil der Freskomalerei abweichen. An der Spitze dieser Kunstgattung (Abb. 80) steht jedoch die aus der Georgskirche in Herakleia (Marmaraereglisi) stammende Mosaikikone der Gottesmutter Hodegetria (jetzt im Sofioter Nationalmuseum aufbewahrt), die um 1100 entstanden sein dürfte und deren Ikonographie, stilistische Besonderheiten und überragende künstlerische Qualität sie dem Konstantinopeler Kunstkreis zuordnen lassen. In das 12. Jahrhundert ist wahrscheinlich die Ikone des heiligen Georg im Kloster Zograph auf dem Berge Athos zu datieren; sie ist stilistisch mit den Fresken von Neresi verwandt und läßt die lineare Stilisierung der Lichter deutlich erkennen, wenn auch ihr Zustand zur Zeit keine eingehendere Untersuchung erlaubt.

 

 

Die Verbreitung der Ikonen nach dem Bilderstreit ist nicht zuletzt an die Veränderungen in der Innenausstattung der Kirchen gebunden. Über den mit Marmorreliefs versehenen Altarschranken erscheint zuerst eine Reihe großer Ikonen des Pantokrators, der Gottesmutter, Johannes’ des Täufers sowie von Heiligen mit lokaler Bedeutung ; etwas später schließen sich der ersten Reihe die oberen Ikonenreihen mit Aposteldarstellungen und Festszenen an, bis sich die zur Ikonostasis umfunktionierte Chorschranke in eine Trennwand mit vielen Ikonen verwandelt.

 

An den älteren Ikonostasen wird die Verbindung mit der Wandmalerei durch die in Freskotechnik ausgeführten Ikonen auf den flankierenden Pfeilern spürbar (Sophienkirche in Ochrid, 12.Jh.), die mitunter in kunstvolle Marmorrahmen eingeschlossen sind (Neresi, 1164). Fest dazu gehören auch die Gebälke und Sockel mit reichverzierten Marmorreliefs, die die plastische Tradition des Ersten Bulgarenreichs (Preslav, Semen, Drenovo) fortsetzen, obgleich zu den phantastischen und zoomorphen Darstellungen weitere Motive hinzutreten, wie der mit der byzantinisch-hauptstädtischen Kunsttradition verbundene Lebensbaum (die Fragmente der Marmorikonostasen in der Sophienkirche in Ochrid, der Beinkirche im Batschkovo-Kloster und in Neresi).

 

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Kunsthandwerk

 

Mit den Ikonen lassen sich auch die bedeutendsten Werke der Goldschmiedekunst aus der Zeit der byzantinischen Fremdherrschaft, die Ikonenbeschläge, verbinden, wie die der Ikonen aus Ochrid, die als einzigartiges Zeugnis der Kontinuität dieses Kunsthandwerks erscheinen. Diese Beschläge, deren Entstehung oft mit der der Ikonen gleichzeitig ist, lassen zuweilen nur die Gesichter der Heiligen frei, während die anderen Teile der Bilder mit flachem Relief und reicher Ornamentierung bedeckt sind. Das Ornament folgt im ganzen der protobulgarischen Tradition (Schatz von Nagyszentmiklös), entwickelt sich jedoch unter den Einwirkungen Konstantinopels in die Richtung einer zunehmend abstrakten Stilisierung. Zugleich treten auf den Rahmen auch Reliefdarstellungen von Erzengeln, Propheten, Evangelisten und Heiligen hervor, bei denen der Rückgriff auf antike Modellierung und eine ziemlich naturgetreue Behandlung der Form und des Ausdrucks feststellbar sind.

 

Neben den Arbeiten lokaler Werkstätten erscheinen auf dem Balkan in der Zeit der byzantinischen Fremdherrschaft immer öfter Erzeugnisse Konstantinopeler Herkunft. Dabei handelt es sich nicht nur um Werke der gewerbsmäßigen Massenproduktion, die durch zahlreiche Steatit-Ikonen vertreten ist (Abb. 78, 79), sondern auch um Prachtstücke aus den höfischen Werkstätten, wie die kleine goldene Enkolpion-Staurothek (Abb. 53, 54) und das Fragment einer Elfenbeinreliefplatte mit der Koimesis-Szene (Abb. 77) im Nationalmuseum Sofia, die zu den bedeutendsten erhaltenen Werken des byzantinischen Kunstgewerbes aus seiner Blütezeit zählen.

 

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