DAS “BUCH ÜBER DIE BULGAREN”
Petar Mutafciev

(Zusammenfassung)

Die vorliegende Monographie ist ein zu Lebzeiten seines Verfassers unveröffentlichtes Manuskript des namhaften bulgarischen Mediävisten und Byzantivisten Prof. Petar Mutafciev (1883—1943). Wenn auch unvollendet, gehört sie zu den wenigen Versuchen, die Philosophie der bulgarischen Geschichte wie auch einige Faktoren der mittelalterlichen historischen Vergangenheit des bulgarischen Volkes aufzuzeigen. Das in den 30er Jahren des 20. Jh., d. h. am Vorabend des zweiten Weltkriegs entstandene Buch stellte zum Teil eine Synthese der Errungenschaften der bulgarischen Mediävistik bis zu diesem Zeitpunkt dar und leitete zugleich eine neue Etappe in ihrer Entwicklung ein, die sich durch die Änderung der Thematik und Herangehen auszeichnete. Dem Wesen nach ist es ein Versuch zur strukturalistischen Geschichtsforschung, das viel mehr auf einen breiteren Leserkreis als auf die Fachwelt zugeschnitten war. Die vorliegende Erstausgabe stellt eine genaue, authentische Wiedergabe der Originalfassung dar. Hinzugefügt sind nur das Vorwort des Herausgebers Prof. Vasil Gjuzelev und die von ihm zusammengestellte Bibliographie sowie das Verzeichnis der geographischen und Personennamen und die Abkürzungen. Das Originalmanuskript der Monographie ist Privateigentum der Tochter des Verfassers, Prof. Vera Mutafcieva, die so liebenswürdig war, es dem Verlag der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften zum Druck vorzulegen.

Die Monographie ist in sechs Kapitel unterteilt, die einzelne, sich ihrer Bedeutung und Zeitdauer nach voneinander unterscheidende Faktoren in der Geschichte des bulgarischen Mittelalters (7.—14. Jh.) behandeln. Das ganze Werk ist von dem Anliegen des Verfassers getragen, in das Wesen der Geschichte des bulgarischen Volkes einzudringen und einige spezifische Erscheinungen und Prozesse zu klären. Die Einschätzungen und Urteile reichen manchmal bis ans Extreme, was das Ergebnis der subjektiven Ansichten des Verfassers über einige Probleme ist.

Im ersten Kapitel wird die Rolle des Byzantinischen Weltreichs als wichtiger Faktor in der mittelalterlichen Geschichte Europas und Bulgariens aufgehellt. Der Verfasser vertritt den Standpunkt, dass die Nachbarschaft mit dem Byzantinischen Reich die staatliche, ethnische und kulturelle Entwicklung der Bulgaren markiert und ihr historisches Schicksal vorausbestimmt hat. Daher auch die Schlussfolgerung, dass die Bulgaren die byzantinische Geschichte und Kultur besser als das jeweilige Volk unserer Gegenwart kennen müssten.

Das zweite Kapitel behandelt die früheste Periode in der historischen Entwicklung Bulgariens. Es wird die Ansicht vertreten, dass der bulgarische

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Staat als Bündnis und staatliche Organisation zur Selbsterhaltung der Slawen und der Protobulgaren entstanden ist. Es wird nachdrücklich auf die Rolle der Protobulgaren als staatsbildendes Element wie auch als das aktive Element bei der Gestaltung der staatlichen Organisation akzentuiert.

Besonders wertvoll und tiefsinnig ist das dritte Kapitel „Der Balkan in unserer Geschichte”. Es wird darauf hingewiesen, dass das Balkangebirge (die Stara planina) von ausserordentlich wichtiger Bedeutung für die Erhaltung und Durchsetzung des bulgarischen Volkes im Laufe der Jahrhunderte und vor allem im Kampf zwischen Bulgarien und Byzanz im Mittelalter war.

Das vierte Kapitel verfolgt die Wechselverhätlnisse zwischen den zwei grundlegenden ethnischen Elementen des bulgarischen Volkstums vom Ende des 7. bis zum 9. Jh. Nach P. Mutafcievs Meinung ist das Weiterbestehen des bulgarischen Staates in erster Linie den Slawen zu verdanken, die die Pässe im östlichen Teil der Stara planina erfolgreich verteidigt haben.

Der Einfluss der geopolitischen Auffassungen ist besonders stark im fünften Kapitel zu spüren, in dem die Aufmerksamkeit des Verfassers den Territorien und der territorialen Ausweitung des mittelalterlichen Bulgarien gilt, wobei der Rolle des geographischen Faktors in der bulgarischen Geschichte zu grosse Bedeutung beigemessen wird.

Gegenstand der Betrachtungen im sechsten Kapitel sind die Perioden des Aufstiegs und des Niedergangs in der Entwicklung des bulgarischen Staates, die charakteristischen Erscheinungen im politischen und kulturellen Bereich und die Rolle des Christentums. Es wird die Idee vertreten, dass die Bekehrung der Bulgaren zum byzantinisch-orthodoxen christlichen Glauben zu ihrer einseitigen kulturellen Entwicklung geführt hat.

In seinem Buch hat Petar Mutafciev versucht, eine eigentümliche bürgerlich-idealistische Philosophie der mittelalterlichen bulgarischen Geschichte zu entwickeln. Gleichzeitig damit werden einige theoretische Auffassungen von der historischen Quellenkunde, der Methodik der wissenschaftlichen Forschung, dem Wesen und Charakter des historischen Prozesses, den Faktoren des Fortschritts in der Entwicklung u. a. zur Geltung gebracht. Gerade deswegen ist P. Mutafcievs Werk als einer der wenigen Versuche der Vertreter der bulgarischen bürgerlichen Historiographie, Werke theoretischen und methodologischen Charakters zu schaffen, zu bezeichen.



INHALT
 

Prof. Petar Mutafcievs Gedanken und Ansichten über die bulgarische mittelalterliche Geschichte (V. Gjuzelev) . . . . . . . . . . . . 5

I. BYZANZ . . . . . . . . . . . . 23
1. Wesen, Kultur und Staatsaufbau . . . . . . . . . . . . 23
2. Die Krise im Osten (7.–8. Jh.) . . . . . . . . . . . . 43

II. DIE GRÜNDUNG DES BULGARISCHEN STAATES . . . . . . . . . . . . 52

III. DER BALKAN IN UNSERER GESCHICHTE . . . . . . . . . . . . 65

IV. PROTOBULGAREN UND SLAWEN IM ERSTEN BULGARENREICH . . . . . . . . . . . . 90

V. DIE TERRITORIALEN GESCHICKE DES BULGARISCHEN STAATES . . . . . . . . . . . . 103
1. Richtungen der territorialen Ausweitung des bulgarichen Staates . . . . . . . . . . . . 103
2. Die Berge im Kampf für die Bewahrung der bulgarischen Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . 113

VI. UNSER POLITISCHES UND KULTURELLES SCHICKSAL . . . . . . . . . . . . 139
1. Perioden des Aufstiegs und des Niedergangs . . . . . . . . . . . . 139
2. Die serbische Geschichte als Beispiel für eine langwierige, aber fortschreitende Entwicklung . . . . . . . . . . . . 152
3. Die Rasse als ein Faktor in unserer Geschichte . . . . . . . . . . . . 156
4. Was ist Kultur? . . . . . . . . . . . . 162
5. Bulgarien und das Christentum . . . . . . . . . . . . 169

Abkürzungen . . . . . . . . . . . . 190
Verzeichnis der geographischen und Personennamen . . . . . . . . . . . . 191
Zusammenfassung in russischer Sprache . . . . . . . . . . . . 197
Zusammenfassung in deutscher Sprache . . . . . . . . . . . . 199


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