Die protobulgarische Periode der bulgarischen Geschichte

Veselin Beševliev

 

Vorwort

 

 

Die vorliegende Darstellung der protobulgarischen Periode der Bulgarischen Geschichte ist auf neuen und eingehenden Interpretationen der Daten und Fakten in den Quellen aufgebaut, die als echte Überreste der bulgarischen Vergangenheit durch keine von bestimmten Weltanschauungen und Erwägungen ausgehenden vorgefassten Meinungen oder Besserwissen ersetzt werden können und dürfen. Die richtige und allseitige Auswertung der Quellen, aus denen man Schlüsse zieht, Zusammenhänge aufdeckt und Kausalbezüge herstellt, hängt selbstverständlich von ihrem richtigen Verstehen und der Interpretation ab. Sie dürfen keineswegs nur als blosse Daten verwendet werden. Der Aussagewert der Quellen der bulgarischen Geschichte, auch der schon bekannten und vielmals benutzten, lässt sich durch peinliche und tiefgehende Untersuchungen ihres Wortlautes und der Einzelheiten nicht selten beträchtlich erhöhen oder man kann ihnen neue Erkenntnisse abgewinnen. An erster Stelle stehen die sprachlichen bzw. linguistischen und literarhistorischen Untersuchungen der Quellen. In dieser Beziehung ist wenig oder fast nichts unternommen worden. Solche Untersuchungen können neues Licht auf bereits behandelte bekannte Ereignisse und Fakten werfen oder sogar manche ganz neue ergeben. Der Verfasser ist sich wohl bewusst, dass nicht alles, was er hier dargelegt hat, als endgültig oder einwandfrei gelten kann. Er ist jedoch davon überzeugt, dass seine Ausführungen neue Wege bahnen und weisen, anregen, zum Nachprüfen des Alten zwingen und zu neuen Gedankenwgen führen werden.

 

Der Kern der Darstellung ist selbstverständlich die Geschichte der Protobulgaren auf der Balkanhalbinsel, ihre Kultur und Lebensweise. Deshalb ist den slavischen Stämmen sehr wenig Platz eingeräumt. Ganz kurz zur Orientierung ist das spätere Schicksal der Thraker und der übrigen alten Bevölkerung der von den Slaven und Protobulgaren besiedelten Länder behandelt. Ein kurzer Überblick über die Einfälle der Awaren

 

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und anderer türkischer Stämme in die Balkanhalbinsel ist notwendig, da sie die Einsiedlung der Slaven und Protobulgaren gewissermassen vorbereitet haben. Nicht ausser Acht wurden die ehemalige Bodenbeschaffenheit, Fauna und Flora, das römische Strassennetz und die Verwaltung gelassen. Ein besonderes Kapitel über das Nachleben und die Erben der Antike fehlt, da die Träger der antiken Überlieferung nicht die Protobulgaren, sondern die slavische Schicht war, die in Berührung mit der alten Bevölkerung und antiken Kultur kam und sie weiter überlieferte. Ein solches Kapitel gehört also zu diesem Teil der bulgarischen Geschichte, der sich mit der slavischen und slavisierten Bevölkerung Bulgariens beschäftigt.

 

Bei der Anführung der modernen Literatur hat sich der Verfasser von dem bekannten Prinzip “Nonmulta, sed multum” leiten lassen. Die zahlreichen bibliographischen und oft unnötigen Hinweise sollen die Darstellung selbst nicht ersetzen oder belasten. Die angeführte Literatur soll nur zur Orientierung dienen. Es werden deshalb die Hauptwerke oder nur die Werke zitiert, die wirklich etwas Neues bringen, über die Fragen gut orientieren bzw. ausführliche Literaturhinweise enthalten oder dem westlichen Leser sprachlich leicht zugänglich sind. Alle kritischen Bemerkungen und Auseinandersetzungen sind grundsätzlich vermieden, da sie über das eigentliche Ziel des vorliegenden Werkes hinausgehen würden. Deshalb sind manche Arbeiten überhaupt nicht erwähnt, da ihr Inhalt kaum etwas Neues bringt, irrig ist oder Erwägungen allgemeiner Art enthält. Dem Verfasser ist sicher Vieles, sogar Wichtiges entgangen. Das war aber unvermeidlich, da er nicht in der Lage war, längere Zeit reiche Bibliotheken zu besuchen.

 

Ein ähnliches Werk wie das vorliegende ist bisher weder im Bulgarischen noch in einer westlichen Sprache vorhanden. Der Verfasser hofft, dass er damit diese Lücke ausfüllen wird. Das Werk wäre aber nie zustande gekommen, wenn Herr Dr. Peter Wirth dazu nicht hartnäckig gedrängt und Herr Adolf M. Hakkert sich nicht bereit erklärt hätte, es herauszugeben. Beiden gebührt ein wärmster Dank. Es sei auch allen denjenigen herzlich gedankt, die mir manche unzugänglichen Aufsätze aus dem Ausland bereitwillig verschafft haben.

 

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