Das Erzbistum des Method. Lage, Wirkung und Nachleben der kyrillomethodianischen Mission

Martin Eggers

 

1. DIE MISSION DER SLAWENLEHRER UND METHODS ERZBISTUM

 

 

1.1. Die Errichtung der "pannonischen" Erzdiözese und ihre Vorgeschichte  17

1.1.1. Die politischen Voraussetzungen der kyrillomethodianischen Mission  17

1.1.2. Der Beginn der Slawenmission  19

1.1.3. Der ursprüngliche Umfang von Methods Amtsbereich  20

1.1.4. Kirchenrechtliche und -geschichtliche Hintergründe  24

1.1.5. Das Fortleben des antiken geographischen Begriffs "Pannonien" in der Karolingerzeit  26

 

1.2. Der Konflikt Methods mit dem bairischen Episkopat  31

1.2.1. Das Erzbistum Salzburg und die Conversio  34

1.2.2. Das Bistum Passau und die Pilgrimschen Fälschungen  35

1.2.3. Das Bistum Freising und seine Slawenmission  41

1.2.4. Das Bistum Regensburg und sein böhmisches Missionsgebiet  42

1.2.5. Der Ausgang des Konflikts  43

 

1.3. Method und die "Slavonia" südlich der Dräu/Donau  45

1.3.1. Method, das bosnisch-slawonische "regnum" und das Patriarchat von Aquileia  46

1.3.2. Serbien ein Teil der Erzdiözese Methods?  50

1.3.3. Das Verhältnis Kroatiens zum "pannonischen" Erzbistum  52

 

1.4. Method und die Westslawen  56

1.4.1. Eine Mission Methods in Böhmen?  56

1.4.2. Aktivitäten Methods bei den Wislanen?  58

 

1.5. Methods Erzbistum bis zu seinem Tode 885  60

1.5.1. Umorganisation und Residenzwechsel 879/80?  60

1.5.2. Weitere Hinweise auf die Lage von Methods Erzbistum  62

1.5.3. Das Problem der Suffragane Methods  64

1.5.4. Die Grabstätte Methods  67

 

1.6. Die Kirche Moravias nach 885  69

1.6.1. Die Vertreibung der Methodschüler und der Zusammenbrach der Kirchenorganisation  69

1.6.2. Der Reorganisationsversuch von 899/900  72

 

   

Eine Missionierung im Gebiet des ehemaligen Awarenreiches hatte sofort nach der Eroberung durch die Franken eingesetzt, wobei vor allem die bairische Kirche auf den Plan trat. [35] In den südlich der Dräu gelegenen südslawischen Ländern, deren Abhängigkeitsgrad von den Awaren im 8. Jhdt. umstritten ist, wurde jedoch die italienische Kirche unter maßgeblicher Führung des Patriarchats von Aquileia tätig. Byzantinische Missionsbemühungen hatten dort schon seit dem 7. Jhdt. von Dalmatien aus begonnen und Serben wie Kroaten erreicht, ohne jedoch bis zum 9. Jhdt. größere Erfolge zu erzielen.

 

Erst ab Mitte des 9. Jhdts. erfolgten von kirchlicher Seite auch Maßnahmen zu einer durchgreifenden organisatorischen Erfassung der neubekehrten Gebiete. Im Untersuchungsgebiet, also dem Karpatenbecken und dem südlich angrenzenden dalmatinisch-adriatischen Raum, kulminierten diese Bemühungen, die in ständiger Konkurrenz zwischen dem Papsttum, der fränkischen Kirche in Baiern und Italien sowie dem Patriarchat von Konstantinopel abliefen, seit 863 in den Vorgängen um die sogenannte "Mission" der Brüder Kyrill und Method.

 

Im folgenden soll zunächst nur auf diejenigen Erkenntnisse eingegangen werden, die sich aus der Lage und dem Umfang der (Erz-) Diözese Methods sowie aus der Art seiner Kontakte mit slawischen Territorien oder rivalisierenden Kirchenhierarchien ergeben. Nicht behandelt werden dagegen die Problemkreise des byzantinischen Hintergrundes der kyrillomethodianischen Mission [36] wie auch die "ideologische" Stellungnahme der Kurie [37], welche bei der gegebenen Fragestellung nicht von Relevanz sind. Vorläufig ausgeklammert bleibt auch der kulturell-philologische Fragenkomplex, der erst im zweiten Teil der Untersuchung behandelt wird.

 

 

1.1. DIE ERRICHTUNG DER "PANNONISCHEN" ERZDIÖZESE UND IHRE VORGESCHICHTE

 

 

1.1.1. Die politischen Voraussetzungen der kyrillomethodianischen Mission

 

In dem oben umschriebenen Gebiet hatten sich zu dieser Zeit die territorialen Verhältnisse seit den dramatischen Grenzverschiebungen und Bevölkerungsbewegungen im Gefolge der Awarenkriege Karls des Großen stabilisiert; im Raum östlich des Karlsreiches bzw. seit 843 des ostfränkischen Reiches hatten sich einige relativ fest umrissene politische Einheiten herausgebildet (vgl. Karte 1):

 

In Moravia, dem wohl wichtigsten und prestigeträchtigsten slawischen Nachfolgestaat des Awarenreiches, nominell unter der Oberhoheit des Ostfrankenreiches, herrschte Rastislav, seit 846 Nachfolger des ersten namentlich bekannten Fürsten, Moimir I; er hatte 853 im Bündnis mit den Bulgaren gegen König Ludwig den Deutschen gekämpft

 

 

35. Vgl. Brackmann 1931; Classen 1968; László 1969; Mareš 1970; Barton 1975; Stökl 1976.

 

36. Dazu etwa Anastos 1954; Obolensky 1963, S.7 ff. und 1967, S.588 ff.; Bosl 1964; Ostrogorsky 1965; Jakobson 1965; Lacko 1982; Vodopivec 1982; Schelesniker 1988; Schiwaroff 1988b.

 

37. Vgl. Havlík 1973; Bratulič 1986; Manna 1987; Tamanides 1992.

 

 

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und stand seit 862 wieder in einer - vorläufig unentschiedenen - Auseinandersetzung mit den Ostfranken, die allerdings diesmal die Bulgaren auf ihrer Seite hatten. [38]

 

Im südwestlich benachbarten Fürstentum von Bosnien-Slawonien, dessen Dynastie mit derjenigen Moravias verwandt war, hatte Sventopulk I. 853 die Nachfolge seines (gegen die Ostfranken gefallenen?) Vaters Sventimir angetreten; bisher war er nicht in den Gesichtskreis der fränkischen Annalisten getreten, welche dieses Gebiet das letzte Mal zuvor 838 als Ziel einer fränkischen Strafexpedition erwähnen, die den damaligen Fürsten Ratimir beseitigte. Zunächst stand das Fürstentum unter lockerer Hoheit des italienischen, anschließend des ostfränkischen Reichsteils. Sventopulk war offenbar seinem Onkel Rastislav, wohl aufgrund des Senioratsprinzips, rangmäßig nachgeordnet. [39]

 

In Serbien waren um 850 drei Brüder an die Macht gekommen, von denen sich einer, Mutimir, zwischen 864 und 873 in einem Bürgerkrieg gegen die beiden anderen durchsetzen konnte. Serbien war ständig durch das expandierende Bulgarenreich bedroht und hatte gerade 863/64 einen Angriff des bulgarischen Khans Boris abgewehrt. Auch die serbische Dynastie war mit derjenigen Moravias sowie Bosniens verwandt. [40]

 

Südwestlich von Serbien lagen die slawischen Kleinfürstentümer an der Adria, Dioclea, Travunien, Zachlumien und Paganien, das Land der heidnischen Narentaner; bis auf letzteres standen sie in wechselnden Abhängigkeitsverhältnissen zu Serbien, Bulgarien oder Byzanz. [41]

 

In Kroatien, das sich damals noch auf das dalmatinische Küstengebiet des späteren Reiches beschränkte, wurde 864 Fürst Trpimir durch den Angehörigen eines anderen Adelsgeschlechtes, Domagoj, abgelöst, der später in Verbindung mit Sventopulk auftrat. Kroatiens Politik war bis zu diesem Zeitpunkt wesentlich auf den Adriaraum hin ausgerichtet und durch das wechselnde Verhältnis zum Frankenreich und zu seinem italienischen Teilreich, das bis etwa 875 hoheitliche Rechte ausübte, sowie zu Byzanz und in wachsendem Maße auch zu Venedig bestimmt. [42]

 

Eine nach der Zerschlagung des Awarenreiches entstandene slawische Herrschaft an der Save und Dräu war nach einem Aufstand ihres Fürsten Liudewit 822 von den Franken eliminiert und fest in das System der fränkischen Grafschaftsverfassung einbezogen worden, so daß sie zur Zeit Methods keine eigenständige Rolle mehr spielte.43

 

Anders waren die Dinge im slawischen Dukat in Pannonien verlaufen; hier hatte der um 830 von Moimir I. vertriebene slawische Große Pribina im Bereich des Plattensees Land erhalten und seit 846/47 zu einer, wenn auch fest mit dem Ostfrankenreich verbundenen, lokalen Machtkonzentration ausgebaut. Als er 861 im Kampf gegen seine Erzfeinde aus Moravia fiel, folgte ihm sein Sohn Kocel als Inhaber einer Herrschaft, deren genauer rechtlicher Status nur schwer zu definieren ist.44

 

Neben den Staatsbildungen auf ehemals awarischem Boden ist noch Böhmen zu nennen, dessen Geschichte in den fränkischen Quellen bis 871 weitgehend als eine Reihe von Aufständen und Raubzügen gegen die Ostfranken definiert ist; erst in diesem Jahr trat Böhmen erstmals in eine Beziehung zu Moravia. Die inneren Verhältnisse Böhmens vor dieser Zeit (Teilstämme und -fürsten oder schon Zentralisierung der Macht?) sind

 

 

38. Vgl. hier (wie auch in den folgenden Anm.) zu den Gesichtspunkten, die sich aus der Neulokalisierung Moravias ergeben, Eggers 1995, S.137 ff.; s.a. Richter 1985; Karajannopoulos 1991 (aus traditioneller Sicht).

 

39. Eggers 1995, S.181 ff.

 

40. Eggers 1995, S.215 ff.

 

41. Eggers 1995, S.220 ff.

 

42. Eggers 1995, S.223 ff.

 

43. Eggers 1995, S.244 ff.

 

44. Eggers 1995, S.250 ff.

 

 

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weitgehend ungeklärt; möglicherweise war Mähren zum Zeitpunkt des Auftretens von Method bereits in den politischen Verband Böhmens einbezogen. Noch undurchsichtiger sind die Verhältnisse in Polen, wo sich bis Mitte des 9. Jhdts. an der oberen Weichsel ein Stammesfürstentum der Wislanen konsolidiert haben soll. [45]

 

Außer all diesen slawischen Gruppierungen befanden sich im Karpatenbecken, vor allem in seinen nördlichen und östlichen Randzonen, noch awarische Restgruppen aus der "Konkursmasse" des Awarenreiches. Sie standen teils unter der Hoheit der Franken, so bis c. 830/40 im "Vasallenkhaganat" um den Neusiedler See, in der "Avaria" an der niederösterreichischen Donau und wohl auch im westungarischen "Pannonien"; teils konnten sie auch ihre Unabhängigkeit wahren wie die Restgruppen in Siebenbürgen oder der Slowakei. Unbestimmbar ist der Status der (archäologisch nachzuweisenden) Awarengruppe in Mähren, die sich, wie gesagt, zu einem Ungewissen Zeitpunkt an Böhmen anschloß. [46]

 

Sämtliche bisher beschriebenen Staats- oder Herrschaftsbildungen lagen im Spannungsfeld zwischen den drei "Großmächten" des Raumes, zwischen Byzanz, dem Bulgarenreich und dem Franken- bzw. ab 843 dem Ostfrankenreich, deren Rivalität sich nun auch während der kyrillomethodianischen Mission bemerkbar machte. [47]

 

 

1.1.2. Der Beginn der Slawenmission

 

862 richtete Fürst Rastislav an den byzantinischen Kaiser Michael III. die Bitte, ihm Lehrer zu schicken, welche imstande seien, das Volk Moravias in seiner eigenen slawischen Sprache zu unterrichten und die byzantinischen Gesetzbücher in jene Sprache zu übersetzen. Mit dieser Aufgabe wurden die Brüder Method (* um 815) und Konstantin/Kyrill (* 826/27) betraut, welche einer hochgestellten Beamtenfamilie aus Thessalonike entstammten und die Sprache der Slawen, die in der Umgebung dieses bedeutenden byzantinischen Zentrums lebten, beherrschten. [48] Zuvor hatten sie bereits an Religionsgesprächen mit dem Abbasidenhof Bagdads sowie mit den zum Judentum übergetretenen Chazaren teilgenommen. Im Jahre 863 reisten die beiden im Auftrag des Kaisers und des Patriarchen Photios an der Spitze einer byzantinischen Delegation nach Moravia. [49] In den nächsten vier Jahren entfalteten sie dort, aber auch im Fürstentum Sventopulks [50] sowie im Dukat Kocels am Plattensee, in dem noch kurz zuvor Erzbischof Adalwin von Salzburg etliche Kirchen geweiht hatte, [51] eine umfangreiche Lehrtätigkeit, zunächst noch ohne offiziellen Status.

 

Alsbald ergaben sich jedoch Differenzen mit dem schon länger vor Ort wirkenden "lateinischen", aus Baiern und wohl auch aus Oberitalien kommenden Klerus über dogmatische und vielleicht auch schon organisatorische Fragen. Um auch vom Papsttum eine

 

 

45. Eggers 1995, S.272 ff.

 

46. Eggers 1995, S.43 ff.; zu archäologischen Fragen vgl. die angekündigte Abhandlung des Verf.

 

47. Dazu Obolensky 1963 und 1967; Havlík 1970 und 1973; Bosl 1964; Classen 1968; Hannick 1978, S.287 ff.; Vodopivec 1982; Schiwaroff 1988 b; Anton 1990; Karajannopoulos 1991

 

48. Biographische Angaben u.a. bei Schaeder 1935 (mit grundlegender Quellenkritik); Grivec 1960; Lacko 1963; Angelov 1969; Tachiaos 1973; Dujčev 1988; Schiwaroff 1988 und 1988 b; Hannick 1991; Ševčenko 1991, S.479 ff.

 

49. Zum genauen Zeitpunkt s. Tkadlčík 1969; zum Auftraggeber Anastos 1954; Hannick 1978, S.290 ff.; Christou 1992.

 

50. Zur dortigen Mission s.a. Eggers 1995, S. 192/193.

 

51. Dazu Schellhorn 1964.

 

 

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Legitimation und Unterstützung ihrer bisher nur von Byzanz sanktionierten Tätigkeit zu erhalten, aber auch um einige theologische Streitpunkte zu klären, reisten Kyrill und Method über Venedig (oder "Venetien"), wo sie in ein Streitgespräch über die Verwendung der slawischen Sprache im Gottesdienst verwickelt wurden, [52] nach Rom - angeblich auf Einladung von Nikolaus I. (858-867). Als sie dort Ende 867 oder Anfang 868 ankamen, war dieser bereits verstorben. Dennoch wurde ihnen ein freundlicher Empfang zuteil, wobei es sicher eine Rolle spielte, daß sie die einige Jahre zuvor auf der Krim entdeckten Reliquien des hl. Klemens mit sich führten und in Rom deponierten.

 

Der neue Papst, Hadrian II. (S67-872) [53], weihte Kyrill und Method sowie drei ihrer Schüler zu Priestern, zwei weitere zu Anagnosten. Offenbar blieb die Gruppe um die beiden Brüder aus Thessalonike längere Zeit in Rom; diese Zeit verbrachten sie in erster Linie mit Übersetzungstätigkeiten. Kyrill starb dort am 14. Februar 869 und wurde in der Kirche San Clemente beigesetzt; [54] Hadrian ernannte Method kurz darauf zum apostolischen Legaten für die slawischen Völker und schickte ihn mit einem päpstlichen Sendschreiben, das unter anderem den Gebrauch der slawischen Kirchensprache legitimierte, zu den drei slawischen Fürsten zurück. [55]

 

Mittlerweile hatte Khan Boris in Bulgarien, nunmehr unter seinem Taufnamen Michael in den Königsrang erhoben, einen eigenen Erzbischof im Rahmen des Patriarchats von Konstantinopel erhalten. [56] Das scheint Kocel zu einem entsprechenden Wunsch inspiriert zu haben; in Begleitung von 20 Adligen schickte er Method erneut nach Rom und ersuchte den Papst, ihn zum Bischof zu weihen. Diesem Ansinnen kam Papst Hadrian II. nach und ernannte Method zum Erzbischof seines bisherigen Wirkungsgebietes, wie in der Methodvita berichtet wird. [57]

 

 

1.1.3. Der ursprüngliche Umfang von Methods Amtsbereich

 

Die Adresse der von Papst Hadrian II. im Jahre 869 an Rastislav, Sventopulk und Kocel gerichteten Bulle Gloria in excelsis Deo, die sich in der Methodvita - zumindest sinngemäß - erhalten hat [58], zeigt, daß Method zunächst nur als apostolischer Legat in den Gebieten dieser drei Fürsten fungieren sollte, daneben sozusagen als "kirchlicher Aufbauhelfer". Die inhaltliche Echtheit dieser Bulle, zeitweilig heftig bestritten, gilt heute als erwiesen. [59]

 

Dieselbe Methodvita berichtet, der Papst habe Kocel mitgeteilt, daß nicht er allein, sondern auch "alle anderen slawischen Länder" Method als Lehrer und Legaten erhalten sollten; I. Boba hat dargelegt, daß sich diese Bemerkung nach dem Textzusammenhang natürlich nicht auf sämtliche Slawen überhaupt, sondern nur auf die Untertanen der zuvor erwähnten Fürsten Rastislav und Sventopulk beziehen kann. [60]

 

 

52. Vgl. Tamanides 1992; s.a. S.40.

 

53. Zu seiner Person v.a. Grotz 1970.

 

54. Zur Grabstätte Boyle 1988.

 

55. Zu dieser ersten, von 863 bis 869 dauernden Phase der kyrillomethodianischen Mission, die im gegebenen Zusammenhang weniger interessiert, vgl., v.a. im politischen Kontext, Bosl 1964, S.41 ff.; Chevailler/Chabanne 1978; im kirchlichen Kontext v.a. Hnilica 1968; Stökl 1976, S.80 ff.; Vodopivec 1982, S.216 ff.; Zissis 1988; zu beidem Obolensky 1963, S.3 ff.; Hannick 1978, S.291 ff.

 

56. Vgl. Döpmann 1981; Dujčev 1988; Eldarov 1988; Karajannopoulos 1991, S.17.

 

57. Methodvita 8, Ed. Grivec/Tomšič 1960, S.158; Ed. Kronsteiner 1989, S.64.

 

58. Methodvita 8, Ed. Grivec/Tomšič 1960, S.157/158; Ed. Kronsteiner 1989, S.58.

 

59. Kos 1944; Grafenauer 1968; Ratkoš 1984; Marsina 1985, S.236/237.

 

 

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Die Adresse an die drei Slawenfürsten findet sich übrigens ebenso in der Lobrede auf die hll. Kyrill und Method. [61]

 

Neben diesem Bezug auf drei zeitgenössische territoriale Einheiten von unterschiedlichem politischem Status bieten die Quellen aber auch eine geographische Umschreibung von Methods Diözese unter Rückgriff auf die (spät-)antike Nomenklatur. Die Methodvita berichtet von seiner Ernennung zum "Bischof von Pannonien, ... auf den Stuhl des hl. Andronikos, eines Apostels von den Siebzig" ("на еп(и)с(коу)пьство въ Панонии, на cтолъ с(вѫ)т(а)го Андроника Ап(о)с(то)ла от An(o)c(тo)ла oт ·о҃·). [62] Desgleichen erscheint der Begriff "Pannonien", bezogen auf Methods Amtsbereich, in mehreren päpstlichen Schreiben: Einige Briefe Johannes' VIII. vom Mai 873 bezeichnen seine Diözese als "Pannoniensium episcopatus", "Pannoniensium diocesis" und "Pannonica diocesis", Method selber aber als "Pannonicus archiepiscopus legatione apostolice sedis ad gentes fungens"; zum letzten Mal wird Method 879 in Bezug zu "Pannonien" gesetzt, indem ihn Papst Johannes VIII. als "archiepiscopus Pannoniensis ecclesiae" adressierte. [63]

 

Die Erwähnung des "Stuhles des hl. Andronikos" in der Methodvita erinnert daran, daß sich das Papsttum bei der Errichtung der Erzdiözese Methods offensichtlich auf die historischen Rechte der Stadt Sirmium berief, wo der Legende nach Andronikos, einer der 70 jüngeren Schüler Christi und bekannt aus dem Römerbrief des Paulus, als erster Bischof gewirkt haben soll. [64]

 

Nahm nun Method seine Residenz tatsächlich in Sirmium? Diese Frage ist bisher zumeist verneint worden; stattdessen nahm man an, daß er sich zunächst alternierend an den Höfen der drei Slawenfürsten aufgehalten habe. Als Argumentation für eine Ablehnung Sirmiums wurde angeführt, daß der Ort zur Zeit Methods infolge der Eroberung durch die Awaren 582 bereits zerstört gewesen sei; daß er sich innerhalb von Methods vermeintlichem Amtsbereich in völlig dezentraler Lage befunden habe; und daß sich schließlich die Gegend um Sirmium seit dem frühen 9. Jhdt. unter der Herrschaft der Bulgaren befunden habe, die keinesfalls zu Methods Erzdiözese hätten gehören sollen und wollen. [65]

 

Dieser Argumentationsweise muß jedoch widersprochen werden. Der Nachweis, daß sich für die oft behauptete bulgarische Präsenz in Sirmium vor der Mitte des 10. Jhdts. keinerlei Belege finden lassen, wurde bereits an anderer Stelle geführt.66 Auch die Behauptung einer angeblich peripheren Lage Sirmiums kann nicht aufrechterhalten werden. Vielmehr liegt Sirmium, berücksichtigt man die eingangs erwähnte, in einer früheren Arbeit begründete Neulokalisierung der Fürstentümer Rastislavs (Moravia - "Großmähren") und Sventopulks (Bosnien - Slawonien), relativ zentral inmitten der Territorien, über welche die drei Slawenfürsten geboten (vgl. Karten 1 und 6).

 

 

60. Vgl. Boba 1971, S.27/28 oder 1987, S.28. Dagegen sieht Grivec 1960 (S.86 ff.) in Method den Legaten für alle Slawenvölker!

 

61. Pochvalnoje slovo Kirillu i Mefodiju, Ed. Lavrov 1930, S.85.

 

62. Methodvita 8, Ed. Grivec/Tomšič 1960, S.158; Ed. Kronsteiner 1989, S.64.

 

63. MG Epp. VII, Ed. Kehr 1928, Fragmenta Registri Johannis VllI papae, Nr.15-23 (S.280-286) bzw. Epp. Johannis VIII papae, Nr.201 (S. 160).

 

64. Dazu Dvornik 1930, S.63; Schaeder 1935, S.253; Grivec 1960, S.87/88 mit Anm.44; Veselý 1982, S.74/75 (die betr. Bibelstelle findet sich in Römer 16).

 

65. So in letzter Zeit z.B. Wolfram 1987, S.296/297; Rez. Reinhart 1990 zu Kronsteiner 1989, S.259; Birnbaum 1993, S.17/18; 1993b, S.336.

 

66. Vgl. Eggers 1995, S.57 ff.

 

 

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Schließlich haben Ausgrabungen in den letzten Jahrzehnten ergeben, daß im Bereich des antiken Sirmium eine frühmittelalterliche Siedlung existierte. [67]

 

Möglicherweise gibt es sogar einen Hinweis darauf, daß Method, wenigstens zeitweilig, in Sirmium gewirkt hat, nämlich das Demetrius-Patrozinium der dortigen Kathedralkirche wie auch eines seit 1215 nachweisbaren griechisch-orthodoxen Klosters, Grundlage einer allmählichen Umbenennung des Ortes in "civitas sancti Demetrii" (heute Sremska Mitrovica, Serbien). [68] Demetrius ist im 6. Jhdt. als Ortsheiliger bezeugt, weshalb dieses Phänomen verschiedentlich als Kultkontinuität gedeutet wurde. Doch ist das wenig wahrscheinlich, da noch vor der Eroberung durch die Awaren die Reliquien des Demetrius nach Thessalonike (also in die Heimatstadt Methods!) überführt wurden, wo er wiederum zum Lokalpatron avancierte. [69]

 

Denkbar wäre eher eine "Retranslation" des Demetrius-Kultes von Thessalonike nach Sirmium im 9. Jhdt. - eben durch Method selbst. Es ist bezeugt, daß er und seine Schüler den hl. Demetrius eifrig verehrten und ihm zu Ehren in Moravia ein Hymne komponierten. [70] (Zugegebenermaßen ist aber auch eine spätere Rückübertragung des Kultes möglich, stand doch Sirmium seit 1019 wieder unter byzantinischer Herrschaft.)

 

Gegen eine dauernde Residenz Methods in Sirmium könnte es sprechen, daß Method ja nicht ein einziges Mal als Erzbischof einer "ecclesia Sirmiensis", sondern bis 879/80 immer nur als solcher von "Pannonien" angesprochen wird. Boba hat dem entgegengehalten, daß Sirmium im Frühmittelalter als "civitas Pannoniae" oder "Pannoniensis" bezeichnet worden sei und solcherart in den Titel Methods Eingang gefunden hätte. [71]

 

Eine Alternative wäre die von verschiedenen Forschern vertretene Ansicht, daß Method in den ersten Jahren nur als "Missionserzbischof" ohne festen Sitz amtierte, in Analogie etwa zur Stellung des Bonifatius im Frankenreich. Doch selbst wenn Method nur "Titular-Erzbischof" von Sirmium gewesen sein sollte, so leitete sich daraus doch seine Jurisdiktion über die spätantike Provinz "Pannonien" ab, wie deutlich genug aus den päpstlichen Schreiben zu ersehen ist. [72] Entsprachen diesen rechtlichen Grundlagen aber auch die territorialpolitischen Realitäten?

 

Die "traditionelle" Richtung der Geschichtsschreibung, welche die Fürstentümer von Rastislav und Sventopulk in Mähren bzw. in der westlichen Slowakei (Nitra) suchte, konnte diese Frage selbstverständlich nur für das von Kocel verwaltete "Dukat" in Westungarn bejahen; Mähren und die Slowakei sind ja beim besten Willen nicht unter "Pannonien" zu subsumieren. Dieser Schule gilt die "pannonische" Rechtsgrundlage der Erzdiözese Methods ab dem Moment als verfallen, ab welchem das Fürstentum Kocels wieder seiner Amtsgewalt entzogen worden war, also ab 873. [73] (Vgl. Karte 5) Warum wurde Method dann aber noch 879 vom Papst als "pannonischer" Erzbischof angesprochen? Es konnte ja zu diesem Zeitpunkt nicht mehr Kocels Gebiet gemeint sein.

 

Der Vergleich der von Johannes VIII. im Jahre 873 abgesandten Schreiben mit der Bulle Hadrians II. von 869 erlaubt vielmehr den logischen Schluß, daß die päpstliche Kanzlei die Gebiete aller drei Slawenfürsten unter dem Begriff "Pannonien" zusammenfaßte,

 

 

67. Popovič 1966-68, 1971-80; Boškovič 1982; Milošević 1988.

 

68. Vgl. Györffy 1959.

 

69. Obolensky 1974; Vickers 1974; s.a. Zeiller 1918, S.81/82.

 

70. Dazu Grivec 1960, S.18; Nichoritis 1991 und 1992; Lunt 1995, S.149 Anm.8.

 

71. Boba 1967; 1971, S.92 ff.; 1990; 1991, S. 128/129; die Bezeichnung ist belegt in der Langobardengeschichte des Codex Gothanus, Ed. Waitz in MG SS rer. Langob. (1878), S.8.

 

72. Vgl. Schelesniker 1989, der S. 183 feststellt, daß "Metropolitanbischöfe gewöhnlich den Namen der Kirchenprovinz, der sie vorstehen, in ihrem Titel führen."

 

73. Váczy 1942, S.46/47; Vavřínek 1963 b, S.45 ff.; Bílková 1967, S.326 ff.; Vlasto 1970, S.70; Birnbaum 1993, S.18.

 

 

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da ganz offensichtlich von beiden Päpsten das gleiche Gesamtterritorium angesprochen wurde.

 

Daraus hat nun I. Boba gefolgert, daß alle drei Fürstentümer - also auch Moravia - auf dem Boden des antiken "Pannonien" hätten liegen müssen; Methods Erzdiözese sei also in territorialer Hinsicht mit der antiken Provinz identisch gewesen. [74] Diese Schlußfolgerung geht jedoch m.E. fehl.

 

Zwar lag das westungarische "Dukat" des Kocel tatsächlich zur Gänze auf ehemals pannonischem Boden, in den Teilprovinzen "Valeria" und "Pannonia Prima". Auch das Fürstentum des Sventopulk vor 870, wie es in der bereits erwähnten früheren Arbeit des Verfassers erschlossen wurde, also Bosnien-Slawonien, befand sich wenigstens teilweise auf dem Gebiet der spätantiken pannonischen Teilprovinz "Pannonia Secunda", ansonsten auf dem Boden der Provinz "Dalmatia". (Dabei ist zu berücksichtigen, daß die genaue Abgrenzung zwischen den antiken Provinzen "Pannonien" und "Dalmatien" im 9. Jhdt. unmöglich noch bekannt sein konnte, da konkrete Anhaltspunkte im Gelände wie etwa Flußläufe fehlten. Der Begriff "Dalmatien" hatte sich damals mehr oder weniger auf das küstenländische Kroatien verengt; folglich konnte man sich "Pannonien" im 9. Jhdt. durchaus nach Süden bis zur dinarischen Wasserscheide ausgedehnt vorstellen, ohne den Begriff über Gebühr zu strapazieren.)

 

Wie steht es hingegen mit dem von Rastislav beherrschten Moravia, das ja, wie dargelegt, in der Ungarischen Tiefebene, also außerhalb der antiken römischen Provinzorganisation, lokalisiert werden soll? In diesem Fall ist zu berücksichtigen, daß sich in der geographischen Terminologie der Karolingerzeit der Geltungsbereich des Begriffes "Pannonien" bereits nach Osten über die Donau hinaus ausgedehnt hatte und auch die Große Ungarische Tiefebene umfaßte. [75] Wollte also die päpstliche Kanzlei jenes Gebiet antikisierend umschreiben, mußte sie wohl oder übel diesem Trend folgen, da aus der Antike sonst keine verbindliche Bezeichnung überliefert war. Ein Moravia in Mähren wäre dagegen ganz eindeutig unter den Terminus "Germanien" gefallen!

 

Die solcherart umgrenzte Erzdiözese, welche man päpstlicherseits Method zugedacht hatte, erscheint unter dem Blickwinkel einer Neulokalisierung der Fürstentümer Rastislavs und Sventopulks als abgerundetes, in sich geschlossenes Territorium, vor allem dann, wenn man auch die von Papst Johannes VIII. beabsichtigte Einbeziehung Serbiens [76] in Betracht zieht: für die bisherigen historisch-geographischen Vorstellungen kann das hingegen in keiner Weise gelten! (Vgl. Karten 5 und 6)

 

Doch würde die Berufung der päpstlichen Kanzlei auf die "Pannonica diocesis" eine territorial noch weiter gehende Auslegung gestatten, dann nämlich, wenn man auf die unter Diocletian eingerichtete Diözese "Pannoniae" (auch "Illyricum occidentale") abzielt, welche außer "Pannonia" auch die Provinzen "Noricum" und "Dalmatia" umfaßte. [77] Die Inanspruchnahme der Tradition Sirmiums hätte sogar Jurisdiktionsrechte im ehemaligen "Moesia" und in weiter südlich angrenzenden Provinzen impliziert!

 

Daß eine solche Ausweitung der Erzdiözese Methods vom Heiligen Stuhl durchaus ins Auge gefaßt wurde, ist im Falle Serbiens sicher zu erweisen, im Falle Kroatiens zumindest erwägenswert. Es empfiehlt sich daher eine Übersicht über die Entwicklung der politisch-adminstrativen und - damit Hand in Hand gehend - der kirchlichen Grenzen im Untersuchungsraum seit der Spätantike.

 

 

74. Boba 1967; 1971, S.12/13; 1973; 1987, S.28/29.

 

75. Siehe dazu noch in Kap. 1.1.5.

 

76. Dazu noch Kap. 1.3.2.

 

77. Diesen Bezug setzen voraus Ziegler 1949, S. 171; Onasch 1963, Sp.651; Havlík 1976, S.54; Löwe 1983, S.661; Wolfram 1986, S.251/252; Schelesniker 1988, S.269; dazu auch noch Kap. 1.1.4.

 

 

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1.1.4. Kirchenrechtliche und -geschichtliche Hintergründe

 

Seit der Neueinteilung des Römischen Reiches durch Kaiser Konstantin den Großen im Jahre 318 war Sirmium der Sitz des Präfekten von "Illyricum". [78] Dieser war als einer der vier neuernannten Präfekten des Reiches zuständig für die Donauländer zwischen "Noricum" im Westen und "Dacia ripensis" im Osten, dazu für "Dalmatia" und einen Großteil des heutigen Griechenland. Da nun das Konzil von Nicaea 325 beschloß, daß die kirchlichen Grenzen und Hierarchien mit denen der weltlichen Administration zusammenfallen sollten, so war der Bischof von Sirmium nicht nur der Metropolit der Kirchenprovinz "Pannonia", sondern zugleich auch Obermetropolitan der Präfektur "Illyricum". [79] Gleich den Metropoliten der beiden westlicheren Präfekturen "Itália et Africa" und "Galliae" war er Rom, nicht etwa dem Patriarchat von Konstantinopel in der Kirchenhierarchie unterstellt. Diese Regelung wurde auch dann noch beibehalten, als die Grenzen der Reichsteilungen von 379 und 395 mitten durch die Präfektur "Illyricum" schnitten, wobei Sirmium selbst an das Westreich fiel. Selbstverständlich führten diese Zustände alsbald zu einem Jurisdiktionsstreit der kirchlichen Spitzen in Rom und Konstantinopel. (Vgl. Karte 2)

 

Als Kompromißlösung ernannte Rom noch zu Ende des 4. Jhdts. für die zum Ostreich gehörenden Teile des "Illyricum", also für die Diözesen "Dacia" und "Macedonia", einen apostolischen Vikar mit Sitz in Thessalonike. Nachdem Sirmium 448 an die Hunnen verlorenging, wurde Thessalonike auch Sitz der - ihrer westlichen Teile beraubten - illyrischen Präfektur. Die Stellung des dortigen apostolischen Vikars wurde infolgedessen in der zweiten Hälfte des 5. Jhdts. immer bedeutender, ja fast patriarchengleich.

 

545 wurde der Sitz der Präfektur "Illyricum" in das neugegründete Iustiniana Prima (bei Nisch) verlegt und zugleich in der Stadt ein weiteres apostolisches Vikariat eingerichtet, in dessen Zuständigkeit die Diözese "Dacia" fiel und auf dessen Tradition sich später das Erzbistum/Patriarchat von Ochrid berief. [80] Die Diözese "Macedonia" blieb unter der Verwaltung des Vikars von Thessalonike.

 

Theoretisch galt jedoch Sirmium weiterhin als Zentrum der Kirchenverwaltung im gesamten "Illyricum"; noch 535 hatte die Novella XI Kaiser Justinians das historische Recht Sirmiums auf die Jurisdiktion "tarn in civilibus quam in episcopalibus causis" anerkannt. [81] Jedoch war Sirmium de facto von 448 bis 567 von barbarischen, teilweise heidnischen Völkern, Hunnen, Ostgoten und Gepiden besetzt. Es folgte nur noch ein kurzes byzantinisches Zwischenspiel, während dessen der letzte oströmische Bischof von Sirmium bezeugt ist; dann wurde die Stadt 582 von den Awaren erobert und verlor zunächst jegliche Bedeutung. [82]

 

Die oberste Jurisdiktionsgewalt Roms über das Gesamtgebiet der ehemaligen Präfektur "Illyricum" dauerte während dieser Zeit theoretisch fort. Das Erzbistum Aquileia übernahm die Administration der Restgebiete in "Noricum mediterraneum", im Südwesten von "Pannonia" sowie in "Dalmatia", wo es allerdings mit Salona konkurrierte. Salona beanspruchte nämlich im 6. Jhdt. den Rang eines Erzbistums,

 

 

78. Zum Weiteren s. Rogošic 1962; Maksimović 1980; Fitz 1983; Pietri 1984; Berg 1985; Popović 1987; s.a. Zeiller 1906, 1918; Dvornik 1930; Alexander 1941; Polách 1948; Kuhar 1959; Vavřínek 1963 b; Patzelt 1964; Vlasto 1970; Lacko 1972; Speigl 1973; Ostrogorsky 1974; Schelesniker 1988; Bratoz 1988 und 1990; Boba 1991; Nicolova 1993.

 

79. 381 äußerte Bischof Aneminius auf dem Konzil von Aquileia: "Caput Illyrici nonnisi civitas est Sirmiensis"; vgl. Mansi, Collectio Conciliorum, 3 (1759), Sp.604.

 

80. Ljubinković 1966.

 

81. Imperatoris Iustiniani Novellae, Ed. Lingenthal 1881, I, S.130/131.

 

82. Popović 1975; Kollautz 1979.

 

 

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ohne daß dies jedoch von Rom eindeutig anerkannt worden wäre. [83] Mit der awarisch-slawischen Invasion auf dem Balkan und der damit verbundenen, fast vollständigen Zerstörung kirchlicher Organisationsformen wurde diese Frage jedoch für längere Zeit obsolet.

 

Eine neue Lage ergab sich erst, als infolge des Bruches zwischen Rom und Byzanz über der Frage der Bilderverehrung der byzantinische Kaiser Leo III. im Jahre 732 dem Papst die Jurisdiktion in allen byzantinischen Reichsteilen entzog, die ihm damals noch anvertraut waren, also in Sizilien, Kalabrien und eben auch in den Resten Illyriens. Den Westteil Illyriens, das auf wenige Küstenstädte und Inseln reduzierte Dalmatien, verwaltete nunmehr ein dem Patriarchen von Konstantinopel unterstellter Erzbischof in Spalato (Split), dem Rechtsnachfolger von Salona. [84]

 

Der Rechtsstreit zwischen Rom und Byzanz um das "Illyricum" schwelte trotz einer zeitweiligen Verbesserung der Beziehungen im 8. und 9. Jhdt. weiter. Schon Papst Hadrian I. forderte 785 die Restitution der 732 entfremdeten Bistümer, ebenso noch im Jahre 860 Papst Nikolaus I. in einem Brief an Kaiser Michael III. [85]

 

Größere Aktualität erhielt die Frage nämlich wieder mit der kurz nach dieser Demarche einsetzenden Bekehrung der Südslawen, und zwar zunächst - noch vor der Mission Kyrills und Methods - durch das seit 863 akut werdende Projekt der Christianisierung Bulgariens. Dessen Herrscher, Khan Boris, unterstellte sich zunächst 867 der Kirche von Rom, welche damit im Bereich der spätantiken Diözese "Thraciae" sogar auf das traditionelle Jurisdiktionsgebiet des Patriarchats von Konstantinopel übergriff. [86] 869/70 erkannte Boris dann allerdings, wie erwähnt, die Hoheit des byzantinischen Patriarchen an, und zwar weniger aus rechtlichen denn aus politischen Motiven.

 

Das Papsttum gab jedoch seinen Rechtsanspruch nicht auf, wie ein Schreiben des Papstes Johannes VIII. an die griechische Geistlichkeit in Bulgarien vom April 878 zeigt; in diesem fordert er sie auf, binnen 30 Tagen eine Diözese zu verlassen, welche "in Illyrici provincias, quas nunc Bulgarorum natio retinet", liege und somit zu seinem Zuständigkeitsbereich gehöre. [87]

 

Das war der Stand der Dinge im Osten des "Illyricums" zur Zeit der kyrillomethodianischen Mission; im Westen berief sich derselbe Papst Johannes VIII., wie noch zu zeigen sein wird, gleichfalls auf die alten Rechte Roms in Illyrien, hier allerdings gegen die bairisch-fränkische Kirchenorganisation. In diesem Fall hatten Entscheidungen aus Rom selbst die Rechtslage verändert. Unter Papst Zacharias (741-752) war die Jurisdiktion über das von den Baiern eroberte und bekehrte Karantanien, das territorial ungefähr der spätantiken Provinz "Noricum mediterraneum" entsprach, an Salzburg übertragen worden; diesen Entscheid hatten seine Nachfolger Stephan III. (752-757) und Paul I. (757-767) bestätigt. Das ehemalige "Noricum ripense", soweit es bäurisches Stammesgebiet war (also westlich der Enns), war ein Teil der bairischen Kirchenprovinz seit deren Errichtung durch Bonifatius (739) gewesen. [88]

 

Auch im festländischen Dalmatien, also im damaligen kroatischen Fürstentum, hatte Rom eine eigene Kirchenorganisation eingerichtet. Um die Mitte des 9. Jhdts. war ein direkt Rom unterstehender "Bischof der Kroaten" in Nona (Nin) installiert worden.

 

 

83. Dazu Radica 1985; Aquileia, la Dalmazia e Illirico (1985); Bratož 1988 und 1990.

 

84. Dabinović 1931; Anastos 1957; Radica 1985.

 

85. Vgl. Mansi, Collectio Conciliorum 12 (1766), Sp.1073/1074 bzw. MG Epp. VI, Ed. Perels 1925, Epp. Nicolai I papae, Nr.89 (hier S.438).

 

86. Vgl. Simeonov 1964; Sullivan 1966; Gjuselev 1976; Smjadowski 1978; Hannick 1978, S.301 ff.; Heiser 1979; Döpmann 1982 und 1983; Popkonstantinov 1987; Dujčev 1988 und 1988 b; Eldarov 1988; Nicolova 1993.

 

87. MG Epp. VII, Ed. Kehr 1928, Epp. Johannis VIII papae, Nr.71 (S.66/67)

 

88. Wolfram 1987, S.143 ff.; Boshof 1989; Koller 1994.

 

 

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Doch machten hier sowohl Aquileia wie Spalato/Split weiterhin ihre alten Ansprüche geltend. Spalato betrachtete sich als "metropolis usque ad ripam Danubii et pene per totum regnum Chroatorum", wie es in einer auf 852 datierten, in ihrer Echtheit nicht unumstrittenen Urkunde heißt. [89]

 

Waren also die kirchenrechtlichen Verhältnisse im Adriaraum verworren, so ergaben sich noch viel größere Probleme aus Entscheidungen über die kirchliche Einteilung des eroberten Awarenreiches, die der siegreiche Karl und sein Klerus ohne jede Konsultation des Papstes vorgenommen hatten. Aus ihnen sollte zwei Generationen später letztlich der Konflikt zwischen Method und den bairischen Bischöfen resultieren. Im Sommer 796 tagte nämlich unter dem Vorsitz des Patriarchen Paulinus von Aquileia eine Bischofsversammlung "ad ripas Danubii", welche die Verteilung der künftigen Missionsgebiete zwischen den Metropoliten festlegte: Südlich der Dräu sollte Aquileias Jurisdiktion, nördlich davon diejenige Salzburgs gelten. [90] (Möglicherweise wurde auch damals schon eine Abgrenzung zwischen den Passauer und Salzburger Zuständigkeiten getroffen, doch haben sich keine entsprechenden Informationen erhalten.) Bei einem Aufenthalt in Salzburg bestätigte Karl der Große 803 diese Regelung, während das Einverständnis von Papst Leo III. nicht eingeholt wurde. [91]

 

Dasselbe Verfahren wiederholte sich, als zwischen Aquileia und Salzburg ein Rechtsstreit um Karantanien entbrannte, dem nach H. D. Kahl "für die Vorgeschichte des Methodius-Konfliktes wohl größere Bedeutung zukommt, als gemeinhin gesehen wird." [92] Auch dieser Fall wurde 811 durch kaiserlichen Schiedsspruch, ohne Zuziehung des Papstes, entschieden, und zwar dahingehend, daß die Dräu in ihrer ganzen Länge, also auch in Karantanien, die Grenzlinie beider Erzdiözesen bilden sollte. [93] Doch blieb wegen verschiedener, weiter schwelender Rechtsstreitigkeiten in Salzburg eine gewisse Animosität gegen das Patriarchat von Aquileia erhalten; sie äußerte sich noch in der um 870 in Salzburg entstandenen Conversio Bagoariorum et Carantanorum, indem dort konsequent die Aktivitäten Aquileias in Karantanien verschwiegen wurden. [94]

 

 

1.1.5. Das Fortleben des antiken geographischen Begriffs "Pannonien" in der Karolingerzeit

 

Die in antiker Zeit geltenden geographisch-administrativen Begriffe, deren historische Entwicklung im vorgehenden geschildert wurde, fanden im Frühmittelalter weiterhin Verwendung und erlebten während der Karolingerzeit eine regelrechte Renaissance. [95] Das galt nicht zuletzt auch für die in den Awarenkriegen eroberten Gebiete, die sich im Südosten des Frankenreiches ja nur teilweise auf ehemaligem römischem Reichsboden befanden; damit ist zugleich das Problematische dieser Neuaufnahme antiker Termini angesprochen: Der jeweilige Geltungsbereich eines karolingerzeitlichen Toponyms mußte sich keineswegs mit seinem antiken Pendant decken; oft wurden antike Ortsbezeichnungen

 

 

89. Cod. dipl. Croatiae, Ed. Kostrenčić et. al. 1967, Nr.3 (S.5).

 

90. MG Concilia II/1, Ed. Werminghoff 1906, Nr.20 (S.172-176); dazu Dvornik 1930, S.68; Brackmann 1931; Kuhar 1959, S.57/58; Zagiba 1964, S.282 ff.; Wolfram 1979, S.106/107; Dopsch 1986, S.310; Gamber 1987; Schelesniker 1988, S.269.

 

91. Conversio 6, Ed. Wolfram 1979, S.46/47; s.a. Wolfram 1987, S.213.

 

92. Kahl 1980, S.69.

 

93. MG DD Caroli Magni, Ed. Mühlbacher 1906, Nr.211 (S.282/283).

 

94. Kahl 1980, S.46; Vilfan 1982, S.898.

 

95. Dazu Ewig 1964, bezogen auf das gallisch-belgische Kerngebiet des Frankenreiches.

 

 

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 auf ganz andere Lokalitäten übertragen, vor allem dort, wo die örtliche Traditionskette abgerissen war. [96]

 

Das trifft nun in ganz besonderem Maße für die südöstlichen Nachbargebiete des Karolingerreiches zu, welche seit dem 475. Jhdt. durch die wiederholten Invasionen heidnischer Barbaren, von Germanen, Awaren und Slawen, der römischen Kulturwelt entfremdet worden waren; dort erlosch fast jegliche organisatorische, kulturelle und auch toponomastische Kontinuität. Im hier gegebenen Zusammenhang ist es nun besonders interessant, wie zunächst die Völkerwanderungs- und Merowingerzeit, dann aber vor allem das Zeitalter der Karolinger und Ottonen die Bezeichnung "Pannonien" mit neuem Sinngehalt erfüllte. [97]

 

Die um 10 n. Chr. eingerichtete römische Provinz "Pannonia" war im Norden und Osten von der Donau begrenzt worden, im Süden umfaßte sie gegen das benachbarte "Dalmatia" hin noch einen Landstreifen südlich der Save; die Grenze gegen Noricum im Westen verlief im allgemeinen entlang des östlichen Alpenabfalles. Unter Trajan wurde die Provinz um 106 in einen westlichen und einen östlichen Teil ("Pannonia superior" bzw. "inferior") zerlegt, und diese beiden Begriffe erhielten sich bis zur Karolingerzeit; dagegen gingen die Namen der vier unter Diokletian eingerichteten Teilprovinzen "Pannonia Prima" und "Secunda" sowie "Valéria" und "Savia" wieder unter. [98] (Vgl. Karte 2)

 

So kennt die zu Beginn des 6. Jhdts. entstandene Vita Severini des Eugippius nur mehr ein "oberes" und ein "unteres Pannonien" - jedoch mit deutlich verändertem Bedeutungsgehalt beider Begriffe, vergleicht man sie mit der trajanischen Grenzziehung: Ersteres bezeichnete nunmehr die nördliche, an "Noricum Ripense" grenzende Hälfte Pannoniens, letzteres den damals in gotischer Hand befindlichen Südteil; es hatte also eine 90-Grad-Drehung gegenüber der früheren Nomenklatur stattgefunden. [99]

 

Zwar scheint die Tradition des Provinznamens "Pannonien" im Lande selbst spätestens mit der Awarenzeit, also in der zweiten Hälfte des 6. Jhdts. erloschen zu sein. Jedoch erhielt sich die Bezeichnung nicht nur in Byzanz, dem Hort der antiken geographischen Kenntnisse, sondern auch bei Langobarden und Franken - bei ersteren sicher deswegen, weil es sich um die früheren, bis 568 innegehabten Wohnsitze handelte, auf die man vertragsgemäßen Anspruch behielt, [100] bei den Franken aber deswegen, weil der fränkische Nationalheilige Martin aus Pannonien stammte und eine "Origo gentis"-Sage die Franken von dort aus ins Rheinland einwandern ließ. [101] Im Westen entwickelte "Pannonien" sich dabei mehr und mehr zu einem Synonym für die von den Awaren seit 568 eingenommenen Wohnsitze.

 

Weniger deutlich ist dies noch in der Chronik des sogenannten Fredegar, in der Langobardengeschichte des Paulus Diaconus oder der Emmeramsvita des Arbeo von Freising. [102]

 

 

96. Ein Beispiel ist die Wiederverwendung der Provinzialbezeichnung "Noricum", nunmehr für das baierische Stammesgebiet; alter und neuer Geltungsbereich waren keinesfalls deckungsgleich; vgl. Klebel 1956; Braumüller 1958; Boedecker 1970, S.158 ff.; Koller 1974, S.8/9; Mühlberger 1980, S.9/10.

 

97. Die Nichtbeachtung dieser Bedeutungsverschiebung hat wohl dazu geführt, daß I. Boba sein Moravia ausschließlich südlich der Donau ansetzen möchte.

 

98. Dazu Pfister 1928; Graf 1936, S.10 ff.; Boedecker 1970,8.372 ff.; Huber 1972, S.1 ff.; Mócsy 1974.

 

99. Eugippius, Vita Severini 5.1, Ed. Noll 1981, S.64/65 sowie Brief des Eugippius, ebd. S.44/45.

 

100. Dies war ein Teil des langobardisch-awarischen Bündnisvertrages gewesen, de facto allerdings war die Bestimmung ein toter Buchstabe.

 

101. Koller 1974, S. 10.

 

102. Fredegar IV.72, Ed. Kusternig 1982, S.242 ( in der Form "Pannia"); Paulus Diaconus, Hist. Langob. II.7,111.30, IV.11, Ed. Waitz 1878, S.89, 135, 150; Arbeonis Vita S. Haimhrammi 3, 4, Ed. Krusch 1920, S.30, 32.

 

 

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Bei allen dreien kann man den in Zusammenhang mit den Awaren gebrauchten Begriff "Pannonien" noch allein auf den Raum der antiken Provinz westlich der Donau beziehen, wenn auch bereits die ganze "Avaria" einschließlich der Landesteile östlich der Donau gemeint sein könnte. Der anonyme Geograph von Ravenna, der sein im 8. Jhdt. abgefaßtes Werk auf verlorenen Quellen des frühen 6. Jhdts. aufbaute, schildert jedenfalls noch eindeutig den antiken Umfang der Provinz mit Unterteilung in "Unter-" und "Oberpannonien" sowie "Valeria" und "Carneola". [103]

 

Dagegen lassen die fränkischen Quellen, welche von den Awarenkriegen Karls des Großen berichten, bereits den Eindruck entstehen, daß sie mit "Pannonien" nicht mehr nur den Westteil, sondern das Awarenreich als Ganzes verstanden. K. Schünemann hat erstmals die einschlägigen Belege gesammelt und deren Bedeutung hervorgehoben. [104] So heißt etwa das Zentrum der Awaren, der "Hring", der zwischen Donau und Theiß anzusetzen ist, im Lobgedicht auf Karl des Theodulf von Orleans "pannonischer Ring". Den Feldzug des Königsohnes Pippin gegen diesen "Ring" von 796 kommentieren die jüngeren Salzburger Annalen: "Pippinus in Pannonia ad bringe." Ebenso lokalisieren die Reichsannalen, die Annalen von Fulda und die von Metz den "Ring" entweder "in Pannonia" oder "in Pannonias" und beschreiben auch den Feldzug Pippins mit ebendiesen Zielangaben. Einhard schließlich sieht "Pannonien" sogar als das Siedlungsgebiet der Awaren schlechthin ("nam hanc provintiam ea gens tunc incolebat") und dessen Entvölkerung als Kriegsfolge ("vacua omni habitatore Pannonia"), was angesichts des Kriegsverlaufes logischerweise auch Gebiete östlich der Donau einschließen muß. [105]

 

Während die bisher genannten Quellen Pannonien im allgemeinen nicht weiter unterteilen - nur Einhard spricht einmal von "utramque Pannoniam", der Poeta Saxo von "Pannonias utrasque", was Anspielungen auf die beiden trajanischen Teilprovinzen sein könnten [106], werden um 820 erstmals wieder ein "oberes" und ein "unteres Pannonien" erwähnt. Den damals im Aufstand befindlichen slawischen Fürsten Liudewit nennen verschiedene Quellen "dux" oder "rector inferioris Pannoniae"; ein fränkisches Heer, das Liudewit von Nordwesten über "Pannonia superior" entgegenzog, mußte zum Erreichen seines Territoriums die Dräu überschreiten. [107] Da Liudewits Fürstentum im kroatischen Slawonien, mit Zentrum in "Siscia" (Sisak), lag, scheint die verwendete Terminologie dieselbe wie in der Severinsvita, mit einem durch die Dräu getrennten nördlichen Ober- und einem südlichen Unterpannonien; vielleicht beruht diese Koinzidenz sogar auf einer Kenntnis der Vita bei den betreffenden fränkischen Annalisten. Wenig später berichten die fränkischen Reichsannalen über einen Vorstoß der Bulgaren die Dräu hinauf und daß diese dabei "terminos Pannoniae superioris" verwüstet hätten; offensichtlich ist auch hier das südliche "Pannonien" gemeint. [108]

 

Die bisher beobachtete Zweiteilung Pannoniens in frühkarolingischer Zeit betrachten einige als rein literarisch, da sie sich nicht in Urkunden widerspiegele; andere vermuten hingegen hinter dieser Nomenklatur real bestehende Verwaltungseinheiten nördlich und südlich der Drau.

 

 

103. Ravenn. Anon. Cosmographia IV.19, 20, Ed. Schnetz 1940, S.56/57, komm. Übs. Schnetz 1951, S.61 ff.; "Carneola" steht für die antike "Savia".

 

104. Schünemann 1923, S.132 ff.; weitere Belege bei Boedecker 1970, S.384 ff.; Huber 1972, S.24 ff.; Mühlberger 1980.

 

105. Theodulfi carmen, Ed. Dümmler 1881, S.484; Ann. Iuvav. min. ad a. 796, Ed. Bresslau 1934, S.737; Ann. regni Franc. ad a. 796, Ed. Kurze 1895, S.98/99; Ann. Fuld. ad a. 795, Ed. Kurze 1891, S. 13; Ann. Mett. priores ad a. 796, Ed. Simson 1905, S.81; Einhardi Vita Karoli Magni 13, Ed. Holder-Egger 1911, S.16.

 

106. Einhardi Vita Karoli Magni 15, Ed. Holder-Egger 1911, S.18; Poeta Saxo V, Ed. Winterfeld 1899, S.60

 

107. Ann. regni Franc. ad a. 818, 819, Ed.Kurze 1895, S.149-151; Anon. Vita Hludovici 31, Ed. Pertz 1829, S.624.

 

108. Ann. regni Franc. ad a. 827, 828, Ed. Kurze 1895, S.173/174.

 

 

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Zu diesen beiden Ausdrücken ließe sich noch die Bezeichnung "Pannonia ulterior" für das (mit dem des Liudewit weitgehend identische) Gebiet des slawischen Fürsten Brazlav gegen Ende des 9. Jhdts. stellen. [109]

 

Eine völlig andere Konzeption vertritt hingegen die um 870 in Salzburg entstandene Conversio Bagoariorum et Carantanorum. Sie spricht ausschließlich von einer "Pannonia inferior", welche im wesentlichen das Salzburger Missionsgebiet im Osten der Alpen umfaßt, jedoch auch Teile des südlich der Drau liegenden Missionsgebietes von Aquileia umschließen muß; das impliziert jedenfalls die Formulierung dieser Quelle, daß Pippin 796 dem Salzburger Erzbischof "partem Pannoniae circa lacum Pelissa inferioris" anvertraut habe. [110] Diese Wortwahl der Conversio setzt voraus, daß es ein größeres, nicht nur das Plattenseegebiet umfassendes "Unterpannonien" gab.

 

Tatsächlich stellt sich dazu eine andere Aussage der Conversio: "Antiquis enim temporibus ex meridiana parte Danubii in plagis Pannoniae inferioris et circa confines regiones Romani possederunt ..." [111] Das "untere Pannonien" sah man also um 870 in Salzburg als den südlich bzw. rechts der Donau liegenden Teil Pannoniens an. Das eigene Missionsgebiet, seit etwa 840 im wesentlichen identisch mit dem "Dukat" des Pribina bzw. seines Sohnes Kocel, [112] umfaßte nur einen gewissen Anteil des so verstandenen "Unterpannonien"; in einem anderen Teil, nämlich südlich der Dräu, missionierte Aquileia. [113]

 

Wo aber lag für den Verfasser der Conversio "Oberpannonien"? Der Begriff als solcher wird in der Schrift nicht verwendet; zumeist sucht man aber dieses "fehlende" Oberpannonien in jenem Rest der antiken Gesamtprovinz Pannonien, dessen Missionierung in die Zuständigkeit des Passauer Bistums fiel - also im Raum zwischen Wienerwald und Raab. [114] Ein solcher Gebrauch ist jedoch in karolingerzeitlichen Quellen nirgends expressis verbis nachweisbar. Wäre es nicht viel eher möglich, daß die Conversio "Oberpannonien" jenseits der Donau ansetzte, wo sie "in aquilonaris parte Danubii in desertis locis" die ehemaligen Sitze der Hunnen kannte? [115] Es war dies ja ein von der römischen Provinzialterminologie nicht erfaßter, barbarischer Raum, der in der Antike von sarmatischen Völkern bewohnt worden war. Irritierend wirkt dann allerdings der Gebrauch des Ausdrucks "Pannonia orientalis" für das Salzburger Missionsgebiet im letzten Kapitel der Conversio. [116]

 

Die angedeutete Neigung, den Begriff "Pannonia" über die Donau hinweg nach Osten auszudehnen, setzt sich fort in der Berichterstattung über die Kriege gegen die Ungarn seit Ende des 9. Jhdts.; so etwa, wenn der Regensburger Fortsetzer der Fuldaer Annalen einerseits die Ungarn "ultra Danubium" Untaten verüben läßt, andererseits - im selben Zusammenhang und zum selben Tatbestand - sagt, daß sie "totam Pannoniam usque ad internetionem deleverunt." [117] Bei Regino von Prüm muß sich Pannonien gleichfalls auf linksdanubisches Gebiet erstrecken, da nach seiner Aussage die Ungarn noch vor der Überquerung der Donau "Pannoniorum et Avarorum solitudines" durchstreiften. [118]

 

 

109. Schünemann 1923, S.134; Bona 1966, S.313 ff.; Huber 1972, S.33 ff.; Wolfram 1979, S. 129/130.

 

110. Conversio 6, Ed. Wolfram 1979, S.46/47.

 

111. Conversio 6, Ed. Wolfram 1979, S.44/45.

 

112. Vgl. Conversio 11,12, Ed. Wolfram 1979, S.52-55; dazu auch Eggers 1995, S.250 ff.

 

113. Dazu Kap. 1.3.1.

 

114. Dazu noch Kap. 1.2.2.

 

115. Conversio 6, Ed. Wolfram 1979, S.44/45.

 

116. Conversio 14, Ed. Wolfram 1979, S.56/57.

 

117. Ann. Fuld. Contin. Ratisbon. ad a. 894, Ed. Kurze 1891, S.125.

 

118. Reginon. Chron. ad a. 889, Ed. Kurze 1890, S. 132.

 

 

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Übrigens deckte sich die karolingerzeitliche Auffassung der "Pannonia" auch nach Westen hin nicht immer mit der römerzeitlichen, sondern zeigte bisweilen Bedeutungsgleichheit mit der "Avaria", dem Awarenland östlich der Enns.119 So bezeichnet eine Urkunde Ludwigs des Deutschen vom 1. Mai 859 den "fiscus Tullina" (Tulln) als in Pannonien liegend, [120] eine weitere Urkunde vom 16. Juni 863 tut dasselbe für Niederalt-aicher Besitz im Ennswald sowie bei Persenbeug. [121] Dieser Usus fand eine Fortsetzung zunächst bei Regino von Prüm, später dann bei Otto von Freising, welche beide die "marchia orientalis" mit der "Pannonia superior" gleichsetzten [122] - was dann wohl auch die moderne Forschung bei der Lokalisierung der karolingerzeitlichen "Pannonia superior" beeinflußte!

 

Im allgemeinen wurde jedoch "Pannonia" zu der Bezeichnung schlechthin für das Reich der Ungarn, vor allem nach deren Christianisierung. So wissen die Gesta abbatum Lobiensium des Folcuin, entstanden um 980: "Gens quaedam ripam insidet Danubii, provinciám quam incolit Pannoniam vocaverunt antiqui, Hungariam moderní." [123] Anläßlich seines noch auszuführenden Streites mit Salzburg um Diözesanrechte in Ungarn verwendete Bischof Pilgrim von Passau um 973/74 für das ungarische Reich die inhaltlich parallelen Begriffspaare "östliches und westliches" wie auch "oberes und unteres Pannonien". [124]

 

Es wird also deutlich, daß dem in der Antike zunächst noch eindeutigen Terminus seit der Merowingerzeit zunehmend ein "schillernder Inhalt" zukam. [125] Einerseits häufig noch ausschließlich auf den Raum der römischen Provinz bezogen, konnte er andererseits auch das gesamte Becken der mittleren Donau bezeichnen. Die Tendenz zur zweiten Variante verstärkte sich bis hin zum synonymen Gebrauch von "Pannonien" und "Ungarn" im Hochmittelalter. Dabei bezeichnete das karolingerzeitliche "Pannonia" (auch mit den Zusätzen "inferior" und "superior") eher eine nicht allgemein verbindliche, wohl auch von der jeweiligen klassischen Bildung des Schreibers abhängige geographische Einheit, als daß es in einem verwaltungstechnischen Sinne zu verstehen wäre - auch wenn man sich mit H. Koller für eine bewußte, seit etwa 830 zu beobachtende Anbindung des Sprachgebrauches der fränkischen Kanzleien an die antike römische Nomenklatur ausspricht. [126] Die päpstliche Kanzlei hatte sich ohnehin in ungebrochener Kontinuität der überlieferten antiken geographischen Begriffe bedient, ohne daß in jedem Einzelfall ein korrekter Gebrauch im Sinne antiker Topographie vorliegen würde. Diese Erkenntnisse sind für die vorangegangenen Überlegungen betreffs der Erzdiözese Methods, aber auch für einige noch folgende Erwägungen in Betracht zu ziehen.

 

 

119. Zu dieser "Avaria" vgl. Eggers 1995, S.43 ff.

 

120. MG DD Ludovici Germanici, Ed. Kehr 1934, Nr.96 (S. 139)

 

121. MG DD Ludovici Germanici, Ed. Kehr 1934, Nr.109 (S.157)

 

122. Schünemann 1923, S.134; Koller 1974, S.8.

 

123. Folcuini Gesta, Ed. MG 1841, S.65.

 

124. Vgl. dazu noch Kap. 1.2.2.

 

125. So Deér 1965, S.744.

 

126. Koller 1974, S.12/13.

 

 

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1.2. DER KONFLIKT METHODS MIT DEM BAIRISCHEN EPISKOPAT

 

Die Jahre 869 bis 871 brachten radikale Umwälzungen an der Südostgrenze des ostfränkischen Reiches mit sich. Im Sommer des Jahres 869 schickte König Ludwig der Deutsche drei Heere unter seinen Söhnen gegen die slawischen Nachbarn aus: Ludwig der Jüngere zog mit einem Heer aus Sachsen gegen die Sorben, Prinz Karl führte ein aus Franken und Alemannen bestehendes Heer gegen Rastislav in Moravia, während ein bairisches Kontingent unter Karlmann Sventopulk in Bosnien-Slawonien angriff. Die beiden im Süden operierenden ostfränkischen Heere schlugen alle gegnerischen Aufgebote, die sich ihnen entgegenstellten, plünderten und brandschatzten; zudem gelang es, in Rastislavs Reich zahlreiche Befestigungen zu zerstören. Dann vereinigten sich die Heere Karls und Karlmanns und kehrten gemeinsam in die Heimat zurück, ohne schon eine definitive Entscheidung erzwungen zu haben. [127] Während dieser Vorgänge befand sich Method noch in Rom, wo sein Bruder Kyrill am 14. Februar 869 verstorben war; er ging zwar wenig später für kurze Zeit im Auftrag des Papstes Hadrian II. an den Hof Kocels in Mosaburg am Plattensee, muß aber noch vor dem Durchzug der fränkischen Invasionsarmeen (August 869) wieder nach Rom zurückgekehrt sein, diesmal als Überbringer der Bitte Kocels, daß der Papst ihn zum Bischof weihen möge. [128]

 

Mittlerweile war zwischen den beiden anderen slawischen Fürsten offener Streit ausgebrochen. Während Rastislav offenbar den Widerstand gegen die Ostfranken mit allen Mitteln fortsetzen wollte, hatte Sventopulk heimlich Verhandlungen mit Karlmann aufgenommen und war dessen Vasall geworden. Rastislav legte diese Handlungsweise als Verrat aus und versuchte seinen Neffen zu ermorden; doch Sventopulk wurde gewarnt, entkam und konnte seinen Onkel in einem Hinterhalt gefangennehmen. Er lieferte Rastislav an die Franken aus, während Karlmanns Truppen alle Siedlungen und Befestigungen ("civitates et castella") in Moravia besetzten. [129]

 

Noch vor diesen dramatischen Ereignissen im Frühjahr und Sommer 870 war Method (wohl im Winter 869/70) als zwischenzeitlich geweihter Bischof von "Pannonien" an seinen Wirkungsbereich zurückgekehrt und geriet nun auf nicht genauer bekannte Weise in die Hände des bairischen Aufgebots. Selbstverständlich versuchten seine Gegner, die bairischen Bischöfe, die Situation zu nutzen und ihn "kaltzustellen"; doch in welcher Form geschah dies?

 

Bisher wurde generell angenommen, daß Method nach Regensburg geschleppt und dort im November 870 im Beisein von König Ludwig von einem Tribunal bairischer Bischöfe in einem regelrechten Prozeß verurteilt worden sei. [130] Dieser Prozeß wäre gewissermaßen der kirchenpolitische Parallelfall zu dem Hochverratsprozeß gegen Rastislav gewesen, von dem die Fuldaer Annalen berichten und der mit Rastislavs Verurteilung

 

 

127. Zum Feldzug von 869 unter Berücksichtigung der Neulokalisierung Moravias Bowlus 1995, S.161 ff.; Eggers 1995, S.139 ff.

 

128. Methodvita 8, Ed. Grivec/Tomšič 1960, S.157/158; Ed. Kronsteiner 1989, S.58-64; dazu Bowlus 1995, S.163.

 

129. Ann. Fuld. ad a. 869, 870, Ed. Kurze 1891, S.68-71; Ann. Bertin, ad a. 870, Ed. Waitz 1883, S.109, 113/114; Ann. Xantenses ad a. 870, Ed. Simson 1909, S.28.

 

130. Diese Darstellungsweise etwa bei Alexander 1941; Váczy 1942, S.42 ff.; Ziegler 1949, S.170 ff.; 1953, S.370 ff.; Sakač 1954; Grivec 1955, S.170 ff.; Kuhar 1959, S.150 ff; Grivec 1960, S.92 ff.; Dittrich 1962, S.189 ff.; Duthilleul 1963, S.134 ff.; Vavřínek 1963 b, S.43 ff.; Burr 1964, S.45 ff.; Matzke 1966, S.248/249; Maß 1969, S.l 19 ff.; Dvornik 1970, S.151 ff.; Mayer 1970; Lacko 1970, S.213 ff.; Kop 1971, S.194 ff.; Schütz 1976; Maß 1976; Dopsch 1978, S.18 ff.; Gamber 1980; Dopsch 1981, S.188 ff.; Veselý 1982, S.76 ff.; Löwe 1983, S.663 ff.; Ziegler 1984; Vodopivec 1985, S.91 ff.; Löwe 1986, S.229 ff.; Gamber 1988.

 

 

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durch die Großen der Franken, Baiern und Slawen endete; Rastislav wurde geblendet und - wie man annimmt - in ein Kloster verbannt. [131]

 

Von einem solchen Prozeß auch gegen Method wissen jedoch die fränkischen Quellen nichts; vielmehr ist es die Methodvita, die von einer heftigen Auseinandersetzung Methods mit den bairischen Bischöfen berichtet, wobei ein "korolь" auf fränkischer Seite die weltliche Autorität repräsentierte. [132] Diesen Ausdruck, der auch in anderen slawischen Sprachen seine Entsprechungen findet und im allgemeinen die Bedeutung "König" hat, leitet man ab von "Carolus"/"Karl"; die Slawen des 879. Jhdts. hätten Karl den Großen als die Verkörperung von Herrschaft und Autorität schlechthin empfunden und so den Personennamen zu einem Titel umfunktioniert. [133] Im vorliegenden Passus der Methodvita hätte der Begriff angeblich König Ludwig den Deutschen bezeichnen sollen, der krankheitshalber nicht persönlich an den Feldzügen gegen die Slawen teilgenommen hatte und somit Method erst auf dem Regensburger Reichtag hätte entgegentreten können. [134]

 

H. Lunt hat jedoch mit überzeugenden Argumenten nachgewiesen, daß "korolь" auch in diesem Kontext die Bedeutung "Karl"/"Karlmann" hat. Der umstrittene Satz in der Methodvita lautet, daß der Teufel "сьрдъце врагоу моравьскаго королѧ", nach der herkömmlichen Übersetzung also "das Herz dem Feind des Königs von Moravia", gegen Method aufbrachte. Doch sei die Bezeichnung "korolь" für den Herrscher Moravias in der Vita kaum zu erwarten, da sie sonst immer "kъnezь" als Titel der slawischen Fürsten verwendet. Vielmehr müßte nur eine geringfügige Emendation vorgenommen werden (Dativ "vragu" zu Genitiv "vraga"), und es ergäbe sich die wesentlich plausiblere Übersetzung, daß der Teufel "das Herz des Feindes von Moravia, Karl(mann)" gegen Method aufhetzte. [135] Es hätte also nicht König Ludwig auf einer Reichsversammlung in Regensburg, sondern Karlmann (in seiner Eigenschaft als Präfekt des "Ostlandes" und Führer des bairischen Heeres) noch während des Kriegszuges im Feldlager einer improvisierten Verhandlung gegen den gefangenen Method beigewohnt. [136]

 

An dieser Verhandlung - wenn man sie überhaupt als solche bezeichnen kann und der von der Methodvita überlieferte Disput nicht eine völlig formlose Angelegenheit war [137] -nahm außer Karlmann offenbar auch Bischof Anno von Freising teil [138], die Anklagen gegen Method wurden aber vor allem vom Salzburger Erzbischof Adalwin und vom Passauer Bischof Ermanrich mit folgenden Worten vorgebracht: "Du lehrst auf unserem Gebiet." Das war der Vorwurf der "Intrusio" des Kirchenrechts; Method bestritt ihn nach Aussage seiner Vita mit den Worten :"Wenn ich wüßte, daß es eures ist, würde ich weggehen; aber es gehört dem hl. Petrus, und zwar rechtens. Wenn ihr aus Streitsucht und Habgier die alten Grenzen überschreitet ..., nehmt euch in acht!" [139] Method berief sich also bei seiner Verteidigung auf die bereits dargelegten historischen Rechte Roms im "Illyricum", die ja nicht nur Methods "pannonische" Diözese betrafen,

 

 

131. Ann. Fuld. ad a. 870, Ed. Kurze 1891, S.70.

 

132. Methodvita 9, Ed. Grivec/Tomšič 1960, S.159; Ed. Kronsteiner 1989, S.66.

 

133. Vgl. Lunt 1966, S.483.

 

134. Diese Argumentation bei den in Anm.130 genannten Autoren.

 

135. Lunt 1966; s.a. Kronsteiner 1989, S.95, 99/100; dagegen polemisiert die Rez. Reinhart 1990, S.255.

 

136. Dazu Bowlus 1995, S. 165 ff., der auch darauf verweist, daß Papst Johannes VIII. in seinen Briefen in der Sache Methods gegenüber Karlmann einen viel schärferen Ton anschlägt als bei König Ludwig.

 

137. So Bowlus 1995, S.168/169.

 

138. Zu erschließen aus der Korrespondenz Papst Johannes VIII., vgl. Bowlus 1995, 8.168 ff.; Anno war offenbar für den Transport Methods verantwortlich gewesen, leugnete aber, ihn zu kennen, ebd. S.170/171.

 

139. Methodvita 9, Ed. Grivec/Tomšič 1960, S.159; hier Übs. nach Kronsteiner 1989, S.67.

 

 

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sondern auch das ureigenste Amtsgebiet der bairischen Kirche in "Noricum", also in einem großen Teil Altbaierns und in Karantanien. Es ist von C.R. Bowlus deutlich gemacht worden, daß die Befürchtungen des bairischen Klerus viel weiter gingen als bisher angenommen, daß nicht so sehr die slawische Liturgie, das "Filioque" oder selbst der pannonische Teilbereich der Salzburger Kirchenprovinz zur Diskussion standen, sondern durch die Berufung auf die alten Rechte Sirmiums im "Illyricum" auch die gesamte bairische Kirchenorganisation, wie sie sich im 8. und frühen 9. Jhdt. entwickelt hatte, in Frage gestellt war. Ein Ausdruck dieser Befürchtungen sei es, wenn die um 870 verfaßte Conversio, das "Weißbuch" der Salzburger Kirche, nicht nur deren Missionserfolge in "Pannonien", sondern in großer Ausführlichkeit auch die Rechtsgrundlagen der Salzburger Zuständigkeit in "Noricum ripense" (Ostbaiern und karolingische "Ostmark") sowie "Noricum mediterraneum" (Karantanien) aufzeige. [140]

 

Die weitere Auseinandersetzung zwischen Method und seinen Kontrahenten verlief offenbar ziemlich stürmisch; Ermanrich soll ihn sogar physisch bedroht haben. Ob nun ein formaler Schuldspruch stattfand oder nicht (eine Synode bairischer Kirchenfürsten wäre im Falle Methods ohnehin unzuständig gewesen), auf jeden Fall wurde Method unter größter Geheimhaltung über die Alpenpässe Karantaniens und Tirols nach Alemannien gebracht, [141] um dort in Klosterhaft versteckt gehalten zu werden, bis man in Rom die Pläne zur Gründung einer neuen (Erz-)Diözese zurückstellen oder völlig aufgeben würde. [142] Ort seiner zweieinhalbjährigen Verbannung war mit ziemlicher Sicherheit die Reichenau [143] (und nicht Ellwangen, wie früher meistens angenommen [144]); dort ist auch der Name Methods und seiner Gefährten Leon, Ignatios, Joachim, Simeon und Dragais/Lazarus sowie seines verstorbenen Bruders Kyrill und seines Schülers Gorazd in das Verbrüderungsbuch des Klosters eingetragen worden. [145]

 

Neben der rechtlichen Seite [146] interessiert an dem Konflikt zwischen Method und dem bairischen Episkopat im Rahmen dieser Abhandlung vorrangig die Frage, welche konkreten Territorien beide Seiten als ihr Jurisdiktionsgebiet auffaßten. Dabei ist zunächst festzuhalten, daß die bairischen Bischöfe nach den von Karl dem Großen 796, 803 und 811 erlassenen Bestimmungen nur Rechte nördlich der Drаu geltend machen konnten. Die Funktion der Drаu in ihrem gesamten Lauf als Grenze gegen das Patriarchat von Aquileia hatte auch noch im Jahre 870 - und theoretisch bis zur Konstituierung der ungarischen Kirchenhierarchie zu Anfang des 11. Jhdts. - ihre Gültigkeit. Das spricht wiederum gegen I. Bobas These, daß Moravia südlich der Drau-Donau-Linie gelegen habe; denn gerade auf die Missionierung Moravias erhob das Bistum Passau, wie noch weiter auszuführen ist, Anspruch, ohne daß aus Aquileia Einwände oder Widerspruch gekommen wären.

 

 

140. Bowlus 1995, 8.163/164; zum Begriff der karolingischen "Ostmark" Eggers 1995, S.263 ff.

 

141. Zu diesem Transportweg s. Bowlus 1995, S.170/171 mit plausibler Begründung.

 

142. Man konnte damals mit einem baldigen Ableben des betagten Papstes Hadrian II. rechnen.

 

143. So Maß 1969, S.126/127; 1976; Mareš 1971; Zeltler 1983; Dopsch 1986, S.332 Anm. 121; Bowlus 1995, S.153.

 

144. So Ziegler 1949, S.185 ff.; 1953; 1984; Grivec 1960, 8.100; Bartůněk 1963, S.31; Burr 1964, S.54; Dvornik 1970, 8.153. Schütz 1976, 8.132 ff. plädierte für ein Kloster im Raum des bayerischen Schwaben.

 

145. Reichenauer Verbrüderungsbuch, Ed. Authenrieth et al. 1979, 8.53; dazu Burr 1964, S.56; Mareš 1971; Maß 1976, S.40/41; Schütz 1977, S.390/391; Löwe 1982; Zeltler 1983; Ziegler 1984; Schmid 1985, S.361 ff. und 1986; Pejčev 1988; Zettler 1988 und 1991; Eggers 1995, S.242/243.

 

146. Dazu v.a. Burr 1964; Ziegler 1965; Mayer 1970; Kop 1971 ; Löwe 1986, S.229 ff.; Dopsch 1986, S.332.

 

 

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Auffällig ist weiterhin, daß ein weiteres Mitglied des bairischen Metropolitanverbandes, der Bischof Ambricho von Regensburg, nicht gegen Method auftrat, wahrscheinlich nicht einmal am Disput mit ihm teilnahm [147] - offensichtlich fühlte er sich nicht von den "Anmaßungen des Griechen Methodius" [148] betroffen. Damit scheidet das seit Anbeginn seiner Christianisierung als Missionsgebiet Regensburgs geltende, wenn auch formal vielleicht erst 895 diesem Bistum unterstellte Böhmen als Streitobjekt ebenfalls aus. Welche von Salzburg und Passau beanspruchten Territorien zwischen der Dräu im Süden und Böhmen im Norden waren also in der "causa Methodii" betroffen? (Vgl. Karte 3)

 

 

1.2.1. Das Erzbistum Salzburg und die Conversio

 

Im Falle Salzburgs ist die angeschnittene Frage denkbar einfach zu beantworten: Das Erzbistum beanspruchte als Missions- und vielleicht präsumptives Diözesangebiet den um die Mosaburg am Plattensee liegenden Teil des ostfränkischen "Ostlandes", das slawische "Dukat" der Fürsten Pribina und Kocel. In der aus Anlaß des Konfliktes mit Methodius in Salzburg entstandenen Conversio Bagoariorum et Carantanorum wird als eigener Anteil am zu missionierenden "Ostland" bezeichnet "... partem Pannoniae circa lacum Pelissa inferioris ultra fîuvium, qui dicitur Hrapa, et sie usque ad Dravum fluvium et eo usque ubi Dravus fluit in Danubium." [149] Das solcherart umschriebene Gebiet deckte sich um 870 mit dem Herrschaftsbereich Kocels, als dessen Südgrenze die Drаu anzusehen ist. [150]

 

Im Westen schloß sich das ebenfalls unter der kirchlichen Leitung Salzburgs stehende Karantanien an, [151] für dessen Zugehörigkeit zur Salzburger Diözese gleichfalls keine päpstlichen Bestätigungen vorlagen; doch scheint Methods Mission zu keiner Zeit auf Karantanien übergegriffen zu haben. Auch die aus der "Awarenbeute" stammende Grafschaft um Steinamanger/Szombathely, welche noch zur Salzburger Missionssphäre zu rechnen ist, war offensichtlich nicht Gegenstand des Rechtsstreites mit Method.

 

In der Residenz Pribinas und seines Sohnes Kocel, der Mosaburg, hatten seit etwa 840 vier von Salzburg eingesetzte Erzpriester gewirkt, deren letzter, Richpald, aufgrund von Methods Auftreten 869 nach Salzburg zurückgekehrt war. Eine Aufwertung dieser Erzpriester zu Chorbischöfen war offenbar wegen einschlägiger schlechter Erfahrungen in Karantanien unterlassen worden, [152] hätte aber Kocel wohl eher dazu motiviert, Salzburg die Treue zu halten und Method abzuweisen.

 

Unter Salzburgs Regie waren in Pannonien zahlreiche Kirchen erbaut und von den amtierenden Erzbischöfen geweiht worden. [153] Die Conversio berichtet, daß Erzbischof Liupram (836-859) an 16 Orten Kirchen geweiht habe, sein Nachfolger Adalwin in den Jahren 864/65 noch einmal 14 weitere; [154]

 

 

147. Da die Verhandlung gar nicht - wie meist behauptet - in Regensburg stattfand, s. Bowlus 1995, S. 171.

 

148. So die Conversio 12, Ed. Wolfram 1979, S.56/57.

 

149. Conversio 6, Ed. Wolfram 1979, S.46/47.

 

150. Zu den Grenzen des "Dukats" s. Eggers 1995, S.250 ff.

 

151. Vgl. z.B. Barton 1975.

 

152. So etwa Kronsteiner 1982, S.40, während Koller 1986 (S.107) hier ein organisatorisches Versagen sieht.

 

153. Aus der Fülle der Literatur zur Salzburger Mission als neuere Erscheinungen: Schellhorn 1964; Dopsch 1978, 1982, 1986; Wolfram 1979, 1986; Kronsteiner 1982; Bogyay 1986; Ortner 1988; Schubert 1988; Wavra 1991; Koller 1992; zu Method in Pannonien Tom 1986 und 1986 b.

 

 

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die dort aufgeführten Ortsnamen, die allerdings nicht alle sicher identifiziert werden können, zeigen, daß Salzburgs "Stoßrichtung" vor allem nach Südosten hin ging, während die Nordostecke Pannoniens am großen Donauknie ziemlich vernachlässigt wurde. [155] Dazu kam ein umfangreicher Besitz an Ländereien und Höfen, dessen größten Bestandteil eine von Ludwig dem Deutschen 860 gewährte Schenkung ausmachte. [156]

 

Zu berücksichtigen ist schließlich, daß Salzburg, seit 798 Sitz eines Erzbischofs, die bairische Kirche in ihrer Gesamtheit repräsentierte. Salzburgs Interessen gegenüber Method waren also deutlich genug, auch materiell, fundiert und sind aus der Conversio klar herauszulesen; zu den Ergebnissen der bisherigen Forschung kann und soll hier nichts hinzugefügt werden.

 

 

1.2.2. Das Bistum Passau und die Pilgrimschen Fälschungen

 

Anders stehen die Dinge jedoch im Fall des Bistums Passau. [157] In Passau hat sich nämlich keine zeitgenössische Streitschrift erhalten, welche die Ansprüche dieses Bistums explizit umschreiben würde; vielleicht wurde eine solche auch nie verfaßt. Wieweit Passau bereits in den ersten Jahren nach dem Ende der Awarenkriege Karls des Großen an der Missionsarbeit, vor allem im Gebiet zwischen Enns und Wienerwald, beteiligt war, ist eine in der Forschung noch umstrittene Frage. [158]

 

Zur Zeit des Konfliktes mit Method kann man jedenfalls davon ausgehen, daß die Diözesanabgrenzung zwischen Passau und Salzburg so verlief, daß die karolingische "Ostmark" in den Passauer, Karantanien in den Salzburger Kompetenzbereich fiel (vgl. Karte 3). [159] Die Verhältnisse östlich das Alpenabfalles, in der Kleinen Ungarischen Tiefebene (Kisalföld), klärte eine Urkunde, welche zwar nur als Abschrift aus dem 13. Jhdt. im Lonsdorfer Codex erhalten ist und formal alle Anzeichen der Unechtheit aufweist, vom Inhalt her aber allgemein als sachlich zutreffend betrachtet wird. [160] Die auf den 18. Nov. 829 datierte Urkunde enthält den Entscheid Ludwig des Deutschen (damals Unterkönig von Baiern) über einen Streit Salzburgs und Passaus "super parrochiam, que adiacet ultra Comagenos montes" und bestimmt zugunsten Passaus, "ut ... habeat ad dyocesim suam de ista occidentali parte fluvii, qui vocatur Spraza ubi ipse exoritur et in aliam Sprazam cadit et ipse in Rapam fluit." [161]

 

 

154. Conversio 11,13, Ed. Wolfram 1979, S.52-55, 56/57.

 

155. Vgl. Eggers 1995, S.251 ff. mit weiterer Literatur.

 

156. Zur Lokalisierung der dort genannten Orte Koller 1960; Bogyay 1960; Posch 1961. Der Besitz an Höfen, auf dessen militärisch-logistische Bedeutung Bowlus 1986 und Stornier 1987 verweisen, ist deutlich zu trennen von den Diözesanrechten; Höfe verschiedener anderer bairischer Bistümer fan den sich häufiger auf Salzburger und Passauer Missionsgebiet im Osten.

 

157. Grundlegend Heuwieser 1939; s.a. Oswald 1961 ; wichtig zur Besitzgeschichte Stornier 1994.

 

158. Vgl. Dopsch 1986 b, S.9; s.a. Erkens 1994.

 

159. Zur Grenze s. Atlas zur Kirchengeschichte (1987), Karten 29 b, 46; Bayerischer Geschichtsatlas (1969) S.15; Großer Historischer Weltatlas, Bd. 2 (1970), Karte 61 b.

 

160. So Wagner 1953, S.8 ff.; Dittrich 1962, S.7 Anm.2; Bosl 1964, S.38; Lechner 1969, S.43 ff.; Huber 1972, S.17/18; Wolfram 1987, S.278.

 

161. MG DD Ludovici Germania, Ed. Kehr 1934, Nr.173 (S.244/245).

 

 

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Es wurde vermutet, daß diese Grenzregulierung mit der Neuordnung des "Ostlandes" und der Auflösung des awarischen "Vasallenkhaganates" zusammengehangen habe. [162]

 

Dagegen hat Gy. László die These formuliert, daß sich das Passau zugesprochene Gebiet mit jenem decke, das 805 von Karl dem Großen den Awaren unter ihrem "Kapkan" zugewiesen wurde, und zwar "inter Sabariam et Carnuntum". Dieses süddanubische Awarengebiet Passaus sei, soweit innerhalb der ungarischen Reichsgrenzen gelegen, wiederum identisch mit dem 1009 gegründeten Bistum Raab/Györ. [163] Nun war Passau auch für die häufig als "Avaria" bezeichneten Gebiete der "Ostmark" zwischen Enns und Wienerwald zuständig, in denen es seit 823 mehrere "in Avaria/Hunia"-Schenkungen zu verzeichnen hatte. [164] Das Diözesangebiet Passaus scheint hier also mit dem vielleicht nur geographisch-ethnischen, vielleicht aber auch verwaltungstechnischen Begriff der "Avaria" zusammenzufallen. Und wirklich reklamiert eine spätere Passauer Tradition die Bekehrung der "Avaria" (nicht im Sinne des Reiches vom 6. bis 8. Jhdt, sondern im verkleinerten Umfang des frühen 9. Jhdts.!) für Passau. [165] Für die "Avaria" zuständig waren wohl auch jene Passauer Chorbischöfe, die uns aus Urkunden namentlich bekannt sind; ihr Sitz, falls sie überhaupt über eine feste Residenz verfügten, ist unbekannt. [166]

 

Um die "Avaria" kann Passau jedoch nicht mit Method gerechtet haben, da dieses Gebiet um 870 noch keinesfalls zu dessen Diözese bzw. zum Machtbereich der ihm zugeordneten drei Slawenfürsten gehört hat. [167] Vielmehr ist anzunehmen, daß eben Moravia selbst der Zankapfel war, dessenthalben Bischof Ermanrich als Ankläger auftrat. Ansprüche des Bistums Passau auf Moravia sind sehr deutlich formuliert in einem - wegen seiner fragwürdigen Echtheit allerdings problematischen - Brief, den laut Adreßformular die bairischen Bischöfe an einen Papst Johannes (IX.?) schickten und der bisher meist auf das Jahr 900 datiert wurde:

"Sed venerunt... de latere vestro tres episcopi... in terrain Sclavoram, qui Maravi dicuntur, quae regibus nostris et populo nostro, nobis quoque cum habitatoribus suis subacta fuerat, tarn in cultu christianae religionis, quam in tributo substantiae saecularis, quia exinde primum imbuti et ex paganis christiani sunt facti. Et iccirco Pataviensis episcopus civitatis, in cuius diocesi sunt illius terre papuli,... illuc nullo obstante intravit et synodalem ... frequentavit et omnia, que agenda sunt, potenter agit, et nullus ei in faciem restitit." [168]

 

Diese hier erhobenen Ansprüche wären nur dann erklärbar, wenn Moravia wenigstens zeitweilig die Kirchenhoheit Passaus anerkannt hätte; deren Grundlage aber wäre wohl eine Bekehrung von Passau aus gewesen, und von einer solchen berichten drei verhältnismäßig späte Quellen Passauer Provenienz: Eine Handschrift der Historia episcoporum Pataviensium et ducum Bavariae aus dem 13. Jhdt. nennt den Passauer Bischof Reginhar (818-838) "apostolus Maravorum"; die etwas späteren Notae de episcopis Pataviensibus behaupten unter der Jahresrubrik 831, daß "Reginharius episcopus M(P)atavorum baptizat omnes Moravos";

 

 

162. So Wagner 1953, S.8 ff.; Patzelt 1964, S.255/256; Bóna 1966, S.313 ff.; Lechner 1969, S.42, 60; Dopsch 1981, S.175; Wolfram 1987, S.213, 278.

 

163. László 1975, S.142,149.

 

164. Zur "Avaria" Eggers 1995, S.47 ff.; s.a. Zöllner 1963, S.239; Lechner 1969, S.60/61; Erkens 1983, S.470 ff.

 

165. Vgl. die von Bischof Pilgrim gefälschte Bulle Eugens II., ed. bei Lehr 1909, S.31-34.

 

166. Zagiba 1966 vermutet ihn in Tulln.

 

167. Die "Avaria" östlich des Wienerwaldes gelangte frühestens 884 unter Sventopulks Herrschaft, s. Eggers 1995, S.267 ff.

 

168. Ed. in MMFH 3 (1969), S.233-235; zur Problematik dieses Briefes, entstanden durch die Untersuchungen von Boshof 1995, s. noch im folgenden.

 

 

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Ähnliches verzeichnen schließlich auch die von den Notae abhängigen Historiae des Bernhard von Kremsmünster. [169] Bereits der Herausgeber dieser Quellen, G. Waitz, in neuerer Zeit aber auch andere Forscher haben die Vermutung ausgesprochen, daß sich diese Notizen auf ältere Quellen, etwa auf verlorengegangene Passauer Annalen stützen könnten. [170]

 

Aus den obigen Darlegungen könnte man erschließen, warum Bischof Ermanrich von Passau derart heftig gegenüber Method auftrat; er hätte sich durch dessen Wirken in seinen Rechten geschmälert gesehen, wie begründet diese Ansicht nach dem Ius canonicum auch immer gewesen sein mag. [171] Wahrscheinlich herrschte bei Ermanrich ohnehin ein allgemeines Ressentiment gegen die von Rom ausgehende Slawenmission, welche bereits 867 seine eigenen Projekte in Bulgarien vereitelt hatte. [172] Zugleich zeigte dieses bulgarische "Abenteuer" Ermanrichs aber die nach Südosten gehende Stoßrichtung der Passauer Ambitionen im 9. Jhdt.

 

Alle bisher aufgeführten Quellen belegen zwar einen Anspruch Passaus auf Moravia, machen jedoch keine expliziten geographischen Angaben. In dieser Hinsicht erhält man genaueren Aufschluß erst aus einer Serie von Schriftstücken des späten 10. Jhdts., den Passauer oder Lorcher Fälschungen des Bischofs Pilgrim (971-991). [173]

 

Während Pilgrims Amtszeit stellte sich - wie bereits nach den Awarenkriegen - erneut das Problem einer Aufteilung des Karpatenbeckens in Missions- bzw. in spätere Diözesangebiete, da unter Großfürst Géza (972-997) die Bereitschaft der Ungarn zur Annahme des Christentums wuchs. [174] Daraus entwickelte sich eine Rivalität zwischen Pilgrim und seinem Onkel, dem Erzbischof Friedrich von Salzburg, die darin gipfelte, daß Pilgrim die Loslösung Passaus aus dem Salzburger Metropolitanverband und seine Erhebung zu einem selbständigen Erzbistum anstrebte. Außerdem betrieb er aber die Unterstellung eines Großteils der zu bekehrenden Ungarn unter diese neue Metropolie, ein Plan, der nach J. Oswald bereits im 9. Jhdt. dem Bischof Wiching in ähnlicher territorialer Form vorgeschwebt habe. [175]

 

Der Durchsetzung dieser Ziele sollte eine Reihe von gefälschten kaiserlichen und päpstlichen Urkunden dienen, die Pilgrim wohl Kaiser Otto III. und Papst Benedikt VI. als Beweisstücke vorzulegen gedachte. Von diesen interessieren im gegebenen Zusammenhang nur die angeblichen Papstbullen, alle von einer Hand gefälscht, die man mittlerweile als die des Bischofs selbst ansieht; dazu kommt ein Brief Pilgrims an den Papst, der jedoch nie abgeschickt wurde. [176]

 

Der erstmals von E. Dümmler nachgewiesene Fälschungscharakter dieser Urkunden hat nun den Großteil der Forschung bewogen, sämtliche darin enthaltenen Angaben in Bausch und Bogen zu verwerfen. Tatsächlich weisen die gefälschten Bullen einige chronologische Unstimmigkeiten auf, deren Entdeckung Pilgrim allerdings zu seiner Zeit nicht zu fürchten brauchte (und die denn auch erst 1854 erkannt wurden). [177]

 

 

169. Ed. von G. Waitz in MG SS XXV(1880), S.620, 623,655.

 

170. Waitz in MG SSXXV (1880), S.610 ff.; Dittrich 1962, S.62 ff.; Bulin 1968, S.181; Mühlberger 1980, S.45; Boba 1986, S.63; Havlík 1989, S.7; vgl. dazu auch Erkens 1994.

 

171. Passauer Rechte in Moravia werden in der tschechischen Literatur meist negiert, s. Vavřínek 1963; Ratkoš 1971; Kop 1971, S.187/188; Graus 1973 b, S.478; aber auch Bosl 1964, S.39; kritische Argumente dagegen bei Matzke 1966, S. 178/179; Mayer 1970, S.345 ff.; Erkens 1983, S.481.

 

172. Dazu Alexander 1941, S.287/288; Forke 1969, S.30/31; Mayer 1970, S.340; Löwe 1986, S.228.

 

173. Zur Person Pilgrims Oswald 1964; Leidl 1972; Stornier 1974; Erkens 1992.

 

174. Dazu Wagner 1953, S.5; Zibermayr 1956, S.378 ff.; Dopsch 1986 b, S.5 ff.; Boshof 1994, S.467 ff.

 

175. Oswald 1967, S.14; zu Wiching s.a. Marsina 1993 sowie unten Kap. 1.6.

 

176. Uhlirz 1882; Lehr 1909, S.17 ff.; Fichtenau 1964, 1971, S.125 ff.; Marsina 1985, S.230 ff.; Boshof 1995, S.37 ff. Eine Datierung der Fälschungen ins 12. Jhdt. erwägt Koller 1986, S.95.

 

177. Nämlich von Dümmler 1854, S.19 ff.

 

 

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Dagegen sind die bei Pilgrim anzutreffenden Vorstellungen von der politischen Geographie der Karolingerzeit durchaus schlüssig, wie gezeigt werden soll.

 

Es ist dabei der Hinweis von W. Lehr zu beachten, daß Pilgrim, einmal abgesehen von seinem kirchenrechtlich fragwürdigen Wunsch nach einer erzbischöflichen Stellung, nur eine "restitutio in integrum", eine Wiederherstellung alter Rechte anstrebte, besonders was die Abgrenzung seines zukünftigen Wirkungskreises in Ungarn betraf. [178] In diesem Bestreben aber hätten ihm plumpe und abwegige Übertreibungen nur geschadet, mußte Pilgrim doch damit rechnen, daß man im päpstlichen Archiv, wenn schon nicht über alle chronologischen Details, so doch über die historischen Diözesanrechte im Donauraum genauere Kenntnis erlangen konnte.

 

Außerdem verfügte Salzburg - das übrigens mit "Gegenfälschungen" reagierte [179] über handfeste Beweisstücke für seine Ansprüche auf die ehemaligen Missionsgebiete des 9. Jhdts. im Donauraum. Diese mußten Pilgrim noch aus jener Zeit bekannt sein, da er als enger Mitarbeiter seines Onkels in Salzburg gewirkt hatte. Es gehörte dazu nicht nur die Conversio, deren Kenntnis in Pilgrims Fälschungen deutlich durchscheint, sondern auch ein umfangreiches Urkundenmaterial.

 

Aus den Passauer Beständen kannte Pilgrim mit Sicherheit die (903 in Passau bezeugte) Vita Severini des Eugippius; daneben kann angenommen werden, daß er einstmals vorhandene, aber beim Brand Passaus 976 verlorene Dokumente seines eigenen Archivs zumindest teilweise "wiederherstellte" oder in seine Fälschungen integrierte. [180] Mit anderen Worten: In den "Fälschungen" Pilgrims muß ein guter Teil authentischer Informationen aus der Karolingerzeit angenommen werden, der im folgenden heraus gefiltert werden soll. [181]

 

Nach einer Bulle des Papstes Symmachus (498-514), die keine hier verwertbaren Informationen liefert, folgt chronologisch an zweiter Stelle im Reigen der Fälschungen eine angeblich von Papst Eugen II. (824-827) stammende Bulle, [182] adressiert

"Rathfredo sanctae Favianensis ecclesiae et Methodio ecclesiae Speculi luliensis, quae et Ouguturensis nuncupatur, atque Alchuino sanctae Nitrauensis ecclesiae parique modo Annoni sanctae Vetuarensis ecclesiae episcopis, simul et Tutundo necnon Moimaro ducibus et optimatibus exercitibusque plebis Huniae quae et Avaria dicitur atque Maraviae."

Freudig habe er, der Papst, vernommen, "Tutun" und "Moimar" samt ihren Völkern hätten sich zum Christentum bekehrt; diese Nachricht habe ihm Urolf, der "sanctae Lauriacensis archiepiscopus", überbracht. (Ein Passauer Bischof Urolf ist 805/06 belegt.) Weil ihre Bekehrung auf die Predigt Urolfs zurückgehe, aber auch, weil in ihren Ländern "Romanorum quoque Gepidarum etate" sieben Bistümer bestanden hätten, denen die Vorgänger Urolfs als Metropoliten vorgestanden hätten, so setze er Urolf wieder in deren Rechte ein; im Wortlaut: "eum rectorem transmisimus atque in prefatis regionibus Huniae quae et Avaria appellatur, sed et Maraviae provintiarum quoque Pannoniae sive Mesiae."

 

Es ist evident, daß die Bischöfe der Bulle in völlig anachronistischer Weise zusammengewürfelt sind. Interessant ist hingegen die Nennung eines "Tudun", also eines awarischen Teilfürsten, der wahrscheinlich in Westungarn residierte und in fränkischen Quellen um 800 erscheint. [183]

 

 

178. Lehr 1909, S.29; s.a. Fichtenau 1964, S.86; 1971, S.124.

 

179. Vgl. Lehr 1909, S.27; Wagner 1953, S.11 ff.; Zibermayr 1956, S.386/387; Fichtenau 1971, S.122 ff.; Dopsch 1981, S.210; Boshof 1994, S.470/471; 1995, S.45/46.

 

180. So Wagner 1953, S.7; Lhotsky 1963, S.167 ff.; Fichtenau 1964; Dittrich 1962, S.62 ff.; Erkens 1994.

 

181. Nicht näher untersucht wird die Idee einer Translation der Rechte Sirmiums über Lorch auf Passau, die Grundlage für die beabsichtigte Statuserhöhung Passaus war, vgl. Zibermayr 1956; Erkens 1986, 1994.

 

182. Ed. bei Lehr 1909, S.31-34.

 

183. Vgl. Eggers 1995, S.41 ff.

 

 

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Pilgrim konnte ihn aus eben diesen Quellen kennen, vielleicht aber auch aus verlorenen Passauer Dokumenten, die einen "Tudun" in der "Avaria" noch zu einem späteren Zeitpunkt kannten. "Moimar" ist der aus anderen Quellen bekannte erste Herrscher Moravias, Moimir I., in der Conversio für die dreißiger Jahre des 9. Jhdts., ansonsten im Jahr 846 bezeugt, als er von seinem Neffen Rastislav abgelöst wurde. [184] Es ist durchaus möglich, daß er bereits um 824/27 (nimmt man Eugen II. als chronologische Basis) oder sogar schon 805/06 (zur Zeit Urolfs) regierte. Auch scheint es glaubhaft, daß unter ihm die Christianisierung Moravias begann und daß sie durch Passauer Bischöfe erfolgte. [185]

 

Besonders aufschlußreich ist aber die Nennung von "Hunia/Avaria" und "Maravia" im Zusammenhang mit "Pannonien" und "Moesien". I. Boba wollte dem Text entnehmen, daß Pilgrim Moravia in jenen Teil Pannoniens versetzen wollte, der nicht der Salzburger Jurisdiktion unterstand, also in die "Pannonia Sirmiensis" südlich der Drau. [186] Aus seiner Kenntnis des Salzburger Diözesanarchivs, vor allem der Conversio, mußte Pilgrim jedoch wissen, daß im 9. Jhdt. (also in der für die gefälschte Bulle angesetzten Zeit) Aquileia in Pannonien südlich der Drau zuständig war, "Pannonien" in seinem römerzeitlichen Umfang also gewissermaßen schon vergeben war. Nach allem, was über die Weiterverwendung römischer Provinzialnamen im Früh- und Hochmittelalter plausibel gemacht werden konnte, ist auch keineswegs mehr zwingend anzunehmen, daß Pilgrim "Pannonien" wirklich in seinem antiken Umfang meinte. Vielmehr wendete er den Begriff offensichtlich auf das gesamte ungarische Reichsgebiet seiner eigenen Zeit an, wobei er Passaus Anspruch auf dessen linksdanubischen Teil bezog (vgl. Karte 4).

 

Die hier vorgebrachte Vermutung wird zur Gewißheit bei der Betrachtung einer weiteren von Pilgrim gefälschten Bulle, diesmal Papst Agapet II. (946-955) zugeschrieben. [187] Sie soll einen Streit zwischen Pilgrims Vorgänger Gerhard und Erzbischof Herold von Salzburg um die territoriale Abgrenzung in "Pannonien" entschieden haben und besagt:

"... estimamus, ut divisis duabus Noricae regionis provinciis Heraldo archiepiscopo occidentalis Pannoniae cura comittatur et custodia, tibi (i.e. Gerhard) autem ... orientalis Pannoniae regionemque Avarorum atque Marahorum sed et Sclavorum, qui modo christiani vel adhuc per baptisma Christo lucrandi sunt, circamque manentium...".

Würde sich aber Erzbischof Herold mit dieser Entscheidung nicht zufriedengeben, dann solle gelten:

"... secundum ius pristinum superior Pannonia continuetur inferiori atque tuae tuorumque successorum ambae perpetualiter subiaceant ditioni."

Daraus geht deutlich hervor, daß Pilgrim - wohl aus der Conversio, vielleicht auch aus weiteren Akten - genau um die Rechte Salzburgs in der "Pannonia inferior" wußte, welches er auch als "westliches Pannonien" bezeichnete. Dem stellt er ein "oberes", "östliches", also linksdanubisches "Pannonien" entgegen, das zusammen mit "Moesien" als geographischer Begriff mit Moravia sowie dem Awarenland identisch wäre.

 

Wie an anderer Stelle gezeigt, bezeichnete man zu Beginn des 9. Jhdts. mit "Avaria" oder "Hunia" die Länder entlang der Donau, zwischen der Einmündung der Enns im Westen und jener der Raab im Osten.188 Die Anführung der "Avaria" sollte also Pilgrims Anspruch auf die seit kurzer Zeit wieder den Ungarn entrissene "Pufferzone" zwischen Enns und Wienerwald begründen,

 

 

184. Conversio 10, Ed. Wolfram 1979, S.50/51; Ann. Fuld. ad a. 846, Ed. Kurze 1891, S.36

 

185. Im Jahre 901 ging neben einem weltlichen Gesandten, dem Grafen Udalrich, gerade der Passauer Bischof Richar nach Moravia, s. Ann. Fuld. Contin. Altah. ad a. 901, Ed. Kurze 1891, S. 135.

 

186. Boba 1971,8.10/11, 97 ff; 1986, S.65 ff.

 

187. Ed. bei Lehr 1909, S.40-43.

 

188. Eggers 1995, S.47 ff.

 

 

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die 976 erneut als "Ostmark" konstituiert worden war; dazu käme auf dem nach 976 weiterhin ungarischem Gebiet der Bereich bis zur Raab.

 

Für Pilgrims "Maravia" aber kommt auf keinen Fall das heutige Mähren in Frage, das zu keiner Zeit als Teil "Pannoniens" bezeichnet wurde. [189] Auch gehörte Mähren damals ja nicht zum ungarischen, sondern zum bereits kirchlich organisierten böhmischen Bereich und unterstand dem Erzbistum Mainz, so daß Passau hier keine Ansprüche mehr anmelden konnte. [190] Zu Recht weist Boba darauf hin, daß Pilgrim denn auch keinerlei Auseinandersetzungen mit dem damaligen Mainzer Erzbischof Willigis führte, wie sie sonst zu erwarten wären. [191] Es verbleibt für "Maravia" also nur der links der Donau liegende Teil des Ungarischen Reiches, den Pilgrim offensichtlich ebenfalls als "Pannonien" bezeichnete und der wirklich hauptsächlich im Osten des einstmals salzburgischen "Unterpannonien" lag. Darauf deutet schließlich auch die Erwähnung der Gepiden bei der Beschreibung der früheren Kirchenorganisation in "Maravia", nicht etwa der in Mähren zu erwartenden Markomannen, Rugier oder Langobarden!

 

Dagegen mag die Erwähnung von "Mesia" [192] ebenso wie von "umwohnenden Slawen", die noch zu christianiseren seien, weitergehende Pläne Pilgrims bei den südöstlichen Nachbarn der Ungarn andeuten, sei es - in Analogie zum 9. Jhdt. - bei den Bulgaren, sei es bei anderen Südslawen.

 

Die in den beiden bisher erwähnten Papstbullen zu beobachtende geographische Terminologie verwendete Pilgrim konsequent weiter in einem Brief, den er an einen Papst Benedikt (VI. oder VII.) adressierte und in welchem er die Argumentation der insgesamt fünf gefälschten Bullen wiederholte. [193] Bemerkenswert ist dabei jener Abschnitt, in welchem er nochmals darauf hinweist, daß

"Romanorum Gepidarumque tempore proprios septem antistites eadem orientalis Pannonia habuit et Mesia meae sanctae Lauriacensi... ecclesiae subiectos, quorum etiam quattuor, usque dum Ungri regnum Bauuariorum invaserunt, sicut presenti cognitum est etati, in Maravia manserunt."

Hier taucht also wiederum die bekannte Gleichsetzung von "Maravia" mit dem östlichen "Pannonien" und "Moesien" auf, ebenso die signifikante Erwähnung der Gepiden. Neu hinzugekommen ist die Information über vier Bistümer in Moravia vor der Ungarninvasion, vielleicht dem Brief der bairischen Bischöfe an Johannes IX. vom Jahre 900 entnommen. [194]

 

Der bisherige Gebrauch von "oberem" und "unterem Pannonien" scheint allerdings etwas durcheinandergeraten in jener angeblichen Bulle Benedikts VII. (974-983), mit welcher Pilgrim seinen Fälschungen sozusagen die Krone aufsetzte, indem ihm darin alle seine Wünsche bestätigt wurden; [195] hier heißt es nunmehr;

"... diffinimus ita quoque, ut sanctae Salzburgensis ecclesia superioris Pannoniae episcopos habeat suffraganeos, quibus usque huc sui pontifices preesse videbantur, cum tanta talique diocesi, quali hac-tenus in inferiori usi sunt Pannonia. Sancta autem Lauriacensis ecclesia in inferioris Pannoniae atque Mesiae regiones, quarum provintiae sunt Avaria atque Maravia (!) ... habeant potestatem cum tanta talique diocesi, quali hactenus in superiori usi sunt Pannonia."

 

Es ist nicht ganz deutlich, welche Regelung Pilgrim hier Papst Benedikt VII. in den Mund legen wollte; doch erscheint wieder der Hinweis auf alte Rechte Salzburgs im "unteren", Passaus (bzw. seines angeblichen Rechtsvorgängers Lorch) im "oberen Pannonien".

 

 

189. Es gehörte eindeutig zur "Germania", s. Tacitus, Germania, Ed. Koestermann 1964, H/2, S.6, 28/29.

 

190. Vgl. Eggers 1995, S.360.

 

191. Boba 1971, S.100/101; 1986, S.66/67; 1991, S.130 ff.

 

192. Dazu Havlík 1972; Boba 1987; s.a. Lehr 1909, S.29; Zöllner 1963, S.231. Die "Moesia I" war 427 verwaltungstechnisch mit der "Pannonia II" zusammengelegt worden, s. Boba 1991, S.129.

 

193. Ed. bei Lehr 1909, S.43-47.

 

194. Dazu Boshof 1995, S.52.

 

195. Ed. bei Lehr 1909, S.48-51.

 

 

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Offenbar sollte zwischen beiden eine Art Gebietsaustausch stattfinden. In Widerspruch zu seinen bisherigen Aussagen behauptet Pilgrim aber dieses Mal, daß "Avaria" und "Maravia" Provinzen von "Unterpannonien" und "Moesien" seien; hier muß wohl ein Lapsus Pilgrims angenommen werden - wahrscheinlich verwirrte ihn doch zuletzt die nicht gerade konsequente Verwendung von "Ober-" und "Unterpannonien" in seinen karolingerzeitlichen Vorlagen. Mit dieser einen Ausnahme ist aber Pilgrims historisch-geographische Terminologie keineswegs konfus, wie bisweilen behauptet wurde, [196] sondern in sich schlüssig. (Vgl. Karte 4)

 

 

1.2.3. Das Bistum Freising und seine Slawenmission

 

Unter dem bisher betrachteten territorialen Aspekt, der die einschlägigen Interessen Salzburgs und Passaus klar hervortreten ließ, wirkt das beträchtliche Engagement des Freisinger Bischofs Anno (854-875) in der "causa Methodii" erstaunlich. Es brachte ihm einen scharfen Tadel durch Papst Johannes VIII. ein, auch deswegen, weil Anno die Appellation Methods an den Papst unterdrückt hatte. [197] Zu seiner Rolle im Verfahren gegen Method mag Anno als "Verwalter der Patrimonien und ... in gewisser Weise Stellvertreter des Papstes" in Baiern prädestiniert gewesen sein; auch hat man erwogen, ob nicht durch seinen Einsatz der Anschein der Uberparteilichkeit erweckt werden sollte, da ja das Freisinger Bistum durch das Wirken Methods nicht direkt betroffen gewesen sei. [198]

 

Doch hat in letzter Zeit W. Störmer auf eine Involvierung Freisings im allgemeinen und Annos im besonderen in die kirchlichen Angelegenheiten des "Ostlandes" hingewiesen. Denn der Freisinger Bischof Anno ist wohl mit dem gleichnamigen, 833/36 erwähnten Passauer Chorbischof identisch, der damals Landschenkungen im "Awarenland" erhielt. [199] Anno war also nicht nur durch sein ehemaliges Amt mit dem "Ostland" vertraut, sondern auch persönlich dort begütert. Ebenso war aber auch das Bistum Freising stärker an der Slawenmission beteiligt, als man es bei seiner innerbairischen "Binnenlage" annehmen sollte. Eine wichtige Rolle spielte vor allem das Kloster Innichen, das sich nach einem von 788 bis 816 dauernden Salzburger Intermezzo wieder in Freisinger Hand befand; seine Ausstrahlung in den östlich angrenzenden slawischen Bereich wird bereits im frühen 9. Jhdt. faßbar. [200] Allerdings erstreckte sich die Missionstätigkeit Innichens, wie auch die des Bistums Freising selbst, soweit erkennbar nur auf Karantanien, das ja nicht zum Wirkungsbereich Methods zählte. Dagegen ist Besitz Freisings, außer in Karantanien und in der karolingischen "Ostmark", auch in den von Method "usurpierten" Gebieten nachzuweisen, nämlich am Plattensee. 861 hatte dort Fürst Kocel Besitz "prope Pilozsuue in villa quae dicitur Uuampaldi", in direkter Nachbarschaft seiner Residenz Mosaburg, an Freising tradiert. Dazu kamen noch zwei Schenkungen Kocels im Raum von Pitten aus den Jahren 869/70. [201]

 

 

196. So z.B. von Wagner 1953, S.8; Kadlec 1968, S.112.

 

197. Vgl. MG Epp. VII, Ed. Kehr 1928, Fragmenta Registri Johannis VIII papae, Nr.23 (S.286).

 

198. Maß 1969, S.124, 133.

 

199. MG DD Ludovici Germanici, Ed. Kehr 1934, Nr.9, 18 (S.11, 21/22); dazu Maß 1969, S.15; Störmer 1986, S.208.

 

200. Moro 1967; Grabmayer 1990; s.a. Dopsch 1976, S.41; Kahl 1980, S.53 ff.; Störmer 1986, S.212 ff.

 

201. Trad. Freising, l, Ed. Bitterauf 1905, Nr.887, 898, 899 (S.696, 702/703); dazu Störmer 1986, S.217; Bowlus 1986, S.84.

 

 

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Somit war das Bistum Freising, auch in der Person seines Bischofs Anno, zumindest besitzmäßig direkt an einer Aufrechterhaltung des "Status quo" interessiert. Zudem war der Freisinger Bischof offenbar gerade wegen seines weitverstreuten Besitzes für den Transport Methods über die Alpen zur Reichenau "logistisch" verantwortlich gewesen. [202] Vielleicht fürchtete man in Freising aber auch ein Übergreifen der von Method vertretenen "panslawischen" Kirchenidee auf das karantanische Missionsgebiet, hatten sich doch die Karantanen bei dem Slawenaufstand des Liudewit (819-822) als unsichere Kantonisten erwiesen.

 

Neben den drei bairischen Bistümern, deren Amtsinhaber beim Vorgehen gegen Method aktiv wurden, soll hier noch ein weiteres betrachtet werden, das angeblich ebenfalls in Methods Amtsbereich Ansprüche hätte erheben können, das jedoch zu keinem Zeitpunkt einen Rechtsstreit mit ihm führte.

 

 

1.2.4. Das Bistum Regensburg und sein böhmisches Missionsgebiet

 

Dem Bistum Regensburg [203] wurde zwar, ebenso wie den im bairischen "Binnenland" gelegenen Bistümern Freising und Augsburg, kein Anteil an der Missionierung des ehemaligen Awarenreiches gegeben. Wohl aber erhielt es mit der Zeit Besitzungen im "Ostland", vor allem entlang der Donau zwischen Enns und Wienerwald, in Form von Schenkungen aus den Jahren zwischen 808 und 859. [204] Auch in Pannonien hatte Regensburg 860 von Kocel Landbesitz erhalten. 883 tauschte Bischof Ambricho mit dem Abt Hitto von Mondsee Güter "in oriente iuxta fluvium qui vocatur Raba", etwa um dieselbe Zeit auch Güter am Plattensee mit dem Diakon Gundbad. [205] Kein Regensburger Besitz ist dagegen im Missionsraum des Bistums, nämlich in Böhmen, nachweisbar.

 

Ein Teil der Forschung nimmt an, daß Böhmen nach seiner Unterwerfung durch Karl den Großen sozusagen "formlos" der Regensburger Diözese zur Mission angewiesen wurde, welche besonders unter Bischof Baturich (817-847) an Gewicht gewann. [206] Nach P. Váczy und Karl Bosl sei die zum Jahre 845 berichtete Taufe von 14 böhmischen Stammesfürsten ("duces") gerade in Regensburg kein Zufall, sondern die logische Konsequenz der Zuständigkeit Baturichs für Böhmen; sie sind sogar noch weiter gegangen und haben auch für Mähren (das sie allerdings mit dem "Großmährischen Reich" identifizieren) eine Regensburger Missionstätigkeit postuliert. Als Belege führen sie teils den Regensburger Besitz in dem an Mähren angrenzenden "Ostland" an, teils das Emmeramspatrozinium der späteren Bischofskirche in Nitra. [207]

 

Doch wurde dem zu Recht entgegengehalten, daß Besitzrechte in einem bestimmten Gebiet und dessen Diözesanzugehörigkeit ebenso auseinandergehalten werden müssen wie die "offizielle" Mission Regensburgs in Böhmen und eine eventuelle anderweitige Tätigkeit des Klosters St. Emmeram. [208]

 

 

202. Vgl. Bowlus 1995, S.170/171.

 

203. Zur Rolle Regensburgs im 9. Jhdt. vgl. Bosl 1966; Staber 1976.

 

204. Trad. Regensburg, Ed. Widemann 1943, Nr. 10, 27, 29 (S.8, 33/34, 36); MG DD Ludovici Germania, Ed. Kehr 1934, Nr.8, 64, 96 (S.9/10, 87-89, 138/139).

 

205. Trad. Regensburg, Ed. Widemann 1943, Nr.37, 102 (S.42, 91); MG DD Karoli III, Ed. Kehr 1937, Nr. 75 (S.122/123).

 

206. Graus 1969, S.7/8; Herrmann 1972, S. 17.

 

207. Belegt in der Legenda SS. Zoerardi et Benedicti, Ed. Madzsar 1938, S.359; dazu Váczy 1942, S. 14; Bosl 1958, S.44 ff.; später, um 874 bis 892, soll Nitra aber unter Passau gestanden haben, das Kloster St. Hippolyt auf dem nahen Berg Zobor verweise auf St. Polten.

 

208. Matzke 1966, S.178/179.

 

 

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Zudem stellt das Emmeramspatrozinium in Nitra, zuerst 1083 belegt, ein Problem für sich dar; sein Ursprung ist zeitlich nicht näher fixierbar und läßt verschiedene Deutungen zu. [209]

 

In Böhmen selbst wie auch in Mähren sind dagegen erstaunlicherweise keine Emmeramspatrozinien bekannt; doch mißt F. Graus dem wenig Gewicht zu. In Mähren ist eine Tätigkeit Regensburgs im 9. Jhdt. nicht zu dokumentieren, sondern höchstens aus einer Zugehörigkeit zu Böhmen schon zu dieser Zeit rückzuschließen. [210]

 

Aber auch für Böhmen selbst mehren sich die stringenten Beweise erst, nachdem das Land nach einer Phase der Oberhoheit Moravias 895 unter die ostfränkische Herrschaft zurückgeführt wurde, also nach der Wirkungszeit Methods. So wurde etwa Bischof Tuto (894-930) vom Böhmenfürst Wenzel um die Erlaubnis angegangen, die Veitskirche in Prag weinen lassen zu dürfen. [211] Auch durch die 1. altslawische Wenzelslegende (die von einer besonderen Verehrung Wenzels für den hl. Emmeram zu berichten weiß), durch die Legende Crescente fide und durch die Wenzelslegende des Gumpold von Mantua ist in diesem Zeitraum ein entscheidender Einfluß Regensburgs auf Böhmen gesichert. [212]

 

Dieser schwächte sich seit etwa 929 mit der Ablösung der bairischen durch eine sächsische Suprematie in Böhmen ab und endete definitiv mit der Gründung des Prager Bistums und seiner Unterstellung unter das Erzbistum Mainz 976. [213] Als Zeugnisse dieser Regensburger Mission in Böhmen haben sich etliche literarische Hinterlassenschaften erhalten; slawische Sprachkenntnisse lassen sich schon für die Zeit des Bischofs Baturich aus dem Handschriftenbestand der Abtei St. Emmeram erschließen. [214] Angesichts des damit sichtbar werdenden Engagements scheint eine Verknüpfung schon der ersten Anfänge des Christentums in Böhmen mit dem Bistum Regensburg glaubwürdig, auch wenn einschlägige Quellenzeugnisse fehlen.

 

 

1.2.5. Der Ausgang des Konflikts

 

Methods Gefangenschaft dauerte immerhin zweieinhalb Jahre, bis Papst Johannes VIII. eingriff; erst im Frühjahr 873 erging in dieser Sache eine Reihe von Briefen an die bairischen Bischöfe. [215] Aus dem Schreiben an Anno von Freising wird der Grund für diese lange Verzögerung deutlich: Anno hatte jeden Versuch einer Appellation Methods an Rom verhindert; außerdem war es offenbar lange Zeit gelungen, den Aufenthaltsort Methods geheimzuhalten. Wegen dieser wie anderer Vergehen klagte der Papst die bairischen Bischöfe schwer an. Er suspendierte Adalwin und Ermanrich für ebenso lange Zeit von ihren Ämtern, wie sie Method an der Ausübung des seinen gehindert hätten; zudem forderte er von Erzbischof Adalwin die Wiedereinsetzung Methods. Nach Ablauf der Suspendierungsfrist (also Ende 875) sollten beide Parteien in Rom erscheinen, um sich zu rechtfertigen.

 

 

209. Nach Prinz 1981, S.445 mit Anm. 26 ist das Emmeramspatrozinium in Nitra alt. Staber 1972, S.12 bringt es mit einer angeblichen Kirchenweihe durch Erzbischof Adalram von Salzburg um 830 in Verbindung, doch wäre dann eher ein Salzburger Patron zu erwarten!

 

210. Überlegungen zu dieser Frage bei Eggers 1995, S.356 ff.

 

211. Herrmann 1972; s.a. Kadlec 1967, S.33, 37; Graus 1967, S.17 ff.; Staber 1972, S.33.

 

212. Dazu Staber 1972, S.12, 29/30; Herrmann 1972, S.24/25.

 

213. Vgl. Hilsch 1972.

 

214. Bosl 1958, S.57 ff.; 1964, S.31 ff.: 1974, S.271; Büttner 1965; Kadlec 1967, S.33, 37 ff.

 

215. MG Epp. VII, Ed. Kehr 1928, Fragmenta Johannis VIII papae, Nr.20-23 (S.283-287).

 

 

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Dazu kam es jedoch nie, weil die drei wichtigsten Protagonisten auf bairischer Seite, Adalwin, Ermanrich und Anno, zwischen 873 und 875 verstarben.

 

Wenn also auch ein regelrechter Prozeß in Rom nicht stattfand, so sind doch die Argumente der verschiedenen Parteien bekannt: Diejenigen Salzburgs aus der Conversio, diejenigen Methods aus seiner Vita, die des Papstes aus den erhaltenen Briefen. Besonders aufschlußreich ist in dieser Hinsicht die Instruktion Johannes VIII. an seinen Legaten Paul von Ancona; er sollte Ludwig den Deutschen darüber belehren, daß nicht nur Pannonien, sondern ganz Illyrien seit jeher der direkten Verfügungsgewalt Roms unterstanden hatte:

"Ipse nosti, o gloriosissime rex, quod Pannonica diocesis apostolice sedi sit subiecta, licet bellica clades eam ad tempus ab illa subtraxerit et gladius ad horam hostilis subduxerit. ... Nam non solum intra Italiam ac ceteras Hesperies provincias, verum etiam intra totius Illyrici fines consecrationes, ordinationes et dispositiones apostolica sedes patrare antiquitus consuevit, sicut nonnulla regesta et conscriptiones ... demonstrant." [216]

In einem Brief an Ludwigs Sohn Karlmann, den damaligen Präfekten des "Ostlandes", wird hingegen nicht der päpstliche Anspruch auf ganz Illyrien hervorgehoben, sondern die Restitution Methods im "pannonischen" Bistum gefordert:

"Itaque reddito ac restituto nobis Pannoniensium epicopatu liceat predicto fratri nostro Methodio, qui illic a sede apostolica ordinatus est, secundum pristinam consuetudinem libère, que sunt episcopi, gerere." [217]

 

I. Boba zieht aus diesen Worten den Schluß, daß das angesprochene Gebiet nur auf einstmals römischem Reichsboden gelegen haben könne, da nur hier der Heilige Stuhl Rechtsansprüche hätte erheben können. [218] Aber muß dies wirklich für das gesamte strittige Territorium gelten? Man hat wohl vielmehr nach den bisher erarbeiteten Erkenntnissen davon auszugehen, daß dies nur für die Herrschaften Kocels und Sventopulks zutraf, nicht aber für Rastislavs Moravia.

 

Trotz der eindeutigen Worte Johannes VIII. scheint es letztlich zu einem Kompromiß gekommen zu sein, der den politischen Gegebenheiten Rechnung trug. Method mußte offenbar einen Teil seines Amtsgebietes wieder abgeben, nämlich das von Salzburg beanspruchte "Dukat" des Kocel. Zwar wurde bisweilen angenommen, daß Method auch in diesem Gebiet 873 wieder seine Autorität aufgerichtet hätte, und zwar deswegen, weil er noch bis 879 als "Erzbischof von Pannonien" tituliert wurde, andererseits der Begriff "Pannonien" - vermeintlich - nur auf das Fürstentum am Plattensee anzuwenden sei.

 

Doch interpretiert man seit geraumer Zeit die Berichte einiger Annalen dahingehend, daß der Nachfolger Adalwins, Erzbischof Theotmar von Salzburg, schon 874 wieder eine Kirche in Kocels "Dukat" geweiht habe, und zwar in Pettau/Ptuj. Mithin sei also das in der Conversio von Salzburg beanspruchte pannonische Gebiet 873 an dieses zurückgefallen. [219] (Vgl. Karte 5)

 

Doch auch eine im 12./13. Jhdt. entstandene, verkürzende Zusammenfassung der Conversio mit eigenen Hinzufügungen, das Excerptum de Karentanis, stützt diese Auffassung:

"Post hunc interiectio aliquo tempore supervenit quidam Sclavus ab Hystrie et Dalmatie partibus nomine Methodius, qui ... fugatus a Karentanis partibus intravit Mo-raviam ibique quiescit." [220]

Nach der Vertreibung aus dem hier zu Karantanien gerechneten Fürstentum Kocels wäre Method also endgültig nach Moravia übersiedelt und dort auch begraben.

 

 

216. MG Epp. VII, Ed. Kehr 1928, Fragmenta Johannis VIII papae, Nr.21 (S.284).

 

217. MG Epp. VII, Ed. Kehr 1928, Fragmenta Johannis VIII papae, Nr.16 (S.281).

 

218. Boba 1971, S.88/89; 1986, S.62/63.

 

219. Auctarium Garstense ad a. 874, Ed. Wattenbach 1851, S.565; Ann. s. Rudberti ad a. 874, Ed. Wattenbach 1851, S.770; Ann. Iuvav. max. ad a. 874, Ed. Bresslau 1934, S.742; dazu Wolfram 1979, S.144; Löwe 1983, S.665 ff.; Dopsch 1986, S.333/334; Schubert 1988, S.298; s.a. Eggers 1995, S.254/255.

 

220. Excerptum de Karentanis, Ed. Wolfram 1979, S.58.

 

 

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Die Ausgrenzung Moravias aus dem Jurisdiktionsbereich der bairischen Kirche und seine definitive Zuweisung an Method wurde nach Ansicht von H. Löwe noch bekräftigt durch eine Bestimmung des Friedens von Forchheim (874), welche Sventopulk in seinen Ländern gegen Treupflicht und Tribut "in Ruhe zu wirken und friedlich zu leben" gestattete, was auch auf kirchliche Fragen zu beziehen sei. [221] Angesichts der Tatsache, daß die Anführung Pannoniens in der Titulatur Methods 873 nicht aufgegeben, sondern bis 879 beibehalten wurde, überrascht jedoch Löwes Schlußfolgerung, daß Methods Wirkungsmöglichkeiten im Süden und Südosten seiner ursprünglichen Diözese fortan sehr beschränkt gewesen seien. [222] Ganz im Gegenteil, die Aktivitäten Methods in dieser Richtung verstärkten sich gerade nach 873! (Vgl. Karte 6)

 

 

1.3. METHOD UND DIE "SLAVONIA" SÜDLICH DER DRAU/DONAU

 

Theoretisch hätte Method unter Berufung auf die einstigen Rechte Sirmiums in der Präfektur "Illyricum", wie sie etwa Papst Johannes VIII. in seinem Brief an Ludwig den Deutschen für Rom in Anspruch genommen hatte, den Gesamtbereich dieser spätantiken Verwaltungseinheit für sich reklamieren können. Allerdings scheint das antike "Noricum" von ihm nie ernstlich beansprucht worden zu sein, da es seit dem 8. Jhdt. gewissermaßen nach Gewohnheitsrecht der bairischen Kirchenhierarchie unterstand; mit dem Kompromiß von 873 galt das offenbar auch für den nördlichen, salzburgischen Anteil an "Pannonien".

 

Der Ostteil des "Illyricum", zu einem guten Teil byzantinisches Reichsgebiet, war dem Patriarchat von Konstantinopel zugeordnet. Hier konnte und wollte Method ebensowenig Ambitionen entwickeln wie im Bulgarenreich; dort wäre er nicht nur mit der von Byzanz seit 864 eingerichteten Hierarchie kollidiert, auch Rom verfolgte dort, wie schon dargelegt, eigene Pläne. Es verblieben Method also, wollte er sich weiterhin auf das Erbe Sirmiums und des Illyricum berufen, auf dem ehemals römischem Reichsboden nur Pannonien südlich der Dräu sowie Dalmatien, also in etwa das heutige serbokroatische Sprachgebiet; inwieweit Method in den drei größeren, dort gelegenen Herrschaftsbildungen aktiv wurde, soll im folgenden untersucht werden.

 

 

221. Ann. Fuld. ad a. 874, Ed. Kurze 1891, S.83; dazu Löwe 1986, S.237/238.

 

222. So Löwe 1983, S.666.

 

 

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1.3.1. Method, das bosnisch-slawonische "regnum" und das Patriarchat von Aquileia

 

Lokalisiert man, wie es der Verfasser an anderer Stelle unternommen hat, das ursprüngliche Herrschaftsgebiet Sventopulks vor 870 (also vor seiner Machtübernahme in Moravia) im Raume von Bosnien und Slawonien, [223] so müssen auch diese Länder zum Missions- bzw. ab 869/70 zum Jurisdiktionsbereich Methods gehört haben. Direkte Bezugnahmen der fränkischen Quellen auf das "regnum" des Sventopulk sind allerdings spärlich, was daher rühren mag, daß es vor 869 kaum mit dem ostfrankischen Reich in Kontakt kam, nach 871 aber unter diesem Herrscher mit dem "prestigeträchtigeren" Moravia zusammen ge faßt wurde und in den Quellen, vor allem denen fränkischer Provenienz, unter dessen Namen mit einbezogen wurde. [224] Es gibt nur drei direkte Hinweise, die einen Bezug zur kyrillomethodianischen Mission hersteilen.

 

Zum einen berichtet eine Quelle des 12. Jhdts., der sogenannte "Presbyter Diocleas" [225], daß Konstantin/Kyrill - der hier stellvertretend auch für seinen Bruder Method steht - im "regnum" Sventopulks missionarisch tätig wurde. Er sei zur Regierungszeit ebendieses Slawenherrschers von einem Papst "Stephan" nach Rom berufen worden und habe auf der Reise von seiner Heimatstadt Thessalonike zum Heiligen Stuhl dessen Reich durchquert. Von Sventopulk sei Konstantin freundlich aufgenommen worden und habe diesen schließlich "cum omni regno suo" getauft. [226] Dieser Vorgang kann mit einer von Mosaburg am Plattensee ausgehenden, in der Konstantinsvita bezeugten Romreise Kyrills und Methods im Jahre 867 in Verbindung gebracht werden. [227]

 

Auch weiß der "Presbyter Diocleas" von einem "Uber Sclavorum, qui dicitur Methodius" zu berichten; es sei auf dem Reichstag, den Sventopulk 885 "in planitie DaJmae" abhiell, zu gesetzgeberischen Zwecken herangezogen worden. [228] Unter diesem "über Sclavorum" hat man die von Methodius vorgenommene Übersetzung eines byzantinischen Gesetzbuches, des Nomokarton, ins Slawische zu verstehen, die also 885 im bosnischen Reich Sventopulks bekannt und in Gebrauch war. [229] Schließlich berief sich im Jahre 1193 der bosnische Bischof Radogost, der nur der "slawischen", nicht aber der lateinischen Sprache mächtig war, gegenüber dem Erzbischof von Ragusa/Dubrovnik auf ein altes Privileg, durch welches Papst Johannes VIII. im Jahre 880 die slawische Kirchensprache in seinem, Radogosts, Amtsgebiet zugeiassen habe. [230] Dabei kann es sich aber nur um den an Sventopulk gerichteten Brief des Papstes Johannes VIII. vom Juni 880 gehandelt haben, welcher m Sventopulks Reich und somit in Methods Erzdiözese die slawische Liturgie erlaubte.

 

 

223. Eggers 1995, S.181 ff.; ähnlich bereits Boba 1971, S. 17/18, 47/48. 105 ff.

 

224. Eggers 1995, S.212, Konstantinos Porphyrogenneios verbindet Bosnien, das er als eigenes "Lindeben'' kennt, begriffsmäßig allerdings nicht mit Moravia, sondern eher mit Serbien (DAI 32. Ed. Moravcsik/Jenkins 1949, S.160/161), was sich aus der veränderten politischen Situation erklärt.

 

225. Zum "Presbyter Diocleas" und seinem historischen Quellenwert v.a. Hadžijahić 1970 und 1983; Steindorff 1985; Peričić 1991 : ausführlich Eggers 1995, S.182 ff. mit weiterführender Literatur.

 

226. Presbyter Diocleas, 8,9. Ed. Šišić 1928, S.300 ff., 392 ff.; zu dieser Passage s.a. Boba 1990, S.315; Bowlus 1995, S.189.

 

227. Konstantinsvita 15-17. Ed. Grivec/Tomšić 1960, S.131-139; vgl. dazu Eggers 1995, S.194/195.

 

228. Presbyter Diocleas, 9. Ed. Sišić 1928, S.308, 400; zu dem Reichstag s. Puhiera 1959; Hadžijahić 1970 und 1983; Steindorff 1985; Boba 1991; Eggers 1995, S.198 ff.; zum "Liber" Pejčev 1991.

 

229. Zur Nomokanon-Übersetzung s. noch Kap. 2.1,2.

 

230. Chron. Ragusin. Iunii Restii, Ed. Nodilo 1893, S.63, Ragnina. Ann. Ragusin. ad a. 1185, Ed. Nidilo 1883, S.219.

 

 

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Wenn diese Regelung damals auch für Bosnien Gültigkeit hatte, mußte es Teil des einen wie des anderen gewesen sein. [231]

 

Ein neues Licht wirft die somit erwiesene Zugehörigkeit Bosniens zum Amtsbereich Methods auf dessen Beziehungen zum Patriarchat von Aquileia. [232] Wie bereits erwähnt, war dessen Nordabgrenzung gegen Salzburg seit 796 die Drau; die Grenzen zwischen den beiden Rechtsnachfolgern Aquileias, dem fränkischen Cividale und dem byzantinischen Grado, wurden 827 nach einem Beschluß der Synode von Mantua den jeweiligen Grenzen beider Reiche angepaßt, wodurch das seit 774/806 fränkische Istrien an Cividale fiel. Analog zu diesem Präzedenzfall ist die (zumindest theoretische) Ostgrenze des Missionsgebietes von Aquileia-Cividale an der Drina zu suchen, der allen Demarkationslinie zwischen West- und Ostrom von 395, die zugleich als Abgrenzung der politischen Interessensphären zwischen dem Frankenreich und Byzanz seit den Abkommen von 806 und 817 wahrscheinlich gemacht werden konnte. [233]

 

Somit hätte das bosnisch-slawonische Fürstentum Sventopulks und seiner Vorgänger seit Anfang des 9. Jhdts. im Wirkungsbereich oberitalienischer Missionare gelegen, wie es explizit für das dalmatinische Kroatien und das Fürstentum des Liudewit um Siscia (c.820) nachgewiesen ist. [234] Mit ihnen hätte sich Method also dort ebenso auseinandersetzen müssen wie mit den Missionsträgern Salzburgs und Passaus in "Pannonien" und Moravia. Für diese auf den ersten Blick überraschende Annahme finden sich mehrere Anhaltspunkte in den Viten der "Slawenapostel". die bisher nicht beachtet wurden.

 

Nach der Methodvita berichtete die Gesandtschaft der Slawenfürsten Rastislav und Sventopulk (wozu sich nach anderen Quellen noch Kocel stellt) 862 dem byzantinischen Kaiser Michael III., daß in ihre Länder Lehrer "von den Welschen, den Byzantinern und den Franken" ("из Влахъ и из Грькъ и из Нѣмьць") gekommen seien und "verschieden gelehrt" hätten. [235] Nun ist es völlig unwahrscheinlich, daß die Missionare aus dem "Welschland", genauer aus dem Patriarchat Aquileia - denn um dieses handelt es sich offensichtlich - die Drau grenze überschritten und im Gebiet Salzburgs gelehrt hätten, noch dazu "verschieden" von der dortigen Lehrmeinung! Gerade zur Vermeidung derartiger Kompetenzprobleme war ja die Draugrense von Karl dem Großen festgelegt worden. Zudem wandte sich die kirchliche Gesetzgebung der Karolinger scharf gegen Geistliche, die unautorisiert in fremdem Gebiet tätig wurden: Die bairische Synode von Reisbach (798) gebot den Bischöfen ein Vorgehen gegen "gyrovagi", welche auf eigene Faust Priester und Kirchen weihten: die Mainzer Synode von 813 verabschiedete einen Kanon gegen "acephali", ohne Autorisierung des Ortsbischofs wirkende Geistliche; die Wormser Synode von 868 faßte Beschlüsse "de episcopiset presbyteris vagantibus". [236]

 

Nördlich der Drau-Donau-Linie hat man demnach nur mit den "Franken" oder "Deutschen" ("Нѣмьци") der Methodvita zu rechnen; alle Argumente kunsthistorischer oder prosopographischer Natur, die zugunsten einer Mission Aquileias am Plattensee vorgebracht wurden, [237] müssen anders interpretiert werden:

 

 

231. So Boba 1971, S.113/114; 1991, S. 134/135; dagegen Havlík 1976, S. 16, 33, 88; der Brief selbst in MC Epp. VII. Ed. Kehr 1928. Epp. Johannis VIIl papae, Nr.255 (S.222 ff.)

 

232. Grundlegend zum Patriarchat Aquileia Schmidinger 1954; s.a. Gamber 1987.

 

233, S. Eggers 1995, S.31 ff.; eine solche Ostgrenze von Aquileias Gebiet implizit auch bei Györffy 1959, S. 16; Kuhar 1959, S. 105, 112; Grivec 1960, S.73; Zagiba 1964, S.295; Vilfan 1982, S.902; s a. LThK 5(1961). Karte bei Sp.808!

 

234. Vgl. Dvornik 1970, S.21; Klaid 1971, S.203 ff.; Waldmüller 1976, S.548 ff.; Koščak 1980/81, passim; Vilfan 1982, S. 906; Löwe 1983, S.682.

 

235. Methodvita 5, Ed. Grivec/Tomšić 1960, S.155; disch, Übs. hier nach Kronsteiner 1989, S.53; s.a. Bujnoch 1972, S.114; inhaltliche Zweifel an dieser Stelle bei Schaeder 1935.

 

236. MC Concilia II/1. Ed. Wenninghoff 1906, Nr. 22, 36 (S.200/201, 267) bzw. Mansi, Collectio Conciliorum, 15 (1770), Sp.879.

 

 

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Im ersteren Falle als die (aus Gründen technologischer Überlegenheit naheliegende) Tätigkeit von Bauleuten aus Oberitalien, romanische Personennamen aber als Hinweis auf "einheimische", bairische oder "pannonische" Romanenreste. [238]

 

Völlig zwanglos erklärt sich hingegen die Missionstätigkeit der "Welschen" ("Влахи") im Interessengebiet Aquileias südlich der Drau, Zudem berichtet der "Presbyter Diocleas", daß im Reich Sventopulks "christiani, qui latina utebanlur lingua” lebten, die als Träger und Vermittler einer solchen Mission in Frage kämen. [239] Eine derartige Romanen(rest)bevölkerung ist wiederum nur südlich der Donau - und hier besonders im adriatischen Küstenbereich sowie im bosnisch-serbischen Bergland - denkbar (und auch gut belegt), hingegen in Mähren oder der Slowakei ein Ding der Unmöglichkeit. [240]

 

Doch auch die "Griechen” ("Грьки") der Methodvita werden, außer in Moravia selbst, Missions versuche im bosnisch-slawonischen Fürstentum unternommen haben, [241] waren sie doch nicht an die innerfränkischen Absprachen über kirchliche Zuständigkeitsbereiche gebunden. Sie würden sich dort in ein Ensemble ähnlicher, etwa zeitgleicher Bemühungen der Byzantiner in Serbien, Kroatien und den kleineren Fürstentümern der südlichen Adria fügen. Als Ausgangspunkt derartiger Missionen boten sich die byzantinischen Küstenstädte in Dalmatien an, so z.B. Zara/Zadar, Spalato/Split oder Ragusa/Dubrovnik. [242] Politische Voraussetzung für solche byzantinischen Aktionen war die Lockerung der Oberhoheit, die das karolingische Teilreich Italien als Rechtsnachfolger des Karlsreiches über die Slawen südlich der Drau ausübte, vor allem seit dem durch die inner fränkischen Bürgerkriege bedingten Machtverfall Lothars I, und dem Teilungsvertrag von Verdun 843; die letzte Handlung eines "gesamtfränkischen" Amtsinhabers war die Strafexpedition des Präfekten Ratbod gegen Ratimir, einen von Sventopulks Vorgängern, im Jahre 838 gewesen. So erhielt Sventopulk einen größeren Handlungsspielraum als etwa noch Ratimir, auch im kirchlichen Bereich. [243] Sein "regnum" stellte also - anders als der von der bairischen Kirche straff erfaßte ostfränkische Anteil am Slawenland des Südostens - vor dem Auftreten Methods eine Zone dar, in der sich zwei Interessen- und Missionsgebiete überschnitten, nämlich die der italienischen Kirche (über AquileiaCividale) und die des Patriarchats von Konstantinopel (über Grado und Dalmatien).

 

Mit den "Welschen" der Methodvita sind zu vergleichen die "lateinischen und fränkischen Erzpriester mit ihren Priestern und Schülern" ("латиньстіи и фрѧжестии архиерѣи съ иерѣи и оученици"), welche die Konstantinsvita als Gegner der kyrillomethodianischen Mission anführt. [244] Die Nennung von "Lateinern" neben den Franken erlaubt wohl wiederum eine Deutung auf oberitalienische Missionare bei Sventopulk südlich der Drau. Von Interesse für die Beziehungen Methods zum Patriarchat von Aquileia ist auch die ebenfalls in der Konstantinsvita berichtete Disputation, welche Kyrill und Method mit "lateinischen Bischöfen, Priestern und Mönchen" in Venedig (oder "in Venetien") über die slawische Kirchensprache führten. [245]

 

 

237. So z.B. bei Dittrich 1962, S.88/89; Vavřínek 1963 b, S.37 ff.; Zagiba 1964, S.288; Stanislav 1966, S.223/224; Bosl 1967, S.8/9; Vlasto 1970, S.23; Havlík 1978, S.25, 83/84.

 

238. Zu Romanen im östlichen Alpenraum vgl. Kronsteiner 1984.

 

239. Presbyter Diocleas 6, 9. Ed. Šišić 1928, S.299, 302, 390/391.

 

240. Vgl. Eggers 1995, S.195 und Karte 13; Bowlus 1995, S.189.

 

241. Schütz 1985, S.136 sieht die "Griechen" der Vita als für Aquileia-Grado stehend; Kronsteiner 1989, S.112 denkt ebenso an das Exarchat von Ravenna; zum Problem auch Zagiba 1973.

 

242. Vgl. Macůrek 1965, S.22; Vtasto 1970, S.327; Dvornik 1970, S.80/81; Waldmuller 1976, S.549; Bannick 1978, S.289.

 

243. Eggers 1995, S. 192/193; der erste ostfränkische Zugriff auf Sventopulks Herrschaft kam ja erst mit dem Feldzug des Prinzen Karlmann im Jahre 869, S. ebda, S.139/140.

 

244. Konstantinsvita 15, Ed. Grivec/Tomšič 1960, S.131.

 

 

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F. Grivec und V. Vavřínek folgerten aus dieser Mitteilung, daß sich Kyrill und Method mit ihrem Gesuch um eine Genehmigung der slawischen Kirchensprache noch vor dem Papst zunächst an den Patriarchen von Aquileia (genauer seinen "lateinischen" Nachfolger in Cividale) gewandt hätten. [246] Der Vorgang als solcher weist jedenfalls darauf hin, daß Aquileia in liturgischen Fragen vor Rom Zwischeninstanz wenigstens für einen Teil des zukünftigen Wirkungsgebietes der " Slawenlehrer" war; dieser Teil aber konnte nur südlich der Drau gelegen haben.

 

Die Sorge des Klerus von Aquileia ist durchaus verständlich, schließlich wurde 869/70 der größte Teil ihres bisherigen Missionsgebietes zur Diözese Methods geschlagen. Doch scheint man in Aquileia nicht wie in Baiern offenen Widerstand geleistet, sondern die Entscheidung Roms akzeptiert zu haben; jedenfalls sind nach der Diskussion in Venedig/Venetien keine weiteren Dispute über die Liturgie oder Auseinandersetzungen wegen Territorial fragen überliefert.

 

Vielmehr deutet ein Beleg aus dem liturgiegeschichtlichen Bereich auf ein einvernehmliches Handeln hin. Nach den Forschungen K. Gambers diente ein Meßbuch, wie es während des 8. und 9. Jhdts. im Patriarchat Aquileia gebräuchlich war, als Vorlage für die "Kiewer Sakramentarfragmente". [247] Diese Fragmente sind eines der ältesten, wenn nicht überhaupt das älteste Exemplar glagolitischer Schriftdenkmäler, vielleicht noch aus dem 9. Jhdt.; sie stellen das einzig erhaltene Bruchstück eines von der kyrillomethodianischen Mission verwendeten Meßbuches dar. [248]

 

Auf enge Beziehungen Sventopulks zu Aquileia verweist auch die Person des Priesters "Johannes de Venetiis”, auf den im Zusammenhang mit Kroatien noch näher einzugehen sein wird und dessen Beiname eine Herkunft aus dem Nordosten Italiens wahrscheinlich macht. 874 führte dieser Priester die Delegation Sventopulks bei den Friedensverhandlungen von Forchheim an. Einige Forscher sehen in ihm einen Diplomaten’·, den der Papst Sventopulk zur Verfügung gestellt habe. [249]

 

Die engen Verflechtungen Sventopulks mit Aquileia vermögen vielleicht auch ein psychologisches Rätsel aufzuhellen. Immer wieder hat es erstaunt, daß Sventopulk, der ja 862/63 an der Berufung der "Slawenlehrer" mitgewirkt hatte, sich im Laufe der Zeit immer deutlicher gegen die Verwendung der slawischen Liturgie stellte, wie sie von Method vertreten wurde; er ging deswegen als "Lateinerfreund" in die byzantinischslawisch orientierte Hagiographie ein. [250]

 

Meist wurden hinter Sventopulks Haltung tagespolitische Motive vermutet. Ebensogut wäre aber denkbar, daß sich Sventopulk eine gewisse sentimentale Anhänglichkeit an die lateinische Liturgie in ihrer oberitalienischen Ausprägung bewahrt hatte, wie sie ihm zunächst in seiner Heimat südlich der Drau entgegengetreten war. Anders als in den ostfränkischen, von Salzburg und Passau missionierten slawischen "Schutzgebieten" stand ja keine fremde Staatsmacht mehr drohend oder fordernd hinter der Mission Aquileias, Immerhin lebte im 9. Jhdt., wie gesagt,

 

 

245. Konstantinsvita 16, Ed. Grivec/Tomšič 1960, S. 134; zur Ortsangabe vgl. Lunt 1962; s.a. Dittrich 1962, S.151 mit Anm.5, S. 157/158; Bartůněk 1963, S.23/24; Bujnoch 1972, S.97 ff.

 

246. Grivec 1960, S.73 ff.; Vavřínek  1963, S.41/42; s.a. Schelesniker 1988, S.274; Tamanides 1992.

 

247 Gamber 1957, 1964, 1970, 1974, 1978, 1987

 

248. Dazu noch Kap. 2.4.3.

 

249. Váczy 1941, S.56/57; Dittrich 1962, S.196; Veselý 1982, S.21, der ihn als "notarius" Sveniopulks sieht. Bosl 1964, S.49 betrachtet ihn als Haupt der "deutsch-lateinischen Partei" in Moravia.

 

250. Klemensvita V. 18,19, IX.29,30, Ed. Milev 1966, S.90-92, 104-108; zum angesprochenen "Rätsel" Dvornik 1926, S.262; Váczy 1942, S.61; Grivec 1960, S. 106 ff.; Dittrich 1962, S.210 ff : Bosl 1964, S.49/50; Havlík 1973, S.18/19; Löwe 1983, S.674 ff.; Schelesniker 1988, S.275.

 

 

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noch eine beträchtliche romanische Restbevölkerung auf dem westlichen Balkan, [251] ein Faktor, den Sventopulk in der Liturgiefrage nicht übersehen konnte. Nach dem "Presbyter Diocleas" erwies er den Romanen deutliches Wohlwollen und förderte sie in jeder Weise, indem er sie aus ihren Verstecken im Gebirge und in abgelegenen Befestigungen hervorholte und in den "civitates et loca, quae olim a paganis destructa fuerunt", erneut ansiedelte. [252]

 

Ein letzter Beleg für die engen Kontakte zwischen Aquileia-Cividale und Sventopulk sowie seinen Verwandten sind schließlich deren Namenseinträge im Evangeliar von Cividale. Dort finden sich Sventopulk selbst und seine Gattin (?) "Sventezizna", sein Vater Sventimir. sein Sohn Sventopulk II. sowie sein Onkel Rastislav zum Gebets gedenken eingetragen; wahrscheinlich halten sie alle zu irgendeinem Zeitpunkt den Aufbewahrungsort des Evangeliars, ein Kloster in der Diözese von Cividale, aufgesucht oder waren über Vertraute eingetragen worden. [253]

 

 

1.3.2. Serbien ein Teil der Erzdiözese Methods?

 

Besonders deutlich werden die Beziehungen Methods zum südslawischen Bereich im Fall Serbiens. Im Mai 873 forderte nämlich Papst Johannes VIII. den serbischen Fürsten Mutimir (c.850-891) mit folgenden Worten auf, sich der "Pannoniensium diocesis”, der Erzdiözese Methods, anzuschließen;

"Quapropter ammonemus te, ut progenitorum tuorum secutus morum quantum potes ad Pannonensium reverti studeas diocesin. Et quia illic iam Deo gratia a sede beati Petri apostoli episcopus ordinatus est, ad ipsius pastoralem recuiras sollicitudinem." [254]

Davon ausgehend, daß Methods Amtsbereich im Jahr 873 Mähren, die Westslowakei und (noch) das "pannonische Dukat" Kocels umfaßte, registrierte die Forschung dieses päpstliche Ansinnen mit Überraschung [255]; denn Serbien (in den Grenzen des 9. Jhdts.) läge völlig isoliert vom so umschriebenen restlichen Amtsbereich Methods. (Vgl. Karte 5)

 

Hingegen wirkt das Ansinnen nicht gerade ungewöhnlich, führt man sich die politische Geographie Südosteuropas im 9. Jhdt. vor Augen, wie sie vom Verfassser an anderem Ort entwickelt wurde: An Mutimirs Serbien schloß sich im Norden Moravia an, im Westen das bosnische Fürstentum Sventopulks und seiner Vorfahren, so daß Methods Diözese durch den Anschluß Mutimirs arrondiert worden wäre. [256] (Vgl. Karte 6) Handelte es sich bei Serbien vielleicht um eine Kompensation für "Pannonien", das Method ja gerade 873 hatte aufgeben müssen?

 

Allerdings ist den zeitgenössischen Quellen nicht mit letzter Sicherheit zu entnehmen, ob Serbien damals tatsächlich der geistlichen Hoheit Methods unterstellt wurde. Man könnte dafür die jüngere Naumsvita ins Feld führen, die von Aktivitäten Methods unter dem "moesischen und dalmatinischen Volk" spricht, was aller Wahrscheinlichkeit nach

 

 

251. Dazu Skok 1934; Gyóni 1951; Beneš 1965; Kronsteiner 1987.

 

252. Presbyter Diocleas 9, Ed. Šišić 1928, S.302, 394; eine archäologische Bestätigung hierfür übrigens bei Kovačević 1965.

 

253. Ed. Bethmann 1877, S.120. 125, 122; dazu Cronia 1952; Menis 1971; Hellmann 1981; Eggers 1995, S.238 ff. mit weiteren Erläuterungen.

 

254. MC Epp. VII, bd. Kehr 1928, Fragmenta Registri Johannis VIII papae, Nr. 18 (S.282).

 

255. Jireček 1911, S.179 Anm. 1; Šišić 1917, S.119; Perojević 1922, S.14 ff.

 

256. Zu den Schlußfolgerungen bezüglich einer Verwandtschaft Mutimirs mit Rastislav, Sventopulk oder Kocel vgl. Eggers 1995, S.218.

 

 

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auf das mittelalterliche Kroatien und Serbien zu beziehen ist; auch war der Methodschüler Naum selbst aus "Moesien" gebürtig. [257]

 

Andererseits hat man den Bericht des De Administrando Imperio und der Vita Basilii zu berücksichtigen, wonach neben anderen Südslawen auch die Serben von Byzanz aus christianisiert worden seien, und zwar - nach ersten Versuchen unter Kaiser Heraklios (610-641) - in der Regierungszeit des Kaisers Basilios I. (867-886). [258] Für Missionsversuche von verschiedener Seite ohne eine Autorisierung Roms sprechen auch die Worte des Papstbriefes von 873; es ist die Rede von "presbiteri illic absoluti et vagi ex omni loco advenantes", die in Mutimirs Reich liturgische Handlungen durchfuhren würden. [259]

 

Daß aber zunächst eine dem Papsttum in Rom untergeordnete, westlich-lateinische Kirchenorganisation die geordnete Christianisierung Serbiens übernahm, läßt sich anhand verschiedener Hinweise belegen. So erscheinen in der serbischen Herrscherfamilie erstmals eine Generation nach Mutimir an Stelle traditioneller slawischer Personennamen solche christlicher Prägung; Mutimirs jüngster Sohn hieß Stephan, einer seiner Neffen Peter und zwei Enkel Zacharias und Paul. [260] Đ, S. Radojičić nahm aufgrund des von ihm errechneten Geburtsdatums von Peter an, daß dessen Taufe - die erste im serbischen Herrscherhaus - in die Zeit um 873 gefallen sein müßte, also etwa in die Zeit des Papstbriefes und der Missionsbemühungen des Basilios. [261] Im Evangeliar von Cividale wurden offenbar Mutimir und sein Sohn Pribislav (als "Preuuisclavo") eingetragen, was auf serbische Kontakte zu Aquileia deuten könnte. [262] Der Übergang Serbiens zum Christentum würde also zeitlich mit ähnlichen Initiativen Roms in Moravia und Bosnien-Slawonien (wie übrigens auch in Bulgarien) zusammenfallen und eine koordinierte, von Rom ausgehende Aktion in Südosteuropa vermuten lassen.

 

Bemerkenswert ist in dieser Hinsicht für Serbien auch eine älteste Schicht typisch lateinischer Patrozinien (Peter, Peter und Paul, Martin) sowie die von J. Kovačević erschlossene westliche, d.h. fränkisch-italienische Stilausrichtung der aus dem 9. Jhdt. stammenden Kirchenbauten Serbiens und Montenegros; [263] hier gilt allerdings wie schon in Mosaburg am Plattensee, daß technologische Einflußrichtungen nicht mit politischkirchlichen konform gehen müssen. Schließlich haben Reste lateinischer Termini in der serbischen Kirchensprache sowie eine lateinische Inschrift des 9./10. Jhdts. in einer Kirche bei Prijepolje (südwestliches Serbien) Veranlassung gegeben, die Wurzeln serbischen Christentums in einem "westlichen" Zentrum römischer Obodienz zu suchen. [264] Könnte dies die direkt Rom untergeordnete "pannonische" Erzdiözese Methods gewesen sein? Ein Interessenkonflikt Methods mit der byzantinischen Reichskirche gerade über

 

 

257. II. Žitije Nauma, Ed. Lavrov 1930, S. 182/183; s.a. griech. Naumsvita, Ed. Trapp 1974, S.176: dazu Kusseff 1950/51; Božić 1968, S. 140/141 ; Haupiová 1986; Boba 1987 und 1991, S. 131/132.

 

258. Konst. Porph. DAI 29, 31, Ed. Moravcsik/Jenkins 1949, S. 124-127, 154/155; Vita Basilii, Ed. Migne 1965, Sp.303-308; dazu Dölger 1959, S.350/351: Duthtlleul 1963, S.78/79; Jakobson 1965; Kovačević 1965, S.65 ff.; Radojičić 1966. 1966 b, S.101; Dvornik 1970, S.37/38; Hannick 1978, S.312; Maksimović 1992, S. 172 ff.

 

259. MC Epp. VII, Ed. Kehr 1928, Fragmenta Registri Johannis VIII papae, Nr. 18 (S.282).

 

260. Jireček 1911, S.173.

 

261. Radojičić 1952, S.253 ff.: 1966, S.188; Maksimović 1992, S.175. Kovaćević 1965, S.66 setzt die Taufe Stephans schon um 830/40 an.

 

262. Ed. Bclhmann 1877, S.121, 127; dazu Cronia 1952, S.15/16; Radojičić 1966 b, S.102 ff.

 

263. Zu Patrozinien Jireček 1911, S.173; zu Kirchenbauten Kovaćević 1965, S.67 ff.; Božić 1968, S.139 mit Anm, 28; Dvornik 1970, S.33 ff.

 

264. Jireček 1911, S. 173; Božić 1968, S. 140; Waldmüller 1976, S.586/587; Maksimović 1992, S. 175; die Inschrift bei Mihaljčić/Steindorff 1982, Nr.181, S. 123.

 

 

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Serbien hätte nämlich den Anlaß geben können zu einer zeitweiligen Verstimmung des Kaisers Basilios, von welcher die Methodvita zu berichten weiß. [265]

 

Radojičić nimmt hingegen an, daß dieses "lateinische" Zentrum Spalato/Split gewesen sei, welches bereits 852 Jurisdiktionsansprüche "usque ad ripam Danubii” gestellt habe. Doch ist sein Hauptargument - die angebliche Teilnahme serbischer Großer am Konzil von Spalato 925 - nicht unumstritten, es belegt zudem nicht zwangsläufig ältere Rechte des Erzbistums Split in Serbien. [266]

 

Sogar die Errichtung eines Bistums in Serbien während des 9./10. Jhdts. als solche läßt sich nicht sicher nachweisen; ein Bischof von Serbien ("Sorbulia"), der damals dem Erzbistum Ragusa/Dubrovnik unterstand, ist erst 1022 bezeugt. Auch im Ort Ras, der zunächst noch zwischen Serbien und Bulgarien strittig, im 10. Jhdt. dann Residenz der serbischen Fürsten war, erscheint erstmals 1019/20 ein Bischof, der allerdings dem Erzbistum Ochrid zugeordnet war. [267]

 

So kann die Frage nach einer tatsächlichen Organisationstätigkeit Methods in Serbien, einmal abgesehen von entsprechenden päpstlichen Plänen, nicht völlig eindeutig beantwortet werden, wenn auch vieles für eine solche Annahme spricht. Immerhin tritt deutlich hervor, daß Serbien von Rom zu Methods rechtmäßigem Amtsbereich gerechnet wurde; und bezeichnenderweise zählte der Presbyter Diocleas Serbien zu jenen Ländern, die auf der Reichsversammlung Sventopulks "in planitie Dalmae" (885) kirchlich organisiert wurden. [268]

 

 

1.3.3. Das Verhältnis Kroatiens zum "pannonischen" Erzbistum

 

Eine erste Bekehrung der Kroaten soll bereits zu Zeiten des byzantinischen Kaisers Heraklios im 7. Jhdt. stattgefunden haben. [269] Damals war das organisierte Christentum auf die wenigen verbliebenen byzantinischen Brückenköpfe an der Küste und auf den vorgelagerten Inseln zurückgedrängt worden. Das um 614 von Salona nach Spalato/Split verlegte Erzbistum übte aber theoretisch immer noch die Metropoli lange wall über ganz Dalmatien aus; de facto unterstanden ihm die Bistümer von Krk, Zara/Zadar, Ragusa/Dubrovnik und Cattaro/Kotor, Südlich schloß sich die Erzdiözese von Dyrrhachion an, welche mit 15 Suffraganen die spätantike "Praevalitana" sowie Epirus umfaßte. [270]

 

Der ersten, byzantinischen Missionswelle im 7. Jhdt., der offenbar kein allzu großer Erfolg beschieden war, folgte zu Beginn des 9. Jhdts. eine zweite, fränkische. [271] Ein für Kroatien zuständiges Bistum wurde in Nona/Nin in den Jahren zwischen 850 und 870 errichtet (der genaue Zeitpunkt ist unbekannt); da Kroatien bis zur Mitte des 9. Jhdts. vom Frankenreich bzw. vom karolingischen Italien politisch abhängig war,

 

 

265. Methodvita 13, Ed. Grivet/Tomšič 1960, S. 163: Ed. Kronsteiner 1989, S.76.

 

266. Radojčić 1957, S.271/272 und 1966. S, 195 nach Cod. dipl. Croatiae. Ed. Kosirenčić et al. 1967, Nr.3.

 

267. Zu Sorbulia" Acta et Diplomata I, Ed. Thallóczy ei al. 1913, Nr.60, S.16; zu Ras die Dokumente bei Gelzer 1893, S.45, 56; s.a. Božić 1968, S.141; Vlasto 1970, S.208 ff.; Kalić 1976; Hannick 1978 S.312/313; Vilfan 1982, S.911.

 

268. Presbyter Diocleas 9. Ed. Šišić 1928, S.305/306; dazu auch Kovaćević 1965, S.65 ff.; Božić 1968, S.138; Steindorff 1985, passim; Boba 1991, S. 130.

 

269. Konst. Porph. DAI 31, Ed Moravcsik/Jenkins 1949, S. 148/149.

 

270. Jirećek 1911, S.171/172; Mandić 1963, S.77 ff.; Vlasto 1970, S. 195; Hadžijahić 1983, S.38; Radića 1985; Dragojlović 1989; Maksimović 1992, S. 173 ff.

 

271. Zu architektonischen Zeugnissen Kovaćević 1965, S.67 ff.; Klaić 1971, S.200 ff.; Goss 1987; Holler 1989, S.14 ff.; Petricioli 1990.

 

 

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nimmt man allgemein an, daß die kirchliche Organisation von dort, genauer gesagt vom Patriarchat Aquileia ausging. [272]

 

Eine Verbindung zwischen Kroatien und Aquileia einerseits, Method und Fürst Sventopulk andererseits wird erstmals in den siebziger Jahren des 9. Jhdts. deutlich. Fast zeitgleich mit den Forchheimer Friedensverhandlungen, die ein "Johannes presbyier de Venetiis" 874 für Sventopulk führte, [273] wird nämlich in einem Brief Johannes VIII. an das kroatische Volk ein "Johannes religiosus presbyter" erwähnt, als dessen weltlicher Herr ("senior") der Kroatenfürst "Domagoi dux Sclavorum" (863/64-876/78) bezeichnet wird. Die Herausgeber datierten diesen Brief auf Mitte 874 bis Anfang 875, F. Dvornik auf die Jahreswende 873/74. [274] Wegen der vermeintlich großen Entfernung zwischen Domagois Kroatien und Sventopulks "Großmähren" ist eine Identität der beiden gleichnamigen Kleriker bisher fast immer abgelehnt worden; bei einem Aneinandergrenzen beider Herrschaftsgebiete ist der Sachverhalt allerdings kaum noch überraschend und eine Identität naheliegend. Zudem geht aus dem Papstbrief hervor, daß der "Priester Johannes" damals Domagois Dienste verlassen wollte; er hätte also kurz darauf als Gefolgsmann Sventopulks auftreten können.

 

Die Situation von 874 wiederholte sich im Juni 879. Eine Gesandtschaft Sventopulks, die bei Papst Johannes VIII, Klage über die slawische Liturgiepraxis Methods führte, wurde nach den Worten des auf den 14. Juni 879 datierten päpstlichen Antwortbriefes von einem "Johannes presbyter vester, quem nobis misistis", geleitet. Eine Woche zuvor, am 7. Juni 879, hatte der Papst dem Kroatenfürsten Branimir (879-892) geantwortet auf "liueras, quas per Johannem venerabilem presbiterum communem fidelem nobis mandasti." Am selben Tag erging auch ein Papstbrief an Bischof Theodosius von Nona/Nin, in dem ebenfalls die Rede ist von "Johannes, venerabilis presbiter, de vesüa parte veniens." Schließlich überbrachte ebendieser Johannes noch einen vom 10. Juni 879 datierten Brief Johannes VIII. an die Bischöfe und das Volk einiger dalmatinischer Küslenstädte, in dem der Papst jenen als "fidelem familiarum nostrum" bezeichnet. [275]

 

I. Boba hat den "Johannes presbiter" von 874 mit jenem von 879 gleichgesetzt, während die Gegner einer solchen Auffassung wiederum mit der räumlichen Entfernung zwischen "Großmähren" und Kroatien argumentieren. Doch nicht nur die zeitliche, sondern auch die inhaltliche Nähe der verschiedenen Papstbriefe vom Juni 879, zu denen sich noch weitere Briefe an Method (Juni 879, März 881 ), Sventopulk (Juni 880) und an Branimir ("ca. 880") gesellen, rechtfertigt Bobas Äußerung: "These references to John of Venice make it clear that the realms of Sventopolk and Branimir were treated as a unit.” [276]

 

Eine weitere Verbindung zwischen Method und Kroatien zeigt sich bei den Vorgängen um den Sturz des Fürsten Zdeslav, 878 war er mit byzantinischer Hilfe an die Macht gekommen, als sich die fränkischen Teilreiche wegen der ungeklärten Kaisernachfolge in einem bis 881 dauernden Interregnum und damit in einer Schwächeperiode befanden. Nun drohte das Bistum Nona/Nin unter die Jurisdiktion des byzantinischen Erzbistums Spalato/Split zu geraten; dagegen stellte sich aber der bereits gewählte, jedoch noch nicht konsekrierte Amtsinhaber Theodosius. Im Verein mit unzufriedenen kroatischen

 

 

272. Dvornik 1930, S.70; Barada 1931, S.172 ff: Váczy 1942, S.23; Kuhar 1959, S.114. 164; Zagiba 1961, S.26; Duthilleul 1963, S.70; Dvornik 1964 b, S.97 ff.; 1970, S.22 ff.; Vlasto 1970, S. 191, 194; Klaić 1971, S.234 ff.; Waldmüller 1976, S.548; Vilfan 1982, S.907; Hösch 1988, S.54; Maksimović 1992, S.176/177.

 

273. Ann. Fuld. ad a. 874, Ed. Kurze 1891, S.83.

 

274. Cod. dipl. Croatiae, Ed. Kostrenčić et af 1967, Nr.7 (S.10); Datierung ebd. bzw. Dvornik 1926, S.223.

 

275. MG Epp. VII, Ed. Kehr 1928. Epp. Johannis VIII papae, Nr.200, 190, 191, 196

 

276. Boba 1971, S.16/17, 53, 109; 1985, S.67.

 

 

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Großen sowie dem "presbyter Johannes de Venetiis" (also dem Vertrauten Sventopulks!) erreichte er in der ersten Hälfte des Jahres 879 den Sturz Zdeslavs. [277] Die Prologvita Methods berichtet, daß Zdeslav durch ein von Method bewirktes "Wunder" von der Erde verschlungen worden sei. [278] (Tatsächlich wurde Zdeslav aber vom aufgebrachten Volk erschlagen.) Sollte Method parallel zu Sventopulk in Kroatien und dem Bistum Nona/Nin eigene Interessen verfolgt, gar die geistliche Suprematie angestrebt haben?

 

Während Z. Dittrich annimmt, daß der Kern dieser Erzählung als Topos aus der byzantinischen Chronik des Georgios Hamartolos (9. Jhdt.) in die Prologvita geraten sei, erblicken andere, darunter außer Boba auch F. Dvornik und R. Jakobson, in der Episode einen Reflex historischer Ereignisse. Die Untätigkeit des byzantinischen Hofes angesichts des Sturzes seines Schützlings Zdeslav hat man durch den damals angestrebten Ausgleich mit Rom zu erklären versucht. Zdeslav sozusagen als "Bauernopfer” der byzantinischen Diplomatie hingestellt. [279]

 

Als Begleiterscheinung der Verhandlungen Roms mit Byzanz, aber auch als Folge der Beseitigung Zdeslavs ging im Juni 879 eine wahre Flut von Briefen Johannes' VIII. in die slawischen Länder, von denen die an Method und Sventopulk gerichteten bereits analysiert wurden. In dem Schreiben an Bischof Theodosius scheint beachtenswert, daß die direkte Jurisdiktion des Papstes über das Bistum Nona/Nin ohne Zwischeninstanzen beansprucht wird [280] - ein Schritt, der nicht klar erkennen läßt, gegen wen er gerichtet war: Gegen Spalato/Split oder gegen Aquileia, vielleicht gar gegen Method? Sollte in diesem allseits umstrittenen Gebiet vielleicht eine "neutrale Zone" geschaffen werden?

 

Etwa zur gleichen Zeit forderte der Papst die Bischöfe der dalmatinischen Küstenstädte auf, unter die Jurisdiktion Roms, der sie 732 entzogen worden waren, zurückzukehren. Aus dem Wortlaut des Briefes ist zu erschließen, daß das Erzbistum Spalato/Split damals vakam war. [281] Das Regest eines verlorenen (und in seiner Echtheit umstrittenen), vom Herhsi 879 datierten Dokumentes besagt, daß der byzantinische Patriarch Photios damals seinem Kollegen Walpert von Aquileia eine Vollmacht zur Besetzung des Spalatiner Erzsluhies erteilt habe. [282] Zugleich scheint es in diesem Zusammenhang bemerkenswert, daß die Namen der kroatischen Fürsten Trpimir, seiner Söhne Peter und Zdeslav wie auch des Branimir und seiner Gattin "Mariosa" im schon erwähnten Evangeliar von Cividale eingetragen sind, was auf gewisse Affinitäten zum dortigen Patriarchat schließen läßt. [283]

 

Die Theorie eines Engagements Methods auf der romtreuen - nicht etwa "fränkischen" - Seile im kroatischen Thronstreit von 879, also ein Handeln gegen byzantinische Interessen, scheint auch in einer Passage der Methodvita durch. Methods Gegner am Hofe Sventopulks hatten verbreitet, daß der byzantinische Kaiser ihm zürne, "so daß er, wenn er ihn findet, nicht länger am Leben bleiben darf." Darauf soll sich Method nach Byzanz begeben haben, wobei die hier einem hagiographischen Topos folgende und damit unlogisch werdende Vita die Einladung vom Kaiser ausgehen läßt und ihm ein völlig unpolitisches Motiv unterlegt, nämlich "damit wir dich sehen, solange du auf dieser Welt noch bist,

 

 

277. Vgl. Eggers 1995, S.225/226; s.a. Dvornik 1930, S.78; Kuhar 1959, S.164; Duthilleul 1963, S.73: Lučić 1969, S.383 ff.; Dvornik 1970, S.25. 232; Boba 1990, S.317; Bowlus 1995, S. 190/191.

 

278. Proložnoje žitija Mefodija, Ed. Lavrov 1930, S. 103.

 

279. Dittrich 1962, S.202 Anm.l, 231 Anm. I; dagegen Jakobson 1954, S.64 ff.; Dvornik 1970, S.233 ff.; Boba 1971, S.16, 109.

 

280. Cod. dipl. Croatiae, Ed. Kostrenčić et at. 1967, Nr. 12 (S.15).

 

281. Cod. dipl. Croatiae, Ed. Kostrenčić et at. 1967, Nr 13 (S. 16/17).

 

282. Regestes I/2. Ed. Grumel 1936, Nr.509 (S. 105/106); dazu Löwe 1983, S.663 Anm. 137.

 

283. Ed. Bethmann 1877, S. 121, 125, 127, 126; dazu Šišić 1917, S.79, 114; Cronia 1952, S.11; I; Radojičić 1966 b, S. 104; Klaić 1971, S.226/227; Eggers 1995, S.239.

 

 

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und damit wir dein Gebet empfangen.” [284] Den Grund des kaiserlichen Zornes - irgendeine Differenz ist ja aus der Vita doch herauszulesen - suchte F. Dvornik in einem Jurisdiktionsstreit über die Region von Belgrad und Sirmium; F. Grivec führt die Spannungen darauf zurück, daß nicht der damals regierende Basilios I., sondern sein 867 von ihm ermordeter Vorgänger Michael III. die Mission Methods initiiert habe. [285] Unter den gegebenen Umständen sind aber die Vorgänge in Kroatien als Anlaß der Verstimmung Basilios' wahrscheinlicher; diese Interpretation wird noch glaubwürdiger, wenn man für Methods Byzanzreise nicht den späten Zeitansatz mancher Forscher (Ende 881, 882 oder 883) übernimmt, sondern sie zwischen Mitte 880 und Mitte 881 datiert. [286]

 

Bischof Theodosius von Nona/Nin, der also 879 mit Method zum Sturze Zdeslavs zusammengewirkt hatte und in einem Papstbrief an dessen Nachfolger, Fürst Branimir, von 881/82 als "venerabilis episcopus vester" bezeichnet wird, [287] erscheint noch auf eine weitere, vielsagende Weise mit Method verbunden. Er war nämlich im Besitz eines glagolitisch geschriebenen Psalters in slawischer Sprache - also in einer liturgischen Form, um die Method in Rom erbittert ringen mußte, und in der von den "Slawenlehrern" geschaffenen Schrift; dies erhellt eine 1222 angefertigte Notiz des Klerikers Nikolaus von Arbe. [288] Daß Kroatien schon zu Zeiten des Theodosius ein Hort der slawischen Liturgie war, legt auch die jüngere Naumsvita nahe; ihr zufolge flohen verschiedene Schüler Methods 885 vor den Verfolgungen, denen sie nach dem Tode ihres Mentors in Moravia ausgesetzt waren, nach "Dalmatien". [289]

 

Etwa um dieselbe Zeit (885/86) starb auch der damalige Erzbischof von Spalato/Split, Marinus. Darauf ließ sich Bischof Theodosius vom Patriarchen Walpert von Aquileia zum neuen Metropoliten weihen, wobei - wiederum von einer zweifelhaften Quelle - die Zustimmung des Photius aus Byzanz berichtet wird. [290] Zugleich aber behielt Theodosius das Bistum Nona/Nin, das somit erstmals (durch Personalunion) mit Spalato vereint war. Hinter diesem Vorgang vermutet F. Dvornik das Machtstreben des Kroatenfürsten Branimir und dessen territoriale Ambitionen gegenüber den byzantinischen Küstenstädlen Dalmatiens. [291] Man ist unwillkürlich erinnert an die bei Konstantinos Porphyrogennetos berichtete, noch unter Basilios I. vereinbarte Tributzahlung der byzantinischen Adriastädte an die benachbarten slawischen Fürsten, die etwa zur gleichen Zeit begann. [292]

 

 

284. Methodvita 13. Ed. Grivec/Tomšič 1960, S.163; hier dtsch. Übs. nach Bujnoch 1972, S. 122/123; s.a. Kronsteiner 1989, S.76-79.

 

285. Dvornik 1930, S.77; Grivec 1960, S.129.

 

286. Zur Diskussion s. Grivec 1960, S.131; Dittrich 1962, S.250; Bujnoch 1972, S.227 Anm.76; Hannick 1978, S.300.

 

287. Cod. dipl. Croatiae, Ed. Kostrenčić et al. 1967, Nr. 14 (S. 17); zur Person s. Perojević 1922.

 

288. Fontes hist. lit. glag.-rom., Ed. Jelić 1906. Nr.2 (S.5-9).

 

289. II Žitije Nauma, Ed. Lavrov 1930, S.184.

 

290. Regestes I/2, Ed. Grame! 1936, Nr.532 (S 113); zur Echtheit Duthilleul 1963, S.76.

 

291. Dvornik 1926, S.207 ff.

 

292. Konst. Porph. DAI 30, Ed. Moravcsik/Jenkins 1949, S. 146/147; dazu Eggers 1995, S.226/227.

 

 

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1.4. METHOD UND DIE WESTSLAWEN

 

Nachdem die Kontakte Methods zum südslawischen Bereich aufgezeigt wurden, welche die hier vertretene Neulokalisierung seiner Erzdiözese abstützen sollten, sind nunmehr die Gegenargumente in Augenschein zu nehmen, nämlich die von der Geschichtsschreibung bisher besonders hervorgehobenen (tatsächlichen oder angeblichen) Verbindungen zu westslawischen Völkern im Umkreis Mährens.

 

Dabei muß auf angebliche Beziehungen Methods zu den Sorben oder zu schlesischen Stämmen, wie sie in der Literatur bisweilen behauptet werden, überhaupt nicht eingegangen werden, da sie wirklich jeglicher Quellenbasis entbehren.

 

Ernster zu nehmen sind entsprechende Hypothesen im Falle Böhmens und Südpolens. Zwar existieren auch hier keine zeitgenössischen Quellenzeugnisse, wie sie die Südslawen vorzuweisen haben; doch stützen sich die Vertreter einer Tätigkeit Methods in diesen beiden Ländern auf Berichte späterer Quellen, deren Tragfähigkeit es zu überprüfen gilt.

 

 

1.4.1. Eine Mission Methods in Böhmen?

 

Nach der Rolle Methods bei der Christianisierung Böhmens zu fragen ist gleichbedeutend mit einer Problematisierung der Abfassungszeit und Glaubwürdigkeit der tschechischen Wenzelsund Ludmilla-Legenden, auf denen fast die ganze Beweislast in dieser Frage Hegt. Weniger ausgeprägt gilt dies ja auch für die angeblich weitreichenden Beziehungen Böhmens zu Moravia; doch ergänzen und korrigieren dort wenigstens zeitgenössische Quellen aus dem fränkischen Bereich das Zeugnis der späteren böhmischen Legenden. [293]

 

Zum Problem "Method und Böhmen" lassen einen die ostfränkischen Quellen dagegen völlig im Stich. Ist dies noch weniger überraschend - Method findet ja überhaupt nur äußerst selten Erwähnung in fränkischen Quellen -, so scheint es doch sehr bemerkenswert, daß Böhmen und seine Fürsten nicht ein einziges Mal in der Methodvita erscheinen. [294] Andererseits wissen aber etliche tschechische Legenden des Mittelalters von einer Taufe des Böhmenfürsten Bořivoj durch Method - warum also das Schweigen der Vita?

 

Man hat als Erklärung dafür Vorbringen wollen, daß es sich bei der Taufe Bořivojs um eine private Angelegenheit am Hofe Sventopulks gehandelt habe, die daher keinen Eingang in Methods Lebensbeschreibung gefunden habe - kurz, sie sei seinerzeit von dem Vitenschreiber für zu unwichtig erachtet worden. [295] Diese Argumentation kann aber nicht befriedigen, da die Methodvita. ihrem hagiographischen Muster getreu, immer bestrebt ist, Bekehrungserfolge hervorzuheben. Das gilt nicht nur für die 863 beginnende Mission bei Rastislav, Sventopulk und Kocel, sondern auch für die Zwangstaufe eines gefangenen Wislanenfürsten; selbst ein Treffen mit einem anderen Fürsten ohne missionarische Absichten wurde verzeichnet, [296] ein tschechischer Machthaber wäre also wohl kaum übersehen worden.

 

Es bleibt also die bedenklich stimmende Tatsache, daß allein relativ späte Quellen böhmischer Provenienz von einer Taufe Bořivojs durch Method berichten. Neben der Böhmenchronik des Cosmas von Prag (*1045, †1125), der ältesten annalistischen Quelle Böhmens,

 

 

293. Vgl. Eggers 1995, S.282 ff.

 

294. Problematisiert bei Graus 1969, S.10/11; Třeštík 1986, S.312.

 

295. Jagić 1913, S.73.

 

296. Vgl. Methodvita 5, 8, 11, 16.

 

 

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sind dies vor allem die in ihrer Abfassungszeit umstrittene Wenzelslegende des "Christian" sowie einige erst nach dem 13. Jhdt. entstandene Legenden. Fast übereinstimmend im Wortlaut behaupten sie, daß Bořivoj als erster böhmischer Fürst die Taufe erhalten habe (wobei Cosmas die konkrete Jahreszahl 894 angibt), daß also Böhmens Christentum letztlich auf Method zurückgehe. [297]

 

Dem widersprechen aber in eklatanter Weise die Fuldaer Annalen, die bereits zum Jahre 845, also lange vor Methods Auftreten, von einer Taufe böhmischer Fürsten in Regensburg berichten; [298] das legt zumindestens eine Priorität, wenn nicht gar eine ausschließliche Tätigkeit der fränkisch-bairischen Kirche in Böhmen nahe. [299] Zudem gibt es in den böhmischen Legenden einen konkurrierenden Traditionsstrang, der Bořivojs ältesten Sohn Spytihněv als ersten christlichen Fürsten Böhmens bezeichnet. [300] Möglicherweise handelt es sich hierbei um die ältere Überlieferung; R. Turek sieht jedoch propagandistische Bestrebungen des bairischen Klerus am Werke, welche die "großmährische" Mission in Böhmen verschleiern sollten. [301]

 

Es überrascht also nicht, wenn seit dem frühen 19. Jhdt. - der Vorreiter war auch hier J. Dobrovský - verschiedene Forscher eine Taufe Bořivojs durch Method als völlig unglaubwürdig abtaten. Von besonderer Wichtigkeit für all diese Überlegungen ist es, daß die Abfassungszeit des sogenannten "Christian", der als Hauptzeuge für Methods Wirken in Böhmen bemüht wird, wie gesagt noch nicht eindeutig geklärt ist, worauf noch einzugehen sein wird. Doch selbst bei der frühesten Datierung, also ans Ende des 10. Jhdts. (was ihn zur ältesten einschlägigen Quelle Böhmens machen würde), hätte "Christian" immer noch ein volles Jahrhundert nach den berichteten Ereignissen geschrieben. So gilt denn auch heute noch die Glaubwürdigkeit seines Taufberichtes zu Recht als umstritten. [302]

 

Allerdings wurden verschiedentlich Versuche unternommen, die Widersprüche zwischen der böhmischen Überlieferung und der fränkischen Annalistik zu glätten. So nahmen V. Chaloupecký und J. Kadlec eine heidnische Reaktion bereits im Jahre 846 an, welche die Bekehrung von 845 rückgängig gemacht habe. K. Bosl vertrat hingegen die Ansicht, die Behauptung der Priorität Methods bei der Bekehrung Böhmens in der heimischen Überlieferung sei ein später Reflex des Konfliktes zwischen Method und der bairischen Kirche; die Taufe durch den jeweils anderen sei als ungültig betrachtet und verschwiegen worden. [303]

 

Eine weitere, am ehesten bedenkenswerte Erklärung bestände aber darin, daß die unter přemyslidischer Ägide entstandenen böhmischen Legenden des Hochmittelalters einen der ersten Přemysliden, die aus der historischen Überlieferung bekannt waren, mit dem berühmten "Slawenapostel” in Verbindung bringen wollten - und zwar ohne große Rücksicht auf die "historische Wahrheit". [304]

 

 

297. Cosmas 1.10, 14, Ed. Bretholz 1955, S.22, 32; Christian 2, Ed. Ludvikovský 1978, S. 18-20; Tempore Michaelis imperatoris 14, Ed. Emler/Perwolf 1873, S. 106/107; Diffundente sole 3, Ed. Truhlář 1873, S. 192/193; Quemadmodum 6, Ed. Dudík 1879, S.346; Wenzelslegende Karis IV. 1, Ed. Blaschka 1934, S.64; Život sv. Crha a Strachoty, Ed. Ludvikovský 1958, S.363; Offizium Adest dies gloriosa , Ed. Dudík 1879, S.345; Crescente fide, böhm. Rez., Ed. Chaloupecký 1939, S.495.

 

298. Ann. Fuld. ad a. 845, Ed. Kurze 1891, S.35.

 

299. So auch Naegle 1915, S.183; Wostiy 1953, S.217; Bosl 1958, S.51/52; Graus 1966, S. 131/132; Vincenz 1988, S.594/595 und 1988 b.

 

300. Crescente fide, bair, Rez., Ed. Truhlář 1873, S. 183; Gumpolds Wenzelslegende 2, Ed. Zoubek 1873, S.148; 2. altslawische Wenzelslegende, Ed. Vašica 1929, S.89; Oportet nos 1, Ed. Pekař 1906, S.389.

 

301. Turek 1974, S.12.

 

302. Graus 1966, S.132; Vincenz 1988 b, S.274; zur Datierung des "Christian” s. noch S.129 ff.

 

303. Chaloupecký 1939, S.412; Kadlec 1967, S.34; Bosl 1958, S.53/54; 1964, S.27; Třeštík 1986, S.315.

 

 

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Ähnlich ließe sich auch die bei "Christian" anzutreffende Behauptung interpretieren, Bořivoj, der als Vasall Sventopulks beschrieben wird, sei zum Zeitpunkt seiner Taufe ein (oder der) Herzog in/von Böhmen gewesen und erst als Folge seiner Bekehrung von den Gegnern des Christentums ins Exil getrieben worden. [305] Es wäre ja in der mittelalterlichen Hagiographie kein einmaliger Fall, wenn nicht allzu großes Gewicht auf die realen politischen Verhältnisse gelegt würde, ja wenn diese adaptiert würden an die Erfordernisse eines bestimmten, von der jeweiligen Legende verfolgten Zieles. [306]

 

Die Bořivoj-Episode insgesamt ist jedenfalls in ihrer von den böhmischen Quellen überlieferten Form auf keinen Fall als historisch glaubwürdig zu halten. Method starb bekanntlich schon 885, [307] also noch bevor Sventopulk die Hoheit über Böhmen errang (890). Er hätte somit die Taufe nur zwischen 873 (Entlassung aus bairischer Haft) und 885 vornehmen können, keinesfalls aber in dem von Cosmas genannten Jahr 894. Andererseits konnte man Bořivoj erst nach 890 als Vasall Sventopulks bezeichnen. Es ergeben sich also unüberwindliche chronologische Schwierigkeiten. [308]

 

Einen bedeutsamen Hinweis auf die Entwicklung der kyrillomethodianischen Tradition in Böhmen gibt der Überlieferungsstrang bei Cosmas von Prag, in der Legende "Christians“ und in der Mährischen Legende, welcher Method nicht in Böhmen, sondern nur in Moravia, an Sventopulks Hof agieren läßt, [309] Dort sei Bořivoj im Exil getauft worden. Von den historischen Gegebenheiten her wäre das schon eher korrekt, da Böhmen zu Lebzeiten Methods zum ostfränkischen Reichsverband gehörte und somit in den Zuständigkeitsbereich der bairischen Kirchenorganisation Fiel. Erst im 14. Jhdt., als unter dem Einfluß Kaiser Karls IV. in den böhmischen Ländern das Interesse an der kyrillomethodianischen Mission erwachte und sich die Tendenz verstärkte, Böhmen umfassend in den Legendenkrei um Method, Moravia und Sventopulk einzubeziehen, entwickelte sich jene "Tradition", nach der Method auch persönlich in Böhmen tätig geworden sein soll und die auf keinen Fall mit den historischen Gegebenheiten des 9. Jhdts übereinstimmen kann. [310]

 

 

1.4.2. Aktivitäten Methods bei den Wislanen?

 

Die Theorie, daß Method bzw. seine Schüler bei den Wislanen, einem südpolnischen Stamm an der oberen Weichsel, [311] gewirkt hätten, basiert im wesentlichen auf dem ! 1. Kapitel der Methodvita. [312] Dort wird berichtet, daß "въ Вислѣ(х)" ein mächtiger heidnischer Fürst saß, der die Christen unterdrückte; die Ortsangabe wird meist übersetzt als "an der Weichsel" oder "in Wiślica". [313]

 

 

304. So Naegle 1915, S.214 ff.; Wostry 1953, S.243 ff.; Graus 1967; 1983, S.172.

 

305. Christian 2, Ed. Ludvíkovský 1978, S. 16-24; zur Frage einer unter Bořivoj bereits erfolgten Einigung Böhmens s. Eggers 1995, S.280 ff.

 

306. Vgl. Prinz 1973.

 

307. Methodvita 17, Ed. Grivec/Tomšič 1960, S.165.

 

308. Vgl. dazu auch Eggers 1995, S.286 ff.

 

309. Cosmas I.10, Ed. Bretholz 1955, S.22; Christian 1.2, Ed. Ludvíkovský 1978, S.14-16, 18-22; Tempore Michaelis Imperatoris 14, Ed. Emler/Perwolf 1873, S. 106/107.

 

310. Diffundente sole 3, Ed. Emler 1873, S.193; Život jv. Crha a Strachoty, Ed. Ludvíkovský 1958, S.363; Offizium Adest dies gloriosa, Ed. Dudík 1879, S.241; zur Legender-Entwicklung v.a. Graus 1966; s.a. Kap. 2.4.5.

 

311. Vgl. v.a. Myšliński 1968; Dąbrowska 1970; s.a. Vincenz 1983, S.644.

 

312. Methodvita 11, Ed. Grivec/Tomšič 1960, S.161.

 

 

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Method ließ den Fürsten ermahnen, sich freiwillig im eigenen Lande taufen zu lassen, auf daß er nicht gefangen und in der Fremde getauft werde; die Vita schließt: Und so geschah es auch."

 

Diese Erzählung wird ergänzt durch den Bericht der Chronik des Boguchval (13. Jhdt.) über ein Fürstentum in Wiślica unter Fürst "Wislaus" sowie durch die russische Nestorchronik (11. Jhdt.), welche angeblich Ljachen (Südpolen) und Poljanen unter die von Method missionierten Völker rechnet. [314]

 

Auf dieser recht dürftigen Quellenbasis wurden verschiedene Varianten der Missionstheorie aufgebaut. So soll Method persönlich nach der (nicht zu beweisenden [315]) Eroberung Südpolens durch Sventopulk. die konventionell um 875/78 angesetzt wird, die Wislanen bekehrt haben; vertreten wird aber auch eine von der Expansion Moravias unabhängige Mission Methods. [316] Wieder eine andere Schule geht davon aus, daß Bischof Wiching von Nitra die Wislanen christianisiert habe; die im Brief der bairischen Bischöfe vom Jahre 900 erwähnte "neophyta gens", welche Sventopulk unterworfen habe und bei der Wiching als Bischof eingesetzt worden sei, wären eben die Wislanen gewesen. [317] T. Lehr-Splawiński, der immerhin die einstige Existenz einer slawischen Liturgie in Polen ablehnt, begründet das Fehlen irgendwelcher Spuren dieser Praxis damit, daß Wiching als Haupt der anti-slawischen Kirchenpartei Moravias in Südpolen nur die lateinische Liturgie verwendet habe. Schließlich wurde auch behauptet, daß Methods Schüler Gorazd nach seiner Vertreibung aus Moravia (885) an der Weichsel gewirkt und hier 899/900 ein Bistum errichtet habe. [318]

 

Doch blieben diese recht gewagten Hypothesen nicht ohne Widerspruch. So machte E. Dąbrowska darauf aufmerksam, daß der Brief der bairischen Bischöfe als Zeugnis für eine Wislanenmission unbrauchbar sei; der Verf. hat an anderer Stelle dargelegt, daß es sich bei der "neophyta gens" um einen "restawarisch"-bulgarischen Stamm in der Region von Nitra gehandelt hat. [319] W. Swoboda bezweifelte, ob in der kurzen Zeit zwischen der Eroberung Südpolens (um 875) und dem Ende Methods (885) wirklich eine Christianisierung des wislanischen Stammes möglich gewesen sei. Er nimmt an, daß sich der Ausdruck "Und so geschah es auch" in der Methodvita nur auf die Bekehrung des gefangenen Stammesfürsten in der Fremde beziehen soll, was tatsächlich erhärtet werden kann. Auch A. de Vincenz kam zu einem ähnlichen Schluß und betonte, daß weder die Methodvita noch andere Quellen irgendeinen Hinweis auf tatsächliche Aktivitäten Methods an der oberen Weichsel gäben. [320]

 

 

313. So z.B. Lanckorońska 1961, S.10 Anm.2: Stender-Petersen 1964, S.444; Hensel 1967, S. 19: Bujnoch 1972, S.94, 184 ff.; Vincenz 1983, S.642; Birnbaum 1993, S.17. Kronsteiner 1989, S.111 sieht hier "eine Burg/Stadt in Zachlumien", also an der südlichen Adriaküste, als gemeint an; s.a. Boba 1973 b.

 

314. Kronika Boguchwala, Ed MPH 2 (1872), S.510 ff.; Nestorchronik ad a. 898. Ed. Tschižewskij 1969, S.25; dazu Lanckorońska 1954, S. 14/15; Lowmiański 1971, S.9 ff.

 

315. Siehe Eggers 1995, S.295.

 

316. Weidhaas 1937, S.190; Vlasto 1970, S.136; Lowmiański 1971, S.5/6; Dittrich 1962, S.205.

 

317. Die Briefstelle in MMFH 3 (1969), S.237; dazu Widajewicz 1948; Bulin 1962, S.95 ff.: zur Frage eines Fälschungscharakters des Briefes s. Kap. 1.2.2.

 

318. Lehr-Splawiriński 1968, S.89/90 bzw. Lanckorońska 1961, S.17 ff., 28/29.

 

319. Dąbrowska 1970, S.181; Eggers 1995, S. 161/162, 293/294.

 

320. Swoboda 1979, S.414/415; Vincenz 1983, S.147/648; ähnlich auch Dąbrowska 1970, S.180; Urbanczyk 1988 und 1988 b; Labuda 1988, S.40 ff. Der Wislanenfürst wurde wahrscheinlich von Sventopulk nach Zachlumien (an der südlichen Adria) deportiert und später dort als Vasallenfürst eingesetzt, S. Eggers 1995, S.221 ff.

 

 

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1.5. METHODS ERZBISTUM BIS ZU SEINEM TODE 885

 

 

1.5.1. Umorganisation und Residenzwechsel 879/80?

 

Noch im Juni/Juli 879 wurde Method von Papst Johannes VIII. als "reverentissimo archiepiscopo Pannoniensis ecclesiae" tituliert; in der an Sventopulk gerichteten Bulle Industriae tuae vom Juni 880 spricht derselbe Papst von Method als dem "reverentissimus archiepiscopus sanctae ecclesiae Marabensis", und bis zum Tode Methods wurde der Begriff "Pannonien” in seiner Amtsbezeichnung von päpstlicher Seite nicht mehr aufgenommen. [321] Wie ist dieser Wechsel der Titulatur zu erklären?

 

Bisher deutete man ihn fast immer als einen Verzicht des Papsttums auf seine früheren Pläne in "Pannonien”, hier im Sinne von Transdanubien (Westungarn). Man habe auf eine Verkleinerung vor Methods Erzdiözese zu schließen, die fortan nur noch "Großmähren" umfaßt habe, das mit dem Adjektiv "Marabensis" der Bulle apostrophiert werde. [322]

 

Bisweilen wurde jedoch auch die Ansicht vertreten, daß mit besagtem Adjektiv eine Stadt "Morava" gemeint sei, die 880 als Residenz Methods neu bestimmt bzw. bestätigt worden sei. (L Boba identifiziert, wie erinnerlich. "Morava" mit Sirmium. [323]) Dieser Ansicht soll im Prinzip auch hier beigepflichtet werden; die "sancta ecclesia Marabensis" ist zu vergleichen mit der "sancta ecclesia Nitrensis", der Bischofsresidenz von Methods Suffragan Wiching in Nitra, die in derselben Bulle genannt wird. Es handelt sich also nicht um eine Landes-, sondern um eine Ortsbezeichnung; sie spricht wohl jenen Ort "Morava" (oder ähnlich) an, welcher vom Verf. als Hauptstadt Moravias postuliert, aber nicht in Sirmium, sondern in Marosvir/Csanád lokalisiert wurde. [324]

 

Unter dieser Annahme, aber auch unter Berücksichtigung des im Frühmittelalter weiter gefaßten, auch das Alföld (Große Ungarische Tiefebene) erschließenden "Pannonien"-Begriffes, erklären sich einige Formulierungen in den Viten der Methodschüler, die sonst rätselhaft bleiben müßten.

 

So bezeichnet die Klemensvita Method nicht nur geradezu als Bischof von "Morava in (wörtlich: "von") Pannonien" ("Μοράβου τῆς Πανονίας") wie auch als Inhaber des Bischofsamtes von Pannonien; sie bringt ebenso eine weitere Verbindung beider Begriffe mit den Worten "Methodius, der die Provinz Pannonien zierte, als er Erzbischof von Morava geworden war" ("Μεθόδιος ὄς την Πανόνων ἐπαρχίαν ἐχόομησεν, ἐρχιεπίσκοπος Μοράβου γενόμενος "). [325]

 

Ganz ähnlich drückt sich die jüngere altkirchenslawische Naumvita aus, welche Method als "Erzbischof für Morava und ganz Pannonien" ("архıепископ Моравоу и всѣ Панонıе") bezeichnet;

 

 

321. MG Epp. VII. Ed. Kehr 1928, Epp. Johannis VII papae. Nr.201, 255 (S. 160, 222).

 

322. So etwa Véczy 1942, S.47; Dittrih 1962, S.198 ff.; Duthilleul 1963, S. 152/153; Matzke 1966, S.261/262; Bílková 1967, S.328; Vlasto 1970, S.66/67; Havlík 1976 b, S.58/59; Dopsch 1981, S. 189; 1986 b, S.26/27; Wolfram 1986, S.253 und 1987, S.296/297; Charouz 1987; Birnbaum 1993, S.18.

 

323. So außer Boba 1990 auch Kronsteiner 1982, S.38; 1989, S. 17, 117/118; Lunt 1995, S.145 ff.; s.a. Havlík 1989, S. 13 Anm.63. Robenek 1927/28 versetzte "Morava" nach Esztergom, Beneš 1959 nach Zlaté Moravce in der Westslowakei.

 

324. Vgl. Eggers 1995, S.148 ff.; dieselbe Argumentation bei Schelesniker 1989, jedoch ohne Lokalisierung der Stadt "Morava".

 

325. Klemensvita III.10, IV. 14, II.4, Ed. Milev 1966, S.82, 86, 78; zum hier verwendeten partitiven Genitiv Vgl. Schelesniker 1989, S.183.

 

 

61

 

auch kennt sie die "Stadt Morava in Pannonien" ("въ Панониоу, въ град Моравоу"). [326]

 

Eine Verschreibung aus "Panonia", vielleicht beeinflußt durch die Verwendung des Ausdrucks "Kanaan" für die slawischen Länder im frühmittelalterlichen Hebräisch, liegt hingegen vor, wenn die Prologviten des Kyrill und des Method "Kaon" oder "Kanaon" als Residenz Methods nennen. [327]

 

Schließlich weiß auch die russische Nestorchronik daß Method einerseits in "Morava" ("въ Моравѣ") verblieb, andererseits zum "Bischof von Pannonien" ("въ Пан(он)ии") auf dem Stuhl des hl. Andronikos eingesetzt wurde und damit letztlich in der Nachfolge des Apostels Paulus im "Illyricum" ("Илюрикъ") wirkte. [328] Eine spätere Textredaktion von 1512 mißverstand dies so, daß Method Bischof "in Spanien, in der Stadt Morava, welche im Illyricum liegt", gewesen sei. [329]

 

Wo also auch immer vor 879/80 Methods Residenz gelegen haben mag, ob er ohne festen Sitz war, in Sirmium residierte oder bereits in der Hauptstadt Moravias: Der Name seiner (neuen?) Metropole ersetzte 879/80 denjenigen der von ihm de iure beanspruchten spätantiken Diözese, ohne daß sich das von ihm verwaltete Gebiet damals de facto verkleinerte; es blieb vielmehr im gleichen Umfang erhalten, territorial identisch mit dem Machtbereich Sventopulks. Diese Identität erweist sich nicht zuletzt aus der Bezeichnung Methods als "vester archiepiscopus" in einem Brief, den Papst Johannes VIII, 879 an Sventopulk richtete. [330]

 

Ein nunmehr auch juristischer Verzicht auf das ostfränkische "Pannonien", wie er manchmal vermutet wurde, wird kaum hinter der Titulaturänderung Methods stecken. Ein solcher Verzicht hatte ja offensichtlich schon 873 stattgefunden, als Method im Gegenzug zu seiner Freilassung das Salzburger Missionsgebiet aufgab, ohne deswegen schon damals den Titel eines "Erzbischofs von Pannonien" fallenzulassen.

 

Der Schlüssel zur Lösung der Frage ist wohl die sogenannte "ökumenische Synode", welche unter Vorsitz des byzantinischen Patriarchen Photios vom Nov. 879 bis März 880 in Konstantinopel tagte. [331] Dieser Zeitraum fällt genau zwischen die beiden päpstlichen Schreiben, welche den Titulaturwechsel dokumentieren (vom Juni/Juli 879 bzw. vom Juni 880). Die Synode ermöglichte eine Versöhnung zwischen dem Papsttum und dem zeitweilig abgesetzten, nunmehr rehabilitierten Patriarchen Photios; sie führte aber auch eine Einigung über verschiedene organisatorische Fragen zwischen Rom und Byzanz herbei. So wurde der Status der bulgarischen Reichskirche (die Rom als Erzbistum unterstellt wurde) geklärt, [332] gleichzeitig die Besetzung des Erzbistums Spalato/Split einvernehmlich geregelt.

 

So ist es mehr als wahrscheinlich, daß der Verzicht auf die Nennung "Pannoniens" im Titel Methods eine Konsequenz aus der damals vertretenen kirchenpolitischen Konzeption Roms war - es mußten keine weiteren Ansprüche auf ehemals römischem Reichsboden mehr dokumentiert werden. Dieser Verzicht eines Rekurses auf spätantike Verhältnisse fügt sich ein in den Trend zu slawischen "Reichskirchen", die der Verwaltung Roms direkt unterstellt wurden wie das bulgarische Erzbistum oder das kroatische "Nationalbistum":

 

 

326. II. Žitije Nauma. Ed. Lavrov 1930, S. 183.

 

327. Ed. Lavrov 1930, S. 102/103; dazu Jakobson 1964; s.a. Weingart 1933, S. 347/348 ; Grivec 1941, S.26/27.

 

328. Nestorchronik ad a. 898, Ed. Tschižewskij 1969, S.27; dtsch. Übs. Trautmann 1931, S. 16; zu "Panii" Gerhardi 1954, S.125 Anm.25; Müller 1977, 2, S.79-81 ; s. zu dieser Stelle auch Aitzetmüller 1990!

 

329. Ed. Lavrov 1930, S. 173.

 

330. MG Epp. VII, Ed. Kehr 1928. Epp. Johannis VIII papae. Nr.200 (S.160).

 

331. Vgl. Dvornik 1948; Haugh 1975, S.123 ff.

 

332. Vgl. Dujčev 1968; Dopmann 1989.

 

 

62

 

Method wurde 879/80 Erzbischof einer "Reichskirche“ für die seit 870 entstandenen Großreichsbildung unter Sventopulk. [333]

 

 

1.5.2. Weitere Hinweise auf die Lage von Methods Erzbistum

 

Während die Konstantinsvita keine verwertbaren Hinweise auf die Lage Moravias bringt, bietet die Methodvita deren zwei, die bisher noch nicht zur Sprache kamen. Zum einen berichtet sie nämlich davon, daß Method während seines Aufenthaltes in Moravia "von plötzlichen Wasserhosen auf Flüssen” bedroht wurde, [334] wie H.G. Lunt durch die entsprechende Emendation einer bisher nichtssagenden Passage erweisen konnte. Derartige Naturphänomene sind aber nur in der weiten, flachen, dem Wind ungeschützt ausgesetzten Ungarischen Tiefebene mit den großen Wasserflächen der Donau, Drau und unteren Theiß sowie den zahlreichen stehenden Gewässern der Rußten zu beobachten, dagegen aus Mähren bisher nicht vermeldet. [335] Zum anderen erwähnt die Methodvita einen "Weg nach Moravia" ("поути ... Моравьскааго”), welchen die Brüder bei ihrem Aufbruch zu Rastislav 862 einschlugen. [336] Diesen Ausdruck bezog man bisher auf die große Heerstraße von Konstantinopel nach Belgrad oder auf die Straße von Thessalonike nach Sirmium; beides würde auf die Region der unteren Theiß als Zielgebiet hinweisen. [337]

 

In den Bereich der oben bereits angesprochenen Naturphänomene Fällt auch das in der Klemensvita geschilderte Erdbeben, das den eingekerkerten Methodschülern die Flucht ermöglichte und auf dessen Bedeutung für die Lokalisierung Moravias O. Kronsteiner hingewiesen hat; solche Erdbeben seien "in Sirmium häufig, nicht aber in den Marchauen." [338]

 

In der Klemensvita, aber auch in der jüngeren Naumvita Finden sich aufschlußreiche Schilderungen des Fluchtweges, welchen die Methodschüler Klemens, Naum und Angelar anschließend nahmen. Er führte sie zunächst auf einer beschwerlichen Strecke zu Land von der Hauptstadt Moravias an die Donau, wobei sie unterwegs ein Kind heilten, dessen Vater fortan als Führer diente; anschließend stiegen sie auf ein selbstgebautes Floß und erreichten nach einer Fahrt von nur zwei (!) Tagen flußabwärts Belgrad, wo sie der bulgarische Statthalter "Boritakanos" aufnahm. [339] Das deutet darauf hin, daß Methods Residenz, spätestens seit 879/80 identisch mit der Hauptstadt Moravias, sich in nur geringer Entfernung donauaufwärts von Belgrad befunden haben kann, also offensichtlich im Raum der Ungarischen Tiefebene und nicht im Marchbecken; von dort hätte eine Floßfahrt nach Belgrad erheblich länger als zwei Tage gedauert, da beispielsweise für

 

 

333. Zur damaligen Politik Roms ausführlich Alexander 1941; zum Verhältnis gegenüber Sventopulk Havlík 1965.

 

334. Methodvita 14. Ed. Grivec/Tomšič 1960, S.163/164.

 

335. Vgl. Lunt 1968 und 1995, S.147.

 

336. Methodvita 5. Ed. Grivec/Tomšič 1960, S.155.

 

337. Vgl. Jireček 1877, S.75; Dvornik 1933, S.240.

 

338. Klemensvita XII. 36, 37, Ed. Milev 1966, S. 111/112; (auch in der griech. Naumsvita, Ed. Trapp 1974, S.174); dazu Kronsteiner 1986, S.258.

 

339. Klemensvita XVI. 47, Ed. Milev 1966, S.120; II. Žitije Nauma, Ed. Lavrov 1930, S. 183/184; griech. Naumsvita. Ed. Trapp 1974, S. 174/176; dazu Kusseff 1948/49 und 1950/51; Duthilleul 1963, S 173 mit Anm. I; Eldarov 1964, S.141; Hannick 1978, S.312 Anm.l71; Hauptová 1986; Egger, 1995, S.68.

 

 

63

 

die Strecke Sirmium-Belgrad im Mittelalter eine Reisedauer von zwei Tagen veranschlagt wurde. [340]

 

In der Diskussion um die Lokalisierung Moravias haben vor kurzem Quellen neuerlich besondere Beachtung gefunden, die vermelden, daß Method "Archiepiskopa вышнѧѩ Моравы" gewesen sei, [341] nämlich die Prologvita der hll. Kyrill und Method, überliefert in einer serbischen Handschrift des 13./14. Jhdts. und einer bulgarischen des 14. Jhdts. [342] sowie das altkirchenslawische "Evangeliarium Assemanii" im gleichnamigen Codex umstrittener Zeitstellung. [343] Der Ausdruck "Вышнѧı-a Морава" (im Nominativ) wurde dabei übersetzt als "oberes, älteres, nördliches Moravia (bzw. Mähren)" und ein im Bewußtsein des Schreibers vorhandener Gegensatz zu einem "unteren Moravia (bzw. Mähren)" daraus erschlossen. [344] Selbst wenn man sich dieser Übersetzung anschließen möchte, würde dies noch keine Zweiteilung Großmährens" zwingend implizieren, wie sie verschiedentlich vertreten wurde; [345] denn Nitra, das für ein "unteres Mahren" in Anspruch genommen wurde, lag ja gleichfalls in der Erzdiözese Methods. Ebenso vertretbar wäre ein Gegensatz zwischen dem "oberen (untergegangenen) Moravia" im Süden und dem "unteren (zur Zeit des Schreibers allein bestehenden) Moravia" im Norden aus dem Blickwinkel des Schreibers. [346] Doch ist auch eine andere Übersetzung vorgeschlagen worden, nämlich "bekanntes, berühmtes Moravia", [347] womit jede konkrete Interpretationsmöglichkeit dieser Textstelle hinfällig würde.

 

Die Lobpreisung Kyrills und Methods nennt als Wirkungsgebiet der beiden "Slawenlehrer" jedenfalls, noch eher allgemein gehalten, die "westlichen Länder" ("въ западьнихъ же странахъ") und paraphrasiert sodann mit den Landesbezeichnungen "pannonisch und moravisch" ("въ паноньстѣхъ и моравьскахъ странахъ"). [348] Alle 17 erhaltenen Abschriften dieser angeblich noch im 9. Jhdt. entstandenen Quelle stammen aus Rußland (was für die Wertung der oben zitierten Richtungsangabe von Bedeutung ist), die älteste datiert aus dem 12. Jhdt. [349]

 

Auch das in zwei bulgarischen Handschriften des 13. Jhdts, erhaltene Offizium des Method, welches noch aus dem 9./10. Jhdt. stammen soll, [350] setzt die Begriffe "pannonische Kirche" ("цр(ь)к(ъ) паноньскѫѫ”) und "moravisches Land" ("земѣ моравскаа") gleichwertig für das von Method verwaltete Amtsgebiel ein. Er und sein Bruder Kyrill sollen dieser Quelle zufolge in "Moesien, Pannonien und Moravia" gewirkt haben, [351]

 

 

340. So Konst. Porph, DAI 40. Ed. Moravcsik/Jenkins 1949, S.176/177. Kronsteiner 1993, S.120 ff. läßt die Fahrt von Sirmium ausgehen. Eine Apologie der "traditionellen" Interpretation, also Fahrtbeginn in Mähren, bei Birkfellner 1991, S.35/36.

 

341. Proložnoje žitije Konstantina i Mefodija, Ed. Lavrov 1930, S.100.

 

342. Jakobson 1954, S.62 ff.; MMFH 2 (1967), S.164; Salajka 1969, S.27/28.

 

343. Laut Birkfellner 1991 ein "Uraltdenkmar", nach Lunt 1995, S.145 hingegen auf jeden Fall später als 1050 za datieren.

 

344. Birkfellner 1991, S.36/37; s.a. Kat. Reinhart 1990, S.260; Schaeken 1993, S.328/329.

 

345. So etwa von Jakobson 1954, S.63; Havlík 1991 trennt hier zwischen einem "pannonischen Mähren Methods" und einem "großen Mähren Klemens’ von Ohrid"!

 

346. Vgl dazu Kronsteiner 1993, S.122 ff.; Lunt 1995, S. 145; Eggers 1995, S.142 Kronsteiner 1993, S. 125.

 

347. Pochvalnoje slovo Kirillu i Mefodiju, Ed. Lavrov 1930, S.84; zur Lobpreisung allg. Nankov 1962.

 

348. Vgl. Grivec 1947; MMFH 2 (1967), S. 167/168; Salajka 1969. S,26/27 Kostić 1937/38; Salajka 1969, S.28/29.

 

349. Služba Mefodija, 14, 18, 28, Ed. Lavrov 1930, S. 124-126.

 

 

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während die jüngere Naumsvita in diesem Zusammenhang vom "moesischen und dalmatischen Volk" spricht. [352]

 

Eine ganz andere Traditionskette ist angesprochen mit der Behauptung, Methods Residenz habe sich an einem Ort namens "Velehrad" o.ä. befunden. Diese Auffassung findet sich zum ersten Mal, noch unklar, in der Reimchronik des "Dalimil", dann zunehmend expliziter auch in der Chronik des Pulkava und weiteren Chroniken und Annalenwerken wie der Historia Bohemica des Aeneas Sylvias oder der Historia Polonica des Jan Diugosz, schließlich in Legenden und Offizien seit der Zeit Karls IV. wie Quemadmodum, der Wenzelslegende Karls IV. oder Adest dies gloriosa. [353] Entstehungs- und Wirkungsgeschichte dieses eher beiläufig entstandenen Mythos einer so benannten Metropole Methođs hat Verf. bereits an anderer Stelle untersucht und erwiesen, daß besagtes Toponym bei der Suche nach dem Amtsgebiet Methods getrost außer acht gelassen werden kann. [354]

 

 

1.5.3. Das Problem der Suffragane Methods

 

Im ersten Jahrzehnt der Amtszeit Methods ist kein Suffraganbischof in seiner Erzdiözese bezeugt. Das änderte sich erst im Juni 880, als gleichzeitig mit der Statusveränderung Methods ein ihm unterstellter Bischof, der Alemanne Wiching, mit Residenz in Nitra erwähnt wird. [355] (Nitra lag außerhalb des eigentlichen Moravia, in einem bislang heidnischen Gebiet, das erst von Sventopulk erobert worden war. [356])

 

In seiner Bulle bekundete Johannes VIII. den Willen, wie im Präzedenzfalle Wichings noch einen weiteren "utilem presbyterem vel diaconum“ zum Bischof weihen zu lassen an einer Kirche, "in qua episcopalem curam noveris esse necessariam." Aus dieser Äußerung hat J. Pekař die tatsächlich vollzogene Einrichtung eines weiteren Bistums noch im Jahre 880 herauslesen wollen. [357]

 

Durch die Installierung eines weiteren Suffraganbistums wäre die Erzdiözese Methods nach dem Kirchenrecht in den Rang einer Metropolie erhoben worden; daraus hätte sich für Method die Befugnis ergeben, selbständig weitere Bistümer zu gründen, Bischöfe zu weihen und Provinzialsynoden abzuhalten. [358] Die beiden ersten Punkte deutet denn auch die Bulle an mit den Worten "ul cum his duobus a nobis ordinatis episcopis praefatus archiepiscopus vester (i.e. Method) iuxta decretum apostoli cum per alia loca, in quibus episcopi honorifice debent et possuni existere, postmodum valeat ordinare."

 

 

352. II. Žitije Nauma, Ed. Lavrov 1930, S. 182/183; s.a. griech. Naumsvita (Ed. Trapp 1974, S. 176), die außer Morava auch “Dakien, Moesien, Pannonien, die Tribal;er und das Illyricum" als Wirkungsgebiet Methods und seiner Schüler Klemens und Naum nennt.

 

353. Dalimil 23. Ed. Havránek 1957, S.50; Pulkava, Ed. Emler/Gebauer 1893, S. 16/17; Aeneas Sylvius, Historia Bohemica, Ed. MMFH I (1966), S.323; Jan Dlugosz, Historia Polonica, Ed. MMFH 1 (1966), S.325; Quemadmodum, Ed. Dudík 1879, S.343 ff.; Wenzelslegende Karls IV., Ed. Blaschka 1934, S.64; Adest dies gloriosa, Ed. Dudík 1879, S.341 ff.

 

354. Vgl. Schelesniker 1989, S. 183/184; Eggers 1995, S.372 ff.; eine Entwicklungsgeschichte in der "traditionellen" Sichtweise bei Veselý 1982 b und Birnbaum 1993, S. 12.

 

355. MG Epp. VII. Ed. Kehr 1928, Epp. Johannis VIII papae, Nr.255 (S.222-224); zur Person Wichings Hermann 1965, S.209 ff.; Oswald 1967; Kop 1971, S.209 ff., 223 ff.; Schütz 1977; Marsina 1993.

 

356. Vgl. Eggers 1995, S.161; Boba 1991, S. 133/134 möchte Nitra nach Serbien verlegen!

 

357. Pekař 1906, S. 181. Boba 1985, S.67 rechnet 880 sogar mit der Ernennung mehrerer Bischöfe.

 

358. Zur Stellung eines Metropoliten allg. LThK 7 (1962), Sp.373-375; im gegebenen Kontext Polách 1948, S.303/304; Kop 1971, S.216 ff.; Kadlec 1976, S.63/64.

 

 

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Aber fand die angesprochene Weihe eines oder mehrerer Bischöfe tatsächlich bis zum Ende von Methods Amtszeit statt? Oder gab es vor 880 bereits einen anderen Suffragan als Wiching? In den Akten der bereits erwähnten "ökumenischen Synode" von Konstantinopel 879/80 taucht rätselhafterweise ein "Agathon von Morava" ("Αγαθών Μοράβον") auf; ohne nähere Kennzeichnung seines Würdengrades ist er in der Liste der Synodalteilnehmer eingetragen zwischen den Metropoliten von Athen und Naupaktos einerseits, demjenigen von Dyrrhachion andererseits. [359]

 

In diesem Agathon hat man verschiedentlich den Bischof eines südslawischen Bistums im Tal der südslawischen Morava sehen wollen; F. Dvornik scheint ihn als byzantinischen Reichsbischof zu betrachten, L. Havlík hingegen als zum Verband der jungen bulgarischen Reichskirche gehörig, wenn auch letztlich unter der Oberhoheit des Patriarchen von Konstantinopel. [360]

 

Doch erscheint fast zeitgleich noch ein weiterer geistlicher Würdenträger aus Byzanz mit dem Namen Agathon. Nach den Fuldaer Annalen leitete ein "Agathon archiepiscopus" die byzantinische Gesandtschaft, welche im Nov. 873 am ostfränkischen Hof erschien, offenbar auch in der Angelegenheit des Method-Konfliktes. [361] Wegen der Seltenheit des Namens "Agathon", aber auch wegen der angeblichen Ranggleichheit beider Kleriker (der Agathon von 879 ist ja zwischen Erzbischöfen eingetragen) nahm E. Honigmann eine Identität beider Personen an. Zudem argumentierte er, der serbische Ort Morava sei zwar im 10./11. Jhdt. noch ein Bistum gewesen, niemals aber ein Erzbistum; deswegen könne im "Morava" von 879 nur das "großmährische" Erzbistum und in Agathon nur ein Rivale Methođs gesehen werden. Agathon sei von dem mit Photios (858868, 877-886) rivalisierenden byzantinischen Patriarchen Ignatios (847-858, 868-877) als Gegenkandidat Methods aufgestellt und während dessen Haft zum Erzbischof geweiht worden. [362]

 

Diese interessante Hypothese hat jedoch einige Schwächen und ist von der Kritik widerlegt worden. [363] Jedoch auch der von F. Dvornik gemachte Gegenvorschlag, den Agathon von 879 als Bischof eines Ortes "Moravia (sic!), a small city at the confluence of the rivers Morava and Danube" zu betrachten, ist in seiner Argumentation nicht überzeugend: Das serbische Morava kann nicht, wie Dvornik annimmt, unter die Bistumsgründungen des Kaisers Basilios I. fallen, da das betreffende Gebiet während des 9. Jhdts. zu keiner Zeit in byzantinischem Besitz war. [364]

 

Es soll daher ein anderer Lösungsvorschlag gemacht werden, der davon ausgeht, daß die beiden Personen von 873 und 879 nicht identisch sind. Der Erzbischof Agathon von 873 wäre dann unter anderen geistlichen Vertretern dieses Namens aus dem byzantinischen Bereich zu suchen; in Frage kämen etwa zwei gleichnamige Erzbischöfe von Jerusalem und Alexandria. [365] Betreffs der Synode von 879/80 hat hingegen Honigmann selbst die Beobachtung gemacht, daß sich dessen Akten in größter Unordnung befinden, was die Identifizierung gewisser Bischöfe und ihrer Residenzen sehr schwierig gestaltet. Der Agathon von 879 könnte also im Grunde auch ein Bischof sein, der in die falsche

 

 

359. Mansi, Collectio Conciliorum XVII (1772), Sp.373.

 

360. Dvornik 1926, S.234; Havlík 1964, S.47 Anm.58; ähnlich auch Hannick 1978, S.300. In Braničevo lokalisieren Agathon: Jireček 1911, S. 181/182; Dölger 1953, S.350/351; Ratkoš 1985, S.203; Birnbaum 1993 b, S.337; als byzantinischen Metropoliten in der Nähe von Dyrrhachion Kuzev 1988.

 

361. Ann. Fuld. ad a. 873, Ed. Kurze 1891, S.81; zum Vorgang auch Löwe 1983, S.666/667.

 

362. Honigmann 1945, S. 163 ff.; seine These übernommen bei Zagiba 1961, S.123/124; Onasch 1963, Sp.651; Gamber 1980, S.34.

 

363. Dittrich 1962, S.243/244; Dvornik 1970, S.157 ff.; Vlasto 1970, S.342/343; Hannick 1978, S.299/300.

 

364. Dvornik 1964 b, S. 102/103; 1970, S. 158; dazu Hannick 1978, S.300; Löwe 1983, S.662.

 

365. Vgl. Honigmann 1945, S.180 mit Anm.72.

 

 

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Spane unter Erzbischöfe und Metropoliten geriet, so wie mindestens noch ein weiterer Bischof, nämlich jener von Ilion. [366]

 

In diesem Bischof von "Morava" des Jahres 879 wäre dann eventuell ein Suffragan Methods zu sehen, der ja selbst erst seit Juni 880 "Morava" statt "Pannonien" im Titel führte. Agathon wäre somit bis zu diesem Datum für die Diözese "Morava" als Teil der "pannonischen" Erzdiözese zuständig gewesen.

 

Schließlich könnte man, da das griechische "αγαθος" ("tüchtig, gut, edel, trefflich") fast dieselbe Bedeutung trägt wie das slawische "gorázdъ" ("tüchtig, gut, erfahren, geschickt"), [367] in der Eintragung von 879 die gräzisierte Namensform des Methodschülers Gorazd erblicken. Immerhin wurde dieser 885 von Method als Amtsnachfolger designiert (und nicht etwa Wiching von Nitra), was eine vorherige Tätigkeit Gorazds als Bischof im Verband der "pannonischen" Erzdiözese zwar nicht zwingend notwendig, aber doch wahrscheinlich macht. Auch sei an Methods ausdrückliche Feststellung erinnert, daß Gorazd aus Moravia gebürtig sei. [368] Selbstverständlich kann diese Gleichung nur als eine Hypothese vorgebracht werden, da ja selbst so immer noch die Frage offenbliebe, wie ein reichsfremder Bischof in den Synodalakten von 879/80 unter byzantinische Metropoliten geraten konnte; die Möglichkeit eines außerhalb Moravias gelegenen Bischofsitzes mit dem Namen "Morava" ist letztlich nicht auszuschließen und für spätere Zeit sogar nachzuweisen. [369]

 

Strittig ist in der Forschung auch die Frage, wieviele Suffragane Method überhaupt unter sich hatte, da weder aus den Papstbriefen jener Zeit noch aus den Viten Methods oder seiner Schüler entsprechende Daten zu gewinnen sind. Kaum brauchbar ist wohl die in der mittelalterlichen böhmischen Legendentradition genannte Zahl von sieben Suffraganen, die des öfteren angeführt wird. Sie geht wahrscheinlich auf ein Mißverstehen des Begriffes der "Sedmočisienici", der "sieben Slaweniehrer", als einer Bezeichnung der Suffragane Methods zurück. [370] Es bleibt allerdings anzumerken, daß die spätantike Diözese "West-Illyricum" mit Zentrum in Sirmium genau sieben Provinzen umfaßte. Unlogisch ist jedenfalls der Rückschluß, den J. Kadlec aus den Verhältnissen des Jahres 900 in Moravia (ein Erzbistum, drei Bistümer) für die Zeiten Methods ziehen will; [371] schließlich hatten sich die politischen wie kirchlichen Verhältnisse in der Zwischenzeit erheblich gewandelt.

 

Wo aber könnten weitere Sufragane Methods außer in Nitra (und eventuell bis 880 in Morava) eingesetzt worden sein? Zu Recht denkt hier I. Boba in erster Linie an das bosnisch-slawonische Fürstentum; es wäre naheliegend, wenn Sventopulk für das "regnum" seiner Vorfahren einen eigenen Bischof von Johannes VIII, erbeten hätte. Ein bosnisches Bistum ist zwar erst später quellenmäßig belegt; doch sei an die Episode um den Bischof Radogost und die daraus zu ziehenden Schlußfolgerungen erinnert. [372]

 

 

366. Honigmann 1945, S. 166.

 

367. Vgl. W. Gcmoll. K. Vretska, Griechisch-deutsches Schul- und Handwörterbuch (München/Wien 1954), S.2 bzw. A. Stender-Petersen 1926/27 mit Belegen aus alikirchenstawischen Texten.

 

368. Methodvita 17, Ed. Grivec/Tomšič 1960, S.165; Ed. Kronsteiner 1989, S.84.

 

369. Zu einer Übersicht über die verschiedenen Orte der Region mit dem Namen "Morava" o.ä. vgl. noch Kap. 2.3.1.

 

370. Christian I, Ed. Ludvíkovský 1978, S.14; Diffundente sole I, Ed. Truhlářř 1873, S. 192: auch in Pilgrims Fälschungen sind einmal 7 Suffragane erwähnt, s. Lehr 1909, S.32. Zu den "Sedmočislenici" s. Jakobson 1954, S.55/56 mit Anm. 10

 

371. Kadlec 1976, S.66 ff.

 

372. Dazu bereits Kap. 1.3.1, und noch 2.2.1.; s.a. Boba 1985, S.67/68; 1990, S.316: 1991, passim; dagegen rechnet Božič 1968, S. 141/142 erst im 10. Jhdt. mit einer Bistumsgründune in Bosnien.

 

 

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In Serbien vermutet Đ, S. Radojičić gleich nach der Christianisierung, die er um 867/74 datiert, die Errichtung eines eigenen Bistums; allerdings nimmt er an, daß es dem Erzbistum von Spalato/Split unterstanden habe. [373] Ebenso könnte aber das serbische Bistum zunächst ein Suffragan der "pannonischen" Erzdiözese gewesen sein, wie es der Brief Johannes VIII. an Fürst Mutimir vom Mai 873 nahelegt; in diesem Falle wäre es nach dem Tode Methods oder dem Untergang Moravias unter Spalatiner Jurisdiktion gekommen, die erst für die Zeit um 925/27 aus den besagten Synodalakten belegt ist. M. Zvekanović will schließlich auch das ungarische (Erz-) Bistum Bács auf ein früheres Suffraganbistum Methods zurückführen. [374]

 

 

1.5.4. Die Grabstätte Methods

 

Während die Methodvita selbst nur ganz allgemein von der Beisetzung Methods "in der Kathedralkirche" spricht, enthält die Prologvita Konstantins und Methods, die inje einer serbischen und bulgarischen Version des 13./14. Jhdts. erhalten ist, eine präzisere Angabe über Methods Grablege: Sie befinde sich “in der Kathedrale der Stadt Morava linkerseits in der Wand hinter dem Altar der Gottesmutter" ("лежить же вь велицѣи црькви моравьстѣи о лѣвѫѩ странѫ вь стѣнѣ за олтаремь свѧтыѩ Богородицѧ"). [375]

 

J. Schütz hat verdeutlicht, daß der Begriff "velikaja cьrkьvy" (hier übersetzt als "Kathedrale“) das Äquivalent für ein byzantinisches "μεγάλη Εκκλησία" in der Bedeutung "Bischofskirche” darstellt. Der Autor der Prologvita, die nach R. Jakobson schon im 9. Jhdt. in Moravia entstanden wäre, habe die Kürze der Methodvita in dieser Angelegenheit als "Unzulänglichkeit" erkannt und deshalb die topographische Erweiterung hinzugefügt. [376]

 

Anhand dieser recht konkreten Angabe hat man versucht, das Methodgrab in einer der "großmährischen" Kirchenbauten Mährens oder der Slowakei zu orten. Zu Recht ist dabei der Versuch J. Stanislavs. ausgerechnet Nitra, den Sitz des ärgsten Antagonisten Methods, des Bischofs Wiching, als Methodgrabstätte ins Gespräch zu bringen, als völlig absurd abgetan worden. [377] Dann richteten sich entsprechende Hoffnungen auf die Kirche von Sady bei Uherské Hradište im Marchtal, "wo man im südlichen Fundamentgemäuer und in der südöstlichen Ecke des Kirchenschiffs Grüfte in der Mauer mit ganz geringfügigen Skelettresten gefunden hat." [378] (Abb. 1)

 

Doch vermochte der Ausgräber V. Hrubý die Fachwelt ebensowenig zu überzeugen wie ein konkurrierendes, ebenfalls in Mähren angesiedeltes "Methodgrab". Denn auch in Mikulčice, das man wegen der zahlreichen ausgegrabenen Kirchenbauten als "kirchliches Zentrum Großmährens" apostrophierte, erlebte man eine herbe Enttäuschung; in der mit drei Längsschiffen größten und daher als "Basilika" bezeichneten Kirche lag an dem von der Prologvita angegebenen Platz nur das Skelett einer Frau. [379] (Abb. 2)

 

 

373. Radojičić 1957, S.271/272.

 

374. Zvekanović 1968.

 

375. Proložnoje žitije Konstantina i Mefodija, Ed. Lavrov 1930, S. 101.

 

376. Schütz 1982, S.30 if; s.a. Jakobson 1954, S.62 ff.; Marečková 1968.

 

377. Stanislav 1940/41 und dagegen Kniesza 1942, Zagiba 1961.

 

378. Zit. nach Dopsch 1978, S.18 Anm.61; zu den Ausgrabungen vgl. die Berichte bei Hrubý 1965 und 1970 sowie Veselý 1982 b.

 

379. So der Ausgräber J. Poulík in der Sendung "Kyrill und Method, Schutzheilige Europas" in TV Bayern 3 am 3.I.82.; vgl. weiterhin Poulík 1963, 1975, 1978 und 1986 sowie Klanica mit Versuchen einer Lokalisierung des Methodgrabes in Mikulčice.

 

 

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Momentan übt die tschechische Archäologie daher in der Frage des Methodgrabes wieder jene Zurückhaltung, wie sie vor den aufsehenerregenden Grabungen der sechziger Jahre üblich war.

 

Dem gegenüber steht der Versuch I. Bobas, das Methodgrab in der Nähe Sirmiums (heute Sremska Mitrovica) zu finden; er favorisiert ein großes, von der spätrömischen Zeit bis ins Hochmittelalter benutztes Kirchengebäude auf der Südseite der Save, im Ort Mačvanska Mitrovica gegenüber dem antiken Sirmium. [380] (Abb. 3) Boba hat damit bei einigen Forschem vorsichtige Zustimmung gefunden; die Ausgräber selbst, deren erste Berichte eine solche Interpretation noch nicht ausschlossen, lehnen seine Idee jedoch inzwischen ab und datieren die betreffende Kirche ins 11/12. Jhdt. [381]

 

Mit aller Vorsicht soll daher ein weiterer Vorschlag in die Diskussion gebracht werden. Nach den Ergebnissen einer früheren Arbeit des Verf. wie auch der vorliegenden Studie wäre nämlich sowohl die Hauptstadt Moravias als auch - spätestens seit 879/80 - die Residenz Methods im frühmittelalterlichen Marosvár zu suchen, heute Csanád/Cenad an der ungarisch-rumänischen Grenze. [382]

 

Tatsächlich fanden sich in Csanád 1868 beim Bau einer neuen Pfarrkirche die Überreste einer 20 m langen, 12 bis 13 m breiten Kirche im "griechischen" Stil. [383] (Abb. 4) Ausgehend von der Überlieferung der Vita Gerhardi, daß der darin verherrlichte erste ungarische Bischof von Marosvár/Csanád, Gerhard (1030-1046). an seinem Sitz einen Kinchenbau errichtet habe, sah man sie als dessen "Bischofskirche" an.

 

Südlich des Westchores dieser Kirche fand sich ein Baptisterium aus mittelalterlichen Ziegeln, über dem eine kleine Kapelle errichtet worden war. Vor allem aber stieß man auf einen Sarkophag, auf welchem sich, abgesehen von einem eingemeißelten Kreuz byzantinischer Art, keinerlei Verzierungen oder Inschriften fanden; er glich jenen, die in Konstantinopel bis ins 14. Jhdt. für die Beisetzungen der Kaiser verwendet wurden. Dieser Sarkophag befand sich bei seiner Entdeckung innerhalb des ältesten, von den Ausgräbern in das 10./11. Jhdt. datierten Baues, und zwar in einer Gruft, die sogar prunkvoller ausgefallen war als die Grablegen der ungarischen Könige im vergleichbaren Zeit raum.

 

Die bisher vorgeschlagene Datierung von Gruft und Sarkophag ins 10. oder 11. Jhdt. läßt sich angesichts der Schlichtheit des letzteren und der weitgehenden Zerstörung des ältesten Kirchenbaues bei den Ausschachtungsarbeiten von 1868 kaum verifizieren. Doch ist bei den großzügigen Ausmaßen der Gruft und unter Berücksichtigung des byzantinischen Sarkophagtyps die bisherige Interpretation als Grablege des hl. Gerhard [384] oder gar des ungarischen Lokalfürsten Ajtony (Anf. 11. Jhdt.)385 nicht sehr überzeugend. Man möchte vielmehr an eine Persönlichkeit von überregionaler Bedeutung mit engen Beziehungen zu Byzanz denken, und hier käme vor allem Method in Frage.

 

Die örtlichen slawischen Christen könnten das Gedenken an den heiligen Ort über die Zeiten der ungarischen Landnahme hinweg bewahrt haben; um 950 ist ein rudimentäres Christentum in dieser Region zu belegen. [386]

 

 

380. Boba 1973 und in späteren Publikationen. Die in Sirmium gefundenen Gebeine sollen in den USA nach der C-14-Methođe auf ihr Alter untersucht werden, was jedoch bisher offenbar nicht geschehen ist. s. Boba 1990, S.313.

 

381. Zu den Ausgrabungen in Sirmium allg. s. Anm.67; zum Grab Popović 1975 b; dagegen Boba 1990, S.310 ff.; s.a. Birnbaum 1993, S.15.

 

382. Vgl. Eggers 1995, S. 148 ff.

 

383. Zum Grabungsbefund Henszlmann 1871; David 1974; Marghiţan 1985, S.28 ff.

 

384. So Schwicker 1861, S.45. Die Gebeine des hl. Gerhard wurden übrigens im Jahre 1400 nach Venedig überfuhrt.

 

385. So Wettel 1920, S. 107.

 

 

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Vielleicht waren auch zu Beginn des 11. Jhdts. noch Reste einer älteren Kirche sichtbar, welche den hl. Gerhard bewogen, den in seiner Vita geschilderten Kirchen(neu)bau vorzunehmen. [387] In diesen hätte er die Gruft integriert, ohne etwas von der Identität des dort Beigesetzten zu ahnen. Doch müssen diese Überlegungen leider rein hypothetisch bleiben, da - wie gesagt - alle Reste der frühmittelalterlichen Kirche Csanáds verschwunden sind.

 

 

1.6. DIE KIRCHE MORAVUS NACH 885

 

Mit dem Ableben Methods wird die Quellenlage zur Geschichte der Kirche Moravias deutlich ungünstiger; vor allem sind wesentlich weniger Papstbriefe aus der Zeit nach 885 erhalten, auch fällt die Methodvita als Quelle fort. Aus dem verbleibenden Quellenmaterial ergeben sich dennoch einige Fragenkomplexe, die im Zusammenhang mit der hier angesprochenen Problematik von Interesse sind.

 

 

1.6.1. Die Vertreibung der Methodschüler und der Zusammenbruch der Kirchenorganisation

 

Auf dem Totenbett designierte Method den bereits erwähnten Gorazd, einen seiner Schüler, als seinen Nachfolger; dabei sagte er, offenbar als Empfehlung: "Dieser ist ein freier Mann eures Landes." [388] Der Satz legt es nahe, den Namen "Gorazd" auf sein Vorkommen in der slawischen Welt zu untersuchen. J. Stanislav reklamierte Gorazd als einen Adligen aus der Region um Nitra für die Slowaken und verwies dabei auf westslowakische Toponyme des Typs "Gorazda": ihm zufolge sei der in den Quellen namenlos bleibende Erzbischof Moravias, der 899 geweiht wurde, eben Gorazd gewesen. [389] Doch ist der Name auch im Ost- und Südslawischen gebräuchlich, darunter nicht zuletzt im Serbokroatischen, das ebenfalls Toponyme der Art "Goražde" kennt; [390] schließlich ist der Name auch im karantanischen Fürstenhaus nachweisbar. Eine eindeutige Zuweisung an einen bestimmten Zweig der slawischen Sprachen ist also kaum möglich; daß aber gerade die Balkanslawen das zugrundeliegende Wort "gorazdъ" bereits im fühen Mittelalter verwendeten, ist von A. Stender-Petersen erwiesen worden.

 

Bei der Auseinandersetzung zwischen der "slawischen" und der "lateinischen " Partei, die nach Methods Tod in Moravia ausbrach, konnte sich letztere durchsetzen. [391] Der zuletzt sogar von Method gebannte Bischof Wiching bewirkte, daß seine slawischen Kontrahenten

 

 

386. Zu möglichen Resten eines methodianischen Christentums in Südungarn s. noch Kap. 2.3.1. und 2.3.2.

 

387. Legenda s. Gerhardi, Ed. Madzsar 1938, S.488 ff.; dazu Eggers 1995, S. 153/154.

 

388. Methodvita 17, Ed. Grivec/Tomšič 1960, S.165; Ed. Kronsteiner 1989, S.84; zu Gorazds Herkunft aus Moravia auch Klemensvita XII.35, Ed. Milev 1966, S.110; zur Person Bagin 1992.

 

389. Stanislav 1940/41, S.37 ff.; der griech. Naumsvita (Ed. Trapp 1974, S.176) zufolge sei Klemens von Ohrid nach Method Ebf. von Morava geworden, doch scheint auch dies unglaubwürdig.

 

390. Stender-Petersen 1926/27; s.a. Vuković 1958.

 

391. Dazu Dvornik 1926, S.286 ff.; Laehr 1928; Grivec 1960, S.144 ff.; Zagiba 1962, S. 129/130; Dittrich 1962, S.270 ff.; Vavřinek 1963 b, S. 101/102; Eldarov 1964, S.135/136; Vlasto 1970, S.81 ff.; Veselý 1982, S.117 ff.; Eldarov 1982, S.260/261; Dinekov 1986; Tamanides 1992.

 

 

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ins Gefängnis geworfen wurden, in welchem sie, wie erwähnt, unversehrt ein Erdbeben überstanden. [392] Schließlich wurde ein Teil der Methodschüler ins Exil gezwungen, ein anderer Teil sogar in die Sklaverei verkauft. Die I. Naumvita wie auch die Klemensvita berichten, daß Kleriker aus Moravia in Venedig auf dem Sklavenmaria angeboten worden seien. [393] Dies könnte einen neuerlichen Hinweis auf die Lage von Methods Amtsbezirk geben, denn Venedig war bis ins Spätmittelalter der Hauptumschlagplatz für Sklaven aus dem Hinterland Dalmatiens, vor allem aus dem "häretischen” (bogumilischen) Bosnien. [394] Der besonders von Juden betriebene Handel mit Sklaven aus dem westslawischen Bereich lief dagegen über eine "Sklavenroute” mit den Etappen Verdun, Lyon und Arles in das islamische Spanien. [395]

 

Die bekannteren Schüler Methods, Gorazd, Klemens, Naum, Angelar und Sabbas, die zusammen mit Kyrill und Method als "Sedmočislenici” bezeichnet werden, [396] gingen ins Exil, und zwar, soweit nachzuverfolgen, in das bulgarische Reich des seit 864 christlichen Zaren Boris. Naum wirkte als Lehrer in Pliska, der Hauptstadt im Nordosten des damaligen Bulgarenreiches. Klemens, der zunächst in der südwestlichen, mazedonischen Region Kutmičevica (um Ochrid) arbeitete, wurde 893 zum Bischof von Velica/Dragoviste westlich von Saloniki ordiniert. [397] Auch Gorazd scheint in das Bulgarenreich geflohen zu sein, wenn dem auch eine andere These entgegenstehl. Es wird nämlich behauptet, daß Gorazd 885 nach Südpolen ausgewichen sei und dort eine kyrillomethodianische Tradition begründet (oder weitergeführt) habe; darauf verweise eine lokale Verehrung des hl. Gorazd. [398] Doch befand sich andererseits im albanischen Berat, das im Mittelalter den Namen "Belgrad" trug und vom 9. bis 11. Jhdl. zum Bulgarenreich gehörte, ein dem Gorazd geweihtes Kloster; auch verfügte die Kathedrale der Stadt über Reliquien der hll. Gorazd und Angelar. Schließlich erscheint Gorazd im Patriarchen Verzeichnis von Ochrid, das aus dem 12. Jhdt. stammt, an dritter Stelle nach Method und Klemens; zwar entspricht die Einordnung aller drei in diese Liste nicht der historischen Wahrheit, doch verweist sie auf eine lokale mazedonische Tradition über Gorazds Wirken im dortigen Raum. [399] Die Tätigkeit der Methodschüler in Mazedonien gibt übrigens einen recht eindeutigen Hinweis auf ihre Herkunft; denn auch bei einer im 9. Jhdt. noch geringeren Differenzierung der slawischen Sprachen ist es eher unwahrscheinlich, daß sich Westslawen aus Mähren in Mazedonien hätten verständigen können.

 

Nach seinem Erfolg gegen Gorazd und weitere Repräsentanten der Linie Methods übernahm Wiching als von Papst Stephan V. eingesetzter Administrator die Führung der Kirche Moravias. Den Quellen ist nicht zu entnehmen, ob er dies in seiner Funktion als Bischof von Nitra tat oder etwa ein rangmäßig "zurückgestuftes" Bistum von Moravia übernahm. Letzteres könnten gewisse Formulierungen bairischer Quellen nahe legen; so heißt es in der Altaicher Fortsetzung der Fuldaer Annalen: "Wihingus ... prius Maravensis ab apostolico destinatus est episcopus."

 

 

392. Klemensvita XII.36, 37, Ed. Milev 1966, S.111/112; vgl. bereits Kap. 1.5.2.

 

393. I. Žitije Nauma, Ed. Lavrov 1930, S.181; Klemensvita XI.34, Ed. Milev 1960, S.110.

 

394. Dazu Hoffmann 1968; s.a. Bosl 1964, S.53.

 

395. Verlinden 1970.

 

396. Vgl. Koneski 1976; Dinekov 1986, 1991 und 1992.

 

397. Kusseff 1948/49, S.210 ff.; Obolensky 1963; Gautier 1964; Dujčev 1964; Kodov 1968; Slojčevska-Antic 1982; Eldarov 1982, S.262 ff.; Bošale 1983; Iliev 1985; Gjuselev 1986; Dinekov 1986; Stamatowski 1986; Angelov 1987 und 1988; Dujčev 1988; Stančev 1988; Kožucharov 1988; Matevski 1989; Nikolova 1991; Dinekov 1991 und 1992.

 

398. Lanckorońska 1962; Dittrich 1962, S.306/307; Dvornik 1970, S. 198/199; Trapp 1982, S.469. Scharfe Kritik an dieser These bei Vincenz 1983, S.649/650 mit Anm.42; dazu noch Kap. 2.5.3. !

 

399. Gelzer 1902, S.6; Dittrich 1962, S.298 Anm.3; Snegarov 1962, S.81/82; Eldarov 1964, S.139/140 mit Anm. 7; Boba 1971, S.85 Anm. 110; zu Gorazd in Bulgarien auch Kalev 1970.

 

 

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Die Notae de episcopis Pataviensibus vermelden über "Winchingus archiepiscopus": "Hic Laureacensem ecclesiam pressit, volens provinciam dividere et auxilio Zwentenwaldi regis Moravomm in Sedavia (Variante "Seclavia") metropolium suscitare," "Sedavia/Seclavia” hat man selbstverständlich als Verschreibung für “Sclavia", "Slawenland", und nicht als Ortsname aufzufassen. [400]

 

Mit einer Neuordnung der Kirchenhierarchie in Sventopulks Reich nach dem Ableben Methods im April 885 ist auf jeden Fall zu rechnen. Möglicherweise wurde seine Erzdiözese entlang der Drau-Donau-Linie geteilt, wobei Wiching, nunmehr im Range eines Erzbischofs, den "pannonischen" Nordteil erhielt. Dagegen hätte der damals als Erzbischof in Spalato/Split neu eingesetzte Theodosius von Nin [401] fortan den "dalmatinischen" Süden, also das bosnisch-slawonische Gebiet, zusätzlich zu Kroatien und den dalmatinischen Küstenstädten übernommen. Diese Regelung hätte auf einer von Sventopulk gegen Ende des Jahres 885 einberufenen Synode "in planitic Dalmae" getroffen werden können, von welcher der Presbyter Diocleas berichtet und die zugleich ein allgemeiner Reichstag war. Dafür hätte man wiederum der alten Grenzbeschreibungen und Privilegien bedurft, von denen der Presbyter Diocleas in seiner Darstellung spricht; schließlich war der Grenzverlauf zwischen den antiken Provinzen "Pannonien" und "Dalmatien", zugleich kirchlichen Verwaltungseinheiten, nur schwierig zu klären. [402]

 

891 wirkte Wiching als "missus" Arnulfs von Kärnten bei den "Marahoni", wie aus einem Brief des Markgrafen Aribo an den König hervorgeht. Darin wird Wiching als "episcopus", nicht etwa als Erzbischof bezeichnet, was zumindest die ostfränkische Auffassung vom Rang des Prälaten kennzeichnet. [403] Aus dieser Phase guten Einvernehmens zwischen Arnulf und Svenlopulk in den Jahren 885 bis 891 datiert vielleicht auch das schon erwähnte Emmeramspatrozinium in Nitra, dem Stammsitz Wichings; war doch der hl. Emmeram nicht nur der Schutzpatron Baierns, sondern auch der persönliche Patron Arnulfs. [404]

 

Wahrscheinlich aus Anlaß des Bruches zwischen Arnulf und Svenlopulk 892 wechselte Wiching ins ostfränkische Lager über und erhielt die Leitung der königlichen Kanzlei in Regensburg, wo zwischen Sept, 893 und Feb. 899 etwa 20 von ihm ausgeferligte Urkunden bezeugt sind. [405] Auf Wunsch König Arnulfs sollte er zudem das Bistum Passau übernehmen. Der bairische Klerus unter Führung des Erzbischofs Theotmar von Salzburg sträubte sich jedoch dagegen unter Berufung auf dem entgegenstehende, nicht näher erläuterte kanonische Vorschriften. [406] Sollte sich diese Argumentation etwa gegen ein weiterhin andauerndes (Erz-)Bischofsamt Wichings in Moravia gerichtet haben?

 

Während jedenfalls die Altaicher Annalen von einer vollzogenen Absetzung Wichings als Passauer Bischof berichten, legt eine andere Quelle nahe, daß er noch im Besitz dieses Amtes verstarb. [407] Vielleicht plante Wiching wirklich im Verein mit Amulf von Kärnten die später vom Passauer Bischof Pilgrim angestrebte Errichtung einer donauländischen Kirchenprovinz mit Passau als Metropole. [408]

 

 

400. Ann. Fuld. Contin. Altah, ad a. 899. Ed. Kurze 1891, S. 132; die Notae in MG SS XXV (1880), S.624, zu "Seclavia" ebd. S.619.

 

401. Vgl. Kap. 1.3.3.

 

402. Presb. Diocl. 9, Ed. Šišić 1928, S.303, 306, 394/395; dazu Eggers 1995, S.198 ff.; s.a. Puhiera 1959; Hadžijahić 1983, S.34; Steindorff 1985; Boba 1990, S.318: 1991, S. 136 ff.

 

403. Vgl. Schwarzmaier 1972 und Ratkoš 1982.

 

404. Ann. Fuld. ad a. 869, Ed. Kurze 1891, S.68.

 

405. Dazu Kehr 1939.

 

406. Dazu Dittrich 1962, S.303; Dopsch 1981, S.194; Erkens 1983, S.480/481.

 

407. Ann. Fuld. Contin. Altah, ad a. 899. Ed. Kurze 1891, S.132; dagegen Historia episcoporum Palaviensium et darum Bavariae, MG SS XXV (1880), S.624.

 

 

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Falls aber Wiching in Rom tatsächlich bis zu seinem Tode um 899/900 als nominelles Oberhaupt der Kirche Moravias galt, würde sich erklären, warum der Heilige Stuhl erst zu einem derartig späten Zeitpunkt der schon längst fälligen kirchlichen Neuorganisation in Moravia zustimmte. [409]

 

 

1.6.2. Der Reorganisationsversuch von 899/900

 

Erst unter Sventopulks Sohn Moimir II. wurde nämlich der Versuch gemacht, das Erzbistum von Moravia wieder zu errichten. Wichtigste Quelle für diesen Vorgang ist ein Brief, den die bairischen Bischöfe an Papst Johannes VIII. gerichtet haben sollen und der auf Juli/August 900 datiert wird. [410] Die Echtheit dieses Briefes ist umstritten: Nach H. Beumann sind Übereinstimmungen mit dem Brief des Mainzer Erzbischofs Hatto an einen ungenannten Papst, dem man dieselbe Abfassungszeit zuschreibt, nicht etwa Kennzeichen einer Fälschung, sondern Folge einer voran gegangenen Absprache unter dem ostfränkischen Klerus. [411] Dagegen rechnet E. Boshof diesen Brief unter die Pilgrimschen Fälschungen, unter die sie sich tatsächlich inhaltlich hervorragend einfügen würden und denen sie im Diktat außerordentlich ähnlich sind. [412]

 

Im Brief der Bischöfe, ob nun echt oder gefälscht, wird behauptet, daß die päpstlichen Legaten in Moravia einen Erzbischof und drei Bischöfe geweiht hätten, wodurch nach Ansicht der Briefschreiber das Bistum Passau in fünf Teile zerrissen worden sei: "Est enim unus episcopatus in quinque divisus." [413] Auch der sogenannte "Hattobrief" spricht von der Errichtung eines Metropolitansitzes in Moravia. [414] Wer damals in Moravia geweiht wurde, ist weder diesen Briefen noch irgendeiner anderen Quelle zu entnehmen. Daß Gorazd oder Klemens damals Erzbischof geworden wären, ist ziemlich unwahrscheinlich. da ein solcher Triumph der "slawischen" Partei in Moravia wohl Eingang in die Viten der Methodschüler gefunden hätte.

 

Eine weitere Frage ist die, wo sich die Sitze der im Brief genannten drei Suffragane des neuen Erzbischofs von Moravia hätten befinden können; dieser selbst wird wohl in der Hauptstadt Moimirs II. residiert haben. J. Kadlec hat versucht, eine Lösung anhand der Pilgrimschen Fälschungen zu finden. [415] Dort wird ja gleichfalls von vier Bistümern in Moravia (wobei das Erzbistum hiermit eingeschlossen ist) zur Zeit des Ungarneinfalles gesprochen:

"... Romanorum Gepidarumque tempore proprios septem antistites orientalis Pannonia habuit et Mesia, meae sanctae Laureacensi ... ecclesiae subiecios; quorum enim quattuor, usque dum Ungri regnum Bauuariorum invaserunt,... in Maravia manserunt." [416]

Im Falle einer tatsächlichen "Fälschung" des Briefes durch Pilgrim im eigentlichen Wortsinne, d.h. also ohne eine "rekonstruierte", eventuell schon damals verlorene Vorlage und somit ohne jede historische Basis wäre hier natürlich ein Zirkelschluß gegeben, ansonsten könnte es sich um eine echte Tradition handeln.

 

 

408. Oswald 1967, S.14; abgelehnl von Erkens 1983, S.481/482.

 

409. Veselý 1982, S.124 erklärt dies hingegen mit der bewegten Papstabfolge zwischen 891 und 900.

 

410. Ed. in MMFH 3 (1969), S.232-244.

 

411. So Beumann 1977, S.149 ff.; s.a. Lhotsky 1963, S. 169/170; Kop 1971, S.233 ff.; Lacko 1972, S.90 ff.; Staber 1974, S.70; Marsina 1985, S.229.

 

412. Vgl. Boshof 1995 MMFH 3 (1969), S.236.

 

413. Ed. bei Bresslau 1910; dazu Boshof 1995, S.39 ff.

 

414. Kadlec 1976, S.66 ff.

 

415. Lehr 1909, S.44/45.

 

 

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Diözesansitze werden, wie schon erwähnt, in dem von Pilgrim gleichfalls gefälschten Schreiben Papst Eugens IV. (824-827) genannt, in dem die Adresse lautet:

"Rathfredo sanctae Favianensis ecclesiae et Methodio ecclesiae Speculi iuliensis, quae et Ouguturensis (bzw. "Soriguturensis") nuncupatur, atque Alchuino sanctae Vetuarensis ecclesiae , episcopis“;

sie alle sollten sich der Metropolitangewalt des Bischofs Urolf von "Lauriacum" (Lorch), als dessen Rechtsnachfolger sich Pilgrim sah, unterstellen. [417] Die hier genannten Bischöfe entstammen verschiedenen Zeitstufen: Ratfred ist sonst nicht bekannt; Method war von 869/70 bis 885 Erzbischof Moravias; "Alchuin" ist vielleicht dem berühmten Zeitgenossen Karls des Großen, vielleicht aber auch Wiching nachempfunden; Anno war vor 854 Passauer Chorbischof, dann bis 875 Bischof von Freising; Urolf schließlich amtierte um 804/06 als Bischof von Passau. [418] Auch von der Topographie her gibt es Probleme. Der Ort "Favianis", den Pilgrim wohl der Severinsvita entnommen hatte, lag im Bereich des heutigen Mautern; da aber die Kenntnis der genauen Lage im Mittelalter verlorenging - "Favianis" wurde im Hochmittefalter öfters in Wien lokalisiert -, so konnte Pilgrim den Ort auch auf dem Boden Moravias oder der "Avaria" vermuten. [419] Die von ihm vorgenommene Konstruktion wird bereits deutlich. Die Method und Anno zugeschriebenen Sitze sind wohl Phantasieprodukte; vorgeschlagen wurde aber, "Speculum iuliense" mit Gran/Esztergom zu identifizieren, "Ougutur" mit dem bulgarischen Stamm der Utiguren oder den Oguren in Verbindung gebracht. In "Vetuar" hingegen glaubt man ein lateinisches "vetus” ("alt”) und ein ungarisches "'vár" ("Burg") zu erkennen, was als ungarische Bezeichnung für die "urbs antiqua Rastizi" fränkischer Quellen, die Hauptstadt Moravias, aufzulösen wäre. [420]

 

Doch selbst der einzige eindeutige Ortsname, Nitra, ist als Sitz eines Suffraganbischofs im Jahre 900 nicht gesichert. [421] Denn einerseits betont ja der Brief der bairischen Bischöfe, daß alle vier damals in Moravia geweihten Würdenträger im Gebiet des Passauer Bistums amtieren würden; andererseits heißt es aber auch:

"Antecessor vester .. Uuichingum consecravit episcopum et nequaquam in illum antiquum Patauiensem episcopatum eum transmisit, sed in quandam neophytam gentem." [422]

Daraus könnte man erschließen, daß Wichings Bistum Nitra damals in Baicm nicht zum Passauer Missionsbzw. Diozesanbereich gerechnet wurde [423] und daraus wiederum, daß es nicht zu den 899/900 neu besetzten, sämtlich von Passau beanspruchten Bistümern Moravias gehört haben kann.

 

Überhaupt ist zu berücksichtigen, daß der Machtbereich Moimirs II. gegenüber dem seines Vaters Sventopulk ziemlich eingeschränkt war: Abgesehen vom 895 wieder ostfränkisch gewordenen Böhmen befand sich auch das Gebiet am Plattensee nicht mehr in seinem Besitz, und die Region um Nitra war 899/900 vielleicht schon in ungarischer Hand. Dagegen beherrschte Moimir II. um diese Zeit nicht nur Moravia selbst, das ihm nach dem Tod des Vaters bei der Erbteilung von 894 zu gefallen war, sondern auch den Erbteil seines Bruders Sventopulk II., das bosnisch-slawonische Fürstentum, das er 898/99 erobert hatte. [424]

 

 

417. Lehr 1909, S.31.

 

418. Vgl. Kuhar 1959, S.78 ff.; Dittrich 1962, S.59 ff.

 

419. Zu Favianis s. Aign 1959, 1962; Boedecker 1970.

 

420. Chaloupecký 1939, S.197; Ratkoš 1965, S.29; Kadlec 1976, S.68/69.

 

421. Anders hingegen Odložilík 1954, S.85/86; Dvornik 1970, S. 197/198; Kadlec 1976.5.67 ff.; s.a. Marsina 1993.

 

422. MMFH 3 (1969), S.237.

 

423. So Staber 1974, S.70.

 

 

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Dort und eventuell in Serbien sind die 899/900 bestimmten Suffragane des neuen Erzbischofs zu suchen, ebenso auf dem Boden des eigentlichen Moravia. Die damals geschaffene Kirchenorganisation hatte allerdings keinen langen Bestand. Vielleicht wurde schon 901 die neuerliche Kirchenhoheit Passaus als eine Klausel des damals geschlossenen Friedensvertrages mit den Ostfranken anerkannt; so will man aus der Nachricht der Fuldaer Annalen schließen, daß sich zur Ratifizierung des Friedens nicht nur ein Graf Udalrich, sondern auch Bischof Richar von Passau nach Moravia begeben und dort die Unterwerfung der Moravljanen entgegengenommen habe. [425] Wenn nicht damals, so ging das von Method begründete Erzbistum spätestens mit der Eroberung Moravias durch die Ungarn zugrunde. [426]

 

 

424. Dazu Eggers 1995, S.301 ff.

 

425. Ann. Fuld. ad a. 901, Ed. Kurze 1891, S. 135; dazu Kop 1971, S.236.

 

426. Zur Frage eines Bistums Morava noch im 10./11. Jhdt. s. Kap, 2.3.1.

 

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