Vorläufige Untersuchungen über den bairischen Bulgarenmord von 631/632
Heinrich Kunstmann 

 

II. NACHKLÄNGE IM NIBELUNGENLIED

 

 

- Vom donauländischen Dichter des Nibelungenliedes  (49)

- Vermutete historische Grundlagen  (51)

- Heuslers Stemma  (53)

 

 

Zu Beginn folgender Überlegungen sei an das im Titel dieser Studien ausgedrückte Prinzip der Vorläufigkeit erinnert. Eigentlicher Sinn auch des Nibelungen-Kapitels soll es sein, erste Beobachtungen, Vermutungen und Folgerungen mitzuteilen. Sowohl die greifbaren Ergebnisse als auch die bloßen Verdachtsgründe sind, wie könnte es anders sein, weiter zu vertiefen, zu überprüfen und natürlich auch zu revidieren. Stellt sich im folgenden die Frage, was haben bairischer Bulgarenmord und Burgundenuntergang miteinander zu tun, dann darf man keine Überlegungen über das autonome Kunstwerk des Nibelungenliedes erwarten. Eher ist der von Andreas Heusler eingeleitete historisch-sagengeschichtliche Weg wieder zu wählen, obschon hier weniger Sagengeschichtliches als vielmehr Geschichtliches, in jedem Fall aber völlig andere, neue Gesichtspunkte zur Sprache kommen werden.

 

Es bleibt zu sagen, daß immer, sofern nicht ausdrücklich der 1. Teil des Nibelungenliedes, die Siegfried-Brünhilt-Handlung genannt wird, dessen 2. Teil, eben der Burgundenuntergang, der Nibelunge not gemeint ist. Den mittelhochdeutschen Zitaten sind die Editionen von Helmut de Boor und Ulrich Pretzel zugrunde gelegt, den als Lesehilfe für Nicht-Germanisten gedachten Übertragungen ins Hochdeutsche die Brackerts und Pretzels, im Zweifelsfalle aber auch die Simrocks.

 

 

Die benutzten Editionen:

 

Die Nibelungen. Mittelhochdeutsch und übertragen von Karl Simrock. Hsg. v. Andreas Heusler. Tempel-Klassiker. Wiesbaden s.a.

 

Das Nibelungenlied. 2. Teil. Mittelhochdeutscher Text und Übertragung. Herausgegeben, übersetzt und mit einem Anhang versehen von Helmut Brackert, Frankfurt a.M. 1971.

 

Das Nibelungenlied. Nach der Ausgabe von Karl Bartsch. Herausgegeben von Helmut de Boor. Wiesbaden 201972.

 

Das Nibelungenlied. Kritisch herausgegeben und übertragen von Ulrich Pretzel. Stuttgart 1973.

 

 

49

 

 

1. Einige allgemeine Bemerkungen

 

 

Vom donauländischen Dichter des Nibelungenliedes

 

"Der so tief mit den Burgunden sympathisierende christliche Dichter" [128], davon ist man, bei auffallend wenigen Ausnahmen [129], geradezu einhellig überzeugt, dieser Dichter-"Erzähler" müsse oder könne nur bairisch-österreichischer Herkunft sein. Solche Gewißheit leitet sich einmal aus des Dichters Hilflosigkeit her, die offenkundig wird, sobald es um rheinische Topographie geht, zum anderen aber aus seiner spürbaren Sicherheit, ja Vertrautheit mit donauländischer Geographie. Seine Kenntnis beginnt, wie es sich zeigt, bei Pföring an der Donau und reicht bis Wien, der letzten, dem Dichter im Osten gerade noch bekannten Stadt [130]. Man ist weiter, obschon nicht einhellig, so doch weitgehend, der Ansicht, dieser Dichter müsse Passauer gewesen sein oder, was Strophe 1174 besagen kann, immerhin der herzoglich-bairischen Grenze nahe gesessen haben [131]. Weniger wichtig ist es vielleicht, Antworten auf die Frage nach Person und Namen des Dichters oder auch darauf zu finden, ob er Kraliks Meister Konrad oder Beckers Kleriker aus Passau war [132], wichtig ist vielmehr die Beobachtung, daß diesem Dichter auch jene Regionen des Donauraumes vertraut zu sein scheinen, wo im frühen Mittelalter noch die Enns natürliche Scheidelinie war zwischen herzoglichem Baiern und pannonischem Awarien. Doch hat man schon einmal beanstandet [133], Lorch,

 

 

128. B. Nagel: Widersprüche im Nibelungenlied. In: Rupp 400.

 

129. Beispielsweise W. Krogmann: Der Dichter des Nibelungenliedes. Berlin 1962, der zwar, wie schon F. Pfeiffer (1862) vor ihm, an eine alemannische Genese des Liedes denkt, zugleich aber einräumt, der Archetypus gehöre dem bairisch-österreichischen Sprachraum an, S. 9.

 

130. So etwa Heumann (1967) 85 f.; Weber (1968) 60 f.; Nagel, Widersprüche 394 u.a.

 

131. Neumann (1967) 85.

 

132. Heuwieser, Kralik (1950).

 

133. Heuwieser 50.

 

 

50

 

die alte Grenzstadt, sei nicht erwähnt im Nibelungenlied, ein grundloser Einwurf indes, da Lorch zur Zeit unseres Dichters ja schon Enns hieß, und davon ist unbestreitbar die Rede im Lied:

 

(1304) Dô si über die Trûne kômen bî Ense ûf daz velt

            Als sie die Traun übersehritten hatten und auf

            die Ebene bei Enns gekommen waren [134].

 

 

Der Dichter weiß genau zu unterscheiden zwischen der Stadt und dem Fluß Enns, das bestätigt auch Strophe 1301, wo er nämlich sagt ûf zuo der Ense/bis an die Enns und damit eindeutig das Gewässer meint.

 

Wenn man für bare Münze nimmt, was der Dichter Hagen nachsagt - oder kann es gar autobiographisch sein? -,

 

(1419) dem sint die wege von kinde her zen Hiunen wol bekant

            ihm sind die Wege ins Hunnenland noch von seiner Kind-

            heit her bekannt,

 

 

dann läßt das vielleicht auch auf gute Kenntnisse der alten Straßen und Wege schließen. Es ist nicht unbedingt wichtig, zu wissen, ob der Dichter gebürtiger Passauer war oder nicht, wichtig ist vielmehr, daß seine gute Kenntnis des Passauer Umfeldes, und das reichte schon lange vor ihm bis Lorch-Enns, verbürgt zu sein scheint. Wichtig ist indes weiter, daß einem Dichter, der - als Kleriker? als Notar? - dem Passauer Bistum nahestand, fraglos auch historische Nachrichten aus den Landen ob und unter der Enns zur Verfügung gestanden haben müssen. Das erklären allein Passaus Besitztumsverhältnisse [135] und seine kirchenpolitische Einflußnahme in diesen Regionen [136]. Ganz konkret sei an den der Nibelungenforschung

 

 

134. Brackert übersetzt bi Ense mit an der Enns, was der Sache nicht gerecht wird, da eben die Stadt und nicht der Fluß gemeint ist. Schon Karl Simrock übersetzte: bei Ense auf das Feld.

 

135. So ist nach Pfeffer (1954) 65 an allen in der Raffelstettener Zollordnung genannten Donauorten passauischer Besitz nachweisbar, in Linz, Raffelstetten, Lorch-Enns, Mautern usf.

 

136. Vgl. neuerdings S, Haider: Passau - St. Florian - St. Pölten. Beiträge zur Geschichte der Diözese Passau im 11. Jahrhundert. In: Hitteilungen d. oberöster. Landesarchivs 10, 1971, 36 ff.; R. Zinnhobler: Lorch und die Passauer Bistumsorganisation. Ebda, 11, 1974, 51 ff.

 

 

51

 

ja keineswegs unbekannten und in der Dichtung namentlich herausgehobenen Passauer Bischof Pilgrim erinnert. Immerhin hat er nach der Niederwerfung der Magyaren versucht, geschickt, obschon nicht legal [137], die Rechte des spätantiken Bistums Lorch zu erneuern und seine St. Laurentiuskirche zum Sitz eines Erzbistums sowie zur Metropolitankirche von Baiern und Ungarn zu erheben. Auch dieser bemerkenswerte historische Umstand weist abermals auf Lorch, die Ennsgrenze und den Osten hin.

 

Fünfmal läßt der Dichter im Nibelungenlied Boten, Werber, Kriemhild und zuletzt die Burgunden entweder Richtung Worms oder eben ins Hunnenland reisen [138]. Man scheint es immer rechtsdanubisch, südlich der Donau, getan zu haben, was besagt, daß man jeweils bei Lorch die Enns zu überschreiten hatte. Man wird das über eine Brücke getan haben [139], mit einiger Wahrscheinlichkeit über die erst vor wenigen Jahren von der Archäologie wieder entdeckte alte Römerbrücke [140]. Sie hat nach dem Abzug Roms sicher noch für längere Zeit den Verkehr über die Enns und die bairisch-pannonische Ennsgrenze geregelt. Ob auf den vom Dichter des Nibelungenliedes angedeuteten Wegen wirklich Burgunden ihrem Untergang entgegengingen, ist freilich die Frage. Wahrscheinlicher ist es dagegen, daß auf eben diesen Wegen und über eben diese Brücke 631/2 ein ganzer Bulgarenstamm in sein Verderben zog.

 

 

Vermutete historische Grundlagen

 

Daß Geschichte eines der wesentlichen konstitutiven Elemente des

 

 

137. W. Neumüller: Sanctus Maximilianus nec episcopus nec martyr. In: Mitteilungen des oberöster. Landesarchivs 8, 1964, 23 ff.; H. Fichtenau: Zu den Urkundenfälschungen Pilgrims von Passau. Ebda. 81 ff.

 

138. Aus der schier unübersichtlich gewordenen 'Reiseliteratur' zu den Nibelungen seien nur genannt: K. Weiler: Die Nibelungenstraße. In: ZfdA 70, 1933, 49 ff.; Panzer (1951).

 

139. Zatloukal 27.

 

140. Vgl. Anm. 108.

 

 

52

 

Nibelungenstoffes ist, wird eigentlich von niemand bestritten. Einhellig ist man auch der Meinung, in der Nibelunge nôt, im Burgundenuntergang spiegelten sich zwei nachweisbare, quellenmäßig gut greifbare historische Ereignisse wider: einmal die Vernichtung der Burgunden unter ihrem König Gundahar im Jahre 436 eben durch die Hunnen, zum anderen der Tod des Hunnenherrschers Attila an der Seite eines germanischen Kebsweibes namens Hildico im Jahre 453 [141]. Dabei ist es allein schon mehr als fraglich, ob die beiden Vorgänge, der Fall der Burgunden und Attilas Tod, überhaupt ursprünglich zusammengehört haben [142]. Weiter ist es wissenschaftlich einfach nicht erwiesen und gewiß auch nicht nachweisbar, daß irgendwann Burgunden die Donau entlang ins Hunnenland zogen, um dort einem totalen Genozid zum Opfer zu fallen. Wo ist dieses Hunnenland zu suchen? Was mögen das für Hunnen gewesen sein? Eindeutige Antworten darauf, das heißt, quellenmäßig - archäologisch oder schriftlich - unanfechtbare Anhaltspunkte für den vom Nibelungenlied erzählten Burgundenuntergang gibt es eben nicht. Auch Simon von Kézas Ungarnchronik vom Ende des 13. Jahrhunderts kann kaum historisch weiterhelfen, sondern bestenfalls zur Rekonstruktion verlorengegangener literarischer Vorstufen beitragen [143]. Es mag durchaus sein, daß Ungarns vorköniglicher Herrscher Geza (ca. 972-997) die 'gütige' Etzelgestalt des Nibelungenliedes mitstilisiert hat, die Frage nach Ort und Zeit des Burgundenunterganges ist dadurch aber keinesfalls auch nur annähernd beantwortet. Auch sollte man sich vor Zeitwidrigkeiten hüten und nicht außer acht lassen, daß die älteste literarische Bestätigung des Burgundenunterganges immerhin schon in der eddischen Atlaqvida, im alten Atlilied gegeben ist [144].

 

 

141. F. Altheim: Geschichte der Hunnen. III. Berlin-New York 21975, 193 ff.; Nagel 18 f.; Uecker 41 ff.; Weber (1968) 29 ff.; Rosenfeld (1981) 231 f.

 

142. Uecker 43.

 

143. v. See (1981) 100. - Ausgelöst hat die 'ungarische Komponente' Hómans berühmter Artikel von 1924.

 

144. Uecker 41 f.

 

 

53

 

Im Blick auf die Historizität des Nibelungenliedes wird immer wieder an die Geschichte der Merowinger angeknüpft. Es werden die Namen der großen fränkischen Chronisten Gregor von Tours und (Pseudo)-Fredegar genannt. Hugo Kuhn war einer der ersten, die im Nibelungenlied fränkisch-ripuarische Namensformen zu erkennen glaubten " [145]. Kuhn gewann sogar den Eindruck einer 'merowingischen Mord- und Frauenzimmer-Atmosphäre', freilich ohne diesen 'ins Konkrete', also Historische verdichten zu können [146]. Aber selbst wenn sich der merowingische Aspekt konkretisieren ließe, so wäre damit bestenfalls etwas für die Siegfried-Brünhilt-Handlung gewonnen, nicht eine Spur jedoch für einen Einblick in die historischen Hintergründe der Burgundengeschichte [147].

 

Trotz vieler anderer, mehr oder weniger stichhaltig argumentierender Versuche, an konkrete historische Ereignisse anzuknüpfen, scheint es letztlich keine geschichtlichen Grundlagen zu geben, mit denen der Untergang der Burgunden im Nibelungenlied in Zusammenhang gebracht oder gar zufriedenstellend erklärt werden könnte.

 

 

Heuslers Stemma

 

Heuslers Nibelungen-Stammbaum [148], auch wenn er heute nach über sechzig Jahren vielleicht 'archaisch'-schematisch wirkt und von einigen sogar verketzert wird, ist, allen Anfechtungen zum Trotz, noch immer brauchbar, nützlich, ja man wird sagen müssen, es ist

 

 

145. Kuhn (1953). - Über mögliche Einsichten aus Sigi-Namen ansonsten Rosenfeld (1977).

 

146. Kuhn (1953) 11.

 

147. Zur 'Sekundär-Streuung' des Burgundenunterganges vgl. außer W. Betz: Der Gestaltwandel des Burgundenunterganges von Prosper Aquitanus bis Meister Konrad. In: Gestaltprobleme der Dichtung. Fs f. Günther Müller. Bonn 1957, 1 ff., neuerdings insbesondere Speckenbach.

 

148. Nicht eigentlich die hier zur Debatte stehende Problematik berührt der gehaltvolle Aufsatz von Haug.

 

 

54

 

nichts Besseres [149] an seine Stelle getreten. Heuslers stemmatologische Aufschlüsselung des Nibelungenliedes - hier kommt naturgemäß allein der Nibelunge nôt in Betracht - setzt im wesentlichen drei Wachstumsstufen, drei genetische Schichten voraus, die auf der 4. Stufe dann erst den 2. Teil des Nibelungenliedes erbringen. Vor allen Dingen um die zeitliche Staffelung zu verdeutlichen, aber auch um dem nicht-germanistischen Leser mehr Klarheit zu verschaffen, sei Heuslers System hier kurz rekapituliert [150].

 

Zeitlich an erster Stelle, meint Heusler, sei ein verlorenes altfränkisches Lied des 5./6. Jahrhunderts [151] anzunehmen, das eben vom Untergang der Burgunden und Attilas Tod gehandelt habe. Von dieser ersten Stufe seien laut Heusler im 9.-11. Jahrhundert die eddischen Atlilieder abgezweigt, also das wohl im 9. Jahrhundert als Schöpfung der Wikingerzeit entstandene alte Atlilied (Atlaqvida) und, mit erneuten Anleihen aus deutscher Dichtung, das nachwikingerzeitliche Atlamál [152]. Für eine zweite Stufe sei sodann ein - abermals verlorenes - bairisches, donauländisches Burgundenlied des 8. Jahrhunderts in Betracht zu ziehen; in ihm seien zwei verschiedene Sagenstoffe, der fränkische und der bairische, zusammen gestoßen [153]. Die gravierendste Neuerung auf dieser Stufe sei jedoch die Umgestaltung der Rache (Gattenrache - Bruderrache) und die Hereinnahme Dietrichs aus der Dietrichepik [154] gewesen. Daraus wird auf der dritten Stufe, das heißt, um 1160 ein Leseepos, von Heusler Ältere Not genannt; auch dieses entsteht im bairisch-österreichischen Donauraum und ist die endgültige Vorlage der Nibelunge nôt, des Burgundenunterganges also.

 

 

149. Zu weit gingen dann ja wohl die 'Verfeinerungen' von Kurt Wais, worüber die Rezension von Mohr (AfdA 60, 1955/6) belehrt.

 

150. Über Heuslers Stemma ansonsten Weber (1968) 38; Uecker 47 ff.; Zatloukal 17 f.

 

151. Vgl. auch Uecker 48.

 

152. Zu den Atliliedern vgl. H. Beck in: Reallex. d. German. Altertumskünde I, 465 ff.

 

153. Beusler 29 ff.

 

154. Uecker 40.

 

 

55

 

Die Ältere Not wandert sodann aus dem Donauraum nach Norden, nach Sachsen, wo sie umgearbeitet-umgedichtet und schließlich in Soest lokalisiert wird. Diese Umdichtung findet um 1250/60 endlich Eingang in die nordisch-norwegische Prosaerzählung der Thidrekssaga. Vergleiche zwischen ihr und dem 2. Teil des Nibelungenliedes könnten somit auf die Ältere Not, die donauländische Vorstufe des Burgundenunterganges, schließen lassen [155].

 

Soweit Heuslers 'idealer' Stammbaum, an dem natürlich das absolute Fehlen der Primärquellen, des fränkischen (5./6. Jahrhundert) und des bairischen (8. Jahrhundert) Liedes skeptisch macht. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß besagtes fränkisches Lied nicht viel mehr ist als ein geographischer und zeitlicher Anknüpfungsversuch. Geographisch soll angeknüpft werden an das historische Burgund und zeitlich an den geschichtlichen Attila. Anders könnte es sich mit der zweiten Stufe, dem bairisch-donauländischen Lied verhalten. Es gibt einige Einwände, aber auch plausible Korrekturen. Für die von Heusler angesetzte Zeitstellung gibt es kein einziges stichhaltiges Argument. Man muß also nicht unbedingt an das 8., sondern könnte durchaus auch schon an das 7. Jahrhundert denken. Ein weiterer Einwand richtet sich gegen Heuslers Lied-Hypothese. Muß es denn ausschließlich ein Lied gewesen sein, kann es nicht auch eine Sage, eine mündliche Überlieferung, etwas aus dem Repertoire der einfachen Formen gewesen sein? Letzten Endes leuchtet auch nicht restlos ein, warum der Burgundenstoff im bairischen Donauraum aufgekommen sein soll. Die einzige, aber wiederum nicht stichhaltige Erklärung dafür ist eben Übertragung. Läßt sich denn nicht ebenso an lokale donauländische Ereignisse denken, an einschneidende geschichtliche Vorkommnisse, die ihre Zeit so sehr erschütterten, daß sie sich als Sagen, Legenden, Märchen niederschlugen oder ahistorisch verwebten, um zu guter Letzt auch noch literarisch-künstlerisch umgewandelt, umgeformt zu werden?

 

 

155. Wisniewski 220 ff. Verfasserin bestätigt - bei einigen Abweichungen - 'im großen und ganzen' die Ansicht Heuslers. Anders Splett 111, der, ohne näher darauf einzugehen, diese Möglichkeit skeptisch beurteilt. - Zur Thidrekssaga vgl. Uecker 52, v. See (1981) 139 ff.

 

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