Die Slaven in Griechenland

Max Vasmer

 

Kap. III. Verzeichnis der slavischen geographischen Namen nach Landschaften geordnet:

 

3. Ionische Inseln

 

 

 a) Кerkyra (Korfu)

  1. Βυρόν

  2. Γαρδίκι

  3. Γαρίτσα

  4. Γαρούνα

  5. Γαστούρι

  6. Δραγοτινά

  7. Λογγάς

  8. Pinitsa

  9. Μοκίλες

10. Μπογδανάτικα

11. Χλομός

b) Leukas

  1. Griva

  2. Δράγανον

  3. Ruda

  4. Sella

c) Kephallenia

  1. Βάλτα

  2. Ῥούδι

  3. Χελμᾶτα

d) Ithaka

e) Zakynthos

 

 

a) Кerkyra (Korfu)

 

Die Anwesenheit von Slaven auf der Insel wird anscheinend durch historische Tatsachen erwiesen. Vgl. dazu Romanos bei Gustav Meyer BZ I 184. Außerdem sprechen dafür mehrere Ortsnamen:

 

1. Βυρόν: Ἄνω В., ein Ort nach Lex. Gehört zu slav. virъ »Wasserwirbеl, Tümpel«, wozu S. 23 Nr. 28.

 

2. Γαρδίκι altes Kastell im südlichen Teil der Insel, s. Partsch, Korfu 37. Erklärt sich aus der älteren Stufe des abg. Gradьcь, nämlich *Gordьkь. Also = Graz. Vgl. S. 26.

 

3. Γαρίτσα Ortschaft im Dem. Amphipagitōn (Nuch., Lex., St. Αp.), aus slav. Gorica, s. Kretschmer, Archiv XXVII 235.

 

4. Γαρούνα: Ἀνω Γ. und Κάτω Γ. zwei Ortschaften, Dem. Meliteiéōn (Nuch,, R., St. Αp.), s. auch Partsch, Korfu 36. Diesen Namen kann man aus slav. *Gorynь deuten, s. Kretschmer, Archiv XXVII 235. Dabei kann man sich darauf berufen, daß poln. Goryń mehrfach als ON bezeugt ist. Vgl. Słown. Geogr. II 728. Andererseits besteht die Möglichkeit, daß der griech. Name mit bulg. gorún »Wintereiche« zusammenhängt. Zu letzterem vgl. Mladenov, Archiv XXVI 630; Weigand, Balkan-Archiv III 97.

 

5. Γαστούρι ON am östlichen Ufer der Insel (Lex., R.). Die slav. Herkunft dieses Namens ist nicht zu erweisen. Man könnte höchstens an slav. *Gostynь denken, belegt im poln. ON Gostyń (oft, s. Słown. Geogr. II 747 ff.), und müßte dann noch einen albanischen (toskischen) Wandel von n zu r zwischen Vokalen hier voraussetzen.

 

6. Δραγοτινά ON, Kr. Leukimmaiōn, eine kleine Insel südlich von K. (Nuch., St. Αp.), Δραγωτινά (Lex.). Es könnte ein slav. Dragotino, Ableitung von einem PN Dragota, zugrunde liegen. Vgl. bulg. ON Dragotinci, skr. sloven. Dragotinci, čech. Drahotín, Drahotice. Im Hinblick auf den ON Χλωμοτινά ist aber auch mit der Möglichkeit zu rechnen, daß es sich um Herkunft von einem PN wie skr. Drago handelt. Šišmanov, Bъlg. Prěgled IV Nr. 3 S. 93 hält den Namen für slavisch. Einen Bulgaren Δραγωτᾶς = Dragota finden wir erwähnt bei Ephraem (ed. Bonn.) v. 341, 360, 361. Daher ist mir die erste der soeben angedeuteten Erklärungsmöglichkeiten die wahrscheinlichere.

 

7. Λογγάς ON im Kr. Lakkiotōn (St. Αp.). Dafür schreibt Nuch. Λόγγος, das Lex. nennt zwei Bezeichnungen: Λογγός ἢ Λογγᾶς. Zweifellos besteht ein Zusammenhang mit slav. lo̢gъ. Man beachte aber die Möglichkeit, daß ein Λογγός auch durch rein griechische Bevölkerung weitergetragen werden konnte.

 

8. Pinitsa soll nach Partsch, Korfu 68 auf Karten des 16. Jahrh. ein Bach im Süden Korfus bei der Ortschaft Μπενίτσες (so Lex.) geheißen habeν. Es

 

 

 

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könnte ein Gewässername slav. *Pěnica vorliegen, ein Deminutiv zu pěna »Schaum«. Vgl. russ. Pěna 1. linker Nbfl. des Psiol, G. Kursk. 2. linker Nbfl. des Seḿ, Gouv. Kursk; Pěnnaja 1. »rechter Nbfl. der Velikaja, G. Pskov. 2. e. Fluß des Dniepr-Bassins«, G. Smolensk.

 

9. Μοκίλες ON, Kr. Argyrades, s. Λαογραφία X 162. Es liegt nahe an eine Ableitung von slav. *mok-: mokrъ »feucht« zu denken. Ein *Mokyla kann ich nicht belegen. Der Deutung aus skr. sloven. Močila bereitet das k Schwierig keiten. Möglich wäre schließlich auch späte Übernahme aus einem slav. mogyla.

 

10. Μπογδανάτικα ON, Kr. Gaios (Nuch., St.Ap., Λαογραφία 162). Eine griech. Ableitung vom slav. PN Bogdan. Vgl. bulg. ON Bogdan, skr. Bogdanje, Bogdanci usw.

 

11. Χλομός ON im Kr. Leukimmē (Nuch., Lex.). Der Ort erscheint schon als ἐν τῷ Χλομῷ b bei Georg. Phrantzes S. 411, 14, vgl. auch Partsch, Korfu 36. Eine griechische Ableitung davon liegt vor im ON Χλωμοτινά (auch Χλωματιανά) s. Lex. Die Quelle ist altslav. *chl̥, abg. chlъmъ »Hügel«. Vgl. auch Šišmanov, Bъlg. Prěgled IV Nr. 3 S. 93.

 

 

b) Leukas

 

Die slavischen Spuren sind hier sehr gering. Unsicheres bietet Šišmanov, Bъlg. Prěgled IV Nr. 3, S. 93.

 

1. Griva »der östliche Ausläufer des Epano-Pyrgos-Gebirges auf Leukas« (in der Mitte der Insel), s. Partsch, Leukas (Karte). Gehört zu kslav. griva »Mähne«, bulg. gríva, skr. grı̏va idem. Man beachte auch sloven. gríva »Mähne, Bergsaum, Rain«, s. weiteres bei Berneker EW I 352. Vgl. bulg. Grivica.

 

2. Δράγανον ON im Kr. Apolloníōn (Nuch., Lex., Stat. Ap.). Wohl eine Ableitung vom PN slav. Draganъ, davon ON *Draganjь. Vgl. skr. ON Dragan-Gradišće, Draganlug, Dragan-Selo, bulg. Draganovo u. dgl. Vgl. auch Šišmanov, Bъlg. Prěgled IV Nr. 3 S. 93.

 

3. Ruda eine Bucht im südlichen Teil der Insel. Vgl. Partsch, Leukas (Karte). Wohl das altslav. ruda »Erz«.

 

4. Sella eine Ortschaft im Nordwesten der Insel. Vermutlich aus slav. selo »Siedlung«. Die Betonungsstelle des griech. Namens ist mir unbekannt. Anfangsbetonung würde m. E. slavische Herkunft fraglich und daneben romanische Herkunft aus sella möglich erscheinen lassen.

 

 

c) Kephallenia

 

Das slavische Material ist sehr dürftig, obgleich die Insel als οἰκοθεσία τῶν Σθλάβων bezeichnet wird, siehe Partsch, Kephallenia 42 Anm. 3. Aus der griech. Vita des hl. Kliment zitiert Šišmanov, Bъlg. Prěgled IV Nr. 3 S. 93 (wo weitere Literatur) die Worte: καὶ τὴν Κεφαληνίαν μετονομασθεῖσαν τῇ Βουλγάρων φωνῇ Γλαβινίτζαν, doch läßt sich nicht übersehen, wo und

 

 

 

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wie weit dieser Name verbrietet war. Er sieht nach einer slav. Übersetzung von Κεφαλληνία aus. Bis auf den Fall Ῥούδι gestatten die ON auch eine andere Erklärung, nämlich durch Übertragung von Names aus andern gegenden durch griechische Siedler.

 

1. Βάλτα Landsdiaft im südlichen Teil der Insel, s. Partsch, Kephallenia 77. Βάλτα als ON erscheint auch bei Nuchakis. Dafür Βάλτες: Ἄνω B. im Kr. Pronnōn (St. Ap.). Nach Miliarakis, Kephallenia 39: Μπάλτα, Μπάλτες, Zugrunde liegen könnte ein slav. *bolto »Sumpf«. Aber der Einwohner von Μπάλτες heißt nach Miliarakis, Kephallenia 39: Μπαλτισιᾶνος. Den Namen Μπάλτα leitet Miliarakis, Kephallenia 93 ff. aus dem Albanischen ab, wobei er auch auf andere Spuren albanischer Ο Ν und PN hinweist. Die albanische Etymologie ist nicht schlechter als die slavische. Zu Μπαλτισιᾶνος vgl. einen andern PN Μαλισιᾶνος bei Miliarakis ug. Sie gehören zu alb. bal’tεsí »Sumpfland« bzw. mal’εsí »Bergland«.

 

2. Ῥούδι ein Gebirge im Südosten der Insel (1143 m), Miliarakis, Kephallenia 15 ff. und Partsch, Kephallenia 15 und Karte. Dieses beruht offenbar auf slav. ruda »Erz«, bulg. skr. ruda.

 

3. Χελμᾶτα ON, Kr. Argostolion (St, Ap. und Lex., auch Miliarakis a. a. O. 80), Dafür Χίλματα bei Nuchakis. Zugrunde liegt ein Χελμός ON., der auf slav. *chl̥ »Hügel« beruhen uniss. Die Ableitung ist griechisch und findet Parallelen in den ON Κοκολᾶτα, Μαυρικᾶτα, Μαζαρακᾶτα, Σβορωνᾶτα, Μεταζᾶτα, Μοντεσαντᾶτα, Φραγκᾶτα, Σολωμᾶτα usw. Vgl Stat. Ap. II 414 und besonders Miliarakis a. a. O. 94. Unschlüssig ist hier Sismanov, Bъlg. Prěgled IV Nr. 3  S. 93. Falsch ist Weigands Deutung wies griech. ON aus slav. *chъlmatъ im Balkan Archiv IV II.

 

Unter den Familiennamen der Insel, die Miliarakis in großer Zahl anführt, kommen als slavisch nur wenige in Frage. Vgl. Κοκκόσης zu altslav. kokošь »Henne«, sowie Σκλάβος, Σκλαβουνάκης, Σκλαβοῦνος letztere zwei Namen aber in romanischer Gestalt, aus *Sclavone(m).

 

 

d) Ithaka

 

Von slavischen ON weiß ich hier keinen einzigen zu nennen. Unter den von Miliarakis, Kephallenia 151 beigebrachten Familiennamen ist nur Κράβαρης slavisch kravarь »Kuhhirt«, das aber auch importiert sein kann. Vgl S. 83. Das Fehlen slavischer ON konnte dadurch erklärt werden, daß die Insel im 15. Jahrhundert entvölkert war. Vgl. dazu Miliarakis a a. O. 153. Eine etwaige mittelalterliche Tradition konnte also unterbrochen werden.

 

 

e) Zakynthos (Zante)

 

Hier kann ich fast keine Spuren eines Aufenthaltes von Slaven im Mittelalter nachweisen. Bei oberflächlicher Betrachtung könnte ein Name als slavisch engesehen werden. Das ist die Bezeichnung Grebani : »li monaci di

 

 

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S. Giorgio detto a i Grebani di quell'isola«. (Zante) a. 1150, s. Sathas DI V 148. Ebenso: i Grebani dell’isola del Zante (a. 1586); im griechischen Text steht dafür τῶν Κρημνῶν, s. Sathas DI V 147. Vgl. auch. li poveri Calogeri dell’heremo di S. Giorgio a I Grebani del Zante (a. 1586, s. Sathas a. a. O. V 148). Hier könnte man zunächst denken an altslav. grebenь »Kamm«, zumal skr. grȅbēn auch »hervorragender Teil eines steilen Felsens« ist. Vgl. Berneker EW I 347. Es wäre aber ein Trugschluß, auf dieser Grundlage Slaven auf der Insel anzunehmen, weil das skr. Wort auch in nordostitalienische Mundarten, z. B. die venezianische, gedrungen ist, wo es als ital. grebano »Berg« erscheint. Vgl. darüber Meyer-Lübke, Roman. Wb. 287. Ich halte also die Grebani del Zante für ein Zeugnis nicht des slavischen, sondern des venezianischen Einflusses auf Zakynthos, der durch viele sprachliche Tatsachen, besonders die vielen italienischen Lehnwörter dieses Inseldialekts, erhärtet werden kann. Was Šišmanov, Bъlg. Prěgled IV (1897) Nr. 3 S. 92 über Slavenreste auf der Insel sagt, erscheint mir unbegründet. Als Slavenspur käme hier allenfalls der ON Καλέντζι, unweit Gerakári, in Betracht. Zur Etymologie desselben vgl. oben S. 36. Außerdem liegt es nahe, den ON Ῥθμήρι auf Zakynthos (Lex.) als slav. *Jaroměrjь vom PN Jaroměrъ zu deuten.

 

Zu beachten ist dann noch besonders das Vorkommen des slav. Lehnwortes στογός »Heuschober«, στὸ στογό, s. Λαογραφιά X 417, das zu skr. stȏg stȍga idem, bulg. stog »Schobee, Feim« gehört. Es könnte nach Schwyzer (mündlich) auch durch slavische Landarbeiter eingeführt sein.

 

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