Die Slaven in Griechenland

Max Vasmer

 

Kap. III. Verzeichnis der slavischen geographischen Namen nach Landschaften geordnet:

 

22. Kreta

 

 

  1. Βάλτος

  2. Βούργαρο

  3. Γαβρανοῦ

  4. Γαράζο

  5. Ζαγουριάνοι

  6. Λαγκές

  7. Μοῦντρος

  8. Πλεμενιανά

  9. Ῥοδοβάνι

10. Σκλαβοδοχώρι

11. Σκλαβοδιάκου

12. Σκλάβοι

13. Σκλαβοπούλα

14. Σφινάρι

15. Τοπόλια

16. Χαρβάτα

17. Χουδέται

     

 

  

Nicht alle auf dieser Insel zu findenden slavischen Namen vermag ich durch späte und zufallige Ansiedlung von Slaven zu erklären. Einige davon müssen älteren Datums sein. Für die Gegend von Herakleion hat schon Rangavis III 573 aus Anlaß der Erörterung über den Namen Σκλαβεροχώρι die Bemerkung nicht unterdrücken können, daß es sich hier um eine vom Festlande herübergekommene ältere Gruppe von Siedlern handeln müsse. Später hat Šišmanov, Bъlg. Prěgled IV Nr. 3 S. 89 ff. diese Ansicht unter Heranziehung einer größeren Anzahl von Namen weiter zu stützen gesucht. Ob diese Namen bereits von den slavischen Seeräubern stammen, deren Angriff auf Kreta in dem oben angeführten historischen Zeugnis (S. 14) geschildert wird, läßt sich nicht mit Sicherheit feststellen.

 

Im folgenden versuche ich die Liste Šišmanovs durch weitere Beispiele zu ergänzen.

 

 

1. Βάλτος ON, Kr. Lasēthiu (Lex.). Der Name ist am ehesten durch Griechen nach dem Appellativum βάλτος benannt, das nicht sicher slavisch ist, sondern auch auf illyrische Wurzel zurückgeführt werden kann. Vgl. S. 22.

 

2. Βούργαρο : Ἄνω Βούργαρο und Κάτω Βούργαρο sind zwei Orte im Kr. Chaniá nach B. Schmidt, Volksleben 13. Im Lex. heißen sie: Ἄνω und Κάτω Βουργάρω, bei R. Βουργάρο. Zugrunde liegt der Name der Bulgaren. Vgl. Šišmanov, Bъlg. Pregled IV (1897) Nr. 3 S. 89.

 

 

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3. Γαβρανοῦ ON Kr. Chaniá (Lex.). Vgl. skr. ON Gavran.

 

4. Γαράζο ON, Kr. Rhethymna (Lex., Churm.). Wohl zu russ.-kslav. gorazdъ »erfahren, geschickt«, wozu Berneker EW I 329 ff. Vgl. skr. ON Goražde (mehrfach), als Ortschaft eines Gorazd.

 

5. Ζαγουριάνοι ON, Kr. Heraklion (Lex.). Entspricht einem slavischen *Zagorjane wozu oben S. 33.

 

6. Λαγκές pl. ON, Kr. Chaniá (Lex.) und Λαγκᾶ ON, Kr. Rhethymna (Lex., Churm.) gehen beide offenbar zurück auf ein slav. *Lǫka, vgl. bulg. lъká »Krümmung, Windung, Wiesenland, Weide in der Flußniederung, buschige Niederung«, skr. lúka »Au, Hafen«, wozu Berneker EW I 739.

 

7. Μοῦντρος ON, Kr. Rhethymna (Lex.). Wohl zu slav. mǫdrъ »weise«. Vgl. bulg. Mъdrec, Mъdrica.

 

8. Πλεμενιανά ON, Kr. Chaniá (Lex., Churmuzis). Zugrunde liegt ein slav. *Plemenjane von plemę »Stamm«. Vgl. skr. ON Plemenšćina, Plemenitaš. Eine andere Deutungsmöglichkeit vgl. oben S. 148 Nr. 28.

 

9. Ῥοδοβάνι ON, Kr. Chaniá (Lex., R.). Entspricht einem slav. Adj. *Radovanjь vom PN Radovan. Vgl. skr. ON Radovan, Radovanci, und besonders das mehrfach bezeugte skr. Radovanje. Dazu weiteres bei Miklosich, Bildung 169 ff.

 

10. Σκλαβοδοχώρι ON in Pediada (Heraklion), nach Churmuzis und B. Schmidt, Volksleben 13; bei R. und im Lex. heißt es Σκλαβεροχώρι. Gehört trotz unklarer Bildung zu σκλάβος »Slave«, ist aber hier an scheinend von Griechen auf eine zufällige Ansiedlung von Slaven angewandt worden. Anders Šišmanov, Bъlg. Prěgled IV (1897) Nr. 3 S. 90.

 

11. Σκλαβοδιάκου ein μετόχιον, Kr. Heraklion (Lex.), vgl. auch B. Schmidt, Volksleben 13. Ähnlich aufzufassen wie der vorhergehende Name.

 

12. Σκλάβοι ON, Kr. Lasethion (Lex., R.). Zu den obigen Beispielen.

 

13. Σκλαβοπούλα ON, Kr. Chaniá (Lex., R. und B. Schmidt, Volksleben S. 13). Von σκλάβος abgeleitete griechische Bildung.

 

14. Σφινάρι ON, Kr. Chaniá (Lex.). Man muß an eine Ableitung von griech. σφήν »Keil«, ngriech. σφήνα denken; weniger wahrscheinlich ist Anknüpfung an slav. svinarь »Schweinehirt«, bulg. svinárь idem, die von Šišmanov, Bъlg. Pregled IV (1897) Nr. 3 S. 90 vertreten wird.

 

15. Τοπόλια ON, Kr. Chaniá (Churm., Lex.), Τοπολιά nach R. Als »Pappelort« zu bulg. topóla »Pappel«. Vgl. auch B. Schmidt, Volksleben 13 und Šišmanov, Bъlg. Pregled IV (1897) Nr. 3 S. 90.

 

16. Χαρβάτα ON, Kr. Chaniá (Lex.). Abzuleiten vom Kroatennamen wie oben S. 123.

 

 

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17. Χουδέται ON, Kr. Herakleion (Lex. und Churmuzis). Ich vergleiche den čech. ON Chudeč von chudъ »schlecht«, Ableitung *chudьcь, wovon Adjekt. *chudьčь.

 

Zur Beurteilung der in kretischen Ortsnamen erkennbaren Slavenspuren ist es wichtig, auch etwaige slavische  Lehnwörter  auf Kreta zu beachten. Ein solches slavisches Wort ist bisher jedenfalls festgestellt worden, das man nur auf dieser Insel und sonst nirgends auf griechischem Boden nachgewiesen hat. Es ist das Wort βέρα »Waffenstillstand«, das Laskaris, Ἀθηνᾶ 39, 211 ff. unter Berufung auf Miklosichs Abhandlung über die Blutrache bei den Slaven überzeugend auf slav. věra »Glaube, auch »Waffenstillstand« zurückgeführt hat.

 

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