Die Slaven in Griechenland

Max Vasmer

 

Kap. III. Verzeichnis der slavischen geographischen Namen nach Landschaften geordnet:

 

12. Attika

 

 

  1. Βαρυμπόπι

  2. Βελισκός

  3. Βελέτσι

  4. Βιροΐ / Βιρός

  5. Βουρβά

  6. Βρανᾶ

  7. Ζαγάνι

  8. Ζαστάνι

  9. Καλέντζι

10. Μαγούλα

11. Μπάλα

12. Μπέλιζα

13. Ῥέντι

14. Σίρακον

15. Τατόϊ

16. Χαλμούτσι

17. Χαρβάτι

18. Χαρβάτι

     

 

Nachdem Fallmerayers Beweisführung einer starken ethnischen Beeinflussung Attikas durch die slavische Invasion, die sich auf eine später als Fälschung erwiesene Mönchschronik stützte, schwankend geworden wwr, haben verschiedene Gelehrte die Anwesenheit von Slaven in dieser Landschaft überhaupt angezweifelt. So bestreitet Amantos, Ἑλληνικά I (1928) 184 hier das Vorhandensein slavischer Ortsnamen. Ähnlich deute auch

 

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Phurikis in seiner oben S. 6 ff, erwähnten Arbeit. Eine genaue Prüfung des Materials zeigt nun, daß die folgenden Namen aus dem Slavischen gedeutet werden müssen:

 

1. Βαρυμπόπι ON, Kr. Acharnōn (Lex.), Βαριμπόπι (R.). Zu deuten wie der gleichlautende Name auf Euboia, aus slav. PN *Varibobъ, wozu oben S. 110.

 

2. Βελισκός »locus Atticae« urk, a. 1387, s. Mikl.-Müller III 248. Entspricht einem slav. *Bělьskъ, der vorliegt in poln. Bielsk, čech. Bílsko, sloven. Belski Vrh usw. Vgl. noch Miklosich, Bildung 225. Dazu auch deutsch Belzig.

 

3. Βελέτσι Berg in Attika, nach Ow, Abstammung 46, der den Namen merkwürdigerweise mit neugriech. βελάζω »meckere (wie die Ziegen)« in Verbindung bringt, was, abgesehen von der Bedeutung, auch lautlich nicht angeht. Ich vermute eher Zusammenhang mit einer slavischen Ableitung von bělъ »weiß«. Vgl. skr. Belec (Varaždin) oder čech. ON Běleč, wozu Miklosich, Bildung 136.

 

4. Βιροΐ oder Βιρός ein χείμαρρος westlich von Malakasa, Nebenfluß des Asopos, nach Phurikis, Ἀθηνᾶ 41, 103, der diesen Namen aus griech.-alb. virói, virua »Quelle« herleitet; aber diese albanische Form muß selbst wegen des ursprünglich ausl. -o aus griech. βιρός stammen, welches seinerseits auf slav. virъ zurückgeht. Vgl. dazu oben S. 23.

 

5. Βουρβά ON, Kr. Kropia (R., Nuch.), fehlt im Lex. Man könnte an altslav. *vьrba »Weide« denken. Vgl. bulg. Vъrba, Vъrbica usw.

 

6. Βρανᾶ ON, Kr. Marathon (Nuch., Stat. Ap., Lex.). Der Name ist schon längst mit slav. vranъ »corvus, niger« verglichen worden. Siehe Ow, Abstammung 47, Pogodin 79 ff. Es ist aber auch zu berücksichtigen, daß er eine griechische Ableitung sein kann von einem bereits gräzisietten PN Βρανᾶς. Vgl. z. B. Θεόδωρος Κομνηνὸς ὁ Βρανᾶς bei Miklosich-Müller ΙΝ Nr. 52 S. 114 oder Ἀλέξιος Βρανᾶς στρατηγός, Ephraem De Isaacio Angelo v. 5816, 5849, 5854. Zur Ableitung von einem byz. PN vgl. besonders Lambros, Παρνασσὸς Ἐπετηρίς I 162 und 183, Sarris, Ἀθηνᾶ 40, 130, und Georgakas Ἀθηνᾶ 48, 73. Der PN Βρανᾶς ist auch im Epirus sehr verbreitet. Vgl. ΗΧ in 249 ff und IV 26.

 

7. Ζαγάνι ein Berg, südöstlich von Spata, nach Ἀθηνᾶ 41, 107, soll nach Phurikis a. a. O. aus griech.-alban. zaγani »Furche, Graben« stammen, während Sarris es von einem PN Ζαγάνος ableiten wollte. Die Herleitung vom PN ist nicht zu empfehlen wegen morphologischer Schwierigkeiten und auch weil der PN Ζαγάνος nach Phurikis nur im Peioponnes bezeugt ist. Die Ableitung aus dem Albanischen hat zu berücksichtigen, daß das alb. Wort (alb. zagnε »Furche« nach G. Meyer, Alb. Wb. 480) seinerseits aus slav. zagonъ »sulcus« stammt. Vgl. übrigens skr. ON Zagon, Zagoni.

 

 

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8. Ζαστάνι mehrfach als Name von Schluchten überliefert; a) am Parnes, b) am Poikilon Oroa, c) im Diakría-Gebirge, so nach Phurikis, Ἀθηνᾶ 41, 107. Der letztere Gelehrte leitet die Namen von griech.-alb. zastan, zestan »steile, abschüssige, unwegsame Stelle« her. Das letztere Wort ist aber wiederum slavischer Herkunft, aus za + stanъ wie S. 128.

 

9. Καλέντζι ON, Kr. Marathon (Nuch., Stat. Ap., Lex.). Erklärt sich wie der gleichnamige ON oben S. 111 ff. Nach Lambros, Παρνασσὸς Ἑπετηρίς I 190 ist K. albanischer Herkunft. Über die Gründe dieser Entscheidung sagt L. nichts.

 

10. Μαγούλα ON, Kr. Eleusis (Nuch., Stat. Ap., Lex.). Ist zu deuten wie die ähnlichen Namen früher. Es kann sich um eine griechische Namengebung handeln, trotz der slavischen Herkunft von griech. μαγούλα »Hügel«. Vgl. auch Pogodin 79 ff.

 

11. Μπάλα ON, Kr. Krōpia (Nuch.). Der Name fehlt in den Stat. Ap. und im Lex. Er könnte aus einem slav. Běla von bělъ »weiß« entstanden sein. Wahrscheinlicher ist aber nichtslavische Herkunft. Vgl. das Folgende.

 

12. Μπέλιζα ON, Kr. Acharnōn (St. Ap., Lex.). Es steckt darin ein slavisches Běla, erweitert durch ein alb. Deminutivsuffix -. Vgl. damit den attischen ON Καλογρέζα aus ngr. καλογρια () + alb. -. Dazu auch Lambros Παρνασσὸς Ἑπετηρίς I 190. Von Μπέλιζα offenbar zu trennen ist der Name Μπύλεζα, auch Πύλεζα in Attika, den Phurikis und Sarris Ἀθηνᾶ 40, 145 als »dünnen Wald« von alb. pł »Wald« erklären. Das letztere Wort geht auf vlat. padūlem aus palūdem zurück. Vgl. ital. padule, rumän. pădure »Wald«.

 

13. Ῥέντι ON, Kr. Peiraieus (Stat. Ap.), fehlt bei Nuch. und im Lex. Zugrunde liegen könnte slav. *rędъ »Reihe«. In ON der südslavischen Länder lassen sich allerdings nur Ableitungen von dieser Wurzel feststellen, wie z. B. bulg. skr. Redina. Vgl. oben S. 96. Zu ganz andern Ergebnissen kommt in bezug auf die Etymologie des Namens Ῥένδη Lambros, Παρνασσὸς Ἑπετηρίς I 163, der diesen ON von einem PN Ῥένδης ableiten will.

 

14. Σίρακον ON, Kr. Marathon (Nuch., R.), fehlt im Lex. und Stat. Ap. Zu deuten aus slav. širokъ »breit«. Vgl. ON wie bulg. Široka Lъka, Široki Dol, Široki Rъt, skr. Široko Polje, Široka Planina usw. Siehe auch Hilferding I 293, Pogodin 79 ff. Ohne weitere Begründung will Lambros, Παρνασσὸς Ἑπετηρίς I 191 den griechischen ON, den er Συρράκου schreibt, aus dem Albanischen deuten. Ich kenne im Albanischen keine sichere Anknüpfungsmöglichkeit.

 

15. Τατόϊ ON, Kr. Acharnōn (Stat. Ap.). Dafür Τατόϊον im Lex. und bei Nuch. Gebildet von einem PN *Tatoje, wie skr. Stanoje, Miloje, Ableitung von einem längeren Namen. Vgl. mazed. Tatomir (Skoplje). Dazu vergleiche man den PN Τατίμερ »cum captivis Sclavinis Byzantium missus in

 

 

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itinere oppressus Byzantium fugit«, Theophan. Chron. (ed. de Boor) 271, 5 und 272, 13. Erinnert werden mag hierbei an den rumän. ON Totoiu in Siebenbürgen, wofür eine Grundform *Tătoiu angesetzt wird von Scheiner, Balkan-Archiv III 149. Der letztere Verfasser bringt den rumän. Namen mit Thate »Oberrichter des Weißenburger Komitats« zusammen, welches aus bulg. tata »Vater« stammt. Beachtenswerter ist der Versuch von Lambros, Παρνασσὸς Ἑπετηρίς I 188 den griechischen ON, für den er die Formen Τατόη und Τατόϊον angibt, von einem albanischen PN abzuleiten. Er nennt auch mehrere Τατόης, die er belegen kann. Der Personenname könnte allerdings im Albanischen auch slavischer Herkunft sein.

 

16. Χαλμούτσι ON, Kr. Peraia (nur bei R.). Da eine Anknüpfung an slav. *chl̥ naheliegt, erwähne ich, daß der Name mir fraglich erscheint, weil sonst Χαλκούτσι (Lex., Nuch.) überliefert ist. Letzteres ist natürlich echt griechisch.

 

17. Χαρβάτι ON, Kr. Krōpia (Lex., R., Stat. Ap.), bei Nuch. steht dafür Χαρβάτιον. Dieser Name geht auf den Stammesnamen der Kroaten zurüde, altslav. *Chr̥vati. Abgesehen davon, daß dieser Stammesname auf altsorbischem Boden (Korbetha) und auf kaschubischem Sprachgebiet nachgewiesen werden kann, haben wir von ihm viele Spuren in südslavischen ON, z. B. mazed. Hrvati (Bitolj), skr. Hrvace (Dalmatien), Hrvaćani (Vrbas), Hrvatinsko (Karlovac), Hrvatska Neuzina (Panvo), Hrvatsko (Kupa) usw. Vgl. auch Hilferding I 293, Pogodin 79 ff.

 

18. Χαρβάτι : eine zweite Ortschaft dieses Namens wird von Sarris, Ἀθηνᾶ 40,156 in der Nähe von Portorrafti in Attika erwähnt. Etymologisch identisch mit dem vorigen.

 

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