Die Slaven in Griechenland

Max Vasmer

 

Kap. III. Verzeichnis der slavischen geographischen Namen nach Landschaften geordnet:

 

10. Phokis

 

 

  1. Ἄβορος

  2. Ἀβορίτη

  3. Ἀγλαβίτσα

  4. Ἀγόριανη

  5. Ἀράχοβα

  6. Βάλτος

  7. Βάριανη

  8. Βελαώρα

  9. Βελενῖκος

10. Βελούχι

11. Βελούχοβο

12. Βιτρινίτσα

13. Βοστινίτσα

14. Βύδαβη

15. Γάβρα, τὰ

16. Γαρδενίτσα

17. Γλίνα

18. Γολίνα

19. Γουρίτσα

20. Γραβιά

21. Γρανίτσα

22. Δρεστενά

23. Ζαμπιά

24.  Ζγράδα

25. Ζιρέλια, τὰ

26. Κάνιανη

27. Καρούτες

28. Κοβίλινα

29. Κονιάκος

30. Κουκοβίστα

31. Λούζα

32. Λούτσοβος

33. Μάκρυσι

34. Μουτσιάρα

35. Μπέλεσι

36. Μπόγδανον

37. Πλέσσα

38. Πόλογος

39. Σκλιβινίτσα

40. Σμόκοβον

41. Στρούζα

42. Στρώμη

43. Τοπόλια

44. Χλωμός

45. Χούμποβον

 

 

 

1. Ἄβορος ON, Kr. Atgitíu (Nuch., Stat. Ap., Lex.). Enthält das slavische Wort für »Ahorn«, altbulg. *avorъ. Vgl. oben S. 102.

 

2. Ἀβορίτη ON, Kr. Krokylíu (R., fehlt bei Nuch. und Lex.). M. E. ein Gen. sing. von griech. Ἀβορίτης »Bewohner von Avoros«, d.h. vom soeben erwähnten Ort Ἄβορος  stammend.

 

3. Ἀγλαβίτσα ON» Kr. Krokýleion (Stat. Ap.). Nuch. schreibt dafür Ἀχλαβίστα, das Lex. : Ἀγλαβίστα. Da wir auf skr. Gebiet einen ON Oglavak (Sarajevo) finden, so könnte dieser Name wohl auf slav. *Oglavica zurück-

 

 

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geführt werden. Ähnlich setzt Hilferding I 292 ein *Oglavišče als Quelle an. Keiner Widerlegung bedarf die Ansicht von Sathas DI IV S. XLIX, der den griechischen Namen als vicus eines Ἀγλαός (so!) deutet.

 

4. Ἀγόριανη ON, Kr. Dorieis (Nuch., Stat. Ap., Lex.). Dieser Name entstammt einem slav. *Ogorjane oder * Gorjane wie oben S. 102 ff.

 

5. Ἀράχοβα ON am Krisäischen Meerbusen = altgriech. Ἀνεμώρεια nach R. und Neumann-Partsch, Griechenland 166. Es steckt darin ein slav. *Orěchovo wie oben S. 21.

 

6. Βάλτος (nordgr. Βάλτους) ON, Kr. Dorieis, s. Ἀθηνᾶ 44, 114. Zu deuten wie S. 22.

 

7. Βάριανη ON, Kr. Dorieis (Stat. Ap.). Dafür Βαριάνη im Lex., Βάργιανη bei R. und Nuch. Ich gehe aus von *Borjane »Nadelwaldbewohner« : altslav. borъ. Einen solchen ON kann ich in genauer Entsprechimg nicht beibringen, aber es kann an čech. Borovany und skr. Borčane, Borčani erinnert werden, wozu Miklosich, Bildung 226 ff.

 

8. Βελαώρα ON, = Καρδάρα, s. Λαογραφία V 260. Entspricht slav. *Běla Gora »weißer Berg«.

 

9. Βελενῖκος ON, Kr. Tolophon (Nuch., Stat. Ap., Lex.). Wohl zu skr. Bijelnik, kann aber auch verglichen werden mit sloven. Velenjak, bulg. Velenci, die nur andere Suffixe aufweisen. An eine Ableitung von russ. ukr. belena »Bilsenkraut« möchte ich nicht glauben, da letztere Lautgestalt nur ostslavisch ist, bulg. blěníka »Bilsenkraut«, skr. blen weicht lautlich ab, vgl. Berneker EW I 48. Grundform am ehesten *Bělenikъ : bělъ »weiß«.

 

10. Βελούχι (nordgriech. Βιλούχι) ON, Bez. Kukuvista, Parnassis, s. Ἀθηνᾶ 44,115. Wohl aus slav. *Běluchъ. Vgl. skr. bjelùšast »weißlich«. Davon abgeleitet ist:

 

11. Βελούχοβο ON, Kr. Hyaia (St. Ap., Ἀθηνᾶ 44,115 und Λαογραφία V 529), fehlt im Lex. und bei Nuch. Lautlich schwierig wäre eine Verknüpfung mit kslav. voluchъ »Kuhhirt«. Dazu gehört auch der Bergname Βελούχι, den Hilferding I 292 ohne Angabe der Etymologie als slavisch betrachtet. Vgl. S.66.

 

12. Βιτρινίτσα ON, Kr. Dorieis (St. Ap., Lex., Nuch.). Die slavische Quelle ist *Větrьnica »ein dem Winde ausgesetzter Ort« zu altslav. větrъ »Wind«, skr. vjȅtar, bulg. větъr. In ON läßt sich das Vorhandensein eines solchen Namens erweisen durch skr. kajk. Veternica, sloven. Veternik, bulg. Větren, čech. Větrník u. dgl. Vgl. auch Hilferding I 292. Der Ort Βιτρινίτσα  wird als Vedriniza 1548 bei Giacomo Gastaldi verzeichnet, nach Sathas DI III Karte 1.

 

13. Βοστινίτσα ON, Kr. Hyaion (R., Stat. Ap., Lex.). Nuch. schreibt dafür Βοστενίτσα. Man könnte an skr. Voštan von altslav. voskъ »Wachs« anknüpfen, aber auch an altbulg. *Ovoštьnica : kslav. ovoštь »Obst«, skr. voće.

 

 

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Da ich die letzten Wörter auch in ON wie skr. Voće, Voćnik u. a. wiederfinde, ist eine Entscheidung ichwierig. Hilferding I 292 geht von einem ungenauen *Voščnica aus, das er zu voskъ stellt.

 

14. Βύδαβη ON, Kr. Tolophon (St. Ap.). Dafür Nuch. Βίδαβη, bei R. Βιδάβη, Lex. Βυδάβη. Vgl. skr. Vidova, Vidovo.

 

15. Γάβρα, τὰ ON, Bez. Kaniani, Parnassis, s. Ἀθηνᾶ 44, 117. Zu bulg. gabъr »Weißbuche«.

 

16. Γαρδενίτσα ON, Kr. Atalante (R.), fehlt im Lex. Aus slav. *Gordьnica zu abulg. gradъ »Burg«. Vgl. bulg. Gradnica, sloven. Gradnik.

 

17. Γλίνα ON, Bez. Kukuvista, Parnassis, s. Ἀθηνᾶ 44,119. Zu slav. glina »Lehm«, woraus auch ngr. γλίνα, γλίνη. Wegen der Bedeutung ist mir die Herleitung des letzteren und des griech. ON aus dem altgriech. γλίνη »Leim, klebrige Flüssigkeit« weniger wahrscheinlich, trotz Kolias, Ἀθηνᾶ a. a. O., und G. Meyer, Ngr. Stud. II 81.

 

18. Γολίνα ein Berg in Phokis, nach Hilferding I 292. Der russische Gelehrte hält den Namen für slavisch, ohne die Quelle anzugeben. Jedenfalls gehört er zu golъ »kahl«. Vgl. sloven. ON Golnik, skr. Golinci, Golinja, bulg. Golinci. Besonders genau stimmen poln. ON Golina (öfters belegt), čech. Holín (mehrfach) zum griechischen Namen.

 

19. Γουρίτσα ON, Kr. Kalüeon (Nuch., Stat. Ap., Lex.). Gehört zu slav. Gorica wie oben S. 29. Gleicher Herkunft ist der Name von Görz. Siehe auch Kretschmer, Archiv XXVII S. 235.

 

20. Γραβιά ON, Kr. Dorieis (Nuch., Stat. Ap., Lex.). Vgl. auch Philippson, Thessalien 23. Zweifellos eine griechische Ableitung von einem ngr. γράβος »Weißbuche«, ds G. Meyer, Ngr. Stud. II 24, als slavisches Lehnwort ansieht. Bei R. findet sich Γραβιά und Κραβιά, was auch auf fremde Herkunft hinweisen würde, trotz R., der an altgriech. καρφία anknüpfen wollte. Da ein altmaked. γράβιον »Holz einer Eichenart« nach Kretschmer, Bezzenberger-Festschrift S. 89 ff., zu den illyrischen Elementen des Makedonischen gehört, möchte ich das Grundwort des obigen ON mit G. Meyer lieber für slavisch halten. Anders Psaltis bei Amantos ZONF V 67, der γράβος fürs Altgriechische in Anspruch nimmt.

 

21. Γρανίτσα ON, Kr. Hyaia (Nuch., Stat. Ap., Lex.). Entspricht ngr. γρανίτσα oder dessen Quelle slav. granica wie oben S. 30.

 

22. Δρεστενά ON, Kr. Krokyleion (Nuch., Stat. Ap., Lex.). Der Name ist wurzelverwandt mit Δρεστενῖκον (s. oben S. 32), das von mir auf slav. *Trъstěnikъ zurückgeführt wurde. Im vorliegenden Falle ist es eine Ableitung *Trъstěno bzw. *Trъstěna von altslav. trъstь »Schilf«. Vgl. skr. Trstena (mehrfach). Der Vokal der ersten Silbe kann sich bereits auf slavischem Boden durch Assimilation zu einem Vokal der vorderen Reihe entwickelt haben» also evtl. schon slav. *Trьstěna.

 

 

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23. Ζαμπιά ON, Kr. Potidanía (R. und Nuch.), fehlt im Lex. und Stat. Ap. Ich gehe aus von einem slav. *Zabь̂ja, Adj. zu žaba »Frosch«, bulg. žaba, skr. žȁba. Vgl. slov. ON Žabja Vas, Žabje usw.

 

24.  Ζγράδα eine βαραθρώδης σχιμὴ ὄρος im Bez. Agoriani, Parnassis, s. Ἀθηνᾶ 44, 123, wo eine unbefriedigende Etymologie aus dem Griech. ῥαγάς. Ich vergleiche skr. sgrȁda »Zaun, Einzäunung« (Vuk).

 

25. Ζιρέλια, τὰ 1. ON, Bez. Kukuvista, Parnassis, s. Ἀθηνᾶ 44, 123, 2. ON, Bez. Kallieon, Parnassis, *Ἀθηνᾶ  c. 1. Soll nach Kolias a. a. O. stammen von neugriech. ζιρέλι »sumpfige, schilfbewachsene Gegend«. Das letztere Wort ist offenbar aus slav. *žrělo »Quelle«, skr. ždrijèlo »Engpaß, Schlund« entlehnt.

 

26. Κάνιανη ON, Kr. Dorieis (Nuch., Stat. Ap., Lex.), auch bei Stählin, Thessalien 211. Die Deutung ist schwierig. Es könnte eine ON-Abkitung von slav. konjь »Pferd« vorliegen, wie z. B. skr. Konjsko, bulg. Konska u dgl. Die Bewohner einer derartigen Gegend waren *Konjane. Eine solche Grundform wurde dem griechischen ON besonders nahekommen. Es könnte aber auch direkt als »Reiter« von einem slav. Wort gebildet sein, das die Vorstufe von skr. kȍnjank »Reiter«, bulg. konjanik darstellt.

 

27. Καρούτες ON, Kr. Aigitíu (Nuch., Stat. Ap., Lex.). Ans slav. koryto »Trog«, skr. kòrito, bulg. koríto. Das slavische Wort kann auch »eine Bodenfeite, ein Flußbett, eine Rinne« bedeuten (z. B. im Bulgarischen) und kommt viel in ON vor. Vgl. auch skr. Kòrita »Wald in der Hercegovina« (Vuk), ON: Korita, Korito usw. Gleicher Herkunft ist auch der ON Καρούτια in Phokis, Kr. Eupalíōn (Nuch., Stat. Ap., Lex.), s. auch Kretschmer, Archiv XXVII 233. Da das slav. koryto in nordgrierhischen Mundarten als Lehnwort in der Form καρούτα ziemlich verbreitet ist, müßte erwogen weiden, wie weit es sich bei den obigen griechischen ON um eine durch Griechen vollzogene Xamengebung handelt.

 

28. Κοβίλινα ON, Kr. Elateia (R., fehlt bei Nuch., Lex.). Offenbar aus slav. *kobylьna zu kobyla »Stute«. Vgl. slov. Kobilno, ski. Kobilja, Kobilijak, bulg. Kobiljak usw.

 

29. Κονιάκος ON, Kr. Hyaia (Nuch. und R.). Dafür Κουνιάκοι im Lex. und Stat. Ap. Geht auf ein slav. *Konjakъ zurück, das zu konjь gehört und eine ähnliche Bildung aufweist wie Kozjak. Vgl. in ON poln. Komaików, Komacz (Słown. Geogr. IV 329), slovak. Koňákov.

 

30. Κουκοβίστα ON, Kr. Dorieis, Parnassis (Nuch.), Κοκκουβίτσα (Lex.). Zu maked., sloven. Kukovo, bulg. Kukovica als *Kukovišče.

 

31. Λούζα ON, Bez. Agoriani, Parnassis, auch Λούζες (nordgriech. Λούζις), so Kolias, Ἀθηνᾶ 44, 135, wo zur Erklärung hinzugefügt wird: ὀνομαςία ἀποδιδομένη εἰς κοιλότητας ἐπὶ τῶν κλιτύων τῶν ὀρέων. Gleichzeitig verweist der Verf. auf slav. lože »Lager« und seine Behandlung bei G. Meyer,

 

 

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Alb. Wb. 232. Ich sehe die Quelle des griechischen Namens im slav. luža »Pfütze, Lache«, sloven. lúža, russ. lúža, wozu Bemeker EW I 748. Vgl. poln. wruss. Łúža (Słown. Geogr. V 835).

 

32. Λούτσοβος ON, Kr. Hyaia (St. Ap., Lex. R.). Dafür bei Nuch. Λούτσοβον. Es ist eine slavische Bildung auf -ovo von einem griech. PN Λοῦτσος, Λούτσιος von Λουκᾶς »Lukas«, wie Κώτσιος, von Κωνσταμτῖνος. Vgl. zu diesen Namen Buturas, Κύρια Ὀνόματα 75.

 

33. Μάκρυσι ON, Kr. Tolophon (R., Lex., Nuch.) könnte einem bulg. Mokreš entsprechen; zu slav. mokrъ »feucht«.

 

34. Μουτσιάρα Quelle im Bez. Kukuvista, Parnassis, s. Ἀθηνᾶ 44, 138. Vgl. skr. mȍčȃr »Nässe vom Regen« (Vuk), ON Močare.

 

35. Μπέλεσι ON, Kr. Elateia (R., Lex., Nuch.). Vgl. bulg. Běliš und S. 126.

 

36. Μπόγδανον ON, Kr. Atalante (R.), fehlt bei Nuch. und Lex. Vom PN Bogdan. Vgl. skr. Bogdanje.

 

37. Πλέσσα ON, Kr. Tolophon (Nuch., Stat. Ap., Lex.). Πλέσια bei R. Erklart sich als »kahle Stelle« von altslav. *plěšь, wie oben S. 46 ff. Vgl. besonders sloven. pléša f. »kahle Stelle«.

 

38. Πόλογος · ἔρημα καλλιεργούμενα, Kr. Elateia (R.). Zu bulg. Polog, von polog »Abdachung, auch Senkung des Gebirges«.

 

39. Σκλιβινίτσα ein Ort im Episkopat Talantíu und Diauleias, urk. a. 1798, s. Mikl.-Müller V 150. Ein »Pflaumenortt, slav. *Slivьnica. Vgl. sloven., skr. Slivnica (oft), auch bulg. Slivnica.

 

40. Σμόκοβον : Ζμόκουβου ON in Doris nach Λαογραφία IV 432 ff. und R. Zu erklären wie oben S. 51 und 107.

 

41. Στρούζα ON, Kr. Aigitiu (Lex., Stat. Ap., Nuch.). Wohl eine Ableitung von slav. *struga »Strömung«, sloven. strúga »Strombett, Wasserbett, Flußarm, Mühlbach«. Fing adjekt. Ableitung davon müßte *stružь̂ja lauten. Ohne Begründung halt Sathas DI IV S. XLVI diesen ON. für albanisch. Im Albanischen kann ich nichts Vergleichbares feststellen. Vgl. auch S. 158.

 

42. Στρώμη ON, Kr. Kalliéon (Nuch., Stat. Ap.). Dafür bei R. Στρύμη, im Lex. Στρώμνη. Zugrunde liegt ein slav. *strumenь, das im poln. strumień, strumyk fortlebt. Dazu siehe oben S. 53. Es kann auch ein älteres *strumy die Quelle sein (wie kamy G. kamene). Weniger wahrscheinlich ist es, daß eine andere slavische Wortsippe die Quelle abgegeben hat, die vorliegt in kslav. strъmъ »abschüssig«, sloven. strm »steil«, ukr. stermo »Abgrund«. Zu letzterer s. Miklosich EW 325.

 

43. Τοπόλια ON, Kr. Parnassis (Nuch., Stat. Ap., Lex.). Als »Pappel(ort)« zu stellen zu skr. topòla »weiße Pappel« (Vuk), bulg. topóla. Vgl. auch Kretschmer, Archiv XXVII 235.

 

 

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44. Χλωμός ON. im Kr. Dorieis (Nuch., Stat. Ap., Lex.), bei R. Χλωμόν; auch ein Berg in Phokto heißt so, vgl. Neumann-Partsch, Griechenland 164. Am slav. *chl̥ »Hügel« wie oben S. 56.

 

45. Χούμποβον ON, Kr. Elateia (R.) fehlt bei Nuch. und Lex. Der Vergleich mit bulg. chúbav »schön« liegt sehr nahe. Da bulg. chubost »Schönheit« ein *chubъ voraussetzt, muß eine Ableitung von letzterem (als PN) mit -ovo angenommen werden.

 

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