Ein
k. u. k. Oberst im Dienste Moskaus
Diese offiziellen Dokumentationen eines engen Kampfbündnisses
finden
erst Jahre nach dem Tode König Alexanders statt. Sie sind
sozusagen der
Schlußstein einer Entwicklung, die in den Wiener Verhandlungen
ihren
Anfang genommen hat. Nach den Wiener Gesprächen im Jahre 1932
fühlen
sich die sowjetischen Unterhändler zunächst höchst
unbefriedigt über
die recht unverbindlichen Zusagen der Kroaten. Sie unterziehen sich der
Mühe, alle führenden Emigranten gründlich zu beobachten,
um einen neuen
Ansatzpunkt für eine Unterwanderung der Exilgruppe zu finden.
Dabei fällt ihr Augenmerk auf Oberst Dui
ć. Er
hat im Gegensatz zu
seinem Kollegen Sarkoti
ć kein
nennenswertes Privatvermögen und
lebt
unter ziemlich kümmerlichen materiellen Verhältnissen in
Graz, einer
Stadt, die aus einem unerfindlichen Grund von pensionierten Offizieren
der ehemaligen k.u.k.-Armee als Wohnsitz bevorzugt wird. Dui
ć
zeigt
sich außerstande, der Versuchung zu widerstehen, als ihm ein
sowjetischer Unterhändler unter vier Augen große Geldsummen
anbietet,
wenn er über die Tätigkeit der Exil-Kroaten Berichte zu
verfassen und
im Vorstand der separatistischen Bewegung eine engere Anlehnung an die
Sowjetunion zu befürworten bereit ist. Dui
ć
nimmt an und
entwickelt in
den folgenden Monaten eine vorsichtige pro-sowjetische Aktivität,
die
den anderen Kroatenführern aber nicht verborgen bleibt. Sie
stellen Duić zur Rede. Er leugnet, direkte Beziehungen zu den Sowjets
zu
unterhalten und beteuert, persönlich sogar scharf antisowjetisch
gesinnt zu sein. Trotzdem unterstreicht er bei allen Sitzungen der
Emigrantenführer, die kroatische Sache erfordere es,
Unterstützung von
allen Seiten anzunehmen und sich nicht ausschließlich, wie die
Paveli
ć-Gruppe,
an eine einzige Macht zu klammern. Man sollte,
wenigstens bis zur Machtergreifung in Kroatien, eine engere Anlehnung
auch an die Sowjetunion nicht verschmähen. Was dann geschehe,
wäre eine
andere Sache. Nichts sollte dann die kroatischen Nationalisten davon
abhalten, nach der Errichtung eines kroatischen Staates auch mit dem
atheistischen Kommunismus in ihrer Heimat abzurechnen.
Die bissigen Bemerkungen Duićs über die ausschließliche
Anlehnung an
Italien bringen ihm den Haß des Dr. Paveli
ć ein,
der sich
persönlich
angegriffen fühlt. Die Antwort läßt auch nicht lange
auf sich warten.
In der kroatischen Emigrantenzeitung „Usta
ša",
die von Anhängern Pavelićs in Italien redigiert wird, erscheint im
Juli 1934 ein scharfer
polemischer Artikel, dessen Autor, ohne Namen zu nennen, die „senilen
ehemaligen Offiziere, die kein Gefühl für die wahren
Bedürfnisse ihres
Volkes haben und in ihrem Leben mehreren Mächten nacheinander
hörig
waren", verurteilt. Duić versteht sofort, daß er gemeint ist;
anstatt
Ruhe zu bewahren, schreibt er einen scharfen Brief an Pavelić und
protestiert heftig.
Der brave Oberst hatte wenig Erfahrung mit Geheimdiensten. Hätte
er
solche Erfahrungen besessen, hätte er diesen Brief wohl nie
geschrieben
und peinlich vermieden, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Zu allem
Überfluß schickt er auch noch eine Abschrift des Briefes an
Sarkoti
ć
nach Wien, bei dem er sich ebenfalls empört beschwert. Das sind
nicht
die einzigen Fehler, die er begeht. Obwohl es seinen Freunden bekannt
ist, daß Duić mit seinem Gelde äußerst sparsam umgehen
muß, zeigt er
plötzlich durch seine Lebensweise, daß er auf irgendeine Art
und Weise
zu Reichtum gekommen ist. Der biedere Pensionär, der bisher Graz
nur
verlassen hatte, um auf Kosten der Bewegung an Sitzungen der
Emigrantenführung teilzunehmen, läßt plötzlich die
Absicht erkennen, zu
einer längeren Erholungskur nach Karlsbad zu fahren, und mietet
dort
ein Appartement in einem teueren Hotel.
Diese Gelegenheit läßt sich Pavelić nicht entgehen. Als sich
der
pensionierte Oberst in Karlsbad erholt und alle schönen Dinge, die
man
für Geld haben kann, wieder entdeckt, wird ein Einbruch in seine
Wohnung in Graz unternommen. Der pedantische Duić hat leider noch einen
weiteren Fehler begangen, der sich sogar als Kardinalfehler erweist: In
seinem Schreibtisch bewahrt er Kopien von allen Berichten auf, die er
den Sowjets geliefert hat, sowie genaue Aufzeichnungen über die in
Empfang genommenen Summen. Damit hat er sein eigenes Todesurteil
unterschrieben.
In der dritten Woche seines Aufenthaltes in Karlsbad findet man Oberst
Duić erhängt im Badezimmer seines luxuriösen Appartements.
Die ersten
Anzeichen deuten auf Selbstmord, doch sagen alle seine Bekannten
einmütig aus, daß der liebenswürdige, lebenslustige
Oberst der letzte
gewesen war, dem sie einen Freitod zugemutet hätten. Bei einer
sorgfältigen gerichtsmedizinischen Untersuchung stellt man fest,
daß Duić zuerst erwürgt und erst dann aufgehängt worden
ist; der
Hals zeigt
Würgespuren von Fingern, der Kehlkopf ist unter Druck gebrochen.
Die
Leiche wird nach Graz befördert und dort beigesetzt. Duićs alter
Kriegskamerad Sarkoti
ć
hält die Grabrede; aber niemand von der
kroatischen Gruppe aus Italien begleitet den prominenten Emigranten auf
dem letzten Wege.
Die Beisetzung des Obersten findet am 4. Oktober 1934 statt. Der
Mechanismus, der zum Tode König Alexanders von Jugoslawien
führen soll,
ist zu diesem Zeitpunkt in voller Bewegung. Am 9. Oktober 1934 wird der
jugoslawische Herrscher in Marseille von einem mazedonischen
Terroristen ermordet.
Eine neue Phase in den Jugoslawienplänen Moskaus hat begonnen.
Das Staatswappen des
„Unabhängigen Staates Kroatien"
mit dem Ustaša-Abzeichen.