Reise von Belgrad nach Salonik nebst vier Abhandlungen zur alten Geschichte des Morawagebietes

Johann Georg von Hahn

 

Nachtrag

 

Syra, den 2. Februar 1868.

 

 

Mit dem letzten Triester Dampfer ist mir von Seiten des Herrn Dr. A. Boué ein Abdruck des Sitzungs-Protocolls der mathematisch-naturwissenschaftlichen Classe der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften vom 9. Jänner d. J. zugegangen, worin derselbe „den Irrthum der Zeitungen rügt, die geographische Thatsache der möglichen Herstellung einer Eisenbahn von Belgrad nach Salonik dem Herrn Consul v. Hahn, anstatt dem Vortragenden zu vindiciren“ und hinzufügt:

 

„In Dr. Boués „Turquie d’Europe“ vom Jahre 1840 ist doch dieser Eisenbahn ein eigener Abschnitt gewidmet (Bd. 3, S. 44) und im Jahre 1852 veröffentlichte derselbe in Wien seine „Notice sur l’établissement de bonnes routes et surtout de chemins de fer dans la Turquie d’Europe“. Consul v. Hahn machte seine Reise im Jahre 1859 und veröffentlichte sie im Jahre 1861, ohne weder die letzte Notiz noch die Ansichten des Vortragenden über türkische Eisenbahnen zu erwähnen.“

 

Ich bin es daher sowohl dem verehrten Manne als mir selber schuldig, die erste Gelegenheit zu benutzen, um das bis dahin Versäumte nachzuholen.

 

Der oben erwähnte Abschnitt in der „Turquie d’Europe“, III, 44, lautet wie folgt:

 

„Une des lignes los plus intéressantes est celle qu’on pourrait établir sans grands travaux de percement ou de viaducs entre Belgrade et Salonique et qui servirait au transport des voyageurs et surtout à celui des prodigieuses quantités (?) do coton, de laine, de soie, de cuir et d’autres produits qui viennent de la Turquie méridionale aboutir à Belgrade et Semlin et se déverser sur le Danube

 

 

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ou sur les chemins de fer qui sont en étude en Hongrie et en Autriche. On commencerait à Belgrade où on ne ferait que rattacher le chemin de fer à la grande Morawa à Stalatch. Cette route remonterait de là par des plans très faiblement inclinés [1] dans le bassin de Nisch d’où il suiverait les bords de la Morawa bulgare jusqu’à ses surces [2]. Le passerait ensuite dans la partie méridionale du bassin de Kossovo et descentrait le long de la Lepenatz et du Vardar [3] jusqu’au golf de Salonique.“

 

Aus dieser Stelle erhellt, und ich bedauere dies früher nicht gewusst zu haben, dass Herr Dr. Boué allerdings früher als ich an eine Eisenbahn von Belgrad nach Salonik gedacht habe; — ob glücklich ? und welchen Anspruch auf Berücksichtigung die von ihm gezogene Trace habe? darüber darf ich wohl an sein eigenes Urtheil appelliren, nachdem er die vorliegende Arbeit gelesen hat.

 

Auch scheint Herr Dr. Boué selbst diese im Jahre 1840 gezogene Bahntrace aufgegeben zu haben, wenigstens berechtigt zu dieser Annahme die Thatsache, dass dieselbe in der oben angeführten Arbeit „sur l’établissement de bonnes routes et surtout de chemins de fer dans la Turquie d’Europe“ von 1852 weder unter die dort vorgeschlagenen Eisenbahnlinien, noch Landstrassenzüge aufgenommen, sondern durch eine Parallelstrassenlinie von Belgrad nach Seres und von da nach Salonik ersetzt worden ist (s. Seite 5).

 

 

1. Einmal in Stalatsch, müsste die Trace nothwendig durch die dreistündige unwegsame Flussenge der bulgarischen Morawa gehen, was Ingenieur Kuss ebenso wie ich für unmöglich erklärte.

 

2. Herr Dr. Boué scheint, als er seine Trace entwarf, das breite von Norden nach Süden laufende Morawitzathal zwischen Wranja und Kumanowa, in welchem man unmerklich aus dem Gebiete der Donau in das des Wardar gelangt, nicht gekannt zu haben ; denn sonst hätte er unmöglich seine Trace von Wranja aus, statt nach Süden, durch die wenigstens 4 Stunden lange Flussenge zwischen Wranja und Gilan nach Osten legen können, in welcher Richtung sie, auf dem Amselfelde angekommen und sich südwärts wendend, die äusserst schwierige dreistündige Lepenatzenge und später die eben so schwierige zweistündige Wardarenge von Taor zu überwinden gehabt hätte. Zwischen Wranja und Salonik, abgesehen von den grossen Schwierigkeiten, wäre die Trace des Herrn Boué wenigstens um 5 deutsche Meilen länger als die meinige.

 

3. Bis Istib berührt die von mir vorgeschlagene Trace das Wardarthal gar nicht und lässt es von da, in Ermanglung persönlicher Kenntniss des Fahrweges von Istib nach Salonik, fraglich, ob die Trace durch das Bregalnitzathal in das Wardarthal einmünden oder der heutigen Fahrstrasse folgen könne.

 

 

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Dass ich, wo ich aus den Werken des Herrn Dr. Boué schöpfte oder meine Beobachtungen mit den seinigen übereinstimmend fand, dieselben stets angeführt habe, davon liefern meine Reiseberichte reichliche Belege; wenn ich aber da, wo das letztere nicht der Fall war, einer ausdrücklichen Widerlegung die einfache Angabe meiner abweichenden Beobachtungen vorzog, so geschah dies aus der seinen unbestreitbaren Verdiensten und seinem Alter schuldigen Bücksicht ; ich bedauere es daher aufrichtig, dass ich in diesen Zeilen zu einer Ausnahme genöthigt worden bin.

 

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