Die Bulgaren in ihren historischen, ethnographischen und politischen Grenzen. Atlas mit 40 Landkarten.

Vorwort von D. RIZOFF

 

20. Die ethnographische Karte von Hahn und Zach (1861)

21. Die russische ethnographische Karte (1857)

22. Die ethnographische Karte von Mackensie und Irby (1867)

23.    „             „                        „   Prof. Erben (1868)

24.    „             „                        „   Elisée Reclus (1876)

25.    „             „                        „   Kiepert (1876)

26.    „             „                        „   Synvet (1877)

27.    „             „                        „   Sax (1877)

28.    „             „                        „   Slavischen Gesellschaft (1890)

29. Die ethnographische Karte von Kantschoff (1900)

 

20. — Die ethnographische Karte von Hahn und Zach (1861).

 

Diese sehr interessante, in Faksimile wiedergegebene Karte ist dem Buch „Reise von Belgrad nach Saloniki. Von J. G. von Hahn, K. K. Konsul für das östliche Griechenland. Wien 1861, mit 2 Karten” beigefügt.

 

Die von Bulgaren bewohnten Orte sind auf der Karte mit den hinter den Namen der Orte gesetzten lateinischen Buchstaben В und Bu bezeichnet, die serbischen Orte mit S und die albanischen mit A. Leider zwang der Raummangel dazu, die Karte um die Hälfte zu verjüngen, so dass sie ohne Vergrösserungsglas schwer lesbar ist. Dennoch genügt ein aufmerksamer Blick auf die Karte, um zu erkennen, dass die serbischen Wohnorte nördlich vom Pusta-Fluss beginnen, dass die bulgarischen im Becken der Morawa bis zu deren Quellen vorherrschen, dass solche auch in den Becken der Flüsse Sitnitza und Neredimka vorkommen und dass südlich der Morawa kein einziger serbischer Wohnort angezeigt ist.

 

Diese Karte hat für uns einen besonderen Wert, weil sie unter der Mithilfe J. Zach's, des damaligen Leters der serbischen Militärakademie gearbeitet wurde, der dabei den serbischen Standpunkt hervortreten lässt; sie kann daher beinahe als eine serbische Karte betrachtet werden — dies um so mehr, als sie die serbischen Gelehrten und Politiker jener Epoche vollständig befriedigle. Dies geht aus einem Briefe hervor, den Jowan Gawrilowitsch an Wuk Karadjitsch, den bekannten Folkloristen und Ethnographen, den Schöpfer der serbischen Schriftsprache und Rechtschreibung, gerichtet hat (siehe „Die Korrespondenz Wuk Karadjitsch's”. Belgrad 1907—1912, 6 Bände).

 

Von Hahn selbst gilt als genauer Kenner Albaniens und des westlichen Teils der Balkanhalbinsel. Seine Arbeit „Albanesische Studien” (3 Bände), das oben erwähnte Buch sowie sein Werk „Reise durch das Gebiet Drin und Wardar. Wien 1869” sind Studien von höchstem Wert für die Kenntnis der Halbinsel. Von Hahn hat die Reisen teils im Auftrag der Regierung in Wien, teils in dem der Wiener Akademie der Wissenschaften vollführt. Er kannte die ethnographischen Verhältnisse auf der Balkanhalbinsel gründlich und konnte daher über das Verbreitungsgebiet der Bulgaren sehr wahrheitsgemässe Angaben machen.

 

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( 20. — Die ethnographische Karte von Hahn und Zach (1861) )

 

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21. — Die russische ethnographische Karte (1867).

 

In der alten russischen Hauptstadt Moskau ist auf Anregung der russischen Slawophilen 1867 eine „Slawische Ausstellung” veranstaltet worden, an der die hervorragendsten Panslawisten jener Zeit teilnahmen. Für diese berühmte Ausstellung, die bis heute einzig in ihrer Art geblieben ist, hatte man eine ethnographische Karte aHer slawischen Stämme ausgearbeitet, die dazumal großen Eindruck machte und von allen anwesenden slawischen Abgeordneten gutgeheißen wurde. Die Karte hatte seinerzeit einen derartigen Erfolg, daß sie bis 1877 dreimal herausgegeben werden mußte. Sie ist infolge ihrer Bedeutung historisch geworden, wurde von M. F. Mirkowitsch, dem damaligen russischen Geographen und Ethnographen entworfen, und bekam die Bezeichnung „Ethnographische Karte der slawischen Völker”. Aus einem gedruckten Blatt, das sich auf diese Karte bezieht, ersieht man, daß der Verfasser nicht bloß die ethnographische Literatur über die Balkanhalbinsel sorgfältig zu Rate gezogen, sondern sich auch bezüglich bestimmter Gegenden der Balkanländer bei guten Kennern dieser Gebiete unterrichtet hat. Von dieser Karte ist der Teil, der die Halbinsel betrifft, wiedergegeben, und zwar nach der hier eingehaltenen Methode, in Faksimile und in den Dimensionen und den Farben des Originals.

 

Dieser russischen Karte zufolge gehören fast ganz Mazedonien, die Region Nisch, selbst das Städtchen Knjajewatz (Grgussowatz) eingeschlossen und die Dobrudscha zum bulgarischen Volksgebiet.

 

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( 21. — Die russische ethnographische Karte (1867) )

 

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22. Die ethnographische Karte von Mackensie und Irby (1867)

 

[[ Two courageous and enlightened British ladies, Mackensie and Irby, travelled through a large part of the Balkan peninsula in the years 1862 and 1863. They published their studies in 1867 in London in the book „The Turks, the Greeks and the Slavons. Travels in the Slavonic Provinces of Turkey-in-Europe. By G. Muir Mackenzie and A. P. Irby, London, 1867. With Maps etc.” The authors approached their subject very seriously. Everywhere they went they met the local people and collected information from them. The information was later checked with the consuls and missionaries. Their conscientiousness and objectivity was so high that when in Constantinople, they met with representatives of both the Greek Patriarchate and the Bulgarian people in order to verify once more the collected by them data. Simultaneously, they also investigated the ongoing at that time Greko-Bulgarian church dispute which ended with the creation of the Bulgarian Exarchate in 1870. How much their book was appreciated by the people versed in these matters is seen by the fact that it was translated into several languages and that a second edition appeared in 1877, with a foreword by the great Gladstone.

 

The book is supplemented with an ethnographical map which we reproduce in facsimile in the size of the original. As it can be seen from this map almost the whole of Macedonia (to the west reaching the river Cherni Drim and to the south-west – the mountain Gramos), the whole district of Nish, Dobrudzha and a part of southern Bessarabia are included in the boundaries of the Bulgarian people.

 

It is worth mentioning the interesting detail that this book was translated into Serbian by the well-known Serbian statesman and academician Cheda Mijatovich who also served several times as Serbian minister and who was for several years the Serbian ambassador in London until the brutal murder of the dynasty of Obretenovich in Serbia. Mr. Mijatovich presented this book to the Serbian people with one foreword, full with admiration, in which not only there is not a single word of objection that Macedonia and the district of Nish are shown as Bulgarian lands but he even praises Mackensie and Irby for their objective depiction of the Slavic peoples in Macedonia, Bosnia and Hertzegovina. And the Serbian readers of this book did not object either. ]]

 

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( 22. Die ethnographische Karte von Mackensie und Irby (1867) )

 

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23. — Die ethnographische Karte von Professor Erben (1868).

 

Der tschechische Schriftsteller Jaromir Erben (1811—1870) war ein guter Kenner der slawischen Sprachen, Geschichte und Mythologie. Er hat wertvolle Studien über die slawische Mythologie geschrieben. Seine Karte „Мара Slovanskèho Svèta” ist nicht originell. Wie Erben selbst in dem Untertitel der Karte bemerkt, ist sie von ihm auf Grund der ethnographischen Angaben einiger Autoren zusammengesetzt. Die Karten von Schafarik, Lejean und die russische Karte von Mirkowitsch (1867) haben dabei die größte Anwendung gefunden. Erben's Karte ist als Anhang einer tschechischen Revue erschienen und hatte den Zweck, den Tschechen die Ausbreitung der Slawen in Europa bekanntzugeben.

 

Diese Karte ist hier gerade ihres kompilatorischen Charakters wegen veröffentlicht, da es unmöglich wäre, alle von Erben benutzten Karten abzudrucken. Selbstverständlich ist nur der auf die Balkanhalbinsel bezügliche Teil, fast um das Doppelte vergrößert und dies unter Beibehaltung der Genauigkeit und der Farben des Originals, hier reproduziert.

 

Nach dieser Karte sind ganz Mazedonien, die Region Nisch und die Dobrudscha Gebiete, deren slawische Bewohner als Bulgaren bezeichnet werden.

 

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( 23. — Die ethnographische Karte von Professor Erben (1868) )

 

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24. — Die ethnographische Karte von Elisée Reclus (1876).

 

Das Hauptwerk des berühmten französischen Geographen Elisée Reclus (1830—1905) „Nouvelle Géographie Universelle”, in Paris von 1875 bis 1894 in 18 umfangreichen, mit Karten und Bildern reich versehenen Bänden erschienen, ist für jeden, der sich mit der Erdkunde befaßt, zum Nachschlagebuch geworden. Dieses Werk ist in Frankreich der erste Versuch, der Geographie wissenschaftliche Grundlagen zu geben.

 

Gleich der Karte von Erben ist auch die von Reclus eine Kompilation, als solche wird sie aber hier deshalb reproduziert, weil ein allgemein bekannter Geograph, der in der einschlägigen Literatur Bescheid weiß, die Quellen (Lejean, Kanitz und de Czoernik) gewählt hat und sie mit einer wahrhaft wissenschaftlichen Unparteilichkeit zusammengesetzt hat. Die Bemerkung Reclus' unterhalb der Karte zeigt, wie weit seine Unparteilichkeit geht.

 

Die Karte ist fast in der Originalgröße faksimiliert. Obgleich sie bloß die großen Städte angibt, ist die Feststellung nicht schwierig, daß fast ganz Mazedonien und die ganze Nisch-Gegend als Gebiete bezeichnet sind, in denen die Bulgaren vorherrschen.

 

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( 24. — Die ethnographische Karte von Elisée Reclus (1876) )

 

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25. — Die ethnographische Karte von Kiepert (1876).

 

Der große Name des berühmten deutschen Geographen und Kartographen Heinrich Kiepert (1818—1899) datiert von seinem von 1840 erschienenen hervorragenden Atlas von Hellas, worauf er nacheinander die ausgezeichneten Karten von Kleinasien und Palästina, die er in diesen Gebieten gearbeitet hatte, veröffentlichte; diesen folgte der bekannte „Bibel-Atlas”, von dem im Laufe von acht Jahren drei Auflagen erforderlich wurden. Die zahlreichen kartographischen Arbeiten Kieperts zeichnen sich sämtlich durch ihren wissenschaftlichen Wert und bis dahin unbekannte Genauigkeit aus. Für die seltenen Verdienste verlieh ihm die Pariser Weltausstellung vom Jahre 1867 den gr Ben Preis für Kartographie.

 

Kiepert verlegte sich auf die Erforschung des ottomanischen Kaiserreiches, er begann mit Kleinasien und befaßte sich dann mit Europa. Während seiner wissenschaftlichen Fahrten besuchte er auch die von Bulgaren bewohnten Länder und befragte die Bewohner und viele von den in Konstantinopel lebenden Bulgaren über die Ausbreitung ihrer Stammesgenossen, indem er zugleich die ethnographische Literatur über die Balkanhalbinsel emsig studierte. Das Ergebnis dieser Untersuchungen und Forschungen ist die hier in Faksimile und wegen Raummangels etwas verkleinerte reproduzierte Karte. Obgleich sie mehr türkische und albanische Wohnsitze zeigt, als es in Wirklichkeit gegeben hat, stellt sie doch so manchen Irrtum der früheren ethnographischen Karten richtig. Wie leicht festzustellen ist, sieht auch Kiepert ganz Mazedonien (mit albanischen Sprenkeln im Westen und griechischen im Süden) und die ganze Gegend von Nisch für Gebiete an, die hauptsächlich von Bulgaren bewohnt sind.

 

Diese Karte von Kiepert hatte das glückliche Los, eine gewisse historische Bedeutung zu gewinnen: sie diente der europäischen Konferenz in Konstantinopel von 1876—1877 als Grundlage zur Bestimmung der Grenzen der beiden autonomen bulgarischen Provinzen; ebenfalls nach dieser Karte wurden auf dem Berliner Kongreß von 1878 die Grenzen der Balkanhalbinsel festgesetzt. Es ist auch bekannt, welch hohen Wert ihr Fürst Bismarck beimaß.

 

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( 25. — Die ethnographische Karte von Kiepert (1876) )

 

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26. — Die ethnographische Karte von Synvet (1877).

 

Diese Karte ist eine griechische. Der Franzose A. Synvet, Professor der Geographie am oltomanischen Lyceum in Konstantinopel, hat sie gezeichnet; sie ist jedoch nach den vom griechischen Patriarchat gemachten Angaben zusammengesetzt. Die Griechen haben sie stets als ihre Karte bezeichnet.

 

Diese Karte ist hier (in Faksimile und etwas verjüngt) aus drei Gründen abgedruckt: 1. um wieder einmal unsere völlige Unparteilichkeit gegenüber den anderen Prätendenten auf Mazedonien zu beweisen; 2. um darzutun, daß Serbiens Verbündete von heute, die Griechen, 1877 das Vorhandensein von Serben in Mazedonien bestritten; und 3. um in klarer Weise hervorzuheben, daß die Griechen selbst die christliche Mehrheit Mazedoniens für bulgarisch sprechende Griechen ansehen. Synvet nennt sie auf seiner Karte „Greco-Bulgaren” und die griechischen Zeitungen haben sie immer „Vulgarophoni Hellini” (Griechen bulgarischer Sprache) gehefßen. Die Erklärung, die die Griechen für ihre Theorie von den bulgarisch sprechenden Griechen geben, ist höchst seltsam. Sie behaupten, Mazedonien sei immer von Griechen bewohnt gewesen, aber bulgarische Barbarenhorden, die ins Land eingefallen sind, haben ihnen ihre Sprache aufgezwungen. Ist es denn möglich, daß ein Volk ohne Kuhur seine barbarische Sprache einem kultivierten Volk, das die Sprache eines Sokrates und Demosthenes spricht, aufdrängt? Mögen sich die intelligenten Leser des Auslandes darüber äußern, inwieweit diese griechische Theorie begründet ist. Es sei hier an die allgemein bekannte historische Tatsache erinnert, daß es den Türken im Laufe von Fünfjahrhunderten nicht gelungen ist, ihre Sprache den von ihnen in Europa unterworfenen Völkern aufzuzwingen, nicht einmal jenen Christen, die den mohammedanischen Glauben angenommen haben, und alle Welt weiß, daß die mohammedanischen Griechen im Epirus griechisch sprechen, die mohammedanischen Serben in Bosnien und der Herzegowina — serbisch, und die mohammedanischen Bulgaren in Mazedonien und der Rhodope — bulgarisch sprechen.

 

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( 26. — Die ethnographische Karte von Synvet (1877) )

 

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27. — Die ethnographische Karte von Sax (1877).

 

Diese österreichische Karte ist die Frucht einer siebzehnjährigen Arbeit. Karl Sax war lange Jahre österreichisch-ungarischer Konsul in Sarajewo, Rustschuk und Adrianopel. Er bereiste kreuz und quer die europäische Türkei (kannte die Werke und Karten von Boue, Lejean, von Hahn, Kanitz, Kiepert, Synvet u. a.), sammelte Material und berichtigte es nach den Angaben fast aller österreichisch-ungarischer Konsuln und Vizekonsuln in der europäischen Türkei, und nach all dem veröffentlichte er eine lange Reihe von bedeutsamen Untersuchungen über die Balkan-Bevölkerung. Die Karte von Sachs ist wegen seiner Sachkenntnis von großer Wichtigkeit. Sie wurde in Form einer Broschüre 1878 von der Kaiserlich und Königlichen Geographischen Gesellschaft in Wien herausgegeben, deren Kompetenz in dieser Frage nicht geringer ist. Die Broschüre enthält statistische Angaben über die verschiedenen Völker der europäischen Türkei und führt den Titel „Ethnographische Karte der europäischen Türkei und ihrer Depedenzen zur Zeit des Beginns des Krieges von 1877 von Karl Sax, K. u. K. österreichisch-ungarischer Konsul in Adrianopel. Herausgegeben von der Kais, und Königl. Geographischen Gesellschaft Wien 1878”.

 

Die folgende in der Broschüre enthaltene Anmerkung ermöglicht die Beurteilung der Ansicht der geographischen Gesellschaft von dem wissenschaftlichen Wert dieser Karte:

 

„Mit Herrn Konsul C. Sax's Karte lag uns zugleich eine ethnographische Kartenskizze der Türkei vom Hofrathe Karl Freiherrn von Krauss vor, welche auf Grundlage der besten Quellen in gleicher Weise wie die vorliegende, die Nationalität und Konfession berücksichtigt. Ein eingehender Vergleich beider Entwürfe zeigte nahezu vollständige Übereinstimmung und gab uns die Überzeugung, daß Herrn Konsul Sax's Karte, das Resultat siebzehnjähriger Studien an Ort und Stelle, als ein den tatsächlichen Verhältnissen am nächsten kommendes kartographisches Bild der Ethnographie gelten muß.”

 

Um die ganze Tragweite dieser Würdigung der Karte von Sax seitens der Kaiserlichen und Königlichen Geographischen Gesellschaft in Wien zu erfassen, muß man sich vor Augen halten, daß die Karte aus dem Jahre 1878 herrührt, als die offiziellen Diplomaten Österreichs in Besorgnis vor den Eroberungsabsichten Rußlands offen für die Trennung Mazedoniens von dem eben geschaffenen Fürstentum Bulgarien kämpften.

 

Diese Karte ist hier in Faksimile und in unmerkbar veränderten Dimensionen wiedergegeben. Ihr zufolge sind fast ganz Mazedonien (mit albanischen Sprenkeln im Westen und Nordwesten) und die ganze Gegend von Nisch hauptsächlich von Bulgaren bewohnt.

 

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( 27. — Die ethnographische Karte von Sax (1877) )

 

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28. — Die ethnographische Karte der slawischen Wohltätigkeitsgesellschaft in Petrograd (1890).

 

Diese „Karte der slawischen Völker”, von N. C. Zarjanko verfaßt und von V. V. Komaroff herausgegeben, ist in Wirklichkeit ein Werk der slawischen Wohltätigkeitsgesellschaft in Petrograd. Sie ist nach Beratung mit den slawischen Professoren, Mitgliedern der Gesellschaft, geschaffen worden Bei ihrer Ausarbeitung verfügten die Autoren über eine ungenein reichhaltige fremde und russische Literatur zu dem Stoff, über die von bekannten russischen Forschern, Viktor Grigorowitscn, Hilferding u. a. auf Reisen in der europäischen Türkei vorgenommenen Untersuchungen und über das reiche Material, das sich im russischen Ministerium des Auswärtigen, in den russischen Botschaften in Konstantinopel und Wien und dem russischen Großen Generalstab vorfindet. — Diese Karte enthält wichtige Berichtigungen der oben veröffentlichten russischen Karte von 1867. namentlich bezüglich der Ausbreitung der Bulgaren in Südthrazien, Deli-Orman und der Dobrudscha, zeigt sie Ähnlichkeit mit der russischen Karte von A. F. Rittich, „Karte der West und Südslaven. Petrograd. Verlag der kartographischen Anstalt A. Jlin”, sowie mit der „Karte Mazedoniens” von B. Teplow, der lange Zeit Beamter der russischen Botschaft in Konstantinopel gewesen ist.

 

Der auf die Balkanhalbinsel bezügliche Teil ist hier nach der ersten Auflage faksimiliert, selbstverständlich in den Farben und der Größe des Originals. Ihre Veröffentlichung erfolgt wegen ihrer Urkundlichkeit, Genauigkeit und Unparteilichkeit und weil sie eine Geschichte hat, die kurz erzählt zu werden verdient.

 

Beim Erscheinen der Karte erhielt der damalige serbische Gesandte in Petrograd, G. Simitsch, von Belgrad den Auftrag, dagegen Verwahrung einzulegen, daß auf ihr Mazedonien als bulgarisches Land dargestellt ist. Der Einspruch wurde hei der slawischen Wohltätigkeitsgesellschaft und bei der russischen Regierung erhoben. Infolge dieses zweifachen Protestes sah sich die slawische Wohltätigkeitsgesellschaft genötigt, eine zweite Auflage der Karte herauszugeben, auf der die bulgarische Färbung Mazedoniens beseitigt war. Aber wie es schon bei solchen Sachen zu geschehen pflegt — man dachte nicht daran, die statistische Tafel der Bulgaren in Mazedonien (die hier wegen Raummangels nicht reproduziert wird) zu verändern, und man vergaß, auf der Farbenspalte eine besondere Farbe für die „mazedonischen Slawen” zu verwenden.

 

Diese seltsame Geschichte rief in den Sälen der Wohltätigkeitsgesellschaft lange AuseinandeiSetzungen zwischen den serbischen und bulgarischen Vertretern über Mazedonien hervor. Ein russischer Journalist, namens Peter Nebolsin, der als Korrespondent der „Nowoje Wremia” lange Zeit in Bulgarien und Serbien gelebt hat und beide Völker genau kannte, machte diesem Wortstreit ein Ende. Neboisin empfahl ein originelles und geistreiches Kriterium, um die Nationalität der „mazedonischen Slawen” untrüglich festzustellen, und zwar: Eine Kommission von Slawisten soll in Mazedonien umherreisen und erfragen, welche Slawen Gott schmähen und welche dies nicht tun. Da Serben die einzigen Slawen sind, die gegen Gott Flüche ausstoßen, soll die Kommission als Serben alle jene mazedonischen Slawen erklären, die Gott schmähen — und als Bulgaren alle jene, die es als eine Sünde betrachten, den Namen Gottes zu lästern.

 

Man kann sich die niederschmetternde Wirkung dieses psychologischen Kriteriums vorstellen, wenn man bedenkt, daß niemand in Mazedonien Gott schmäht.

 

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( 28. — Die ethnographische Karte der slawischen Wohltätigkeitsgesellschaft in Petrograd (1890) )

 

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29. Die ethnographische Karte von Kantschoff (1900).

 

Diese Karte von Mazedonien ist eine bulgarische. Sie rührt von Vassil Kantschoff her, der lange Zeit Inspektor der bulgarischen Schulen in Mazedonien war und in dieser Eigenschaft das Land nach allen Richtungen bereiste. Man darf ohne Übertreibung sagen, daß es keinen Winkel Mazedoniens gibt, den Kantschoff nicht besucht und nicht erforscht hätte. Er war zu solchen Studien besonders geeignet, weil er die ethnographische Literatur über die Balkanhalbinsel beherrschte und ein unglaublich objektiver Mann, selbst in nationalen und politischen Fragen, war. Überdies standen Kantschoff zu diesem Zwecke alle bulgarischen Lehrer in Mazedonien zu Gebote, die ihre Bezirke wie ihre eigenen Taschen kannten.

 

Es ist bloß bedauerlich, daß der beschränkte Raum dazu gezwungen hat, die Karten mindestens um die Hälfte verjüngt zu faksimilieren, so daß sie ohne Vergrößerungsglas schwer entziffert werden kann. Allein die Leser haben sich wohl bereits schon so sehr mit der ethnographischen Karte der Halbinsel vertraut gemacht, daß sie sich auf der ethnographischen Karte Mazedoniens zurechtfinden, auch wenn sie erheblich verkleinert ist.

 

Aufrichtig zu beklagen ist, daß dieser Karte nicht die des zeitgenössischen serbischen Geologen, des Ideologen des chauvinistischen Allserbentums, Professor Zwiifsch, des Erfinders der „mazedonischen Slawen”, angeschlossen werden kann. Allein da dieser serbische Gelehrte im Zeitraum von nur 5 Monaten, und dies aus rein politischen Gründen, zwei verschiedene Meinungen über die ethnographischen Verhältnisse in Mazedonien geäußert hat, darf angenommen werden, daß seine ethnographische Karte gar keinen wissenschaftlichen Wert besitzt. Es ist bekannt, daß Professor Zwütsch im Oktober 1912 in der englischen Zeitschrift „Review of Reviews” als serbische ethnographische Sphäre in Mazedonien bloß die nördlichen Kreise der Provinz Uesküb (die Städte Uesküb, Kumanowo und Tetowo) und einen kleinen Teil von Nordwestmazedonien (die Städte Debr und Struga) anerkannt, und im März 1913 in der deutschen Zeitschrift „Petermanns geographische Mitteilungen” eine ethnographische Karte Mazedoniens veröffentlicht hat, auf der er fast beinah die Hälfte von Mazedonien mit dem serbischen Blau färbte, während er den übrigen Teil bulgarischen Volksgebietes (mit Ausnahme der Bewohner der Ostgrenze) für „slawische Mazedonier” erklärte.

 

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( 29. Die ethnographische Karte von Kantschoff (1900) )

 

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